Viele Wege führen nach Rom, aber nur einer nutzt so charmant die ewige Stadt als Wendemarke. Was es heißt, das legendäre 1000-Meilen-Rennen von Brescia nach Rom und zurück selbst gefahren zu sein, erläutert dieser Bericht. Am Arm: Natürlich die Mille Miglia Kollektion von Chopard. Eine Annäherung an eine der härtesten Oldtimer-Rallyes der Welt.
Erfahrungen, die schwer zu beschreiben sind
Es gibt Erfahrungen, die kann man nur schwer teilen und noch weniger beschreiben, auch wenn uns Instagram jeden Tag das Gegenteil beweisen will. Zu den bisher bewegendsten in meinem Leben gehört der Moment der Anlandung in den Gewässern der Antarktis mit einem Schlauchboot in Fortuna Bay in Südgeorgien, dort wo 1916 der britische Entdecker und Abenteuer Ernest Shackleton seinen letzten Marsch antrat, um seine zurückgelassene Besatzung zu retten.
Neben solchen Naturerlebnissen kommt erst einmal lange nichts, das wird auch sicher jeder bestätigen, der schon mal eine Safari oder einen Tauchgang gemacht hat. Ich hatte damals in der Antarktis übrigens eine Cartier Santos am Arm, das hielt ich für dieses Abenteuer für angemessen, ist aber eine andere Geschichte. Aber es gibt auch menschengemachte Erlebnisse, die mindestens ebenso schwer beschreibbar sind wie die Begegnung mit tausenden frisch geborenen Robbenbabies in freier Natur. Dazu zählt meine diesjährige Teilnahme an der Mille Miglia als Fahrer – und davon handelt diese Geschichte.
Zum 37. Mal Hauptsponsor: Chopard
Mitte Juni 2024 und damit zum 37. Mal in Folge hatte Chopard an den Start des legendären 1000-Meilen-Rennens von Brescia nach Rom und zurück geladen. Jenes Rennen, dass 1927 vier Italiener ins Leben gerufen hatten und 30 Jahre als das schwerste Langstreckenrennen der Welt galt, bis es 1957 wegen eines schweren Unfalls sein Ende fand und 31 Jahre später als Oldtimerrallye wieder ins Leben gerufen wurde.
Die längste Partnerschaft eines Uhrenherstellers mit einem Autorennen
Mit der Mille, wie sie Teilnehmer liebevoll nennen, wird auch jährlich die längste Beziehung der Geschichte zwischen einem inhabergeführten Uhrenhersteller und einer Motorsportveranstaltung zelebriert. Ganze 37 Jahre ist Chopard dabei. Zum Vergleich: Rolex, heute eine Stiftung, ist immerhin seit 32 Jahren Sponsor des berühmten 24-Stunden-Rennens von Daytona, in der Formel 1 sind die Genfer seit 11 Jahren präsent, werden 2025 aber durch die LVMH-Group abgelöst. Deren Tochtergesellschaft, TAG Heuer, ist zwar als erster Uhrensponsor der Formel 1- länger im Motorsport dabei (das Engagement von Jack Heuer startete 1971 mit Ferrari) allerdings wechselte das Unternehmen zwischenzeitlich zwei Mal seine Besitzer (Nach der TAG Gruppe übernahm LVMH das Unternehmen).
50.000 Kilometer selber gefahren: Karl-Friedrich Scheufele
Völlig unbestritten und einmalig ist bei der Mille Miglia die Verbindung von Chopards Co-Präsident Karl-Friedrich Scheufele und dem Rennen, an dem er dieses Jahr immerhin seit 1989 zum 32. Mal teilnimmt, zum 15. Mal in Begleitung seines guten Freundes, der Rennfahrerlegende Jacky Ickx (zwei Mal war er mit seiner Frau Caroline-Marie dabei, neben der Teilnahme mit seinem Vater und weiteren Freunden der Maison). Dieses Jahr ist das Dreamteam mit Scheufeles Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer in Erdbeermetallic mit Startnummer 264 dabei. Mit mehr als 50.000 zurückgelegten Kilometern dürfte Herr Scheufele selbst bald zur Rennlegende werden: Er könnte inzwischen den Rekord der meisten selbst gefahrenen Meilen bei diesem Rennen halten.
Chopards Co-Präsident Karl-Friedrich Scheufele und Rennfahrerlegende Jacky Ickx
36 Uhrenmodelle in 37 Jahren
Die Mille Miglia und Chopard, das ist eine Zusammenarbeit, die auch bei Uhrenmodellen ihresgleichen sucht: In den vergangenen Jahrzehnten wurden 36 Uhren für die Mille Miglia entworfen, insgesamt ist eine der interessantesten Motorsport-Uhrenkollektionen der Welt daraus hervorgegangen. Jede einzelne von ihnen spiegelt das Wesen und die Seele dieses Rennens wider, dessen aktueller Werbeclaim „Das schönste Rennen der Welt“ übrigens nicht aus der Feder eines Marketingprofis, sondern vom Il Commendatore persönlich stammt: Es ist ein Zitat von Enzo Ferrari. Doch später mehr zu den Uhren.
Enzo Ferrari sagte: Das schönste Rennen der Welt
Die Mille Miglia mit einer Antarktisreise zu vergleichen, mag für manchen Leser verwunderlich klingen, da ja viele Beobachter gerne denken, das Autorennen sei heute eine launige Sommerfrischler-Ausfahrt mit sündhaft teuren Oldtimern von Menschen mit zu viel Geld und zu viel Zeit. Mich fasziniert bei solchen Vorurteilen immer wieder: Viele Dinge im Leben glaubt man als Außenstehender mindestens so gut beurteilen zu können wie jemand, der wirklich etwas erlebt hat. Wie bei Außenpolitik und Fußball gilt offensichtlich die Faustregel, je größer ein menschliches Ereignis ist, desto mehr Menschen haben dazu eine ganz dezidierte, meist negative Meinung, aber vor allem eine, die sie eigentlich aufgrund des Erfahrungsmangels gar nicht haben können.
In einer offenen Propellermaschine nach Italien fliegen?
