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Investments in Gold: Vacheron Constantin’s 222 vs. die Polo 79 von Piaget
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Investments in Gold: Vacheron Constantin’s 222 vs. die Polo 79 von Piaget

Gelbgoldene Uhren – sie gelten seit jeher als Symbole ultimativen Erfolges: Unverkennbar aus Edelmetall gefertigt sind sie nichts für Freunde der Zurückhaltung. Stattdessen lassen sie das Umfeld unmissverständlich verstehen, dass es der Träger des Zeitmessers zu genug Wohlstand für einen derart kostspieligen Zeitmesser gebracht hat. Bei aller Wertschätzung für die Uhrmacherei sind gelbgoldene Uhren also immer auch ein klares Bekenntnis zum Hedonismus. Zur Freude am zu viel, zum Können und Machen wo andere nur ungläubig staunen, dass es derartige Luxus-Spielzeuge überhaupt gibt.

Entsprechend groß war die Aufmerksamkeit, die Vacheron Constantin vor zwei Jahren mit der Neu-Lancierung der 222 in Gelbgold erregte. Auch die Präsentation der Polo 79 aus dem Hause Piaget vor wenigen Monaten wurde intensiv besprochen, war es doch ein weiteres Modell der Kategorie „Edel-Zeitmesser mit integriertem Armband und langer Historie“, das in Gelbgold auf den Markt drängte.

Hier bei Swisswatches Magazine zeigten wir Aufnahmen beider Uhren in einem Instagram-Post, und stellten dazu die Frage, welche der beiden wohl die bevorzugte Wahl wäre – was die Seelen der Uhren-Social-Media-Gemeinschaft offensichtlich berührte. Die Rückmeldungen in den Kommentaren waren allemal zahlreich, und die allermeisten bekannten sich zum Team Vacheron Constantin. Aber warum eigentlich? Und: Zurecht? Grund genug sich die beiden Modelle noch einmal genauer anzuschauen.


Eine Frage der Optik: Juwelierkunst trifft auf uhrmacherische Prioritäten


Die Ur-222 wurde 1977 anlässlich des 222. Jubiläums der Maison Vacheron Constantin präsentiert. Das Design von Jorg Hysek brach mit dem auch damals ansonsten sehr klassischen Look der Produkte des Hauses, und folgte dem Trend zu sportlich-edlen Zeitmessern mit integrierten Armbändern, der damals von Manufakturen wie Audemars Piguet, Patek Philippe oder auch IWC als Wachstumsfeld ausgemacht worden war, und die damit damals dem Zeitgeist zwar ein paar Schritte voraus waren, doch damit in diesen Jahren Modelle schufen, die heute zu den begehrtesten und wertstabilsten Modellen der Welt gehören.

Die historische 222, Spitzname „Jumbo“, hatte einen Durchmesser von 37 Millimetern und ein aus einem Stück gefertigtes Monobloc-Gehäuse, weshalb das Uhrwerk von oben eingesetzt werden musste. Sie war sehr klar gestaltet, mit einem Armband aus sechseckigen Gliedern, die der 222 einen sehr funktionalen, kompakten und geschlossen-wertigen Look geben. Die Optik der Lünette wiederum ist geprägt von ihrer Kannelierung. Die untere rechte Ecke des Gehäuses zierte auch schon damals das Malteserkreuz-Emblem von Vacheron Constantin. Produziert wurde die Uhr in Stahl, Gelbgold und Bi-Color, zunächst nur in 37 Millimeter Durchmesser, später dann auch in kleineren Ausführungen mit 34 sowie 24 Millimeter Durchmesser.

Als Vorlage für die neue 222, die bei Vacheron Constantin Teil der Historiques-Kollektion ist, wurde die Referenz 44018 gewählt. Dabei war es nie das Ziel ebendiese eins zu eins zu kopieren, sondern die Vorlage aus den 1970ern in das neue Jahrtausend zu übersetzen. Vintage-Charme trifft auf die technischen Möglichkeiten von 2022. Fürs Design bedeutet das: Der Gehäuseboden ist gläsern und erlaubt Einblicke aufs Werk.

Die Finissage ist insgesamt aufwendiger, die Indizes beispielsweise poliert, die Lünette erhält einen Rundschliff, Krone und Armband sind vertikal satiniert. Zeiger und Indizes sind mit Super-LumiNova beschichtet, und das Datumsfenster weiter vom äußeren Rand des Zifferblattes abgesetzt. Alles in allem bietet die gelbgoldene 222 eine extrem harmonische Gesamterscheinung, und der satinierte Look lässt selbst das sonst eher laute Gelbgold distinguiert schimmern. Kein Wunder also, dass das Modell seit seiner Lancierung schwer nachgefragt ist, und in Brad Pitt seinen wohl berühmtesten Besitzer gefunden hat.

