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Symphonie aus 72 Meisterwerken: 30 Jahre Uhrwerke-Entwicklung bei A. Lange & Söhne
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Symphonie aus 72 Meisterwerken: 30 Jahre Uhrwerke-Entwicklung bei A. Lange & Söhne

30 Jahre sind in der in Generationen denkenden Uhrenbranche eigentlich kein besonders langer Zeitraum. Doch wenn A. Lange & Söhne diesen Herbst zurückblickt auf den 24. Oktober 1994, wird die Sammlergemeinde nicht anders können als zu sagen: Ein neuer Stern steht hell erleuchtet am Firmament. 72 Uhrwerke sind in den vergangenen 30 Jahren seit der Neugründung im Jahr 1990 und dem Comeback mit eigenen mechanischen Uhrwerken 1994 entstanden. Das ist eine so deutliche Ansage, dass es selbst mancher Schweizer Manufaktur kalt den Rücken runterlaufen dürfte. Im Durchschnitt heißt das nämlich: Die Deutsche Manufaktur aus Glashütte in Sachsen hat rund 2,3 Uhrwerke pro Jahr entwickelt.


Mehr als zwei Uhrwerke pro Jahr


2,3 Uhrwerke pro Jahr klingt nach nicht viel? Wir reden hier von Neuentwicklungen. Etwas Vergleichbares hat es in der jüngeren Uhrengeschichte nicht gegeben. Und das meinen wir wörtlich: Nicht bei Patek, nicht bei Rolex und nicht mal beim Meister der Uhrwerke Jaeger-LeCoultre (mit über 1200 eigenen entwickelten Uhrwerken in der Firmengeschichte). Jedenfalls nicht in einem so kurzen Zeitraum.


29.07.1924 – 29.07.2024

Eine Swisswatches Hommage an 100 Jahre Walter Lange


Warum entwickelt man bei A. Lange & Söhne nur eigene Uhrwerke?


Um den Wahnsinn der Uhrwerke-Entwicklung der jüngeren Geschichte und seit der Wiederauferstehung Langes zur Top-Manufaktur zu verstehen, sollte man als Lange-Sammler einen Namen kennen: Günter Blümlein. Wer war der Mann, der nicht mal den Namen Lange trägt? Wir wollen hier nicht nur die wichtigsten Uhrwerke von A. Lange & Söhne vorstellen, sondern auch den Weg suchen nach ihren Ursprüngen und der Philosophie dahinter.

Günter Blümlein, erste Präsentation – 1994.


Die Legende bleibt unvergessen


Günter Blümlein war ein Manager und Unternehmer. Eines seiner größten Meisterwerke war die Wiederbelebung der Marke A. Lange & Söhne zusammen mit dem Urenkel des Firmengründers Walter Lange – quasi aus dem Nichts. Nichts stimmt insofern, dass es den Bereich mechanisches High-End-Watchmaking nicht mehr gab in Sachsen, aber Blümlein war natürlich nicht unerfahren.

Walter Lange (links) und Günter Blümlein (rechts)


Wer war Günter Blümlein?


Seine Expertise hatte er jahrelang aufgebaut: Zuvor hatte er bereits die Schweizer Uhrenmarken IWC und Jaeger-LeCoultre erfolgreich neu ausgerichtet. Daher gilt der studierte Ingenieur der Feinwerktechnik und Marketingexperte nicht nur als einer der Retter der Schweizer Uhrenindustrie nach der Quarzkrise der 1970er Jahre, sondern auch der Glashütter Feinuhrmacherei im wiedervereinigten Deutschland. Wer hätte dessen Lebensleistung besser auf den Punkt bringen können, als der Mann, der dieses Abenteuer mit Blümlein startete und den Firmennamen im Nachnamen trägt? Walter Lange, zu dem wir später kommen, hatte dazu einmal klargestellt: „Ohne Günter Blümlein gäbe es A. Lange & Söhne nicht mehr – und Glashütte wäre heute nicht wieder das Zentrum deutscher Feinuhrmacherei.“