Ich hatte bereits 2016 die Gelegenheit, die Mille Miglia als Gast von Chopard besuchen zu dürfen. Allerdings fuhr ich die Strecke von Brescia nach Rom in einem modernen Golf GTI. Wer jetzt meint, ich könnte irgendwie mitreden bei den echten Teilnehmern, auch der irrt gewaltig. Wenn mich heute jemand fragt, was denn so anders daran sei, diese Strecke in einem 70 Jahre alten Rennwagen zurückzulegen, dem erwidere ich: Stellen Sie sich vor, sie würden den Flug nach Italien in einem offenen Propeller-Flugzeug von 1950 mit einem Sitzplatz in einem Lufthansa Airbus im Jahr 2024 vergleichen wollen.
Einen Teilnehmer zu treffen, ist seltener als jemanden, der in die Antarktis gereist ist
Allein schon die Möglichkeit, einen echten Teilnehmer der Mille Miglia zu treffen, ist unwahrscheinlicher als jemanden, der eine Antarktisreise unternommen hat: Den siebten Kontinent besuchen immerhin jährlich rund 55.000 Menschen, während man selbst bei Zugrundelegung der diesjährigen 421 Teilnehmen plus deren Copiloten in den letzten 37 Jahren nur insgesamt auf rund 30.000 Personen kommt! In den Anfangsjahren des Comebacks waren es jedoch keine 100 Teilnehmer.
Nur Autos, die selbst mitgefahren sind oder aus der Zeit stammen dürfen mitfahren
Überhaupt mitfahren zu dürfen ist ein gutes Stichwort. Wer mitfahren will, benötigt nicht nur einfach ein wertvolles altes Auto, sondern eines, das in den Jahren, in denen dieses Rennen ein echtes Autorennen war, wirklich mitgefahren ist (also von 1927 bis 1957). Nun, wie viele Automodelle kennen Sie aus dem Zeitraum? Genau, will heißen: Dieses Jahr sind von den mehr als 400 historischen Fahrzeuge für die Challenge nur 71 historische Sammlerstücke dabei, die wirklich zwischen 1927 und 1957 an den Start gegangen sind. Darunter auch einer der Wagen aus unserem Team, aber dazu später mehr. Von den wenigen Modellen, die aus dieser Zeit existierten, müssen die Fahrzeuge auch noch weitestgehend original sein. Was nicht einfach ist, wenn die Fahrzeuge viele Jahrzehnte auf dem Buckel haben und die Strapazen eines Langstreckenrennens mehrfach durchzustehen hatten.
2200 Kilometer in fünf Tagen
Strapazen? Die Mille Miglia ist keine Kaffeefahrt, der Name an sich sollte einem schon Respekt einflössen: Auch bei der Ausgabe 2024 wird die gesamte Fahrt über fünf Wettbewerbstage gehen. Das sind fünf Tages-Etappen und bedeutet trotz des historischen Namens, der auf die originale Distanz von rund 1000 amerikanischen Meilen hinweist, mehr als 2200 zu fahrende Kilometer Rennstrecke. Wobei der Begriff Rennstrecke nicht wörtlich zu verstehen ist. Auch dazu eine einfache Rechnung: Die in Deutschland bekannte Autobahnstrecke von Hamburg nach München misst gut 800 Kilometer. Man stelle sich vor, diese Strecke am Stück drei Mal hintereinander zu fahren. Am Stück. Und zwar nicht in einem Auto aus dem Jahr 2024, sondern einem offenen Oldtimer auf Land- und Passstraßen und durch kleine Dörfer. Sie ahnen, worauf ich hinaus will?
Das erste Mal in Turin und Genua
Los geht meine Mille in Turin. Als absolutes Novum wird die Parade in diesem Jahr in Turin und Genua Station machen. Wie zuletzt im Jahr 2021 und zuvor ganze 14 mal wird dieses Jahr gegen den Uhrzeigersinn gefahren. Die Route ist klar: Es werden Zwischenstopps in Turin, Viareggio, Rom und Bologna eingelegt, bevor es wie gewohnt zurück nach Brescia geht.
Wir starten im Fiat von 1950
Dass ich nicht in Brescia starte, hängt schlicht damit zusammen, dass Chopard als einziger Sponsor die Möglichkeit bekommt, mehrere Fahrer über das gesamte Rennen zu verteilen, um so vielen wie möglich die Erfahrung einer Teilnahme in Originalfahrzeugen zu ermöglichen. Meine Reise endet in Rom, der ewigen Stadt. Turin passt charmanter Weise zur Herkunft unserer Fahrzeuge: Traditionell gilt Turin mit den Fiat-Werken als Herz des italienischen Automobilbaus. Zur Auswahl stehen ein racing-grüner Fiat 1100 Pininfarina aus dem Jahr 1950 und ein extrem seltener offener Ermini Sport 1100 aus dem Jahr 1952, ein Fahrzeug, dessen Chassis ebenfalls von Fiat stammt.
Fiat 1100 Pininfarina aus dem Jahr 1950
Auch wenn diese Fahrzeuge nicht ganz so legendäre Namen tragen wie die vielen teilnehmenden Ferraris oder Alfa Romeos, sind diese heute extrem seltenen Autos. Die viel Liebe brauchen. Und Ersatzteile. Daher ist es keine Eitelkeit, wenn jedes Teilnehmerduo sein eigenes Mechaniker-Team dabei hat. Niemand, wirklich niemand, kann so ein Langstreckenrennen ohne Werksteam bestreiten. Was das bedeutet? Uns stehen fortan ein vierköpfige Mechaniker-Crew zur Verfügung, die uns im Maserati SUV dezent folgt und für den Fall der Fälle digital trackt.
In Turin angekommen, werde ich mit meinem Beifahrer zunächst dem geschlossenen Fiat zugeteilt. Immerhin ein Dach über dem Kopf, denke ich mir. Denn die Mille Miglia ist bekannt dafür, dass man lange Passagen im Regen fahren muss.
Pietro leitet das Mechaniker Team
Der Kopf des Mechaniker-Teams ist Pietro, den ich fortan nur noch Super-Pietro nenne, weil er dem Klischee des hilfsbereiten Italieners am Straßenrand entspricht, der sofort zupackt und hilft und den man immer an seiner Seite haben will. Pietro heißt mit Nachnamen Trenconi und ist nicht irgendwer: Sohn einer Rennfahrer-Familie, macht er mit seiner Firma Träume möglich, für alle die, die keinen Mille-Miglia Rennwagen ihr Eigen nennen. Seine Firma heißt Classic Car Charter.
