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Der ultimative Zenith El Primero Guide
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Der ultimative Zenith El Primero Guide

Die meisten jungen Uhrensammler suchen heute nach den Namen berühmter Uhrenmodelle. Das ist durchaus legitim, denn diese Namen wurden von Ihren Erfindern geschaffen, um in Erinnerung zu bleiben: Doch wer sich genauer mit Berühmtheiten wie dem Cosmograph Daytona von Rolex, der Nautilus von Patek Philippe oder der Royal Oak von Audemars Piguet beschäftigt, wird schnell feststellen: Hinter jeder großen Uhr steht mehr als gutes Marketing und mindestens ein ebenso wichtiges Uhrwerk oder oft sogar eine ganze Reihe von wichtigen Uhrwerken. Denn der Ausgangspunkt für neue Uhrendesigns war historisch betrachtet immer ein technologischer Fortschritt, der oft erst im zweiten Schritt ein neues Gesicht brauchte.

Credit © ZENITH HERITAGE

Und wer sich jetzt fragt, welches Uhrwerk in den letzten 54 Jahren die gesamte mechanische Uhrenwelt so sehr beeinflusst hat wie kaum ein zweites, landet zwangsläufig bei der Schweizer Manufaktur Zenith. Und es ist ganz sicher kein Zufall, dass nur in diesem Fall in der mechanischen Uhrengeschichte der Name der Uhr und des Werkes für viele Fans ein und dasselbe geworden sind: El Primero. Von dieser berühmten Uhrenlinie und ihrem noch berühmteren Uhrwerk handelt diese Geschichte. Denn genau das ist El Primero: Eine Linie von Armbanduhren, die 1969 das Licht der Welt erblickten, aber heute für viele nur für einen berühmten Chronograph und sein noch berühmteres Uhrwerk stehen.

Zenith – selbst der Firmenname stammt von einem Uhrwerk

Bevor es hier um das berühmte Uhrwerk gehen soll, gelten die ersten Zeilen doch der Schweizer Manufaktur, die dieses hervorgebracht hat. Die Geschichte hat mein Kollege Nico Bandl auf den Punkt für Swisswatches Magazine aufgeschrieben. Detaillierter geht es nur im Buch von Joel Duval (Zenith – The History of a Star, erschienen zum 150. Firmenjubiläum im Jahr 2015), aus dem auch viele historische Details aus dieser Story entnommen sind und dem daher besonderer Dank gilt.

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Für mich ist nicht nur nach dessen Lektüre das Erstaunlichste an Zenith – betrachtet man die 158-jährige, ununterbrochene Geschichte genauer– dass diese Marke heute zwar sehr weit oben, aber noch nicht ganz im ‚Zenith‘ der Sammlermarken steht, neben Rolex, Patek, AP und Co, dort, wo man eigentlich hingehört. Eine doppelte Chance für Neueinsteiger: Als Sammler von Morgen Akzente zu setzen und gleichzeitig noch vom kommenden Aufstieg zu profitieren. Und wer daran noch zweifelt, sollte diese Geschichte lesen (und sich beeilen, denn die Preise ziehen rasant an).

Der Name ist Programm

Der Firmenname Zenith ist gleich doppelt mit berühmten Uhrwerken verbunden. Dem 1969 eingeführten El Primero, das hier beschrieben wird. Was aber nur wenige wissen: Das gesamte Unternehmen, das Georges Favre-Jacot 1865 in Le Locle im Schweizer Jura gründete, wurde nach einer früheren, ebenso erfolgreichen Modellreihe benannt, die mehr war als nur ein Uhrwerkskaliber: die berühmten „Zenith“-Taschenuhren von 1897, die wie das El Primero danach verschiedene Kalibervariationen umfassten. Die Umbenennung fand in dem Jahr statt, in dem Georges Favre-Jacot das Unternehmen verließ. Dreizehn Jahre zuvor hatte er ein Taschenuhrenkaliber vorgestellt, das auf der Weltausstellung 1900 in Paris einen großen Preis gewann und anschließend die Welt eroberte.

Apropos Preise und Siegeszug. Zenith steht seit jeher für Genauigkeit seiner Uhren und Uhrwerke. Bis heute kann man die unglaubliche Zahl von 2333 Chronometer-Auszeichnungen vorweisen, davon 1565 erste Preise. Das ist bis heute ein absoluter Rekord unter Schweizer Uhrenmanufakturen und schlicht beeindruckend. Mindestens ebenso beeindruckend wie die ebenso unvorstellbare Zahl an über 300 Patenten und 600 Uhrenwerken, die von Zenith bis heute entwickelt wurden, was wahrscheinlich nur von Jaeger-LeCoultre übertroffen werden dürfte, eine Marke, die allerdings in den Anfangsjahren vor allem bekannt dafür wurde, als Zulieferer viele Fremdmarken mit seinen Uhrwerken zu bestücken.

Schaut man zurück, hat für mich niemand Geringeres als der heutige Rolex-Chef Jean Frederic Dufour die Bedeutung der Marke auf den Punkt gebracht (in einem Interview als damaliger CEO von Zenith mit Worldtempus aus dem Jahr 2012, das er mit Ivan Radja führte): „Die 1865 gegründete Marke war eine der ersten, die ihre Handwerkskunst in einen industriellen Rahmen einbettete, zusammen mit Omega oder Longines. Ich könnte Ihnen stundenlang erzählen, was Zenith Anfang des 20. Jahrhunderts war. Sie war es sogar, die die Elektrizität nach Le Locle brachte. Sie begleitete den Aufschwung der Eisenbahn und der Flugzeugindustrie. Nach seiner Kanalüberquerung empfahl Louis Blériot den Zenith-Höhenmesser!“

Credit © Fondation du Grand Prix D’horlogerie de Genève

Ehre, wem Ehre gebührt

Warum also bekommt Zenith heute noch nicht die volle Aufmerksamkeit der Sammlergemeinde, die dieser Marke gebührt?  Vielleicht liegt es vor allem daran, dass die Firma genau in der Phase, in der ihr berühmteste Baby geboren wurde, in wirtschaftliche Schwierigkeiten kam und dann immer wieder in andere Hände geriet, bis das wahre Potenzial im Jahr 1999 die LVMH-Gruppe erkannte, die Manufaktur übernahm und seither behutsam, aber kontinuierlich aufbaut. Wer sollte besser wissen, wie man eine Marke aufbaut als einer der reichsten Menschen der Welt, Bernard Arnault: Gerade bei Luxusprodukten ist Kontinuität Trumpf. Gepaart mit den richtigen Innovationen und dem Bewusstsein für die eigene Geschichte, könnte Zenith daher in den kommenden Jahren zum neuen Sammler-Stern am Uhrenfirmament aufsteigen. Den Stern im Logo hat die Marke schon. Und aus den Herzen der Kenner ist die Marke eh schon seit Jahrzehnten nicht wegzudenken. Der Grund dafür liegt auch in der Geschichte des berühmtesten Uhrwerks der Welt.

Die Entstehungsgeschichte des berühmtesten Uhrwerks der Welt

Auch wenn die meisten das Jahr 1962 als Ausgangspunkt der bekanntesten Uhr des Hauses annehmen, gehen Profis noch ein bisschen weiter zurück. Mitte der Fünfziger Jahre standen Uhren von Zenith unangefochten an der Spitze der Uhrmacherei. Das berühmte Kaliber 135 hatte 1954 bereits das fünfte Mal hintereinander den Genauigkeitswettbewerb am Observatorium in Neuchâtel gewonnen.

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Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs war die Produktion um 75 Prozent gestiegen. Die Pilotenuhren hatten sich im Zweiten Weltkrieg einen hervorragenden Ruf erworben. Man suchte nun nach zukünftigen Partnerschaften in einer Welt, in der sich immer mehr Schweizer Mitbewerber zu Holdings und Gruppen zusammenschlossen. Ende 1958 bat die kleine Uhrenfirma Martel Watch Co. um eine Zusammenarbeit, die Zenith gerne annahm, da Zenith bereits seit Jahren mit dieser Firma im Bereich der Armbandchronographen zusammenarbeitete. Schon nach kurzer Zeit war klar, dass man die Firma Martel und vor allem ihr Know-how brauchte: Ab 1959 wurde die Martel Watch Co. von Zenith übernommen und zu den Zenith Ponts-de-Martel-Werkstätten. Diese Zenith-Werkstätten, die sowohl 3-Zeiger-Uhren als auch Chronographen herstellten, sollten genau das Team bilden, das ein gutes Jahrzehnt später das erste automatische Chronographenwerk der Welt produzieren sollte.

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Keine Überraschung zum 100-jährigen Jubiläum

Drei Jahre später, 1962, begann die damalige Führung sich Gedanken zu machen über das bevorstehende, 100-jährige Firmenjubiläum im Jahr 1965. Zenith‘s Präsident ließ eine Machbarkeitsstudie für einen mechanischen Armbandchronographen mit Selbstaufzug erstellen.