Hier sollte allerdings der Fairness halber nicht unerwähnt bleiben, dass ein anderes Unternehmen neben Lange & Söhne in Glashütte seit 1990 half, den Standort neu zu beleben: Die Firma Nomos. Seit 1994 hat zudem die Schweizer Swatch Group ebenso ihren Anteil daran, dass der Name Glashütte heute wieder ein Begriff in der Welt der Uhrenkenner ist. Sie hatte das VEB Glashütter Uhrenbetriebe übernommen, aus dem die Marke Glashütte Original hervorging. Alle Firmen zusammen bilden heute eigene Uhrmacher aus, A. Lange & Söhne bereits seit 1997. 2007 eröffnete in Glashütte das Uhrenmuseum mit Unterstützung der Swatch Group.


Die Wiederauferstehung der Feinmechanik in Sachsen


Zurück zu A. Lange & Söhne und der Wiederauferstehung der Feinmechanik in Glashütte: Blümlein starb viel zu früh 2001 mit nur 58 Jahren. Sein Ruf bleibt bis heute ungebrochen, wie auch Chefentwickler Anthony de Haas im Interview mit uns immer wieder betonte. Ohne Blümlein wäre auch er wahrscheinlich nie nach Glashütte gekommen. Wie wichtig Blümlein für A. Lange & Söhne wirklich war, lässt sich auch daran erkennen, dass man ihm 2021 eine eigene Pressemeldung widmete, anlässlich seines 20. Todestages. Und noch mal: Wir sprechen hier von einem Manager, nicht vom Eigentümer der Manufaktur.


Ein Masterplan für A. Lange & Söhne für das 21. Jahrhundert


Blümlein ist deswegen so entscheidend, da sein Masterplan für Lange heute noch die Bibel und der Leitfaden für die Manufaktur sind. Vieles geht auf seine Ideen zurück und – das ist sehr ungewöhnlich für eine Tochterfirma eines Luxuskonzerns – vieles hat bis heute Bestand. Denn im Prinzip wird die zur Richemont Group gehörige Firma Lange Uhren GmbH wie ein Familienbetrieb geführt, der mehr in Generationen als in Quartalen denkt. Ob es daran liegt, dass die Marke offensichtlich zu den Lieblingen von Chairman Johann Rupert gehört, sei dahingestellt, aber es wäre auch unfair all jenen gegenüber, die sich teils Jahrzehnte diesem Ethos verpflichtet fühlen, allen voran der aktuelle CEO Wilhelm Schmid – mittlerweile 12 Jahre im Amt – oder der für diese Geschichte nicht unwesentlich wichtigere Chefentwickler Anthony de Haas, der dieses Jahr bereits sein 20-jähriges Firmenjubiläum feiert.

CEO Wilhelm Schmid der Lange Uhren GmbH

Anthony de Haas (links) © Lange Uhren GmbH
Johann Rupert
(rechts) © Szekszter, CC BY-SA 3.0


Der Geist der Familie


Diese Verweildauern in einem Unternehmen sind selbst für die langfristig denkende Uhrenindustrie absolut außergewöhnlich und sprechen für die Tatsache, dass hier das Unmögliche wahr geworden scheint, nämlich, dass man sehr wohl (und gegen die Behauptungen vieler inhabergeführter Traditionsmanufakturen) eine Konzernmarke wie einen Familienbetrieb führen kann. Und man möchte ergänzen: Man muss halt wissen, wie es geht. Dazu bitte unbedingt das Interview mit Anthony de Haas lesen, in dem er ausführlich über den Familien-Geist bei A. Lange & Söhne spricht. Der familiäre Charakter wurde dem Autor in vielen persönlichen Gesprächen über Jahre immer wieder bestätigt. Entscheidend bleibt: Bei A. Lange & Söhne hat man die Strategie seit den ersten Tagen der Wiedergeburt nie geändert und wenn überhaupt, dann nur minimal adaptiert und man ist ihr bis heute treu geblieben. Doch wie sieht diese sagenhafte Strategie überhaupt aus?