Vor dem Rennen hatten wir eine einstündige Video-Einführung, die sich schon am ersten Renntag auszahlt. Oberstes Ziel: Seine eigenen Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Die Einführung am Renntag selbst fällt knapp aus. Sieben Uhr morgens soll es losgehen, es gibt Wasserflaschen und Bananen als Proviant.
Pietro, der die Autos wie aus der Westentasche kennt, (immerhin gibt es schwarz-weiß Fotos von ihm als Kind mit diesen Rennkisten) geht offensichtlich davon aus, dass jeder Halbbegabte ein Auto aus dem Jahr 1950 bewegen kann. Prinzipiell hat er recht, doch ich weiß nicht, wann ich zuletzt in einer solchen Kiste mit offener Schaltkulisse gesessen habe. Die Sitze fühlen sich an wie das alte Sofa auf dem Dach meiner Großmutter, Gurte, Kopfstützen? Fehlanzeige.
Ich komme mir vor als wäre ich in ein Spielzeugauto gestiegen
Mit dem filigranen, mit Plastik überzogenen Metall-Lenkrad in der Hand komme ich mir vor, als wäre ich in ein zerbrechliches Spielzeugauto gestiegen mit einem Blechkleid dünn wie ein Pappkarton. Damit soll ich in drei Tagen gut 1000 Kilometer zurücklegen? Ich runzle die Stirn. Mein mir zugeteilter Beifahrer Steven von Worldtempus ist selbst Journalist. Auf die Frage, wer als erster fährt, winkt er dankend ab: Er ist nicht nur englische Straßen und damit die Schaltung auf der anderen Seite gewohnt, vor allem die Tatsache einer Handschaltung mit offener Schaltkulisse flößt ihm Respekt ein. Mir auch. Denn offene Schaltkulisse heißt: Die Gänge rasten nicht automatisch ein, man erspürt sie eher, als dass man sie wie gewohnt bei gedrückter Kupplung schlicht einlegt.
In Anbetracht des Regens vom Vortag frage ich Pietro nochmal vorsichtig nach der Funktionstüchtigkeit der Scheibenwischer, die aussehen wie aus einem Kinderspielzeugladen. Quietschend setzten sich die zwei zehn Zentimeter langen knüppelharten Gummis nach Betätigen eines Druckknopfes etwas in Bewegung, Asynchron, ein Vorgang, den man nicht wirklich als Scheibenreinigung bezeichnen kann. Und welcher der unbeschrifteten Knöpfe war noch mal die nachträgliche Motorkühlung, die mittels eines an einen Computerlüfter erinnernden Ventilators die Motorhitze direkt in den Innenraum des Fahrzeugs leitet? Super-Pietro hatte mir nur noch Daumen hoch symbolisiert und weg war er mit dem Begleitfahrzeug.
Schon vor dem Start verfahren wir uns
Schon die Fahrt zum Startpunkt in die Turiner Innenstadt wird zum Husarenritt. Mein Beifahrer hat nach einer Minute auf der Turiner Stadtautobahn komplett den Überblick verloren, ich versuche (natürlich ohne Blinker und ohne elektrische Hupe) einen Weg durch den Turiner Morgenverkehr zu bahnen.
Steven will sich an der Startlinie noch mal ausführlich vorbereiten, doch kaum kommen wir dort an, werden wir von vielen freundlichen Helferlein in Warnwesten immer weiter nach vorne gewunken. Direkt zum Start! Ich höre nur noch „Go, Go, Go“ seitens der Rennleitung und plötzlich befinden wir uns auf der von Zuschauern umsäumten Rennstrecke auf der Ausfallstraße der Stadt.
Mir tut in dem Moment mein Beifahrer leid, der erstens weder auf die Toilette gehen konnte wie ich, noch das bildbanddicke Roadbook wirklich beherrschte. Wir sollten uns die nächsten Tage daran gewöhnen, dass dieses Rennen seit Anbeginn an mit einem Beifahrer gefahren wurde.
Über Passstraßen nach Genua – ohne Servolenkung
Die Route von Turin führt über den 670 Meter hohen Turchino Pass hinunter nach Genua, und nachmittags dann weiter in den Mittelmeerbadeort Viareggio, zumindest ist das der Plan. Das Auto quält sich mühevoll die Strada Provinciale 456 hinauf, die Genua mit Masone und somit die ligurische Hafenstadt im weiteren Straßenverlauf mit der piemontesischen Provinz Alessandria verbindet. Ich quäle mich derweil mit der hakeligen Handschaltung ab und entschuldige mich jedes Mal, wenn ich beim ständigen Rühren im Getriebe mal wieder ein Ritzel erwische. Es knackt und knarzt, dabei versuche ich die Serpentinen halbwegs elegant zu nehmen, was nicht immer einfach ist, denn natürlich ist hier keine Servolenkung verbaut. Mehrfach komme ich erst kurz vor einer Böschungsmauer zum Stehen. Steven nimmt es mit britischem Humor und lässt sich nichts anmerken.
Bremsen, Bremsen, Bremsen
Die wichtigste Lektion hatte ich gottseidank im Vorab-Videocall gelernt: Bremsen, Bremsen Bremsen. Schon nach wenigen Kilometern schmerzt mein verkrampfter rechter Oberschenkel, weil dieses Auto natürlich lediglich Trommelbremsen hat. Je wärmer diese werden, umso beherzter muss ich zutreten. Und das ist wörtlich gemeint. Dabei ist die Strecke bis Viareggio nur rund 380 Kilometer lang. Langsam beginne ich zu erahnen, wie sich frühere Rennfahrer gefühlt haben müssen.
Der britische Motorsportjournalist Denis Jenkinson beschrieb die größte Herausforderung dieses Rennes nach dem legendären Sieg als Beifahrer von Stirling Moss im Jahr 1955 so:
„Wenn man sich vergegenwärtigt, dass das Rennen über 1.000 Meilen gewöhnlicher, unpräparierter italienischer Straßen führt, wobei das einzige Zugeständnis an den Rennsport darin besteht, dass der gesamte Verkehr für die Dauer des Rennens von den Straßen ferngehalten wird und der Weg durch die Städte mit Strohballen gesäumt ist, wird man verstehen, dass die Aufgabe eines Mannes, jede Kurve, jeden Serpentine, jede Steigung, jeden Buckel, jede Kuppe und jeden Bahnübergang zu lernen, nahezu unmöglich ist.
