Sie lieben Zeitmesser und machen daraus kein Geheimnis. Unsere Horologie-Fachsimpler Philippe und Alexander im Gespräch über ihr Lieblings-Thema: Patek Philippe.
Alexander: Wir beide hatten vergangene Woche das Vergnügen, bei der Lancierung der neuen „Cubitus“-Modelle von Patek Philippe in München dabei zu sein. Die Aufregung hätte nicht größer sein können. Drumherum, aber auch direkt vor Ort. Inklusive Sammlern, die geschimpft haben, sie wären nie im Leben gekommen wenn sie gewusst hätten, dass SO eine Kollektion vorgestellt wird. Was natürlich nicht stimmt – die wären auch gekommen, wenn Thierry Stern sie zur Präsentation der neuesten Patek-Philippe-Krawatte eingeladen hätte. Oder?
Philippe: Klar. Das Ganze passt einfach in unsere Zeit. Dieser Sturm im Wasserglas, und diese Begeisterung an der Zerstörung. Letztlich gibt es zwei Lager: Die einen lieben die „Cubitus“, die anderen nicht. Wobei ich den Eindruck habe, dass viele sie vor allem deshalb nicht mögen, weil sie sich damit noch besser vom Mainstream abheben und über andere erheben können. Meinem Empfinden nach war die Aufregung um die Uhr allerdings von recht kurzer Dauer, und die Antipathie hat sich – zumindest auf Social Media – nun Thierry Stern zugewandt.
Alexander: Was letztlich auch völlig unsinnig ist. Im Wesentlichen hat er sinngemäß gesagt: ‚Mir gehört das Unternehmen, ich glaube an die Uhr, darum machen wir sie. Und im Übrigen reden wir hier von drei neuen Modellen – in einem Katalog von mehr als 150 Referenzen. Die bekommen wir schon verkauft. Und wer sie nicht haben will: Keiner wird gezwungen.‘ Das Ganze hätte er vielleicht etwas feinfühliger ausdrücken können, aber ehrlich gesagt macht doch genau diese selbstbewusste Haltung des Familienunternehmers Stern für viele den Charme der Marke aus. Ich selber habe ihn ja in einem der „Cubitus“-Interviews erlebt, und es gab nichts was nicht gefragt werden durfte. Das hätten andere Marken in einem CEO-Interview ganz anders gehandhabt, und ich fand es wahnsinnig lässig und stark. Aber nun zur Uhr: Wie findest Du sie denn hier und heute – mit etwas Abstand zur Aufregung der ersten Tage?
Philippe: Zunächst einmal finde ich, dass sie perfekt zur Marke passt. Ich mag auch sehr, dass sie zugleich so polarisiert – das ist doch wunderbar in unserer manchmal sehr glatten Welt. Außerdem habe ich die Uhr auch schon „in der Wildnis“ gesehen. Sie wird also getragen, und wirklich jeder Design-Interessierte erkennt sie. Ein Besitzer hat mir erzählt, dass er in drei Stunden vier Mal auf seine „Cubitus“ angesprochen wurde. Ich konnte sie mir auch genauer anschauen, und finde: Sie hat eine richtig gute Größe und trägt sich sehr angenehm. Für viele ist die Uhr ja eine quadratische, größere Variante der „Nautilus“. Wenn man das so sieht, und sie zum Beispiel mit der Royal Oak und deren Schwesterlinie Royal Oak Offshore von Audemars Piguet vergleicht, dann ist letztere zwar auch schön, aber ein viel schwereres und massiveres Gerät.
Alexander: Wobei Du bei diesem Vergleich die Platin-„Cubitus“ rausnehmen musst, die hat auch eine gewisse Wucht.
Philippe: Das stimmt. Insgesamt finde ich alle drei Uhren aber sehr gelungen. Ist Patek Philippe beim Design auf Nummer sicher gegangen? Vermutlich. Aber wäre es der Marke entsprechend gewesen auf einmal komplett andere Wege zu gehen? Ich denke kaum.