Wie sieht die Strategie bei A. Lange & Söhne seit Günter Blümlein aus?


Blümleins Plan, dem man bei A. Lange & Söhne bis heute treu geblieben ist, betrifft zunächst die Positionierung der Marke: Man wollte ganz oben angreifen, also im Bereich der Haute Horlogerie. Gar nichts im Premium- oder Einstiegsbereich anzubieten, war Anfang der Neunziger Jahre extrem mutig, denn genau dort anzuknüpfen, wo A. Lange & Söhne früher immer war, erforderte nicht nur erhebliche Investitionen, sondern bedeutete auch, eine weltweite Luxus-Zielgruppe zu finden, die sich damals nur am Rande mit feiner Mechanik beschäftigte und wenn, dann vor allem mit Schweizer Herstellern. Geschichtlich war gerade Lange eben auch immer weltweit bekannt gewesen für aufwändig gearbeitete, goldene Taschenuhren mit diversen Komplikationen in kleinen Auflagen bis hin zu vollkommenen Einzelexemplaren. Die große Wette lautete: Würde das Prinzip Luxus mit völlig neu zu entwickelnden Armbanduhren, von denen es zum Zeitpunkt der Enteignung im Jahr 1948 nur begrenzte Stückzahlen gab, zum Ende des 20. Jahrhunderts funktionieren?


Uhren für den Preis eines Einfamilienhauses


Diese Entscheidung, ganz oben mit Armbanduhren einzusteigen, scheint heute, wo A. Lange & Söhne gar keine Probleme damit hat, auf der Uhrenmesse Watches & Wonders in Genf ein limitiertes Modell für den Preis für über 600.000 Euro vorzustellen (die sehr spannende Datograph Perpetual Tourbillon Lumen, mit dem 72. Kaliber von Lange, hier der Artikel dazu), und weltweit über mehr als 40 eigene Boutiquen von New York über Shanghai bis Tokio verfügt, relativ logisch. Aber wie mutig sie 1994 war, als das fulminante Comeback der mechanischen Uhrenwelt keineswegs vorherzusehen oder besiegelt war, lässt sich nur mutmaßen. Nur zum Vergleich: Firmen wie Richard Mille gab es damals noch gar nicht (die Firma wurde 1999 gegründet), Cartier vertrieb damals überwiegend Quarzuhren und Rolex verbaute in seinem bis heute begehrtesten Modell, dem Edelstahlchronographen Daytona, ein Automatik-Fremdwerk von Zenith. Damit wären wir beim zweiten Punkt der Strategie Blümleins.

A. Lange & Söhne Präsentation des Datographen mit Günter Blümlein und Walter Lange, Baselworld 1999

Datograph von 1999, Kaliber L951.1

Datograph Perpetual Tourbillon Honeygold „Lumen”, Kaliber L952.4


Exklusivität: keine Werke anderer Hersteller – keine Werke für andere Marken


Blümlein und Walter Lange stellten am 24. Oktober 1994 vier Modelle vor und jedes wurde von einem eigenen, inhouse entwickelten Uhrwerk angetrieben. Allein das ist schon eine kleine Sensation. Den 24. Oktober kennen viele Sammler von A. Lange & Söhne Modellen natürlich bestens, stellt die Marke doch in der Regel genau an dem Tag jährlich neue Uhren vor und sie dürfen sich freuen, was es wohl dieses Jahr zum Jubiläum geben wird.


123 Uhren – in wenigen Stunden ausverkauft


Doch zurück zur Geschichte: Die zu dem Zeitpunkt produzierten 123 Exemplare waren innerhalb von wenigen Minuten ausverkauft, wie Walter Lange sich später in seiner Autobiographie erinnerte. Darunter das zukünftige Gesicht der Marke, die Lange 1 mit der dezentral angeordneten Zeitanzeige, dem ersten patentierten Großdatum in einer Serienarmbanduhr und einem Doppelfederhaus für eine Gangreerve von 72 Stunden. Dazu gesellte sich als weiteres herausragendes Modell das Tourbillon “Pour le Mérite” mit Antrieb über Kette und Schnecke und seiner Verbindung zum legendären preußischen Verdienstorden neben einer Damenuhr mit Formwerk und Großdatum, das Arkade genannt wurde und bis 2009 gefertigt wurde, und die Dresswatch Saxonia mit zentraler Zeitanzeige, kleiner Sekunde und Großdatum.