Denis Jenkinson und Stirling Moss, nach ihrer Teilnahme bei der Mille Miglia 1955
Wir sind nicht allein: 420 Oldtimer plus Begleitfahrzeuge und Berufsverkehr
Allerdings gibt es einen kleinen Unterschied: Unsere Strecke ist nicht für den normalen Straßenverkehr gesperrt, im Gegenteil, es ist bumsvoll: Zu den über 420 Oldtimern gesellen sich mindestens ebenso viele Begleit- und Servicefahrzeuge und dazu gibt es auch noch die Fahrzeuge der vielen Parallelveranstaltungen, die dieses italienische Großereignis anzieht. Mal ganz abgesehen von den zahllosen Schaulustigen und Möchtegern-Teilnehmern, die einen ständig mit modernen Autos überholen. Auch hier sei der Vergleich mit Deutschland angebracht: Kann sich irgendjemand vorstellen, dass in Deutschland ein öffentliches Autorennen auf der Strecke von Hamburg nach München und zurück stattfinden könnte, bei dem die Polizei zwar die ganze Zeit mit vielen Motorrad-Eskorten mit von der Partie ist, aber von geregeltem Verkehrsfluss nicht die Rede sein kann? Ich versuche mich höllisch zu konzentrieren und immer genügend Abstand zu halten, wozu man mir eindringlich geraten hatte.
Als wir im Nebel die Passhöhe von Turchino überquert haben, freuen mein Beifahrer und ich uns bereits auf den Stopp in Genuas Hafen und den Abstecher entlang der Straßen der Riviera di Levante in den Süden. Und merken natürlich nicht, wie sich unser Auto langsam aber sicher verabschiedet.
Das Drama von Genua
Während der endlosen Serpentinen der Talabfahrt wird es warm im Coupé. Nein, nicht nur wegen der Sommersonne, die nun immer stärker wird und das gewölbte Blechdach erwärmt. Ich vermute zunächst die Bremsen, da sich mein Bein inzwischen taub anfühlt, obwohl ich ständig die Motorbremse bemühe, was den Wagen jedes Mal aufspringen lässt wie einen bockigen Esel. Die Hitze kommt, anfänglich noch angenehm nach dem kühlen Pass, aus dem Motorraum.
Erst wird es warm, dann steigt weißer Rauch auf
Pietro hatte uns gewarnt: Achtet auf die Kühlertemperatur! Wenn das Thermometer über 90 Grad steigen sollte, war verabredet, den nachträglich eingebauten, aber zuverlässigen, eingangs erwähnten Lüfter einzuschalten. Der bläst zwar die warme Motorabluft direkt in den Innenraum, aber darüber machen sich Steven und ich keine Gedanken.
Was wir beiden Greenhorns nicht bedacht haben: Die Kühlertemperatur sollte auf gar keinen Fall und auch nur wenige Minuten über 100 Grad gehen. Wie lange war die Nadel jetzt schon rechts am Anschlag bei 110 Grad? Unerfahren wie wir sind, steuern wir mit total überhitztem Motor auf die komplett verstopfte Stadtautobahn nach Genua hinein, um den Kontrollpunkt im Hafen zu erreichen.
Shut off the engine!
Als beißender weißer Rauch zwischen meinen Beinen aufsteigt, wird auch Steven klar, dass wir handeln müssen, nur wie? Wir schaffen es gerade noch auf die Autobahnausfahrt und den Abbieger, aber wenige Meter vor dem Ziel springen bereits angekommene Teilnehmer nervös um uns herum und brüllen laut: „Shut of the Engine or you will burn your car!“
Als ich den Zündschlüssel abziehe, passiert: nichts
Gesagt, getan, nur als ich den Zündschlüssel abziehe, passiert rein gar nichts. Ich lass die Kupplung kommen und würge den Motor ab. Zusammen springen wir, den Geruch von verbranntem Öl und Gummi in der Nase, aus dem Auto, das eine weiße Rauchfahne hinter sich herzieht. Wieder auf den Beinen, schieben wir unter den mitleidigen Blicken der vielen Schaulustigen am Straßenrand den liegengebliebenen Fiat zum verabredeten Treffpunkt mit unserem Mechaniker-Team.
Pietro kommt im Maserati angedüst und schickt uns anstelle einer Standpauke erstmal zum Mittagessen. Erst jetzt bemerken Steven und ich, dass wir beide riechen wie die Berserker. Der Benzingeruch in meiner Nase sollte mich tagelang nicht mehr verlassen. Wer in Vor-Katalysator-Jahren schon Automobilverkehr in Innenstädten kannte, weiß wovon ich rede: Die teils kilometerlange Kolonne hunderter Oldtimer hat sich geruchstechnisch in jede Pore meines Körpers gefressen.
Unser Renntag endet, bevor er angefangen hat
Die vernichtende Nachricht kommt wenige Minuten nachdem das Risotto a la Milanese aufgetischt wird: Pietro teilt uns trocken mit, dass die Zylinderkopfdichtung des Fiat Motors ihren Geist aufgegeben hätte. Gottseidank ist der Zylinderkopf noch nicht verzogen. Die Dichtung werde aus Mailand über Nacht geholt, alles sei organisiert. Allerdings ist das Rennen für uns heute vorbei.
Ich entschuldige mich ausführlich und gelobe Besserung, aber ehrlich gesagt sind Steven und ich nicht ganz undankbar. Im Bus-Shuttle nach Viareggio fallen mir sofort die Augen zu. Ein Auto geliefert, das kann ja gut werden, denke ich mir. Einen Vorteil hat die erzwungene Pause, es bleibt genügend Zeit, die Mille Miglia-Uhren von Chopard, den eigentlichen Anlass, um hier teilzunehmen, genauer unter die Lupe zu nehmen.