Bei der Ur-Polo war dies einst Andy Warhol. Die Uhr stammt aus dem Jahr 1979, und wurde damals sowohl in 27 als auch 34 Millimeter-Varianten präsentiert, und das in runden als auch in quadratischen Gehäusevarianten. Optisch dominierendes Merkmal des Modells sind die Gadronierungen, die man nur sehr umgangssprachlich als Rillen oder auch Zierfugen bezeichnen kann, und die das Design des Armbandes auf das Gehäuse ausdehnen. Angetrieben wurden die beiden ersten Polos von dem neu für Piaget entwickelten Quarz-Kaliber 7P. Von den wenigen tausend Polo-Exemplaren die in den Jahren 1979 bis 1990 in unterschiedlichsten Varianten produziert wurde sollte dann auch die überwältigende Mehrheit mit Quarz-Werken ausgestattet werden, nur eine verschwindend geringe Zahl wurde mit Automatikwerken ausgeliefert. Jawohl, Quarz! So logisch und nachvollziehbar die Kaliberwahl aus damaliger Sicht war, so sehr belastet das Wörtchen „Quarz“ in der heutigen, auf mechanische Kaliber fixierten Zeit vermutlich die Anerkennung der Polo als respektables Mitglied des Teams Nautilus, Royal Oak, 222 & Co.

Zumal Piaget doch so berühmt für seine – Achtung, zweites Reizwort – Schmuckuhren ist! Gleichzeitig darf die geneigte Sammlerschaft nicht vergessen, dass das Hause Piaget ursprünglich von keinem Juwelier, sondern von einem Uhrmacher begründet wurde. Georges-Édouard Piaget zumindest entstammt einer Bauernfamilie, und ist einer jener Männer, die im Schweizer Jura-Gebirge einst mit der Uhrmacherei begannen und die Region in der Folge für ihre Haute-Horlogerie-Kompetenz weltberühmt machten. Entsprechend hoch ist bis heute auch der Anspruch an die mechanischen Uhren des Hauses, und vor allem die Expertise in der Herstellung von extrem flachen Werken ist bekannt und durch mehrere Weltrekorde belegt.

Sicher ist auch, dass das Design der Polo einzigartig ist. Das Armband mit seinen Gadronierungen nimmt die ganze Uhr ein. Es ist ein sehr lässiger Look der 1970er, der in der neuen Polo 79 makellos wertig exekutiert wird. In mancherlei Hinsicht sind sich Polo 79 und 222 überraschend einig: Auch die Polo 79 pflegt mit dem gelbgoldenen Blatt eine maximal monochrome Erscheinung, und auch bei der Piaget setzt poliertes Gold lediglich Akzente, während das satinierte Edelmetall dominiert. Mit 38 Millimeter Durchmesser ist die Polo dabei auf dem Papier zwar eine Nuance größer als die Vacheron Constantin, sie trägt sich aber deutlich zierlicher, was auf die Gehäuseform und die Bandanstöße der 222 zurückzuführen ist. Damit wird die Polo 79 ihrer Modell-DNA sehr gerecht und kann durchaus als Unisex-Uhr betrachtet werden, während Größe und Design der 222 insgesamt maskuliner ausgelegt sind.


Was ist ihr Antrieb?


In der Vacheron Constantin verrichtet das Manufaktur-Kaliber 2455/2 mit einer Frequenz von 28.800 A/h (4 Hz) seinen Dienst. In der historischen 222 war es noch das Jaeger-LeCoultre Kaliber 920 mit nur 2,75 Hz. Gleichzeitig ist die neue 222 bis 50 Meter wasserdicht, die alte war es aufgrund ihrer Monobloc-Konstruktion bis 120 Meter.

Auch für die Polo 79 wählte man nun selbstverständlich ein Automatikwerk – das flache Kaliber 1200P1, das bislang der Altiplano-Kollektion vorbehalten war. Der Blick durch den Glasboden ins Uhrwerk offenbart allerdings auch einen Blick auf die Feinregulierung im Stile einer Etachron-Exenterschraube, was in den Augen vieler Sammler einer 80.000-Euro-Uhr nicht wirklich gerecht wird, und die sich neben einer wertigeren Gangregulierung auch eine aufwendigere Finissage des Werkes gewünscht hätten.