Lange 1 Ref.: 101.021 von 1994, Kaliber L901.0


Vier hauseigene Uhrwerke zum Comeback


Vier hauseigene Uhrwerke in einem Jahr vorzustellen, wäre auch heute noch ein Kraftakt für die meisten Schweizer Uhrenhersteller und selbst wenn man es täte, würde man nach Synergien mit anderen Produzenten Ausschau halten oder zumindest zum Richemont-Konzern gehörende Marken beliefern. All das gibt es bei A. Lange & Söhne nicht, trotz der extrem niedrigen Stückzahlen – Lange Uhrwerke gibt es nur in Uhren von A. Lange & Söhne und werden nur inhouse entwickelt. Kenner werden hier allerdings einwerfen (und es ist im Interview mit Anthony de Haas gut nachzulesen): Ganz zu Anfang, und das ist kein Geheimnis, hat Lange im Bereich Komplikationen noch mit dem renommierten zu Audemars Piguet gehörendem Werkeentwickler Renaud & Papi aus Le Locle zusammengearbeitet. Interessanterweise bildete genau diese Firma die Brücke für Anthony de Haas zu A. Lange & Söhne, denn er beriet damals A. Lange & Söhne als Angestellter dieser Firma, bevor er 2004 als Chefentwickler nach Glashütte wechselte.


Anspruch die Feinuhrmacherei mit neuen Ideen weiterzuentwickeln


Die zweite strategische Säule von Blümlein ist vielleicht für Laien nicht so offensichtlich, denn auch wenn Lange als konservativ gilt und der Look sehr klassisch ist, man will eines unbedingt: Die Feinuhrmacherei mit neuen Ideen weiterentwickeln. Denn auch wenn es heute viele technisch sehr verspielte Marken gibt wie MB&F oder Urwerk, wollte auch Lange immer eine innovative Marke bleiben, allerdings eine, die sich vor allem den Werten der klassischen Feinuhrmacherei verschrieben hat. Ist das ein Widerspruch in sich? Und was heißt das im Detail?


Wie innovativ dürfen mechanische Uhrwerke von traditionellen Uhrenmarken sein?


Diese Frage dahinter, wie innovativ dürfen Uhrwerke gerade bei Traditionsunternehmen sein, beschäftigt heute viele Uhrenmanufakturen, die eigene Werke entwickeln. A. Lange & Söhne hat das auf seine ganz eigene, aber konsequente Art beantwortet: Beides geht, wenn man es konsequent tut. Denn es gibt sehr traditionelle Sammler ebenso wie eher progressiv fortschrittbegeisterte Uhrenliebhaber. Bei Lange löst man dieses Dilemma so: Viele Komplikationen gibt es daher in zwei Ausführungen, also in einer uhrmacherisch klassischen und einer technisch sehr innovativen Variante. Für diese Strategie gibt es keinen festgelegten Begriff bei A. Lange & Söhne, aber wir nennen es: Double Track Approach. Diese Vorgehensweise beschreiben besonders gut vier Modelle von A. Lange & Söhne.