Zeit für die Mille Miglia Uhren
Wie eingangs erwähnt: Seit 1988 unterstützt Chopard die Mille Miglia. Aus dieser langjährigen Partnerschaft ist in den vergangenen 37 Jahren eine umfangreiche Uhrenkollektion hervorgegangen, die den Namen des legendären Langstreckenrennens trägt: Mille Miglia. Nach so einem langen Zeitraum darf man schon von einem Klassiker sprechen, zumal diese Kollektion eine Besonderheit aufweist, die es so auch nur bei Chopard gibt: Denn seit 1988 entwirft Chopard jedes Jahr ein neues Mille Miglia Modell, das in den ersten Jahren ausschließlich für die Fahrer für dieses berühmte Rennen produziert wurde.
Jedes Fahrerteam bekommt eine Chopard Uhr
Richtig gelesen: Alle Fahrerteams bekommen eine Uhr. Auch das ist einmalig in der Motorsportgeschichte. Dieses Jahr geht es gleich um drei Uhren: Die sogenannte Competitor Watch bezeichnet die erwähnten Uhren für die Fahrer, die jeweils ein Fahrerteam zum Start erhält und im Startgeld von gut 15.000 Euro enthalten ist. Wer das für überzogen viel Geld hält: Grundsätzlich sind im Package neben der Competitor Watch pro Fahrer-Team alle Übernachtungen, Mahlzeiten, Events vor, während und nach dem Rennen inbegriffen, neben den Roadbooks und natürlich der Gesamtorganisation. Die Teilnahme an einem historischen Automobilrennen war noch nie billig, aber wer schon ein eigenes Mechanikerteam hat, wird auch diese Kosten stemmen können.
Zwei Linien, die sich auf zwei Automobilepochen beziehen
Auch dieses Jahr umfasst die Kollektion Mille Miglia im Prinzip zwei Linien: Die ganzjährig erhältiche Classic und Jahresedition GT. Während für die Uhren der Classic-Linie die klassischen Rennwagen der Jahre 1927 bis 1940 Pate stehen, bezieht die Linie GT ihre Inspiration von den Rennwagen, die zwischen 1940 und 1957 an der Mille Miglia teilnahmen.
Nur in Italien: Ein auf 100 Exemplare limitierter Mille-Miglia-Chronograph
Die Teilnehmer-Uhr ist optisch identisch zur hier gezeigten Mille Miglia GTS Chrono Limited Italian Edition 2024 Titanium 100 Piece Edition. Einziger Unterschied: Die Gravur auf der Rückseite ist natürlich anders. Dieses Modell ist als Hommage an die Fahreruhr zu verstehen und ist nur in Chopard-Boutiquen in Italien in diesem Sommer verfügbar.
Chopard Mille Miglia GTS Chrono Limited Italian Edition 2024 Titanium 100 Piece Edition
Für jeden erhältlich: der offizielle Mille-Miglia Chronograph “La Gara”
Die offizielle Mille Miglia Uhr am Handgelenk
Das dritte, eher klassische Modell, wurde bereits auf der Watches und Wonders in Genf in diesem Frühjahr vorgestellt. Der offizielle Mille Miglia Chronograph heißt “La Gara”.
Am ersten Renntag trug ich den klassischen Mille Miglia Chronograph mit 40,5 Millimeter großen Gehäuse in der Chopard eigenen Lucent Steel Legierung. Eine Legierung mit einem Recyclinganteil von mindestens 80 Prozent. Uhrglas in Boxform, die Farben des Zifferblatts sind von der schwarz-weiß karierten Zielflagge inspiriert, das Zifferblatt trägt die Bezeichnung „La Gara“ – das italienische Wort für „Rennen“. Das Lucent Steel-Gehäuse hat die Qualität von Chirurgenstahl sowie antiallergene Eigenschaften, was eine hohe Hautverträglichkeit und ein angenehmes Tragegefühl gewährleisteten. Lucent Steel ist 50 Prozent härter als herkömmlicher Stahl und daher besonders dafür geeignet, den Strapazen des Rennsports durch Stöße, Schläge und Kratzer standzuhalten.
Lünette, Krone und Drücker des gefälligen Chronographen sind ebenfalls in Lucent Steel gearbeitet und verfügen über ein Finish mit abwechselnd polierten und satinierten Oberflächen. Die Drücker sind gerändelt und erinnern in der Optik an das geriffelte Blech des Bremspedals unseres Fiats. Die Krone ist deutlicher gekerbt und somit griffig und gut bedienbar. Die Hörner sind mit dem Gehäuse verschweißt.
Das Design passt hervorragend zu klassischen Automobilen
Das Design der drei schwarzen Totalisatoren, die Form der Zeiger sowie die arabischen Ziffern sind in Anlehnung an die charakteristische Optik des Armaturenbretts in einem historischen Automobil gestaltet und passen hervorragend zur Anzeigetafel im historischen Rennwagen. Die weiße Minuterie und die weiße Tachymeterskala tragen zur guten Ablesbarkeit bei. Die Zifferblattmarkierungen sowie die Zeiger für Stunden und Minuten sind zudem mit weißem Grade XI Super-Luminova belegt. Der zentrale Sekundenzeiger des Chronographen hat eine rote Spitze. Er ergänzt optisch das berühmte rote 1000-Miglia-Logo, das sich natürlich auf jedem Zifferblatt dieser Kollektion befindet. Durch den Saphirglasboden der Uhren blickt man auf das Chronographenwerk mit Automatikaufzug, das von der offiziellen Schweizer Chronometerprüfstelle COSC als Chronometer zertifiziert ist. Das Uhrwerk mit Chopard exklusivem Finishing auf Basis des Kalibers ETA A32.211 verfügt eine Gangautonomie von 54 Stunden und kostet 10.100 Euro.
Die wichtigsten Milestones der Mille Miglia Kollektion über die Jahrzehnte
Ein kleiner Ausflug in die Geschichte der Kollektion: Erst seit 1997 sind die Mille Miglia Uhren nicht mehr allein den Rennfahrern vorbehalten, sondern werden auch in begrenzter Stückzahl zum Verkauf angeboten. Die Anzahl richtet sich jeweils nach dem Jahrgang: Zum Beispiel 2014 produzierte Chopard außer den für die Rennteilnehmer reservierten 410 Exemplaren weitere 2014 Chronographen mit Edelstahlgehäuse für den freien Verkauf. Da nie geplant war, aus der Begeisterung der Familie Scheufele für historische Fahrzeuge eine eigene Uhrenkollektion wachsen zu lassen, gab es anfänglich auch nicht immer Uhren: In den Jahren 1989 und 1992 ergänzten ausnahmsweise ein Schlüsselanhänger und ein Paar Manschettenknöpfe das, was später eine Kollektion werden sollte.