Alexander: Ja, das sehe ich ähnlich. Wenn man in Richtung H. Moser & Cie. oder Ressence denkt, dann wäre die organischere, radikalere Gehäuseform im Stile einer „Streamliner“ oder einer „Type 1“ sicherlich ein Bruch gewesen. Und andersherum argumentiert: Bei Rolex sieht eine „Submariner“ nun auch nicht so wahnsinnig anders aus als eine „GMT-Master II“ oder eine „Yacht-Master“. Trotzdem gelten sie als unterschiedliche Kollektionen innerhalb der Sport-Modelle.
Philippe: Aber die sind halt in anderen, weniger aufgeregten Zeiten vorgestellt worden. Stört Dich eigentlich die Verwendung von runden Kalibern in der quadratischen Gehäuseform?
Alexander: Nein, wäre es ein sehr kleines Kaliber im sehr großen Gehäuse gewesen, dann vermutlich schon. Aber so schön ein eckiges Werk aus Sammlersicht auch gewesen wäre, so verstehe ich, dass man sich mit der runden Form des 240 PS CI J LU auch die Verwendung in anderen Linien offenhält.
Philippe: Exakt. Als kleines Independent-Label kann man so denken und kalkulieren, und das findet in der Nische dann großen Anklang. Aber das ist nicht Patek Philippe! Bei aller Ansprüche an Qualität und Handwerk: Dort entwickelt man Kaliber weiter, und verwendet sie eben in der Regel für verschiedene Modelle und oft über Generationen von Neuheiten – was auch betriebswirtschaftlich einfach sinnvoll ist. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Großdatum mit augenblicklich springender Anzeige nur der Anfang ist, und sich von der „Cubitus“ aus seinen Weg in die Restkollektion bahnen wird.
Alexander: Auf Social Media gibt es bei Swisswatches Magazine ja einen fotografischen Direktvergleich: Nautilus 5711 mit grünem Blatt gegen Cubitus 5821/1A mit grünem Blatt. Mal angenommen Du müsstest Dich entscheiden – wie würde die Wahl ausfallen?
Philippe: Grundsätzlich finde ich es cool, dass nun jene die bei der letzten Runde der „5711“ keine ergattern konnten, nun auf eine grüne „Cubitus“ hoffen können. Die Neue ist anders, aber eben nicht soooo anders. Wenn beide nebeneinander in meinem Tresor liegen würden, dann würde ich mich mit ziemlicher Sicherheit häufiger für die „Cubitus“ entscheiden. Ehrlich! Ich habe das Gefühl, dass die Uhr erst einmal bei den Kunden und Uhrenfans richtig ankommen muss, denn wenn man sie in der Realität sieht versteht man: Sie in in keinster Weise laut, im Gegenteil. Sie ist groß, aber nicht zu groß. Es ist einfach eine ziemlich perfekte Referenz für viele Gelegenheiten. Die „Nautilus“ wäre für mich dann die Uhr für besondere Gelegenheiten, auch weil sie ganz einfach die deutlich seltenere Uhr ist und bleiben wird.
Alexander: Lustig, ich würde es genau andersherum betrachten. Für mich wäre die grüne „Nautilus“ – wenn man einmal die Seltenheit ignoriert – das Modell, das fast immer und überall passt. Die „Cubitus“ hingegen betrachte ich als die krassere Statement-Uhr. Das mag nun unfair gegenüber dem zeitlosen Entwurf der „Nautilus“ von Gerald Genta sein, aber: Hier und jetzt erscheint sie mir mehr als ein „Designer-Stück“ und ein zeitgeistiger Hingucker als das Original. Vielleicht auch deshalb, weil es aus dem Stand eines der berühmtesten Uhrendesigns der Welt geworden ist.
Philippe: Meiner Einschätzung nach ist die Zuneigung zur neuen Kollektion so oder so schon jetzt eine ganz andere, als bei der Präsentation. Es ist und bleibt halt nur keine „Einsteiger-Patek“, und relativ selten wird sie obendrein bleiben. Ich habe von mehreren deutschen Konzessionären gehört, die jeweils mehrere hundert Anfragen hatten – und das war nur am Tag nach der Premiere.