Unter der Leitung von Raoul Pellaton wurde das Lastenheft geschrieben: War die Herausforderung an sich nicht schon groß genug – keine Schweizer Manufaktur hatte dieses komplexe Unterfangen bisher gemeistert– musste es auch noch ein Schnellschwinger-Chronograph sein, mit 36.000 Halbschwingungen pro Stunde! Damit nicht genug. Wie Manfred Rössler in seinem Buch, „El Primero – der Chronograph“ genauestens auflistet, durfte es kein Modulchronograph werden, also ein Handaufzugschronograph mit einem Aufzugsmodul, da die Bauhöhe auf 6,5 Millimeter begrenzt werden sollten, um den dünnsten Chronograph der Welt herzustellen. Schließlich wurde auch eine Messmöglichkeit von Zehntelsekunden gefordert, doppelt so genau wie damals üblichen Chronographen! Gleichzeitig sollte er der erste „moderne“ Chronograph aller Zeiten werden: Anstatt die Werkbrücken von Hand zu fertigen (wie es traditionell gemacht wurde), sollten die Komponenten des El Primero-Chronographen mit einer solchen Präzision gestanzt werden, dass man ihn nur noch zusammenbauen musste und er direkt funktionierte. Eins wurde den Ingenieuren schnell klar: zum 100. Firmenjubiläum würde es nichts werden, insgesamt dauerte die Entwicklung sieben lange Jahre und bald kamen Gerüchte auf, dass man nicht als einzige Firma die Absicht hatte, eine solche Uhr zu bauen.

Ein Konkurrent beflügelt die Anstrengungen

Als 1967 in der Schweizer Uhrenwelt Gerüchte aufkamen, dass eine starke Kooperation von Breitling, Hamilton-Büren, Dubois-Dépraz und Heuer-Léonidas ebenfalls an einem bahnbrechenden Automatik-Chronographen arbeitete, beflügelte diese Nachricht die Ingenieure von Zenith, die ersten mit der Ersten (in Esperanto steht der Name El Primero dafür) sein zu wollen, natürlich auch weil man der Erste war, der diese Entwicklung in der Schweizer Uhrenindustrie begonnen hatte. Intern trug das Projekt übrigens den eher schmucklosen Namen 3019 PHC, das ist der Name des Kalibers. Denn El Primero war der Name der Linie, in die dieses Kaliber bei Zenith eingeschalt werden sollte, die Partnerfirma Movado, mit der man seit 1967 eine Allianz eingegangen war, nutzte zur Unterscheidung der beiden Modelle den Namen Datron HS 360 anstelle von El Primero (auch wenn dieses ebenfalls bei Zenith hergestellt wurde).

Es lag allerdings nicht an den Ingenieuren, dass dieser Wettlauf nur so knapp gewonnen wurde, sondern viel mehr am Management, das mit ganz anderen Herausforderungen zu kämpfen hatte: Heute unvorstellbar im Bereich der Luxusuhren, schien der Branche damals vollkommen klar zu sein –auch wenn der Aufstieg der Quarzuhr noch nicht vorhersehbar war– dass man diese bahnbrechende industrielle Innovation in der Uhrenindustrie als Erster einführen musste und die Konkurrenten (mit zusätzlichen Modulen anstelle einem vollständig integrierten Automatikwerk) nicht auf der Ziellinie vorbeiziehen zu lassen gedachte. Dass der Aufstieg der Quarzuhr, deren erste schicksalshaft im selben Jahr wie das Werk der El Primero vorgestellt wurde, die Karten anschließend völlig neu mischen würde, wusste natürlich damals niemand. War die Welt also überhaupt noch bereit für einen mechanischen Automatik-Chronographen?

Ein Monat ist ein himmelweiter Unterschied

Am 10. Januar 1969 war es so weit: Vier Wochen vor der Konkurrenz stellte Zenith stolz seine Uhr samt Werk vor: El Primero, die Erste. Ihr Uhrwerk war nicht nur 1,2 Millimeter dünner als das Calibre 11 genannte der Konkurrenz, sondern das vor allem durch die viereckige TAG Heuer Monaco ebenfalls berühmt gewordene Uhrwerk verfügte lediglich über einen Microrotor und vollzog 19800 Halbschwingungen pro Stunde. Die Presse war sich einig: Sie feierte die El Primero, und die Wettbewerber? Suchten Schwachstellen für den damals radikal neuen Ansatz. War das Trockenschmiersystem auf Molybdänsulfitbasis langlebig genug? Hielten die Lager den höheren Drücken stand? Ja, taten sie.

Ein junger Verkaufsagent in von Zenith der Benelux-Staaten wollte die Kritik ein für alle Mal beenden und brachte eine El Primero in Zusammenarbeit mit einer belgischen Zeitung und Air France im Fahrwerksschacht einer Boeing 707 unter, wo sie einen siebenstündigen Langstreckenflug zwischen Paris und New York überstehen musste – bei Temperaturen zwischen 4 und -62 Grad Celsius und dem Luftdruck in 10700 Metern. Das Ergebnis: Die El Primero ließ sich davon nicht im Geringsten beeindrucken. Übrigens auch eine Möglichkeit, ihre Überlegenheit gegenüber damaligen Quarzuhren zu demonstrieren, die den drastischen Temperaturunterschieden niemals standgehalten hätten.

Die Nachfragewelle rollt an

Umso beeindruckender war die Nachfragewelle, die nun Zenith erreichte. Für Sammler der ersten Serien dürfte interessant sein, dass sich Zenith nicht für das eine Standardmodell, sondern eine kleine Linie ganz unterschiedlicher erster Designs entschied, chronologisch ausgedrückt: Die El Primero erblickte ausschließlich in Gold und Stahl das Licht der Welt, gefolgt von Titan zu Beginn der 1980er Jahre und einigen vergoldeten Modellen, aber erst viel später, gegen Ende der 1980er Jahre. Und es ist wirklich bis heute kein Ende in Sicht. Der Name der Uhr taucht interessanterweise bis heute ununterbrochen in Katalogen der Firma auf. Mit 54 Jahren hält diese Uhr auch den Rekord für den längsten kontinuierlich verkauften Chronographen der Uhrengeschichte. Insgesamt 21 (!) Uhrenmarken verbauten zumindest zeitweise dieses Werk, darunter Rolex, Movado, Parmigiani, Tag Heuer, Ebel oder Tiffany. Seit der Übernahme durch die LVMH-Gruppe im Jahr 1999 dürfen allerdings nur noch die hauseigenen Marken dieses Kaliber verwenden, darunter vor allem Louis Vuitton in seiner Tambour, die gerade ihren 20. Geburtstag feiert.

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Stückzahlen der frühen Jahre

Schaut man sich die Übersicht im oben erwähnten El Primero Buch von Manfred Rössler genauer an, fallen zwei Dinge auf: Zum einen gibt es in der Zeit von 1969 bis 1976 genau 41 Referenzen, sehr viel für einen so kurzen Zeitraum, was klarmacht, es gab verschiedene Modelle zur Lancierung des Werkes, da es eben eine Uhrenlinie war und es gab nie das eine Modell. Oder vielleicht doch? Die nächsten Absätze versuchen das zu ergründen, welche El Primero denn nun das am meisten Ikonische ist. Zu diesen Referenzen, von denen nachweislich 12 im ersten Jahr des Erscheinens auf den Markt kamen, gehört insgesamt eine Stückzahl von rund 28500 Uhren. Das mag viel erscheinen, ist aber für heutige Verhältnisse gar nichts. Nur zum Vergleich: Rolex baut rund eine Million Uhren – pro Jahr. Auch nicht bekannt ist, wie viele frühe El Primero Modelle davon in gutem Zustand die letzten 50 Jahre überlebt haben. Unter dem Stichwort Zenith El Primero findet man bei der größten Gebrauchtuhrenbörse der Welt, Chrono24.de, zum Zeitpunkt dieses Artikels 2084 Ergebnisse, wovon nur rund zehn Prozent auf die Zeit vor 1999 fallen, genau 224 Uhren, grenzt man es auf die erste, wichtige Phase von 1969 bis 1975 ein, bleiben gerade einmal 95 Treffer übrig, wie gesagt, ohne Rücksicht auf Qualität oder die Richtigkeit der Angaben. Aber ein guter Anhaltspunkt ist diese Plattform immer.

Eine Heldin namens A386

Einer der Bestseller jener Jahre war die Referenz A386 mit Stahlgehäuse, versilbertem Zifferblatt und verschiedenfarbig gestalteten Totalisatoren. Von dieser Uhr wurden 4500 Exemplare gebaut. Warum ist diese Uhr so wichtig? Weil sie als einzige ein Designmerkmal aufwies, das heute zum zweiten Markenzeichen der Manufaktur geworden ist, neben dem Stern im Logo und auf dem Sekundenzeiger.