Über die Jahrzehnte betrachtet, waren die Mille Miglia Uhren nicht nur eine intensive Spielwiese für Modellstudien; sie dokumentieren auch den tiefgreifenden Wandel einer Branche, deren heutige Produkte Lichtjahre entfernt sind vom Stand der Technik von 1988. Das zeigt sich bereits im Vergleich des ersten Modells der Kollektion 1988 mit dem aktuellen Modell von 2024: Das Einzige, was beide Uhren gemein haben ist: Beide Uhren sind Chronographen, wobei das erste Mille Miglia der End-Achtziger-Jahre zeitgemäß eine Quarzuhr war.
Die Verwandtschaft der Mille Miglia Modelle untereinander ist stets sichtbar geblieben. Das verdankt die Kollektion spezifischen Merkmalen, darunter beispielsweise der typische Mille Miglia Pfeil in Rotweiß, und rote Elemente, die oft in Verbindung mit Schwarz eingesetzt werden. Der sportive Charakter der Modelle steht im Vordergrund, auch wenn die Modelle nicht immer Chronographen waren, nämlich 2006 und 2015. Über eine Tachymeterskala verfügen aber alle, auch üblich ist der Einsatz lumineszenter Materialien, da die Mille viele Jahre lang über eine Nacht-Etappe verfügte.
Die Geschichte der mechanischen Mille-Uhren beginnt erst 1990.
Die erste mechanische Mille Miglia erschien 1990. Damals präsentierte Chopard den ersten Schleppzeiger-Chronographen aus Stahl mit mechanischem Uhrwerk. 1994 wurde das Dunlop Racing Armband aus Naturkautschuk eingeführt. Das typische Rennreifenprofil der 1960er Jahre ziert zahlreiche Modelle der Kollektion. Seit 2011 ist es vollständig in das Gehäuse integriert.
1997 erhielten zwei Neuerungen Eingang in die Kollektion: Von nun an stattet Chopard alle Modelle mit einem Automatikwerk aus und bietet seither jedes Jahr frei verkäufliche Mille Miglia Modelle in begrenzter Stückzahl an. Seit dem Jahr 2000 erfüllen alle eingesetzten Automatik-Chronographenwerke die Anforderungen der Schweizer COSC für besondere Ganggenauigkeit.
Zu den in jüngster Vergangenheit eingeführten Design-Merkmalen gehören die Lünette aus geschwärztem Aluminium (2012), die pilzförmigen Drücker (2013) und der erneute Einsatz der Signalfarbe Rot auf dem Zifferblatt (ebenfalls 2013). Doch zurück zum Rennen.
Die Hiobsbotschaft am Morgen: Der Fiat fällt komplett aus.
Während wir den Abend bei einem Dinner unter freiem Himmel verbringen und die Fahrerteams müde aber glücklich eintreffen, ereilt uns am nächsten Morgen zum Start die Hiobsbotschaft. Der Fiat fällt komplett aus. Doch da Pietro lächelt, während er uns mitteilt, dass das grüne Coupe leider nicht zur Verfügung steht, gleitet mein Blick auf den zweiten Wagen, der wie eine schlafende Raubkatze am Straßenrand parkt.
Die Chance, eines der legendären Teilnehmerfahrzeuge zu steuern
Pietro erklärt kurzum, dass ein Fahrer ausgefallen sei und nun die einmalige Möglichkeit bestünde, ein echtes Teilnehmerfahrzeug von 1952 zu fahren. Allerdings bedeutet das: Mein Copilot Steven und ich gehen getrennte Wege. Mein neuer Co-Pilot ist Schweizer, heißt Pierre André und ich kann mein Glück kaum fassen, da auch er lieber das Roadbook lesen will, als am Steuer zu sitzen. Es beginnt nun der Teil der Fahrt, die ich mein Leben lang wohl nicht vergessen werde.
Ein Sportwagenlegende: Der Ermini Sport von 1952
Vielleicht ein paar Anmerkungen zu dem weinroten, offenen 1952 Ermini Sport Internazionale. Schon als ich den Motor starte, ist es mit der Kommunikation mit dem Beifahrer praktisch vorbei. Der Motor brüllt und faucht wie ein wildgewordenes Tier! Als wir uns die obligatorischen Rennhelme aufsetzen, vereinbaren wir Handzeichen, die mir den Weg weisen sollen. Als ich meine Regenjacke verstauen möchte, merke ich, dass sie auf der Straße landet, da hinter dem Sitz aus Gewichtsgründen kein Fahrzeugboden befindet, sondern der Asphalt der Straße. Und in das, was aussieht wie ein Kofferraum und rund 80 Liter fassen würde, passt nur Benzin: Der komplette Kofferraum ist ein Tank!
Ganz Viareggio ist wach als wir den Motor anlassen
Mein Schweizer Copilot und ich machen uns mit diesem kleinen Biest auf dem Weg zum Startpunkt, dieses Mal allerdings deutlich entspannter. Der Wagen ist so laut, dass uns in der Morgendämmerung wahrscheinlich halb Viareggio zu hassen beginnt. Wir donnern die Küstenstraße hinunter. Wer neben uns an der Ampel steht, macht sofort Handyfotos oder brüllt wild gestikulierend. Für uns ist es egal: Nur das Tackern des Motors ist zu hören.
Am zweiten Tag am Arm: Der auf 100 Exemplare limitierte GTS Chronograph
Zum zweiten Teil der Fahrt trage ich die limitierte Edition des Mille Miglia GTS Chrono, die im Prinzip baugleich zur Fahreruhr ist, aber auf 100 Exemplare limitiert und nur in Italien zu kaufen gibt. Das Modell mit perlgestrahltem 44-Millimeter Titangehäuse besteht aus Titan Grade 2. Ästhetisch kombiniert dieser Zeitmesser auf interessante Art verschiedene Schwarz- und Grautöne mit DLC-beschichteter Krone und Drückern sowie mattgrauem Zifferblatt mit schwarzen Zählern. Das Armband besteht zu 100% aus recyceltem Seaqual-Garn, das aus recycelten Kunststoffabfällen aus dem Mittelmeer hergestellt wird. Das schwarze Kautschukfutter ist dabei wasser- und schweißbeständig und vermittelt ein angenehmes Tragegefühls am Handgelenk. Ein Schweizer Chronographenwerk mit Chronometer-zertifizierter Präzision verrichtet bei einer Gangreserve von 48 Stunden seine Arbeit im Inneren auf Basis des Kaliber Valjoux 7750 mit ebenfalls Chopard exklusivem Finishing wie beim Classic Modell. Die schwarze Tachymeter-Lünette ist aus Aluminium. Der Gehäuseboden ist mit einer karierten Flagge, dem Pfeillogo der 1000 Miglia und dem Schriftzug “Brescia > Roma > Brescia” graviert und erinnert mich an den Grund unserer Teilnahme: Wo war noch mal der Startpunkt? Wir finden ihn und los geht’s!