Die große Preisfrage: Wertvoll oder zu teuer?


Die Polo 79: Rund 80.000 Euro für eine gut 200 Gramm schwere Zwei-Zeiger-Uhr aus einer 18-Karat-Gelbgold-Legierung. Wobei im Preis der genuss-orientierte Stil der 1980er inklusive ist. Schon damals war die Polo keine preiswerte Uhr, sondern ein Statement. Und bei Piaget wird man nicht müde zu erwähnen wie aufwendig die Produktion von Gehäuse und Armband mit seinen Gadronierungen ist.

Gleichzeitig müssen Vergleiche erlaubt sein: Vacheron Constantin stellt für seine 222 aktuell ebenfalls 80.000 Euro in Rechnung. Audemars Piguet verlangt für seine Royal Oak „Jumbo“ Extraflach in Gelbgold 79.800 Euro. Bei Patek Philippe sind es bei der Referenz 5811 inzwischen 68.950 Euro für ein Modell in Weißgold – die gemeinhin sogar einen kleinen Aufpreis gegenüber gelbgoldenen haben. Und bei Parmigiani Fleurier kostet die Tonda PF Automatic mit 40 Millimeter Durchmesser in Roségold 61.800 Euro. In 36 Millimetern übrigens 60.600 Euro.

Was sagt das dem Enthusiasten? Sicher nicht, Patek Philippe preiswert ist. 80.000 Euro sind für eine schlichte gelbgoldene Uhr mit vollgoldenem Armband immer noch die absolute Ausnahme. Doch Piaget steht mit seiner Preisgestaltung nicht alleine da. Das Spiel mit dem Mythos von Marken und Modellen, mit Angebot und Nachfrage, mit Sehnsüchten und Status-Bedürfnissen – es macht bei der Preisgestaltung so ziemlich alles möglich, es geht hier nicht um reine Ratio. Das ging es noch nie. Vacheron Constantin kann sich dabei in der Preisgestaltung noch mehr auf das uhrmacherische Renommée berufen, die 222 war auch deshalb in den vergangenen Jahren maximal begehrt. Gleichzeitig haben sich die Preise für Vacheron Constantins auf dem Zweitmarkt deutlich abgekühlt. Piaget wiederum steigt preislich in der Spitze ein, und muss nun zeigen, dass die Maison bei den Kunden auch stark genug dasteht. Mit der Polo 79 hat man nun allemal – wieder – ein ganz eigenständiges Uhrengesicht in der Kollektion, auch für jene, denen die „normale“ Polo-Kollektion optisch zu sehr nach einem Hybrid aus Nautilus und Aquanaut aussah.


Und welche ist nun die Beste?


Die Frage nach der besten Uhr ist letztlich ebenso unbeantwortbar wie die Frage nach dem besten Wein, der besten Zigarre, dem köstlichsten Gericht, dem schönsten oder auch kraftvollsten Bild. Überall wo persönliche Stimmungen und Geschmäcker im Spiel sind variieren diese. Ist die 222 aber vielleicht das bessere Angebot? Mit Sicherheit nicht. Doch sie ist vielleicht das komplettere, und wenn man davon in diesen Regionen der Uhrenwelt schreiben darf, das alltags- und massentauglichere Angebot. Ja, eine gelbgoldene Uhr ist immer ein Statement. Die Piaget ist dabei aber einfach noch zwei Nummern exaltierter und optisch auffälliger. Sie ist eine Uhr, für die ihr Träger den passenden Stil parat haben sollte. Viele Käufer von Luxusuhren entscheiden sich für Modelle, die zum eigenen Look passen. Oder weil sie einen Look repräsentieren, den man gerne hätte.

Der Autor dieser Zeilen beispielsweise ist kein 222-Typ. Aber mit ein, zwei Änderungen in der Garderobe könnte er es werden. Für die Polo 79 aber wären deutlich größere Schritte notwendig, ein anderes Verhältnis zum Schmuckfaktor von Uhren zum Beispiel. So ähnlich sich Polo und 222 also in ihren Zutaten sind, so grundverschieden sind sie in Sachen Ausstrahlung und Sammlergefühl. Beide stehen dabei glasklar und ohne Kompromisse für ihre Häuser. Um also auf die Instagram-Frage von Swisswatches Magazine zurückzukommen: Ja, auch ich würde eher eine 222 tragen. Aber die Polo 79 ist die deutlich aufregendere Uhr.


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