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Das Design der Zifferblätter –einmalig mehrfarbig

Hellgrau, Blau, Anthrazit … die drei Farben einer der ersten Serien der El Primero von 1969, sind zu wahren Erkennungszeichen dieser Ikone geworden. Denn die El Primero beherbergte nicht nur das präziseste Chronographen-Uhrwerk seiner Zeit, sondern veränderte auch den Blick auf modernes Uhrendesign. Sie stellt einen ersten Bruch mit den Designcodes der 1960er Jahre dar – überwiegend monochrom gehaltene Zifferblätter und runde Uhrengehäuse – und zeigt auf elegante Weise die drei Zählerfarben, die zum Markenzeichen werden sollten. Ein helles Grau für die Sekunden, ein kräftiges Blau für die Minuten und ein tiefer Anthrazit-Ton für die Stunden erinnern an das stetige Bemühen der Marke, um das Sichtbarmachen äußerster Präzision, indem man genau diese drei Zeitmessungsparameter besonders hervorhob, zugleich eine Ausnahme zu einer Zeit als Chronographenzähler üblicherweise einfarbig waren.

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Zenith hat gut daran getan, dieses Modell zu seiner Ikone zu erheben. Und es ist davon auszugehen, dass es dieses Modell auch sein wird, das in Zukunft das Rennen bei Sammlern macht. Im Zenith Jubiläumsbuch von 2015 werden noch sieben weitere Referenzen gezeigt, die sich zum einen in modernen Gehäuse- und Modellvarianten des Hauses wiederfinden, zum anderen als Wiederauflage inzwischen existieren.

Seltene Referenzen der Anfangsjahre

Auch wenn uns das Zenith Archiv dankenswerterweise darauf hinwies, dass alle Stückzahlen nur Annäherungen seien und nicht final bestätigt, möchten wir das, was wir wissen, hier dennoch preisgeben, schlicht, weil diese Modelle so selten sind: Das wären zum einen die Referenz G381 B, ein 18-karätiger Goldchronograph mit schokoladenbraunen Totalisatoren (die ursprünglich schwarz waren, aber braun verfärbt haben (Experten sprechen von Tropical Dial), von der 1000 Exemplare von 1969 bis 1972 gefertigt wurden. Dann die ebenfalls goldene Referenz G582, von der nur 600 Exemplare existieren, mit einem goldfarbenen Zifferblatt. Im Weiteren die Referenz A384 aus Edelstahl, 3850 Mal produziert, mit einem sehr kantigen Gehäuse, das heute in Anlehnung daran als Chronomaster Revival auf dem Markt ist. Mit den Referenzen A781 (rotes Zifferblatt, Stahlgehäuse, 1000-mal produziert) führte Zenith die heute wichtigen Designs DEFY ein, die bei einem der gefragtesten Modelle der damaligen Zeit ebenfalls Anwendung findet: Die sogenannte El Primero „ESPADA“, die Referenz A7817 mit Tag, Datum, Monat und Mondphase wurde 1972 bis 1975 nur 1105-mal gebaut und stellte zugleich die erste dreifache Komplikation der El Primero dar. Der Vollständigkeit halber sollen noch die beiden Prototypenserien von jeweils 10 Exemplaren der Chronomaster-Reihe mit Vollkalender und Mondphase erwähnt werden, die allerdings keine Referenznummern tragen und 1970 eingeführt wurde, aber nie in Katalogen auftauchten.

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Die letzten hier genannten Referenzen, die A787 mit 105 Exemplaren in Stahl und die Goldreferenz G7810 mit 250 Goldexemplaren sollen hier nur erwähnt werden, weil Zenith genau diesen Gehäusetypus derzeit mit seinem Defy Revival Model eine 250-teilige Neuauflage versehen hat, allerdings als klassische Defy-3-Zeiger-Automatikuhr ohne Chronographenfunktion, die als Inspirationsquelle für die spätere Defy Skyline Linie diente.

Der Schock von 1975

Leider überholt sich der Fortschritt oft selbst, was Lesern des Digitalzeitalters leichter zu verstehen fällt als älteren Semestern, da es heute viel häufiger passiert, dass eine echte Innovation innerhalb weniger Jahre offenbar wertlos erscheint (erinnern sie sich noch an Handys von Nokia oder die Website Second Life?). Denn wenn auch die ersten Anfänge der El Primero vielversprechend aussahen, hatte sich der Uhrenmarkt weltweit gewandelt: Die Notwendigkeit genauer Zeitmessung erfüllten ab 1969 ebenso Quarzuhren, deren Preise ebenso schnell verfielen, wie ihre Genauigkeit zunahm. Und beinahe wäre das berühmteste Uhrwerk der Geschichte als teuerster Flop der mechanischen Uhrenwelt geendet: 1975 stellte man die Produktion per Erlass aus den USA ein! Aus den USA kam die schockierende Nachricht deshalb, weil Zenith 1971 von der Zenith Rado Cooperation in den USA übernommen worden war. Die Amerikaner sahen mechanischen Uhren als überholt an und befanden die Maschinen, Werke und Werkzeuge mehr oder weniger als schrottreif zu entsorgen.

6 Monate Arbeit – für die Unsterblichkeit

Es ist in der Tat der Überzeugung eines einzigen Mannes zu verdanken, dem Uhrmacher Charles Vermot, dass die Story der El Primero dennoch eine der größten Erfolgsstories der Uhrwerksgeschichte wurde, wenn auch die Welt beinahe eine Dekade darauf warten musste (genau genommen 9 Jahre). Seit Anfang seiner Karriere arbeitete der Uhrmacher für die Marke und war sich nicht zu schade, den Amerikanern selbst zu schreiben, um zu protestieren, als die schockierende Nachricht ihn erreichte. Die Entscheidung der Einstellung der Produktion war so abrupt getroffen worden, dass riesige Stückzahlen unfertiger Kaliber sich im Lager befanden, zusammen mit ihren Datenblättern. Er hatte keinen Erfolg mit seiner Bitte. Mit der Liquidation der Fertigungsstätte in Pont-de-Martel fasste Vermot einen einsamen aber umso mutigeren Entschluss: Er begann damit, sämtliche Produktionsprozesse akribisch zu archivieren und vor allem die 150 Stanzpressen, die benötigt wurden, um die originalen Uhrwerksteile herzustellen, zu verstecken. Er ließ dazu sämtliche Produktionsunterlagen, Pläne, Maschinen und Stanzwerkzeuge im Dachboden der Fabrik in Le Locle einmauern, unterstützt von seinem Bruder, ebenfalls einem Mitarbeiter von Zenith. Ein horologischer Schatz, den es irgendwann wieder zu heben galt! Doch wann?

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Die Wiedergeburt – in einer anderen Ikone

Während also Werkzeugteile im heutigen Wert vieler Millionen Euro im Oberstübchen der Manufaktur vor sich hin dämmerten, tat sich in den Stockwerken darunter einiges: 1978 war Zenith wieder ins Eigentum Schweizer Besitzer gelangt. 1984 schien der richtige Zeitpunkt für ein Comeback gekommen: 15 Jahre nach ihrem Launch begann in der Schweiz das Revival der Mechanik. Es war unter anderem der Präsident von Ebel, Pierre-Alain Blum, der 1981 von der Existenz nicht fertig gestellter El Primero Uhrwerke erfuhr und sie für einige seiner Uhren verwenden wollte. Ganz konkret ging es um El Primero Werke mit Mondphase, das Kaliber 3019 PHF. Als er erfuhr, dass es weitere Werke gab, kaufte er direkt bei Zenith auch das Werk 3019 PHC ohne Mondphase. Warum das ging? Bei Zenith warteten mehrere tausend solcher Werke damals auf Fertigstellung. Alte Uhrwerke haben eben keine Halbwertszeit. Für Ebel war dieser Schachzug clever, weil eine eigene Chronographenproduktion zu Beginn des Comebacks mechanischer Uhren als viel zu riskant galt. Natürlich hatte Zenith damals keine Möglichkeiten für eine Chronographen-Fertigungslinie, um die Montage der Uhrwerke zu gewährleisten, man arbeitete mit dem Zulieferer von Wettbewerbern, Lémania, zusammen. Für gut drei Jahre belieferte man Ebel mit einer zunehmenden Anzahl an Chronographenwerken, was auch dem Rest der Uhrenwelt nicht verborgen blieb. Die Schweiz ist in Uhrendingen ein Dorf, in dem nie etwas lange vor anderen verborgen bleibt.

Credit © Antiquorum

Rolex – ein Riese braucht Hilfe

Über einen Mittelsmann wurde ein Mitglied der Wilsdorf Familie kontaktiert, das waren die Eigentümer von Rolex, lange bevor Rolex zur Stiftung wurde. Rolex wollte sein Daytona Modell wiederbeleben, dass damals von dem robusten, aber in die Jahre gekommenen Handaufzugskaliber Valjoux 72 angetrieben wurde. Für Rolex war das Zenith-Uhrwerk in doppelter Hinsicht interessant: Es verfügte über einen Automatik-Aufzug und war dünn genug, um zur Ästhetik der Rolex-Gehäuse zu passen (dank der Tatsache, dass diese Komplikation samt Aufzugsrotor von Anfang an so konzipiert waren, dass sie zusammen ins Uhrwerks integriert werden konnten). Jetzt zahlte sich die aufwendige Entwicklung von einst aus! Außerdem verfügte es über die Anordnung der Totalisatoren auf der gleichen Position wie die vorhandene Daytona bei 3,6 und 9 Uhr.

