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Unter den zahlreichen Partnerschaften, die Richard Mille im Laufe der Zeit mit Sportlern aus den unterschiedlichsten Bereichen eingegangen ist, hat keine so viele Weltrekorde hervorgebracht und einen so nachhaltigen Eindruck auf die Uhrmacherwelt hinterlassen wie die mit Rafael Nadal. Bereits im Jahr 2008 trat Richard Mille an Nadal und sein Team heran, um ihn mit einer Idee zu konfrontieren, die den Lauf von Richard Milles Unternehmensgeschichte maßgeblich verändern sollte: Rafael Nadal sollte – wie es der Rennfahrer Felipe Massa, der jedes Formel-1-Rennen mit seiner Uhr fährt, bereits vorgemacht hat – alle Spiele mit seiner Richard Mille am Handgelenk bestreiten. Diese Kommunikationsstrategie, mit einer nie zuvor dagewesenen Idee, barg allerdings so einige technische Probleme: Wie sollte man eine Uhr konzipieren, die dem extremen Spielstil des Mannes standhält, der den Spitznamen „Stier aus Manacor“ trägt?
Bei den French Open im Jahre 2010 war es dann endlich so weit, und die Teams von Richard Mille präsentierten die RM 027, die Uhr, die speziell auf Nadal und seinen Spielstil zugeschnitten war. Rückblickend können wir sagen, dass die Partnerschaft in den folgenden zehn Jahren Uhren hervorbrachte, die die Art und Weise, wie Richard Mille Uhren heute konstruiert und hergestellt werden, grundlegend verändern sollten. Was diese Kooperation von anderen der Marke unterscheidet, ist, dass Rafael Nadal einige seiner größten Karriereerfolge erzielte, während er eine Richard Mille am Handgelenk trug. Mit jeder neuen Nadal-Uhr konnte man einen spürbaren technischen Fortschritt erkennen und die Entwicklung der Marke durch diese Serie nachvollziehen. In diesem Artikel werfen wir einen detaillierten Blick auf jede Uhr der Kollektion und die Innovationen, die sie mit sich brachten.
Um zu verstehen, welchen Einfluss die erste Rafael Nadal-Uhr, die RM 027, auf die gesamte Kollektion hatte, müssen wir in das Jahr 2010 zurückgehen, als Richard Mille nach Mallorca reiste, um den Weltranglistenersten Rafael Nadal zu besuchen und ihm die Pläne für seine erste Uhr zu präsentieren. Dieser bekam bereits im Jahr 2008 von seinem Agenten den Vorschlag überbracht, mit einer Richard Mille Uhr am Handgelenk zu spielen, was Nadal aber strikt ablehnte, da er fürchtete, beim Spiel von der Uhr behindert zu werden.
Doch in einem Augenblick, der ebenso viel Humor wie Gelassenheit ausdrückte, präsentierte Richard Mille dem sowieso schon skeptischen Nadal anstatt der Pläne die RM 018 „Hommage à Boucheron“, eine Uhr mit schwerem Weißgoldgehäuse, die an ein Boucheron Reflet-Modell von 1947 erinnern sollte, als die Uhr, mit der Nadal von nun an spielen sollte. Als Nadal daraufhin erwiderte: „Ich freue mich, dass du gekommen bist, aber ich kann nicht!“, präsentierte er ihm die wirklichen Pläne: die RM 027, die Initiatorin all dessen, was die RM 027-Reihe in den kommenden Jahren in Sachen Leichtigkeit, Stoßfestigkeit und neuartigen Materialien etablieren sollte. Es ist ein Moment, der uns zu verstehen hilft, was Nadal schon früh an seinem Kooperationspartner zu schätzen gelernt hat: die ungezwungene, humorvolle Atmosphäre, die zu einem der Schlüssel der langen und ergiebigen Freundschaft der beiden geworden ist.
Tatsächlich sagte Rafael Nadal aber auch, als er die Pläne zur sehr leichten RM 027 sah, noch nicht zu, die Uhr zu tragen, da die Befürchtung, dass sie ihn beim Spielen hindern könnte, noch überwogen. Doch als er den ersten Prototypen am Handgelenk trug, schwemmte dieser alle bisherigen Zweifel hinweg.
