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Auf den Spuren des uhrmacherischen Erbes von Longines

Auf den Spuren des uhrmacherischen Erbes von Longines

longines watch 183

Eine Marke nach einer ‚langen Wiese’ zu benennen, klingt genauso märchenhaft wie die Geschichte der Uhrenmarke Longines aus dem idyllischen Dorf ‚Les Longines’ in Saint-Imier, was so viel wie ‚längliche Wiese’ bedeutet. 1832 von Auguste Agassiz gegründet, wuchs die Marke in den letzten 187 Jahren genauso beständig himmelwärts wie das lange Wiesengras im grünen Juratal. Heutzutage verlassen jährlich rund 1.5 Millionen Uhren das Werk. Im Jahr 2018 zelebrierte Longines die 50 Millionste Uhr, die seit der Gründung produziert wurde.

Am Anfang jedoch war alles ganz anders. Im Gründungsjahr 1832 hieß das Uhrenkontor von Auguste Agassiz und seinen beiden Partnern noch ‚Agassiz & Compagnie’. Ganz traditionell ließen sie ihre Uhren damals in der Etablissage-Methode herstellen, also in Heimarbeit. Agassiz kümmerte sich dann um die Montage und den Vertrieb der Uhren. Erst 1850, als Agassiz Neffe Ernest Francillon das Kontor übernahm, wurden peu à peu alle Arbeitsabläufe an einen Standort integriert.

Er kaufte zwei benachbarte Grundstücke am rechten Ufer der Schüss, die das Sankt-Immer-Tal durchfließt und erbaute 1867 die Fabrik Longines. Da der Weiler, also das Dörfchen ‚Les Longines’ hieß, entschloss er sich zur Namensänderung der Marke. Zum neuen Markennamen kam gleich ein neues Logo dazu. Die geflügelte Sanduhr war geboren, wurde allerdings erst im Jahr 1889 rechtlich geschützt und gilt immer noch als das älteste unveränderte und noch heute aktive Markenzeichen. Im Jahr 1867 stellte Francillon auch sein erstes eigenes Uhrwerk vor – das 20 Linien Kaliber 20A mit Ankerhemmung, Bügelaufzug und Zeiteinstellungsmechanismus. Erst kürzlich hat ein Sammler die älteste bekannte Longines Uhr gefunden. Eine silberne Taschenuhr mit der Seriennummer 183, die ebenfalls aus dem Jahr 1867 stammt.

Das lässt sich alles nur so detailliert rekonstruieren, da Longines seit der Fabrik-Gründung im Jahr 1867 über jede Nummerierung genau Buch führt. Jeder Zeitmesser besitzt eine Seriennummer, die bis 1969 in sogenannten Etablissage-Büchern handschriftlich dokumentiert wurde. In den 1970er und 1980er Jahren archivierte man sie auf Mikrofiches und Kassetten und seit den 1990er Jahren digital. In der Firmeneigenen Datenbank LEA (Longines Eletronic Archives) lässt sich somit jedes Modell genau unter die Lupe nehmen – und das war im wahrsten Sinne des Wortes auch nötig, um die Echtheit einer Longines Uhr bestätigen zu können. Denn um Fälschungen zu erschweren, wurde die unverkennbare geflügelte Sanduhr im Logo auf das Werk graviert. Bis in die 1950er Jahre war es äußerlich gar nicht ersichtlich, denn lediglich der Schriftzug Longines war auf dem Zifferblatt zu sehen.

Die Geschäfte florierten. Im Jahr 1911 beschäftigte Longines bereits 1100 Mitarbeiter und verkaufte seine Uhren in die ganze Welt. Die Marke steht für schlichte und elegante Zeitmesser, die technische Fortschritte wagt und höchsten Wert auf Qualität legt. Es wird langfristig gedacht, kurzfristige Trends beeinflussen Francillon nicht. Das zahlt sich aus. Im Jahr 1919 wird Longines zum offiziellen Lieferanten der ‚Internationalen Aeronautischen Vereinigung’ und macht sich einen Namen für Hochpräzisions-Navigationsinstrumente. Einige weitere Meilensteine folgen, wie die Weems Second-Setting Watch aus dem Jahr 1927 mit drehbarer Scheibe, die erstmals von Longines produziert wurde und primär Piloten zur Einstellung einer Referenzzeit diente, in den 1960er Jahren dann auch Tauchern. Nach seinem Alleinflug über den Atlantik beauftragte Charles A. Lindbergh 1931 Longines mit der Produktion einer Stundenwinkeluhr, deren Funktion auf dem von Weems entworfenen Prinzip basierte. Im Jahr 1945 folgte das erste eigene Automatikkaliber 22A.

Eigentlich stand einem kontinuierlichen Aufschwung nichts im Weg, hätte nicht die Quarzkrise in den 1970er Jahren unerbittlich zugeschlagen. Die Schweizer Uhrenindustrie war gelähmt, so auch Longines. Dank der Übernahme der Swatch Group (damals noch SMH) im Jahr 1983 und dem reichen Erbe der etablierten Uhrenmarke Longines, konnte wieder ein starkes Fundament für eine realistische Zukunft geschaffen werden. Die Werke wurden von nun an von der Konzernschwester ETA produziert, teilweise exklusiv für Longines. Die Marke kümmert sich dafür um den Erhalt des Erbes und der Werte, die sich in den Modellen, aber auch im professionellen Auftritt widerspiegelt. So kennen wir Longines vor allem vom Reit- sowie Skisport und später auch Tennis, wo die Marke viele Jahre als offizieller Partner der French Open in Roland-Garros auftrat. Im Pferdesport ist Longines schon wesentlich länger engagiert und stellte im Jahr 1878 den ersten Sport-Chronographen (Kaliber 20H) für die Zeitmessung auf dem Parcours her. Im Gehäuse war eine Gravur mit Jockey und Pferd zu sehen.

ETA sorgt hingegen dafür, dass die Marke auch technisch weiterhin für Hochleistungsuhren steht und modifiziert kontinuierlich die teilweise exklusiven Werke. So entstand im Jahr 2009 der Chronograph mit Säulenrad (Kaliber L688), 2012 dann der Ein-Drücker-Chronograph mit besagtem Säulenrad (Kaliber L788), beide inspiriert vom Original Kaliber 20H, aber modifiziert für einen Armbandchronographen.

Unterhalb der langen Wiese vergrößert sich nach und nach das Unternehmen. Es beherbergt heute den Hauptsitz der Compagnie des Montres Longines Francillon SA, ihre Werkstätten sowie ein Museum, das der reichen Geschichte der Marke gewidmet ist.

Um das Museum weiter mit Wissen zu füllen und den einst produzierten Modellen nochmals verdiente Aufmerksamkeit zu schenken, sucht Longines derzeit nach der ältesten Longines Uhr Deutschlands. Wer also eine alte Longines am Handgelenk trägt, in einer Box aufbewahrt, oder auf dem Speicher findet, der sollte unbedingt bis Ende April ein Foto und die Seriennummer unter www.longines.de/zeitreise hochladen.