Credit © Rolex

Allerdings war auch Rolex zunächst skeptisch, was die Haltbarkeit des Hochfrequenz- El Primero Kalibers anbetraf. Alles drehte sich bei den Genfern schon damals um Langlebigkeit und niedrige Aftersales-Kosten, da die Stückzahlen bei Rolex schon damals sehr groß waren, ein wichtiges Argument. Denn am Ende war man in Genf gewohnt, im Aftersales-Bereich mit 4-Hz-Werken mit 28.800 Halbschwingungen zu arbeiten.

Die Stunde des Charles Vermot

Im Jahr 1984 kostete eine Presse für Werksteile zirka 40.000 Schweizer Franken, die über 150 benötigten Stanzwerkzeuge für die Wiederaufnahme der El Primero-Produktion hätten also rund 7 Millionen Schweizer Franken gekostet. Undenkbar für Zenith, die Produktion wieder aufzunehmen und diese Werkzeuge herzustellen. Nun erinnerte man sich an den einstigen Rebellen Charles Vermot und stellte erleichtert fest, dass er ganze Arbeit geleistet hatte: Seine unglaubliche Akribie der Einlagerung verhalf Zenith dazu, ein würdiger Vertragspartner für Rolex zu werden. 1984 unterzeichnete man einen Liefervertrag für 10 Jahre. Es wurden am Ende 15. Der Held dieser Zeit erhielt dafür übrigens einen goldplatinierte El Primero Chronographen und eine Reise –die er sich selbst aussuchte– in die USA. Tatsächlich erhielt er im Laufe der Jahre etwas mehr als das, auch wenn manche das heute gerne behaupten: Er erfuhr alle Ehren des Hauses, von Einladungen zu öffentlichen Vorträgen, bis hin zu exklusiven Veranstaltung mit der Chefetage als der VIP, der er von nun an war. Die Uhrmacher bei Zenith mussten dagegen die Ärmel hochkrempeln und einen hochpräzisen, mechanischen Chronographen zusammenbauen, und zwar für Rolex, einen extrem anspruchsvollen Kunden. Die Uhrwerke sollten nämlich bei Zenith für Rolex gefertigt werden und dann an Rolex in Le Locle übergeben werden. Vermot zeigte alle seine Ressourcen, die er sorgfältig aufbewahrt und dokumentiert hatte, so dass das Technische Büro von dort aus weitermachen konnte.

Was das El Primero von der Rolex Daytona unterscheidet

Rolex entschied die El Primero Werke zu modifizieren, damit sie in die eigene Firmenphilosophie passten. Wer zahlt hat schließlich das Sagen. Einige wichtige Veränderungen wurden eingeführt und auch zum Patent angemeldet (manche schreiben hier von 200, aber es waren laut den damaligen Entwicklungschefs deutlich weniger). Man entschied nicht nur, das Datum wegzulassen, die Glucidur-Unruh von Zenith wurde beibehalten. Anstatt des Regulier-Organs wurde der Microstella-Regulator eingebaut, den Rolex in den meisten seiner Uhrwerke verwendete. Die neue, größere Unruh, verringerte die Frequenz auf 28.800 Halbschwingungen pro Stunde, was auch nach sich zog, dass das Hemmungssystem auf herkömmliche Art und Weise geschmiert werden konnte. Die flache Spirale wurde durch eine Breguet-Spirale ersetzt und das Werk erhielt ein Säulenrad mit mehr Zähnen. Auch die Schwungmasse des Aufzugsrotors wurde verändert. All das geschah bei Zenith in den eigenen Werkstätten. Das Revival ließ man sich natürlich nicht entgehen: Zenith montierte nicht nur El Primero-Werke für Rolex, nachdem man über die Produktionswerkzeuge verfügte: Man nahm die Produktion der eigenen El Primeros (als komplette Uhren) mit den originalen Zenith-Spezifikationen (36.000 statt 28.800 Halbschwingungen pro Minute, der Datumsanzeige, dem Zenith-Säulenrad und der flachen Spiralfeder genau zur gleichen Zeit wieder auf. Die Heldin war zurück.

Alle schwören auf El Primero – und dann kommt LVMH

Die Zusammenarbeit mit Zenith und Rolex startete mit der Einführung der Rolex Daytona und der Referenz 16520 im Jahr 1988 mit dem Kaliber 4030 und endete zum Millennium mit der Einführung des ersten hauseigenen Kalibers Rolex 4130 in der Referenz 116500. Und wie der Uhrenexperte und Auktionator Aurel Bacs bei Phillips schreibt: „Zenith war dadurch zu einem der größten Chronographen-Produzenten der Welt geworfen.“ Das Portfolio an belieferten Marken umfasste von Ende der Neunziger bis Anfang der 2000er Jahre alles, was Rang und Namen hatte: Panerai, Boucheron und Daniel Roth hatten verlässlich Zugriff aus El Primero Uhrwerke aus Le Locle. Eine für Sammler nicht wenig bekannte Comebackversion der frühen El Primero-Modelle dürfte die Edelstahlversion sein, die 1988 erschien und ihren Spitznamen „De Lucca“ von einem italienischen Zenith-Händler in Süditalien benannt, der unter Aufsicht des dortigen Zenith-Chefs diese Modelle vertrieb: Mit dem Relaunch der El Primero entstand dieses erstes, 100 Meter wasserdichtes Modell mit Taucherlünette und verschraubter Krone und verschraubten Drückern, auf das 1990 ein Modell mit Tachymeterskala folgte (De Lucca II), die eine echte Alternative zur Daytona darstellte. Neben weißen und schwarzen Zifferblättern gab es zahlreiche Varianten, die fast sechs Jahre lang die Fans von Uhren im Look von Rolex-Chronographen begeisterte, allerdings mit dem Wissen, eine ganz spezielle Zenith mit italienischem Touch zu tragen.

Die Neunziger – Back to the Roots

Sammler nennen Rolex-Daytonas seit dieser Epoche schlicht Zenith-Daytona. Neben der „De Lucca“ sollen wwei der mindestens ebenso wichtigsten El Primero-Modelle der Vor-LVMH Zeit sollen dennoch hier erwähnt werden: Mit der Rainbow führte man 1992 eine Kollektion ein, die mit Omega und Breitling mithalten sollte, sportlich und elegant: Mit Saphirglas, fixierten Taucher- und Tachymeterlünetten und mit Dichtungen versehen, die diese Uhren verlässlich wasserdicht machten, trafen sie den Geschmack der Zeit. In diese Modelle flossen auch die positiven Erfahrungen der De Lucca-Serien mit ein. Besonders die deutsche Fachpresse feierte fortan die wieder auferstandene, lebende Legende. Daneben entschied man sich 1995 zur Lancierung der Serie Chronomaster, die als Luxuslinie noch deutlicher den Weg in die Zukunft wies. Diese Uhren verfügten nicht nur über einen transparenten verschraubten Gehäuseboden, sondern waren allesamt als Chronometer-zertifiziert (und sind es bis heute) von der Schweizer Chronometerprüfstelle COSC.

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Ein über 50 Jahre altes Uhrwerk, wie kann das gut gehen?

Als man in den 1980er Jahren die Produktion der El Primero mit 36.000 Halbschwingungen pro Stunde auch für seine eigenen Produkte wieder aufnahm, gab es nur wenige wesentliche Änderungen im Nachfolgre des Originals. Das Originalkaliber verfügte über 282 Bauteile, als Kalibername wählte man Zenith 3019 PHC. Die Zahl 30 steht für den Werksdurchmesser, die dritte Ziffer für die chronologische Nummerierung verschiedener Kaliber mit gleichem Durchmesser und die vierte gibt die Werksart an, hier den Automatik-Chronographen (9). Diese Buchstaben sind ein Erbe der Martel Watch-Zusammenarbeit, als man diese bei Zenith in seine Workshops integriert hatte. Bei den Buchstaben steht P für Perpetual (Rotoraufzug), H für Hour (Stundenzählung) und C für das englische Wort für Kalender. Die zweite Komplikation mit Wochentag, Monat und Mondphase erhielt die Bezeichnung 3019 PHF. Natürlich wurden auch einige frühe Modelle als Movado-Uhren angeboten, denn Movado war ja Teil von Zenith bis 1983.

Als Zenith 1984 wieder mit der Produktion mechanischer Uhrwerkskomponenten anfing und auch das El Primero Kaliber wieder herstellte, erhält dieses die Bezeichnung Kaliber 400. Geändert wurde in einem ersten Schritt lediglich die Stoßsicherung.