Lange 1 Ewiger Kalender, Kaliber L021.3

Langematik Perpetual, Kaliber L922.1


Der Lange Double Track Approach


So gibt es einen Ewigen Kalender in einer eher klassischen Lösung in der Langematik Perpetual mit einem 48-er Rad und traditionell schleichend schaltenden Anzeigen. Aber es gibt eben auch die Lange 1 Ewiger Kalender mit umlaufendem Monatsring und exakt schaltenden Anzeigen. Dieses Prinzip findet man in allen wichtigen Komplikationen: Der 1815 Rattrapante Chronograph verfügt über einen traditionell schleichenden Minutenzähler, der Datograph AUF/AB über einen exakt springenden Minutenzähler mit Großdatum. Bei den Minute-Repeatern bilden das klassisch-innovative Pärchen die Richard Lange Minutenrepetition mit traditionellem Viertelstundenschlag, separatem Federhaus und Auslösung über einen Schieber sowie die innovative Zeitwerk Minutenrepetition als einzige dezimale Minutenrepetition mit einem Federhaus und der Auslösung über einen Drücker. Und schließlich findet man dieses Pärchen auch beim Tourbillon-Mechanismus: So verfügt das Tourbillon „Pour le Mérite“ nach klassischer Bauart nicht über eine Stoppvorrichtung, aber das 1815 Tourbillon schon.

Datograph Auf/Ab, Kaliber L951.6

1815 Rattrapante, Kaliber L101.2

1815 Rattrapante Perpetual Calendar, Kaliber L101.1


Trendsetter im Uhrwerkebau


Gerade diese Mischung, sowohl traditionelle Elemente wie moderne zu verbinden, ist bei Lange bezeichnend für die Art und Weise wie man eigene Werke entwickelt und spiegelt sich in aktuellen Trends am Markt wider: Das Dilemma, innovativ zu sein, aber sich nicht zu weit weg von traditionellen Handwerkstechniken und Bauweisen zu bewegen, befeuert heute, 30 Jahre nach der Wiedergeburt von A. Lange & Söhne, vor allem die wachsende Welt der Nischenmarken im Manufakturbereich und wird begierig von diesen aufgegriffen: Diese teils winzigen Firmen wollen oft wieder zurück zu den handwerklichen Wurzeln der Feinuhrmacherei, ohne zum Beispiel Siliziumbauteile zu verwenden.

Richard Lange Minute Repeater, Kaliber L122.1

Zeitwerk Minute Repeater, Kaliber L043.5


Hightech in der Haute Horlogerie: Eine Gratwanderung für Traditionsunternehmen


In Zeiten von CAD-Konstruktion, zahlreichen industriell hergestellten mechanischen Werken mit immer mehr Hightech-Bauteilen wie Siliziumspiralen in modernen Uhrwerken werden einerseits zwar die Grenzen der Physik im Bereich der Feinuhrmacherei immer weiter verschoben, doch wird dieser Trend zu einer Gratwanderung für Marken mit großer Tradition und einem starken handwerklich geprägten Image wie A. Lange & Söhne, Patek Philippe oder Vacheron Constantin. Mit seinem Double Track Approach kann Lange beide Trends unter einem Dach vereinen, ohne seine traditionellen Handwerksberufe und damit verbundenes Wissen und Fertigungstechniken aufgeben zu müssen. Allerdings: Eine Siliziumspirale wird es bei A. Lange & Söhne nicht geben, aber dazu später mehr.

Ausschließlich nützliche Komplikationen

Zu diesem Ansatz kommt die dritte strategische Säule für die Entwicklung neuer Uhrwerke bei A. Lange & Söhne. Dies ist entscheidend, wenn man sich mit den Werken im Detail beschäftigt. Denn bei Lange muss jede Komplikation, jede neu entwickelte Funktion auch nützlich sein im Sinne der Funktionalität und des Alltagsnutzens. L’art pour l’art sucht man hier vergeblich. Doch was heißt das?

Was bedeutet nützliche Komplikation?

Nützlichkeit hat sich heute, während jeder ein Smartphone in der Tasche hat, zu einem sehr dehnbaren Begriff bei mechanischen Uhren entwickelt. Bei Lange bedeutet das zunächst: Uhren müssen gut ablesbar und funktional sein, bedeutet: Verrückte Uhrwerkselemente wie Anzeigen, die sich gleichzeitig drehen und schalten, die aber keinen Mehrwert haben außer Spaß zu machen beim Betrachten, hat es bei dieser Firma nicht gegeben und wird es auch nicht geben.