Laut röhrend durch das toskanische Hinterland: 700 Kilometer bis Rom
Auf der dritten Etappe führt uns die Route durch das toskanische Hinterland, einschließlich einer Fahrt durch Lucca, bevor sie nach Livorno zurückkehrt und weiter nach Castiglione della Pescaia führt. Sie ist wie immer geprägt von der mit Spannung erwarteten Abfahrt aus den Bergen nach Rom, wo uns spätabends eingerahmt vor der Kulisse der römischen Ruinen die Parade auf der Via Veneto erwartet.
Doch bis dahin sind es noch gut 650 Kilometer. Dieses Auto ist ein Phänomen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich in einem offenen Sportwagen von 1952 so sicher fühlen würde: Perfekte Straßenlage dank extrem tiefen Schwerpunkts, leicht zu lenken dank 600 Kilogramm Gewichts und eine Schaltung, die einfach alles verzeiht.
Unser Auto nahm 1952 und 1953 an der Mille Miglia teil, erreichte aber nie das Ziel
Als wir in einem Dorf, dessen Namen ich vergessen habe, einen Espresso trinken gehen (und vor lauter Aufregung die Toiletten heimsuchen müssen), werden wir vom Publikum gefeiert, als hätten wir die Mille schon mehrfach gewonnen. Das stimmt nicht ganz, aber Pietro hatte mir am Vorabend die Geschichte dieses Wagens erzählt. Er nahm 1952 an der Mille Miglia und der Targa Florio teil und erreichte bei letzterer den 1. Platz in seiner Klasse. Auch 1953 nahm er an der Mille Miglia und der Coppa d’Oro delle Dolomiti teil, neben weiteren wichtigen Rennen in den frühen 50er Jahren.
Ein Automobilhersteller namens Ermini? Nie gehört!
Nur vier Autos existieren überhaupt, davon fahren heute noch zwei. Der hinter dem Namen stehende Florentiner Konstrukteur verwendete anfänglich Fiat-Chassis und Motoren, allerdings verfeinerten die Italiener bald ihre Konstruktionen und entwickelten eigene Motoren, so dass die Zulassungen der Autos irgendwann nur noch das Wort „Ermini“ trugen, ohne den Zusatz „Fiat“, unter Beibehaltung der offiziellen Nummern des Fahrgestells. Der florentinische Automobilhersteller verwendete sein eigenes fortschrittliches Nummerierungssystem für seine Motoren. Der torpedoförmige Wagen entsprach dem neuen Reglement des Internationalen Sportgesetzes, das die direkte Anbringung der Kotflügel an der Karosserie vorschrieb – daher auch der Name Ermini Sport Internazionale. Im selben Jahr, mit dem neuen Motor, baute Motto aus Turin zwei weitere Wagen auf, diesmal mit abgedeckten Rädern, wie es das neue Reglement verlangte.
Das Originalfahrzeug von Aldo Terigi
Unser Chassis 055352 ist der Wagen von Aldo Terigi, der 1952 mit Pugi an der Mille Miglia teilnahm, das Rennen aber nicht beendete. Terigi gewann stattdessen die Klasse bei der Targa Florio und wurde Zweiter bei der Coppa d’Oro delle Dolomiti. Im Jahr 1953 gewann Aldo Terigi die Klasse bei der Coppa della Consuma und bei der Coppa Balestrero. Der Wagen nahm auch an der Mille Miglia 1953 mit Bernardeschi teil, ohne Erfolg. Der Wagen fuhr mehrere Rennen und wurde 1956 von der Scuderia Centro Sud gekauft. Ich bin ganz froh, dass der restaurierte Wagen mit einem Fiat-Ersatzmotor läuft, um den Originalmotor zu schonen. Der wurde demontiert und wird sorgfältig gelagert. So kann ich immerhin nicht noch einen kapitalen Motorschaden verursachen.
Zum Leidwesen der Zuschauer schalten wir im Stau den Motor aus
Unsere Strecke führt durch Lucca und Livorno und wir erreichen in der grellen Mittagssonne Castiglione della Pescaia. Bejubelt von hunderten Fans am Straßenrand, spannen wir bei der Stadteinfahrt unseren einzigen Regenschirm auf, um nicht komplett in der Sommersonne zu verglühen. Und da wir aus Fehlern gelernt haben, schalten wir den brüllenden Motor, sehr zum Leidwesen der Zuschauer, im Stau der Stadteinfahrten auch gerne mal aus. Unser Mittagssnack verläuft kurz, wir wollen Rom zum Sonnenuntergang nicht verpassen und haben noch 450 Kilometer vor uns.
Auf dem Highway ist die Hölle los: Unterwegs bei aberwitzigen 130 Stundenkilometern
Eine lange Autobahnpassage nehme ich mit zirka 130 Stundenkilometern, der Motorsound ist dabei so laut, dass ich ihn, längst im Flugzeug zurück, noch Tage später als Vibration in meinem Kopf spüre. Diese Geschwindigkeit verdeutlicht mir auch zwei andere Aspekte des Rennens: Ein Unfall bei solchen Geschwindigkeiten würde nicht nur das Aus für das seltene Auto bedeuten, sondern auch unser Leben abrupt beenden, daran haben Pierre und ich keinen Zweifel. Er hatte mich mittags auch mit Schweizer Höflichkeit an das Einhalten der Geschwindigkeitsgrenzen erinnert. Eine ganz andere Geschichte will aber nicht aus meinem Kopf, die ich nach der Erfahrung einer Teilnahme bei der Mille am eigenen Leib nicht begreifen kann.