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Einen echten Klassiker erkennt man an stetigen Verbesserungen

Weitere Änderungen, die 1998, kurz vor der Übernahme durch LVMH, von der Forschungs- und Entwicklungsabteilung genehmigt wurden, betrafen hauptsächlich die Chronographenbrücke, das Hinzufügen von 20 Zähnen und einer Speiche zum Sekundenrad, das zuvor 100 bzw. 5 Zähne hatte, die Reduzierung der Anzahl der Zähne der Hemmung von 21 auf 20 und die Hinzufügung eines Blattes zum Trieb. Außerdem wurden die Hörner der Hebelgabel modifiziert und ein wenig verbreitert.

Zu kompliziert? Diese Neuerungen verhinderten vor allem ein seltenes Phänomen, das auf ein unwahrscheinliches, aber mögliches unglückliches Nebeneinander der Zähne zurückzuführen war, die manchmal den Lauf der Uhr blockierten, wenn sie stehen geblieben war. Hierbei handelte es sich eher um ein Problem in der Wahrnehmung der Träger, die dachten, die Uhr sei beschädigt, obwohl sie es nicht war. Diese verbesserten Kaliber bekamen die Bezeichnung 400, 405 und 420 mit einem angehängten Z zb 420/Z.

In Ihrer Original-Version, also den Kalibern 3019 PHC und PHF von 1969 stehen die Uhrwerke gegenüber den heutigen gleichzeitig weit weg und sind dennoch sehr nah dran am originalen El Primero. Wie geht das zusammen? Zum einen haben sich die Herstellungstechniken für Werksteile zu 1969 massiv geändert, zum Beispiel wurden die ersten CNC-Fräsen in der Schweiz erst Mitte der Achtziger Jahre eingeführt, gleichzeitig ist das Konzept der El Primero bis heute unangetastet.

Natürlich gab es aber immer wieder Verbesserungen im Detail, was auch verwunderlich wäre bei einem Uhrwerk, das seit 53 Jahren existiert. Verglicht man das El Primero mit einem Automotor, wäre es ungefähr so als würde man einen neuen einen Porsche 911 statt mit einem Sechszylinder mit 385 PS und Doppelkupplungsgetriebe mit einem Boxermotor von 1969 mit 110 PS und Viergang-Schaltung antreiben. Doch wieder zurück im zeitlichen Kontext.

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EL Primero Flyback – ein großer Wurf für einen Chronographen

Als man 1995 auf eine Ausschreibung des französischen Verteidigungsministeriums reagierte und die Chance sah, einen großen Rüstungsauftrag zu erhalten, startete Zenith relativ spontan eine wichtige Weiterentwicklung des El Primero Kalibers um eine Flybackfunktion. Denn diese wurden darin zwingend gefordert. Auch wenn die Ausschreibung im Sande verlief, behielt man die Entwicklung bei und konnte nach der Vorstellung auf der Baselworld im Frühjahr 1997 im November die ersten El Primero Fly-back Uhren, ausgestattet mit dem Kaliber 405, ausliefern.

Ende der Neunziger Jahre stellten diese El Primero Rainbow Flyback das Nonplusultra dar, was Zenith zu bieten hatte. Manfred Rössner feiert sie in seinem Buch geradezu und schwärmt von der in Zusammenarbeit mit Luftfahrtexperten ausgearbeiteten Gestaltung und den technischen Vorzügen: 100 Meter wasserdichtes, satiniertes Stahlgehäuse, beidseitig entspiegeltes Saphirglas machen die Uhr auch heute noch absolut konkurrenzfähig. Insgesamt wurden die zwei markantesten Rainbow-Flybacks mit dem Kaliber 405 und dem farblich gestalteten Hilfszifferblatt in Grün, Gelb und Blau entsprechend klassischer Luftfahrtcodes rund 5650-mal gebaut.

1999 – das Millenium beginnt mit einem Paukenschlag

All diese Entwicklungen blieben auch einem neuen Player im Feld feiner Mechanik nicht verborgen, dem Chef von LVMH, Bernard Arnault, der daraufhin 1999 Zenith erwarb. 2001 wurde die Übernahme rechtswirksam und Thiery Nataf, ein Neuling in der Branche und vorher Marketingdirektor beim Champagnerhaus Veuve Clicquot, übernahm nun die Führung. Er erkannte sofort das Potential von Zenith im Luxussegment. Nur gab es ein großes Problem: Denn dafür mussten die Stückzahlen runter, von 150.000 – 200.000 auf rund 20.000 Uhren pro Jahr. Was zunächst nach viel klingt, hat einen einfachen Grund: Ende der 90er Jahre trugen rund 75 Prozent der Uhren mit dem El Primero-Uhrwerk den Namen fremder Firmen. Es war also nur logisch aus einem legendären Werk für viele renommierte Uhrenmarken, das Hero-Modell einer Manufaktur zu machen, deren Geschichte mit zum spannendsten gehört, was die Schweizer Uhrenwelt zu bieten hat.


24 Jahre unter dem Dach der LVMH-Gruppe – die wichtigsten Meilensteine


Die El Primero Uhrwerke im Detail

Bald ist das erste Vierteljahrhundert unter den neuen Eigentümern rum und wenn Zenith in 3 Jahren seinen 160. Geburtstag feiert, dürfte vielen der jüngeren Uhrensammler erst einmal klar werden, welches Powerhouse die LVMH-Gruppe aus Zenith wieder gemacht hat. 2019, zum 50. Jubiläum der El Primero schrieb der bereits oben erwähnte Auktionator Aurel Bacs, der so gut wie sämtliche Weltrekorde der jüngeren Geschichte verantwortlich zeichnet:

„Fünfzig Jahre nach der Lancierung des El Primero steht der Chronograph nach wie vor im Mittelpunkt der Geschichte von Zenith. Er ist bei weitem das Modell, das die Sammler am meisten mit der Marke aus Le Locle verbinden, und obwohl das Uhrwerk heute exklusiv für seinen Schöpfer hergestellt wird, dominiert es immer noch die Jahresproduktion von Zenith.“

Er schreibt das übrigens im Rahmen einer einmaligen Zusammenarbeit mit Zenith, mit denen er einen „One-Off“-El Primero Chronographen für 250.000 Euro zu einem guten Zweck versteigerte: Die einzige El Primero der Referenz A386, die Zenith bis heute in 950er Platin herstellte, und über ein einzigartiges Zifferblatt aus Lapislazuli verfügt.

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Das fünfzigste Jubiläum feierte natürlich nicht nur das Uhrwerk und die Uhrenlinie, vor allem erkannte man, dass man für einen Uhrenklassiker von morgen vor allem die wichtigsten Designs von 1969 wieder aufleben lassen musste. Neben einer Hommage an das Original wurden mehrere Modelle herausgebracht, die von seiner Vergangenheit inspiriert sind, darunter originalgetreue Reinterpretationen einiger seiner beliebtesten Referenzen. Ein Jahr später feierte Zenith auch seine emblematischen El Primero-Modelle der ersten Generation mit seinem „Icons“-Programm.

Die wichtigsten Weitereintwicklungen unter LVMH-Führung

Wer es ganz eilig hat: Die Einführung der ‚Open‘ im Jahr 2003, die Tourbillon-Version im Jahr 2004 –gefolgt von verschiedenen anderen Komplikationen wie der Gangreserve, um nur eine zu nennen und die der El Primero zu einer ersten sogenannten großen Komplikation verhalf– die wichtigsten Evolutionsschritte derselben Uhrwerkslinie dar. Auf die Entwicklung der 50-Hz-Version im Jahr 2017 und die Entwicklung der 3600 im Jahr 2020 gehe ich später noch ein. Doch der Reihe nach.

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2003 Einblicke ins Uhrwerk – Ausblick auf die Zukunft

Während die Rainbow Variante 2003 auslief, schuf CEO Nataf mit einem Kniff eine neue, spannende Variante einer Uhr, die eigentlich viel zu lange ihr schönes Inneres für sich behalten hatte: Mit der El Primero Open gab es nun ein Modell, bei dem der Mechanismus immer sichtbar sein würde, sowohl auf der Vorder- als auch auf der Rückseite. Jeder Uhrenfan weiß: So schön es ist, transparente Sichtböden zu haben, umso ärgerlicher ist es, dass man dazu die Uhr abnehmen muss. Vielleicht ist das Primero Open Kaliber das größte Vermächtnis von Thierry Nataf, neben der Einführung von komplizierten Varianten des El Primero Werkes. Er forderte von den Ingenieuren nämlich nicht nur, das Zifferblatt zu öffnen, sondern durch eine durchbrochene Platine den Blick komplett durch die Uhr hindurch zu ermöglichen: Nun kann der Betrachter die Unruhspirale mit den besonders schnelle 36600 Halbschwingungen sowie das Hemmungssystem bewundern. Allerdings bedeutete dieser Trick, dass man Werksplatine und die neuen Brücken neu berechnen musste, um Deformationen im Alltag der Träger zu verhindern. Die Maßnahme war jeden Cent wert: Denn damit stieß Zenith eine Entwicklung an, die bis heute als Trend im Uhrenmarkt anhält: Aufgebrochene Zifferblätter, die auf eine ästhetische Art und Weise den Einblick in Uhrwerke ermöglichen, ohne die Ablesbarkeit der Zeit zu beeinträchtigen, gehören heute zum guten Ton, fast aller anspruchsvollen Schweizer Manufakturen.