Doch es sollte dauern, und der Prototyp musste einiges erdulden, bis der Welt die RM 027 vorgestellt werden konnte. Der Prototyp wurde von Nadal bei Spielen getragen, extremen Bewegungen und Stößen ausgesetzt, bis Schweiß und sogar Wasser in ihn eingedrungen war – Rafael Nadal, der aufgrund der Leichtigkeit der Uhr vergaß, dass er überhaupt eine trug, sprang sogar mit ihr in einen Pool. Nach einigen Verbesserungen und Änderungen war es bei den French Open 2010 soweit: Nadal trug erstmals eine Uhr, die weniger als 20 Gramm wog – die RM 027 war geboren und begann an Nadals Handgelenk ihre Geschichte zu vollziehen. Den einstigen Sorgen zum Trotz lief für Nadal auch mit der Uhr am Handgelenk alles ausgezeichnet: Mit ihr am Handgelenk konnte er noch in diesem Jahr drei Grand Slam Turniere für sich entscheiden, darunter sein erster Sieg bei den US Open und schrieb mit seinem siebten aufeinanderfolgenden Sieg bei den French Open im Jahr 2012 Geschichte. Er hat sich sogar so sehr an das Gefühl gewöhnt, dass Nadal selbst in einem Interview zugab, dass es für ihn fast ungewohnt sei, keine Uhr zu tragen.
Das Jahr 2013 brachte Richard Mille nicht nur einen neuen Leichtigkeitsrekord, sondern auch eine noch nie dagewesene Uhrwerkskonstruktion, bei der alles darauf ausgelegt war, den extremen Schocks standzuhalten, die durch Nadals Tennisspiel auf die Uhr einwirkten. Die RM 27-01, mit einem Gesamtgewicht von 19 Gramm inklusive des Armbands, das die schwerste Komponente der Uhr ausmachte, war nicht nur leicht, sondern präsentierte darüber hinaus einen Ansatz, der ebenso technisch ausgereift wie optisch beeindruckend war: die Platine wurde durch geflochtene Stahlseile, die über vier Umlenkrollen an den Gehäuseecken befestigt waren, an ihrem Platz gehalten.
Auch die im Jahre 2015 vorgestellte RM 27-02 nimmt eine besondere Position unter den Rafael-Nadal-Uhren ein, die durch das Streben nach Leichtigkeit die Forschung so vorangetrieben haben, dass Innovationen entstanden. Im Falle der RM 27-02 waren es sogar gleich zwei Ideen, die über die Nadal-Linie hinaus auch die Konstruktion und die Ästhetik der heutigen Richard Mille Uhren bestimmen.
Doch es gibt noch einen weiteren Bezug, der die Uhren, die den Slogan „A Racing Machine on the Wrist“ tragen, mit den Formel-1-Boliden verbindet: die Hochleistungsmaterialien. Um enormen Belastungen standzuhalten und Stabilität zu gewährleisten, ist das Monocoque, so wie das Gehäuse der RM 27-01, aus Carbon gefertigt. Doch Richard Mille ging bei der zweiten Innovation noch einen Schritt weiter. Als erste Uhr griff die RM 27-01 auf eine mit dem Unternehmen North Thin Ply Technology (NTPT) entwickelte Kombination aus Carbon TPT und Quartz TPT zurück, die dem Gehäuse seinen emblematischen schwarz-weißen Look verlieh.
Dieses schwarz-weiße Erscheinungsbild entstand durch einen Schichtaufbau von über 600 Schichten, bei dem sich Quarz- und Karbonfasern abwechselten. Dazu wurden dünne Schichten von Quarz- und Karbonfasern, die maximal 30 Mikron dick waren, in einem automatisierten Verfahren übereinandergelegt, wobei jede Schicht um 45 Grad zur vorhergehenden gedreht wurde. Diese Schichten wurden dann unter einem Druck von 6 Bar und einer Hitze von 120 °C zu einem extrem widerstandsfähigen Verbundmaterial verpresst. Anschließend wurde das gehärtete Material mit CNC-Maschinen präzise bearbeitet, um die endgültige Form des Gehäuses zu erhalten. Das resultierende Gehäuse war leicht, robust und wies einzigartige Muster auf, die durch die individuelle Schichtung der Materialien entstanden, die wie ein Fingerabdruck individuell auf jeden Zeitmesser abgestimmt waren.
Bei den French Open 2017 trug Rafael Nadal eine Uhr, die nicht nur wegen ihrer lebhaften Farben, sondern auch durch ihre imposante Uhrwerkskonstruktion zur aufsehenerregendsten Uhr in der Nadal-Kollektion wurde. Die 27-03 verband die Farben der spanischen Flagge mit innovativer Uhrmacherkunst und bestach vor allem durch ihr Quartz TPT-Gehäuse, das in Zusammenarbeit mit North Thin Ply Technology entwickelt wurde.