Dass Nützliches durchaus Spaß machen kann, zeigt ein typisches Beispiel technischer Exzellenz: Bei der 2009 lancierten Zeitwerk ging es zum Beispiel nicht darum, einfach nur eine Uhr mit digitaler Anzeige zu erzeugen, sondern darum, die größtmögliche und am besten ablesbare digitale Zeitanzeige hinzubekommen, und dabei sollten Stunden und Minuten auf einer horizontalen Achse stehen, also in der üblichen Leserichtung. Das macht nicht nur den Ingenieuren von Lange Spaß, sondern vor allem dem Nutzer, der bei der Zeitwerk wirklich alles auf einen Blick hat, wie es eben sonst nur eine Smartwatch kann, aber eben rein mechanisch angetrieben. Woher der Begriff der nützlichen Komplikation stammt, kann übrigens nicht einer Person direkt zugeordnet werden, wie man mir bei Lange berichtete, aber im Zweifel ist das ein weiterer Begriff, den auch Günter Blümlein selbst geprägt hat.


1994: Lange 1, die erste Lange der Neuzeit


Perfekt verkörperte der Begriff der nützlichen Komplikation die berühmte Lange 1 von 1994. Natürlich ging es bei dieser Uhr um noch mehr als Funktionalität und Alltagsnutzen: Die erste moderne Armbanduhr von Lange musste auch zum neuen Gesicht der Marke werden, technisch neu sein, dabei aber in der Tradition der alten Glashütter Uhrmacherei stehen. Das damals völlig neue Großdatum geht tatsächlich direkt zurück auf ein Patent von Günter Blümlein und genau das setzte er für den Neustart von Lange ein. Dieses prägnante Großdatum bedingte wiederum den dezentralen Zifferblatt-Aufbau, was der Marke und der Uhr ihr Gesicht gab. Und wie bei so vielen Herstellern, polarisierte dieser Mut. Denn dieses heute viel beachtete Design hat nicht allen gefallen. Aber genau diese Mischung aus echter Innovation, Tradition und Eigenständigkeit begeistert eben schnell Sammler.


Wovon wurde das Großdatum bei A. Lange & Söhne inspiriert?


Natürlich hatte das Großdatum eine historische Referenz, wie eigentlich so gut wie jedes Detail dieser Ausnahmemanufaktur: Hierbei war es die Anzeige der legendären Fünf-Minuten-Uhr in der Dresdner Semperoper, aber das ist eine andere Geschichte. Entscheidend ist: Das Lange-Großdatum stellte die erste wirkliche Innovation in einem Bereich dar, in dem zuletzt Rolex-Gründer Hans Wilsdorf mit der Einführung der Datumslupe 1954 ein Patent angemeldet hatte – und damit mit keiner technischen aber dafür überzeugend simplen Idee Armbanduhrengeschichte schrieb.

Blick vom Zuschauerraum auf die aktuelle Fünf-Minuten-Uhr der Semperoper über der Bühne

Das Großdatum von A. Lange & Söhne


Das perfekte Doppelgespann: Günter Blümlein und Walter Lange


Dass A. Lange & Söhne über viele Jahre wie ein Familienbetrieb geführt wurde, hat noch einen weiteren Grund, und der heißt natürlich Walter Lange. Weit vor anderen Firmen hat Günter Blümlein das Potential eines Mitglieds der Familien-Dynastie für die Wiedergeburt einer solchen Firma erkannt. Nur zum Vergleich: TAG Heuer brauchte bis zum Jahr 1999, bis man sich traute, Jack Heuer (der damals in Asien lebte) anzurufen, um ihn zu bitten, ob er Interesse hätte, für die ihm 1982 von Banken weggenommene Firma als Ehrenpräsident tätig zu werden. Bis heute ist seine Bedeutung beim Comeback der Marke unter LVMH-Führung nicht zu unterschätzen. Jeder CEO, der mit ihm gearbeitet hat, wird das gerne bestätigen.