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2004 – langsam wird es kompliziert

Wenn man bedenkt, dass Zenith gut zwei Dekaden vorher mit Rolex darüber verhandelte, überhaupt wieder eine Chance im Uhrenmarkt zu bekommen, lesen sich die folgenden Zeilen fast wie die einer Wunderheilung.

Die großen Komplikationen von Zenith

Unter der Ägide von Thierry Nataf sollte die El Primero-Reihe um aufwendige uhrmacherische Komplikationen erweitert werden. Bereits 2004 wurde das Uhrwerk mit einem Tourbillonmechanismus zum Ausgleich der Schwerkraft versehen. Der Grande ChronoMaster XXT Tourbillon war nicht nur das Ergebnis von dreieinhalb Jahren Forschung und Entwicklung, sondern das erste hochfrequente Tourbillon auf dem Markt. Damit nicht genug: Es folgte ein ewiger Kalender, die Grande ChronoMaster XXT Perpetual Calendar. Als man 2005 die Minutenrepetition Class Traveler vorstellte war die Manufaktur uhrmacherisch am absoluten Zenith angekommen. Für diese Meisterleistung meldete man 30 Patente an. Das Kaliber mit einseitigem Rotoraufzug ermöglichte neben einem Alarm, dem Großdatum und einer zweiten Zeitzone zusätzlich zum Chronographen-Mechanismus noch das Schlagwerk einer Minutenrepetition. Das Kaliber 4031 wirkte zu seinem Urahn wie ein Überschalljet im Vergleich zum Papierflieger der Gebrüder Wright. Zwei Jahre später, 2007 kombinierte die Uhrmacher schließlich das Tourbillon mit dem ewigen Kalender in einer Uhr der Academy-Linie. So bedeutsam diese Uhren in der Geschichte von Zenith sind (und so selten für Sammler), sie hatten allerdings einen Nachteil: Die Marke verzettelte sich, anstatt sich auf seine Kernthemen zu konzentrieren. Nicht verschwiegen sollte auch die Einführung des ersten Inhouse-Tourbillons, der Zero G, die 2007 zum ersten Mal vorgestellt wurde. Sie ist vor allem deshalb sehr erwähnenswert, da das Uhrwerk für Zenith bahnbrechend war und das Unternehmen es seither weiter verwendet und stetig verbessert hat.

2010 – Die El Primero Striking 10th

Das Gegenteil war mit dieser wegweisenden Uhr der Fall: Denn viele Fans der Marke wussten zwar von der einmaligen Zehntel-Sekunden-Messung des El Primero-Kalibers, aber bislang konnte man diese Sekundenbruchteile auf seiner Uhr nicht ablesen. Zenith machte es nun seinen Kunden möglich, das Gemessene auch gut und deutlich zu sehen. Die 2010 eingeführte El Primero Striking 10th kann Zehntelsekunden anzeigen: Der Stoppsekundenzeiger vollführt in zehn Sekunden eine volle Umdrehung um das Zifferblatt.

Wie funktioniert der Mechanismus?

Unter den Komplikationen, die in der Folge dazu beitrugen, das El Primero zu einem legendären Kaliber zu machen, ist die bei Zenith als Striking 10 bekannte springende Sekunde eine der beeindruckendsten und bleibt bis heute bei Luxusuhren eine Seltenheit.

Bei der Erfindung handelt es sich um einen Mechanismus, der ein vom Federhaus angetriebenes erstes Räderwerk mit einem Minutenrad und einem Sekundenrad verbunden wird, das eine vom Räderwerk angetriebene Hemmung und ein Regulierorgan umfasst, dessen Schwingungen von der Hemmung aufrechterhalten werden. Letztere verfügt über ein Hemmungsrad, das pro Sprung eine Umdrehung von einer Sekunde vollführt: Um die Funktion der springenden Sekunde zu schaffen, muss ein zweites Räderwerk hinzugefügt werden, von dem das erste Rad und das Trieb auf der Welle des Hemmungsrads montiert sind und das letzte auf der Welle, die die Funktion der springenden Sekunde trägt und dazu dient, dieselbe Drehbewegung des springenden Sekundenzeigers zu übertragen wie das Hemmungsrad.

2012 – der ultimative Qualitätstest aus 38.969,4 Metern Höhe

Wer bis jetzt durchgehalten hat und immer noch denkt, dass diese Uhr von Zenith oder ihr Werk vielleicht doch nicht seinen modernen Qualitätsanforderungen an eine Armbanduhr genügen würde, dem hilft sicher folgende Geschichte, die der El Primero zu einem weiteren ‚World‘s First‘ verhalf (oder gleich mehreren, je nachdem wie genau man es nimmt): Als der Österreicher Extremsportler und Stuntman Felix Baumgartner im Rahmen des Red Bulll Stratos Projekt sich am 14. Oktober vor ziemlich genau 10 Jahren in einem Druckanzug aus einem Ballon in die Tiefe stürzte, um gut 38,9 Kilometer später auf der Erde zu landen (über 36 Kilometer davon im freien Fall) war er nicht nur der erste Mensch, der die Schallmauer ohne Flugzeug durchbrach, sondern auch der erste Mensch, der dabei eine mechanische Armbanduhr trug. Sie wissen schon welche. Eine Zenith El Primero. Das Beste daran aber war: Die Uhr war nicht von einer Serienuhr zu unterscheiden, außer dem Namen und einer besonderen Prägung auf der Rückseite. Das Modell „Zenith El Primero Stratos Flyback Striking 10th Tribute to Baumgartner“ dürfte bis heute zu einem der medial meistgesehen Uhrenmodelle der Welt gehören. Baumgartners Sprung wurde im Laufe des Ereignisses 52 Millionen Mal auf YouTube angesehen, in der Spitze von 8 Millionen Besuchern gleichzeitig, auch das ein Rekord und eine enorme Werbung für die Marke. Natürlich erreichte Baumgartner nicht ganz so viele wie die über 600 Millionen Menschen, welche die ersten Schritte von Buzz Aldrin mit seiner Omega Speedmaster 1969 auf dem Mond sahen (Neil Armstrong hatte seine Speedmaster nämlich abgelegt, als er den ersten Schritt auf den Mond setzte, um eine in Uhr in Reserve zu haben), aber für einen gesponsertes Event dennoch ein astronomische Zahl.

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Dass die Sache auch in die Hose hätte gehen können, wenn man als erster Mensch von einer Druckkapsel aus der Stratosphäre abspringt, um einen Rekord zu brechen, der zuvor 62 Jahre lang gegolten hatte, versteht sich von selbst. Allein die Geschwindigkeit von 1357,6 Stundenkilometern ist die bis heute größte im freien Fall erreichte Geschwindigkeit ohne Stabilisierungsschirm. Viele Kampfjets fliegen langsamer.

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Mehr Qualitätsbeweis geht eigentlich nicht

Das Edelstahlmodell war zwar mit einem Durchmesser von 45,5 mm und einer Dicke von 14,15 mm etwas kräftiger als klassische El Primeros aber heute werden solche Größen von deutlich langweiligeren Modellen leicht überboten. Auf dem massiven Stahlboden ist übrigens das Logo der Stratos-Mission eingraviert, umrahmt von den Worten „FIRST WATCH TO BREAK THE SOUND BARRIER“. Recht bescheiden für die eingestellten Weltrekorde. Und auch Baumgartners Motto „LEARN TO LOVE WHAT YOU HAVE BEEN TAUGHT TO FEAR“ bekommt eine interessante Note, wenn man weiß, dass Herr Baumgartner bei der Vorbereitung auf den Sprung seine Klaustrophobie entdeckte und damit umgehen lernen musste.

Wer übrigens denkt, die Gehäusevariante der Stratos sei nicht in der Historie von Zenith verwurzelt, sollte sich die Referenzen A3821 und A3822 von 1972 ansehen. Diese sowohl als Taucher wie als Pilotenuhren konzipierten Modelle waren mit einer massiven, drehbaren 12-Stunde-Lünette versehen und mit verschraubten Kronen mit Doppeldichtungen. Insgesamt wurden beide Referenzen nur zirka 2005 mal gebaut, dazu jeweils 50 Stück mit Glasboden – und das im Jahr 1975!