Der Mythos Moss
Der Britische Rennfahrer Stirling Moss gewann bekanntlich die Mille Miglia 1955, also zwei Jahre nach dem unser Ermini das letzte Mal teilgenommen hatte. Moss fuhr mit seinem Beifahrer, dem eingangs erwähnten Motorsportjournalisten Denis Jenkinson, die gesamte Strecke in für mich unfassbaren 10 Stunden 7 Minuten und 48 Sekunden mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 157,651 km/h. Das ist laut Google Maps selbst mit einem modernen Auto auf der Autobahn schlicht nicht möglich. Wir reden aber hier von Landstraßen im Jahr 1955. Der Vorsprung, den Moss bis ins Ziel auf die Konkurrenz herausfahren konnte, war enorm. Seinen Teamkollegen Juan Manuel Fangio, zu diesem Zeitpunkt bereits zweifacher Formel-1-Weltmeister, distanzierte er um 32 Minuten. Man stelle sich das einmal heute bei einem Formel-1-Weltmeister vor. Der drittplatzierte Ferrari-Werkspilot Umberto Maglioli lag schon eine Dreiviertelstunde zurück. Ich kann jedem nur den Erfahrungsbericht von Jenkinson, den es online zu finden gibt, empfehlen, ihn einmal in Gänze zu lesen. Für mich ist es wahrscheinlich die beeindruckendste Motorsportgeschichte aller Zeiten, Jenkinson soll sein Leben lang von diesem Ritt über 1600 Kilometer Albträume gehabt haben.
Während ich mir versuche vorzustellen, wie Stirling Moss und Jenkins an Wiesen und Feldern mit der Tachonadel am Anschlag vorbeifliegen, kommen wir am späten Nachmittag nach Grosseto, und erreichen schließlich Region Latium, wo wir zum Ufer des Bolsena-Sees hinunter donnern und schließlich bei Sonnenuntergang den „Giro di boa“ (dt. für Wendepunkt) in Rom ansteuern.
Unbezahlbar: Mit einer Polizei-Eskorte nach Rom einfahren
Ich kann nicht mehr sagen, was mich mehr bewegt hat: Als Sohn einer Latein- und Geschichtslehrerin mit einer Polizeieskorte ins Stadtzentrum der ewigen Stadt begleitet zu werden? Oder die abendliche Fahrt um das Colosseum und anderen Sehenswürdigkeiten vorbei? Irgendwann ist Informationsoverkill bei der Mille Miglia. Mehr geht nicht.
Mit neuer Batterie in die römische Nacht
Völlig erschöpft erreichen wir auf jeden Fall Rom, nachdem wir vorher beim Tankstopp im Nirgendwo noch von Pietro dankenswerter Weise eine neue Batterie verpasst bekommen hatten. Schließlich ist man im Dunkeln abends in Rom auf der Stadtautobahn ohne Lichtmaschine verdammt schlecht dran. Nach stundenlang inhalierten Benzin-Abgasen der vor uns fahrenden Ferraris erreichen wir schließlich die Zielrampe und werden den Menschenmassen am Straßenrand mit Mikrofon angekündigt. Wir schütteln aus dem Auto heraus die Hände von Menschen, die wir nicht kennen. Ich fühle mich als sei ich bereits in Brescia und nicht erst zur Halbzeit in Rom. Bei der anschließend polizei-eskortierten Stadttour verpassen mein Co-Pilot und ich die Ausfahrt und suchen uns mit Google Maps den Weg zurück in die Innenstadt, wo der Wagen neben dem berühmten Restaurant und Nachtclub Jacky O. schließlich zum Stehen kommt.
Ich falle den Mechanikern erschöpft in die Arme
Nach 12 Stunden am Steuer, sonnenverbrannt, nach Benzin stinkend, falle ich dankbar dem Mechaniker Team um Super-Pietro um die Arme, der nebenbei bemerkt, dass der dritte Scheinwerfer nur noch an seinem Kabel vor dem Kühlergrill baumelt. Das sagt er relativ entspannt dafür, dass er mir auf die Frage zahlreicher anderer Teilnehmer, ob dieses Wunderding von einem Automobil nicht sofort zu kaufen sei, nur lapidar antwortete: Ab 700.000 Euro könnte man vielleicht drüber reden, nur um gleich abzuwinken: der Ermini verkörpere viel zu viel Geschichte für ihn persönlich.
Ein eiskaltes Peroni auf das Wohl von Stirling Moss
Für mich nun auch, ich werde den Ritt den Apennin hinunter nie vergessen. Mit zittrigen Händen und einem Dröhnen im Kopf, das ich Tage später noch spüren sollte – abgesehen von der ausgerenkten Halswirbelsäule, wie ich in der Woche drauf beim Arzt feststelle – schließt sich hinter mir der Vorhang auf dem Weg ins Restaurant. Ich beschließe beim Abendgebet fortan nur noch Dinge zu beurteilen, die ich wirklich selbst erlebt habe und stoße mit einem eiskalten Peroni an auf Stirling Moss und seinen Beifahrer an, der das Erlebnis einer Teilnahme an diesem Rennen so einzigartig zusammengefasst hat, dass ich es hier gerne wiedergebe:
„Es war in der Tat ein einzigartiges Erlebnis, die größte Erfahrung in den (..) Jahren, in denen ich mich für den Motorsport interessiere, eine Erfahrung, die meine kühnsten Vorstellungen übertraf, mit einem Ergebnis, das ich selbst jetzt noch kaum glauben kann. Nach früheren Mille Miglias habe ich gesagt: Derjenige, der die Mille Miglia gewinnt, ist ein Fahrer, und das Auto, das er benutzt, ist ein Sportwagen. Ich sage es jetzt noch einmal mit der Gewissheit, dass ich dieses Mal weiß, wovon ich rede und schreibe.“
Dem ist nichts hinzuzufügen. Außer einem Dankeschön an Karl-Friedrich Scheufele, diese Fahrt möglich gemacht zu haben. Ihm gilt doppelt Respekt: 37 Jahre Sponsoring und keine Müdigkeit: Obgleich er beinahe mein Vater sein könnte, fährt er die Mille natürlich knallhart bis zur Ziellinie nach Brescia. Profi halt.