Dieses Material setzte sich aus ultradünnen Siliziumdioxidschichten – keine mehr als 45 Mikrometer dick – zusammen, die mit farbigem Harz imprägniert wurden. In einem Autoklaven (gasdicht verschließbare Druckbehälter, die für die thermische Behandlung von Stoffen im Überdruckbereich eingesetzt werden) wurde das Material anschließend bei einem Druck von 6 bar auf 120°C erhitzt, bevor es zur Weiterverarbeitung an den CNC-Maschinen der Richard Mille Manufaktur bereit war. Dadurch entstand eine widerstandsfähige und einzigartige Struktur, die das Gehäuse dank zweier Nitril-O-Ring-Dichtungen bis 50 Meter wasserdicht machte.
Das Kaliber der RM27-03 mit handpolierten Anglierungen und satinierten Oberflächen zeugte von handwerklicher Präzision. Die Brücken, die das Federhaus und das Tourbillon umrahmten, erinnerten an den stilisierten Kopf eines Stiers, ein Symbol für Rafael Nadal und seine Heimat Spanien. Die RM 27-03 beeindruckte mit ihrer Fähigkeit, Schockeinwirkungen von bis zu 10.000 G standzuhalten.
Die RM 27-04 präsentierte im Jahre 2020 den bislang größten Bezug zum Tennissport: Denn in der Bespannung eines Tennisschlägers fand Richard Mille die Vorlage für die Konstruktion der RM 27-04. Anhand dieser Konstruktion, die aus verschiedenen Gesichtspunkten innovativ war, wurde auch die Mischung aus Funktion und Ästhetik deutlich, die die Kollektion im Allgemeinen, aber diesen Zeitmesser im Besonderen prägte und ihn zur möglicherweise emblematischsten Uhr der ganzen Kollektion machte.
Doch die Außergewöhnlichkeit der RM 27-04 innerhalb der Nadal-Linie ging weit über ihr Gewebe hinaus. Auch das bis 50 Meter wasserdichte Gehäuse war eine echte Neuheit. Es bestand aus einem Material namens TitaCarb, einem Hochleistungspolyamid, das häufig in der Luftfahrt und der Medizin eingesetzt wird. Richard Mille entwickelte das Material mit seinem langjährigen Partner Biwi SA weiter. Das Gehäuse wurde mit 38,5 % Kohlenstofffasern verstärkt, welche ihm eine außergewöhnliche Zugfestigkeit von 370 MPa (3.700 kg/cm²) verliehen und es damit zu einem der stärksten Verbundwerkstoffe der Welt machten, das eine Bruchgrenze aufwies, die der von Stahl nahekam. Trotz dieser Eigenschaften wog die RM 27-04 gerade einmal 30 Gramm einschließlich des Armbands.
Man sagt oft, dass eine Richard Mille-Uhr von hinten fast noch schöner ist als von vorne – aber warum ist das so? Die Antwort liegt darin, dass die Vorderseite viele technische Elemente enthält, durch die man die Zeitanzeige erkennen muss. Auf der Rückseite hingegen bleibt nichts verborgen. Die Uhr präsentiert sich in ihrem Rohzustand – sie ist lebendig.
Als erste Uhr in der Kollektion verfügte die RM 27-04 mit einer offenen Gehäuserückseite aus Saphirglas, die den Blick auf die feinen Details der Mechanik freigibt, über genau diese Eigenschaft: die Architektur des diagonalen Uhrwerks, die 5N-Gold-Spannschrauben, die das gesamte Kaliber tragen, die zahlreichen Veredelungsdetails und die Komplexität der Netzkonstruktion – alle waren durch den Gehäuseboden zu betrachten. Damit stellte dieses Sammlerstück transparent die Arbeit der Richard Mille Uhrmacher und Ingenieure in den Vordergrund.
Die Herausforderung, die leichteste Uhr der Reihe herzustellen, forderte die Ingenieure heraus, auch das Uhrwerk neu zu überdenken: Statt Gewicht vom Uhrwerk wegzunehmen, fügten die Uhrwerksingenieure mehr hinzu, um das Exterieur der Uhr noch stabiler zu machen und somit Gewicht beim Gehäuse einsparen zu können. Dieses Konzept konnte deshalb funktionieren, da das Uhrwerk, das zwischen dem oberen Flansch und dem äußeren Gehäuse fixiert wurde, die strukturelle Integrität der Uhr verbesserte und somit als Stütze fungierte.
Ob es das letzte Richard Mille Uhrenmodel sein wird, das wir an Rafael Nadals Handgelenk bei einem Profispiel auf der Tour sehen werden? Das ist gut möglich, denn seine beispiellosen Tenniskarriere neigt sich leider langsam dem Ende zu, wie der Spanier selbst immer wieder andeutet. Doch die Freundschaft zu Richard Mille wird ohne Zweifel weit über seine sportlichen Ambitionen hinausgehen und vielleicht sogar irgendwann die ein oder andere gemeinsame Uhr hervorbringen.