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2014: Das Leichtgewicht unter den El Primeros

Das perfekte Gegengewicht zur mächtigen Stratos, von der es in den folgenden zwei Jahren auch leicht zivilere Varianten ohne Flybackfunktion gab, ist die El Primero Lightweight von 2014. Nur 100-mal gebaut, ist sie ein herausragendes Beispiel für die Kreativität und Leistungsfähigkeit der Ingenieure bei Zenith, das El Primero-Werk immer wieder neu zu erfinden. Werden die schwersten Teile des Uhrwerks normalerweise aus Messing gefertigt, wurde bei diesem Uhrwerk Messing durch Titan ersetzt, sowohl für die Hauptplatine als auch die fünf Brücken. Sprich die Brücke des Federhauses, die Unruh, den Anker, das Hemmungsrad und den Chronographen. Anker und Hemmungsrad bestehen sogar aus Silizium, ebenso wie das Doppelchronographenrad. Das Kaliber 4052 W besteht aus 334 Komponenten und wiegt nur 15,45 Gramm, im Gegensatz zu den 21,10 Gramm der klassischen Version desselben Uhrwerks. Diese neuen Komponenten machen das Uhrwerk amagnetisch. Das erste Kohlefasergehäuse einer El Primero mit Innengehäuseteilen aus keramisierten Aluminium machen das Model extrem begehrlich und weisen den Weg in die Zukunft mechanischer High-Tech-Uhrmacherei des 21. Jahrhunderts.

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Apropos Gewicht: Die CEOs der letzten Jahre

Eine starke Uhrenmarke hält jedem CEO stand. Das gilt besonders für Zenith: Während Thierry Nataf der Ruh gebührte, das Luxuspotential von Zenith im 21. Jahrhundert auszuloten, folgten ganz andere Schwergewicht auf ihn. Bevor im Januar 2017 Jean Claude Biver die Bühne nach dem eher glücklosen Aldo Magada betrat, soll ein wichtiger CEO nicht unerwähnt bleiben: Für mich ist es eigentlich die charmanteste Side-Geschichte in diesem Text, wenn man die enge Verzahnung mit Rolex bei Zenith und dessen Bedeutung für den Fortbestand des Unternehmens betrachtet. 2009 übernahm Jean-Frederic Dufour Zenith und wusste damals selbst noch nicht, dass er in die Uhrengeschichte eingehen würde. Er erneuerte nicht nur maßgeblich die Produktion von Zenith und reduzierte radikal die Referenzen, sondern schärfte auch entscheidend den Blick auf die Historie der Marke, die sich vor gut 10 Jahren zu verzetteln drohte. Es ist ein schöner Treppenwitz der Geschichte, dass ausgerechnet dieser Manager, 2014 zu Rolex gerufen wurde, um die Genfer Manufaktur bis heute zu leiten. Zumindest zwei Mal haben sich die Wege dieser beiden Marken schicksalshaft gekreuzt, man darf auf das dritte Mal gespannt sein.

Die schillerndste Uhrenpersönlichkeit der letzten 30 Jahre übernimmt Zenith

Jean-Claude Biver, in der Schweizer Uhrenbranche wohl unumstritten die schillerndste Persönlichkeit der letzten 30 Jahre, der den Wiederaufstieg der mechanischen Uhr mitgestaltet hat wie kein zweiter (wenn überhaupt dann der Swatch-Gründer Nicolas G. Hayek), leitete als Chef der LVMH-Uhrensparte Zenith kommissarisch bis zum Jahr 2017, bis ein neuer Kopf für Zenith gefunden war. Er soll auch dafür gesorgt haben, dass ein alter Wettstreit unter Manufakturen beigelegt wurde: Da er ebenfalls damals CEO von Tag Heuer war und um deren Ambitionen in der hochfrequenz-Zeitmessung wusste, entschied er, dass Zenith den exklusiven Zugang zu zwei Technologien erhalten sollte, die das Werk El Primero endgültig ins 21. Jahrhundert katapultierten. Er legte damit auch den Grundstein für den von ihm eingesetzten Julien Tornare, der zuvor bei Richemont für Vacheron Constantin tätig gewesen war und half diesem Zenith neu zu positionieren.

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2017 – Die hundertstel Sekunde mit der Defy El Primero 21

Die technologischen Hintergründe, die dieses El Primero Kaliber möglich machten, erspare ich ihnen, da es überall sehr gut nachzulesen ist, aber Zenith wusste natürlich, dass man irgendwann vor der Frage stehen würde: Reicht die Zehntel-Sekunde für ein Zeitalter aus, in dem die 1/1000 Sekunde oft schon zu langsam erscheint. Die Hundertstelsekunde mechanisch mit der Defy 21 messen zu können, wurde erst möglich durch eine neue Unruh, die mit einer Frequenz von 50 Hz schwingt, also mit 360.000 Halbschwingungen pro Stunde – also zehn Mal schneller als sein legendärer Vorgänger.

2017 – zwei Revolutionen in einem Jahr

Auch wenn es sich bei dieser Uhr einmal nicht um eine El Primero handelt, möchte ich sie hier kurz erwähnen, einfach um zu zeigen, auf welchen Level man bei Zenith inzwischen spielt. Im selben Jahr präsentierte Zenith nämlich die Defy Lab, ausgestattet mit einem neuen Oszillator in einem Stück aus monokristallinem Silizium. Dieser ersetzt nicht nur die Spiralfeder, die seit ihrer Erfindung 1675 durch den niederländischen Wissenschaftler Christiaan Huygens für mechanische Uhren verwendet wurde, und bis heute so gut wie alle mechanischen Uhren antreibt, sondern dieser Oszillator ersetzt das gesamte Assortment mechanischer Uhren. Rund 30 Bauteile werden durch ein Bauteil ersetzt! Die Defy Lab mit der Frequenz von 18 Hz ist auch das Ergebnis der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten des LVMH-Konzerns, insbesondere von Guy Sémon, der damals als Generaldirektor von TAG Heuer tätig war, jedoch im Zuge dessen Leiter aller Forschungs- und Entwicklungsaktivitäten der drei LVMH-Uhrenmarken HUBLOT, TAG Heuer und Zenith wurde. Wie mein Kollege Gisbert Brunner schriebt, entwickelte der promovierte Physiker Sémon In fünfjähriger Arbeit zusammen mit einem Team von Technikern und Wissenschaftlern den monolithischen, nur 0,5 Millimeter hohen Zenith Oszillator. Der wichtigste Schritt in der jüngeren Geschichte der El Primero erfolgte jedoch schon zwei Jahre später.

2019 – Chronomaster 2: Optimierung im Geist des Originals

Noch einmal zurück zum berühmten Werk, dessen jüngste Evolutionsstufe zum 50. Geburtstag präsentiert wurde: Das Kaliber 3600. In der zunächst limitiert erhältlichen Version von je 250 Exemplaren der Chronomaster 2 verbaute Zenith seit 2019 erstmals ein weiterentwickeltes El Primero Kaliber (ohne natürlich das alte Uhrwerk einzustellen), das Experten als Verbindung bestimmter Eigenschaften der Kaliber 400 und 4052B sehen. Laut Manufaktur ging es um Modularität, optimierte industrielle Fertigung, Montage und Justierung. Die Erweiterung um einen Sekundenstopp sowie eine auf volle 60 Stunden erhöhte Gangautonomie (von vorher 50) werden Fans guter Mechanik zu schätzen wissen. Für die Zukunft besteht nun die Möglichkeit zur Integration weiterer Funktionen und Anzeigen. Das optimierte, in El Primero 3600 neu benannte Kaliber verfügt über alle Hauptmerkmale seiner berühmten Vorgänger: Eine auf die Zehntelsekunde genaue, und am Sekundenzeiger gut ablesbare Chronographenfunktion wie bei der Striking 10, einen Flyback-Mechanismus und eine integrierte Konstruktion mit lateraler Kupplung, Schaltrad und kugelgelagertem Zentralrotor. Ein solches Werk nebenbei auch für einen einfacheren Zusammenbau zu verbessern, spricht für die Weitsicht der Ingenieure. Denn es muss auch in Zukunft noch Uhrmacher geben, die in der Lage dazu sind, solche Uhrwerke zu warten. Und natürlich behält dieses Werk die ästhetischen und technischen Merkmale des Originals bei: Es ist nach wie vor ein integriertes Hochfrequenzuhrwerk, die Datumsanzeige bleibt erhalten, genau wie die vertikale Kupplung und das Säulenrad. Es besteht aus etwas weniger Komponenten als das ursprüngliche Modell, auch das bei den sonstigen Leistungsdaten mehr als beachtenswert.

Die zehn seltensten El Primero-Sammleruhren

Kommen wir abschließend zu der Frage der Fragen: Welche Uhr ist denn jetzt die Seltenste? Seltenheit ist natürlich nicht immer relevant für die Bedeutung eines Modells, weshalb diese Frage hier nicht wirklich angemessen erscheint. Außerdem gibt es, wie oben erwähnt, viele El Primero-Modelle, von denen nur ein einziges Exemplar bis zu Referenzen mit 200 Exemplaren existieren: Dazu gehören zum Beispiel die G581 von 1969 (mit nur 150 Exemplaren) sowie spätere „Space Age“-Modelle mit weniger als 100 Exemplaren oder andere großartige El Primero-Modelle mit weniger als 5 Exemplaren. Einige frühe Referenzen hatten zudem transparente Gehäuseböden und waren auf 50 Exemplare limitiert.) Es gibt sogar absolut einzigartige Exemplare mit weniger bekannten Referenzen, wie zum Beispiel die W482 in Weißgold mit Diamanten auf der Lünette.

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Wie weiter oben erwähnt: Spannend ist für Sammler allemal die allererste Generation des El Primero zwischen 1969 und 1972. Diese umfasst bereits mehr als zehn der am meisten gesammelten El Primero-Modelle, um genau zu sein die Modelle der Referenzen A386, A384, A385, G381, G382, G383, G581, G582, A3818, A3817, A781, A782, A783 und G786. Die Aufzählung der Referenzen versteht sich nicht als Rangliste. Und wer diesen Text genau studiert, wird wissen: Auf all diese Modelle folgten historisch gesehen ebenso sammelwürdige Modelle und Bestseller, nicht wenige der frühen Modelle kann man heute bei Zenith als Icons (steht für Originale Nachbauten) oder Revivals (steht für moderne Neuinterpretationen) erwerben. Sind alle diese Modelle ebenso wertstabil wie die historischen Modelle? Das muss die Zukunft zeigen, auf jeden Fall befeuern sie den Ruhm der Originale und schonen die inzwischen wirklich selten gewordenen Uhren für die Nachwelt. Und sie entspannen Sammler, die das Original lieber im Safe verwahren – auch wenn die Uhren bis heute alltagstauglich sind.

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Ein Weltrekord für die Zukunft – und für einen guten Zweck.

Schaut man sich die Preisentwicklung wichtiger Schweizer Armbanduhren in den letzten Jahren an, gab es sowie so nur eine Richtung: Aufwärts. Das hat auch mit billigem Geld zu tun, mit Bitcoin-Milliarden und einem immer transparenter gewordenen Markt für Vintage-Uhren. Wirklich vertrauen können Profis bis heute nur Auktionsergebnissen. Hier kann Zenith im letzten Jahr einen weiteren, wichtigen Rekord verzeichnen:

Die teuerste je versteigerte Zenith war ein El Primero Defy Double Tourbillon Felipe Pantone der Referenz 04.9001.9020/49.R782, das bei der Only Watch Auktion im letzten Jahr für 480.000 Schweizer Franken den Besitzer wechselte.

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Das ist insofern erstaunlich, dass die Uhr ihren Maximal-Schätzpreis von 220.000 Euro mehr als verdoppelte. Die Defy Double Tourbillon Felipe Pantone, ein Einzelstück, das in Zusammenarbeit mit dem gleichnamigen Streetart-Künstler entwickelt wurde, basiert auf dem El Primero-Kaliber 9020, das in einem 46 Millimeter Gehäuse verbaut wurde.

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Ob Zufall oder nicht: Die regenbogenfarbig gestalteten, PVD-beschichtete Brücken mit der schwarzen lasergravierte Hauptplatine und der speziellen Schwungmasse erinnern zumindest entfernt an jenes Rainbow-Modell, mit dem man 20 Jahre zuvor große Erfolge gefeiert hatte. Kein Wunder, dass es parallel ein auf 100 Exemplare limitiertes Serienmodell dieser wirklich sehenswerten Uhr gibt, die Zenith DEFY 21 Felipe Pantone – Chromatic.

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El Primero – zu den ersten gehören zu wollen ist eine ewige Verpflichtung

Auch wenn niemand die Zukunft vorhersehen kann, bei Zenith muss man sich keine Sorgen machen, zumindest nicht so lange der Mutterkonzern LVMH mit Marken wie Louis Vuitton die Welt der Mode dermaßen dominiert. Im Gegenteil: Eingebettet in ein Netzwerk aus Ingenieuren, Wissenschaftlern und Uhrmachern, steht Zenith ein weiterer Aufstieg bevor. Der schönste (und für Käufer neuer Uhren schmerzhafteste) Beweis der großen Begehrlichkeit der Zenith- Uhren ist die Tatsache, dass man derzeit auf einige Modelle wie die Chronomaster Sport sogar warten muss.

Knackt Zenith als erste Manufaktur die 1/1000stel-Sekunde?

Warten ist ein gutes Stichwort, wenn es um die Zukunft von Zenith geht. Natürlich hält sich der aktuelle CEO Julien Tornare bedeckt, wenn es um das nächste große Jubiläum in zwei Jahren, den 160. Gründungstag geht.

Auf die Frage für diesen Text, ob es realistisch sei, dass Zenith in absehbarer Zeit einen weiteren, extremen Meilenstein seiner Geschichte hinzufügen wird und daran arbeitet, die 1/1000stel Sekunde mechanisch zu knacken, antwortet er zuversichtlich, aber zugleich vage: „Wir arbeiten mit Sicherheit an der mechanischen Messung der 1/1000stel Sekunde, aber man muss bedenken, dass sie einen völlig neuen Ansatz in der Uhrmacherei darstellt, der entwickelt werden muss. Sie kann nicht auf den Hemmungen basieren, mit denen wir heute arbeiten und die wir kennen. Es handelt sich um einen völlig neuen Ansatz, der viel Zeit und Mühe erfordert.“ Helfen wird ihm bei dieser Arbeit sicher das sogenannte LVMH Institut der Muttergesellschaft, in dem man bereits die Technologie zur Messung der 1/100stel Sekunde entwickelt hatte, zunächst für Tag Heuer in 4Hz-Technolgie, für die man dann aber unter Jean-Claude Biver entschied, das System auf das El Primero Werk anzupassen.

Um ewig Erster zu sein, muss man manchmal Umwege in Kauf nehmen

Charles Vermot spürte das instinktiv, als er half, die Marke Mitte der Siebziger Jahre vor dem Untergang zu retten. Übrigens gab es abschließend auch ein paar tolle Sammlermodelle, die seinen Namen tragen. Ihm widmet die Marke bereits 2012 die erste Charles Vermot-Edition: Ein COSC-zertifizierter Chronograph mit Datum im 42-mm-Stahlgehäuse. Dieses Stück war auf 1975 Exemplare limitiert und spielte damit auf das Jahr an, bei dem man intern darauf geeinigt hatte, dass es den Start seiner Dachboden-Aktion darstellte.

2014 folgte die Zenith El Primero Chronomaster Power Reserve „A tribute to Charles Vermot“ Limited Edition, Ref. 03.2085.4021/51.C700, limitiert auf 1975 Stück mit blauem Zifferblatt und einen auf 500 Exemplare limitierten Chronographen mit Vollkalender und silbernem Blatt. Im Jahr 2015 erscheint die ebenfalls auf 1975 Exemplare limitierte Zenith El Primero 410 Tribute to Charles Vermot der Referenz 03.2097.410/51.C700 mit blauem Zifferblatt, für mich bis heute unter den neueren Modellen eine der schönsten Referenzen, die die ganze Dramatik dieser Geschichte in einer Uhr zusammenbringt.

Fortschritt bedeutet, Respekt vor der Vergangenheit zu haben

Aus Respekt vor dem Mut und der Weitsicht von Charles Vermot, einem der Retter von Zenith, gebührt ihm auch der Platz für das Ende dieses Textes. Es ist ein Zitat aus dem Schreiben an die amerikanischen Eigentümer von Zenith, der Zenith Rado-Cooperation, im Jahr 1975, dem Jahr, als man befahl, die Produktion der El Primero einzustampfen: „Ich habe nichts gegen den Fortschritt, so ist die Welt nun einmal. Aber eher in dem Sinne, dass sie immer auf die Vergangenheit zurückgreift. Es ist falsch von Ihnen, die Produktion von mechanischen Automatik-Chronographen einzustellen. Ich bin überzeugt, dass Ihr Unternehmen eines Tages von den Moden und Trends der Vergangenheit profitieren wird.“

Nichts rast schneller als die Zeit. Natürlich gibt es inzwischen schon wieder zahlreiche interessante Varianten der berühmten Uhrenlinie und ihres Werkes:

Die Firma, die sich den Begriff Pilot für Uhren bereits 1888 schützen lies, brachte zur Genfer Uhrenmesse Watches und Wonders dieses Frühjahr die vielleicht dezenteste Form des berühmten Rainbow-Chronographen von 1996 zurück. Mit der Pilot Big Date Flyback in Edelstahl kommt ein würdiger Nachfahre, der die prägnanten Regenbogenfarben nur noch dezent im Totalisator-Ring spielt. An der neuen Version des El Primero Kaliber 3600 ist besonders die Kombination von Großdatum und Flybackchrono auf dem tief horizontal geriffelten Zifferblatt hervorragend umgesetzt. Ebenso hervorragend passt diese Uhr trotz 42,5 Millimeter Gehäusedurchmesser passt auch an kleinere Handgelenke. Die Schnellschaltung des Großdatums in drei hundertstel Sekunden ist zudem des berühmten Schnellschwinger-Werkes absolut würdig.


www.zenith-watches.com