Walter Lange


Ein Comeback über kleine Umwege


Wie kam Walter Lange wieder nach Sachsen? Am 7. Dezember 1990, auf den Tag genau 145 Jahre nach der Gründung von A. Lange & Söhne, meldete er die Marke in Glashütte unter der Adresse einer früheren Klassenkameradin wieder an. Er widmete sein ganzes Leben trotz Enteignung nach dem Krieg dem Comeback seiner Firma. Und er war es, der bis heute das Motto aller Angestellten bei A. Lange & Söhne prägt: “Never stand still”, niemals stillzustehen oder aufzuhören, für seine Ideale einzutreten, lautete seine Devise. Interessant ist auch die Feststellung Walter Langes zum Thema Lange 1: Es waren nämlich nicht die flankierenden Modelle wie die Arkade oder die Saxonia, sondern genau der Exot Lange 1, der für Aufsehen sorgte.


Der Exot Lange 1 macht die Marke berühmt


Walter Lange hat dazu einmal gesagt: “Der Exot hat die Marke sehr schnell bekannt gemacht.” So bekannt, dass heute dezentrale Zifferblätter international gerne als „German watchface” bezeichnet werden. Und im Grunde hat Lange damit das Konzept vorgegeben, dem zunächst in einigen Kollektionen Glashütte Original folgte und sehr viel später auch Moritz Grossmann oder Tutima mit ihren High-End Modellen. Das jüngste Beispiel ist die Neugründung der Berliner Uhrenmarke Löbner mit dezentraler Zeitanzeige.


Die drei strategischen Pfeiler von A. Lange & Söhne


Mit diesen drei strategischen Pfeilern, also erstens dem Anspruch, Feinuhrmacherei mit neuen Ideen weiterzuentwickeln, dem Double Track Approach und der Exklusivität der eigenen Uhrwerke nur für eigene Modelle, stellte sich A. Lange & Söhne früh und lange vor fast der gesamten Schweizer Uhrenindustrie visionär richtig auf. Zusammen mit der Philosophie, ausschließlich nützliche Komplikationen zu entwickeln, war man für das seit gut drei Jahrzehnte anhaltende Comeback der mechanischen Uhren gut gerüstet, um seinen Modellen einen sehr eigenständigen Charakter zu verleihen. Doch wie hat es A. Lange & Söhne geschafft, diese Innovationen Anfang der Neunziger Jahre aus dem Nichts zu entwickeln, während die Schweizer Uhrenindustrie sich noch werketechnisch im Dornröschenschlaf zu befinden schien? Darum soll es in den nächsten Kapiteln gehen.

Kommen wir ganz konkret zu den Uhrwerken. Um alle aufzuzählen, ist hier nicht der Platz, aber sie sind entscheidend für den Erfolg der Lange Uhren, neben dem ganz eigenen Look vieler Lange Modelle.

Beschäftigen wir uns einmal mit der grundsätzlichen Frage: Wie entstehen die Lange-Manufakturwerke und was ist die Philosophie dahinter?


Eine ganz besondere Errungenschaft:
Jedes Lange Uhrwerk bekommt eine eigene Unruhspirale


Alle Kaliber von 1994 besaßen bereits wesentliche Merkmale der heutigen Lange-Uhrwerke, bis auf eines: die eigene Lange Unruhspirale. Seit 2003 werden auch Unruhspiralen in Eigenproduktion in Glashütte gefertigt – ein höchst kompliziertes Verfahren, welches nur eine Handvoll andere Manufakturen überhaupt beherrschen. Acht Jahre lang dauerte deren Entwicklung und versetzt heute die kleine Manufaktur, die insgesamt geschätzte 5.500 Uhren pro Jahr produziert, in die außergewöhnliche Lage, wirklich für jeden Uhrwerkstyp optimierte Spiralen zu entwickeln. Und auch diese Entwicklung hat natürlich eine historische Ursache:


Der große Innovator: Richard Lange


Richard Lange, der erstgeborene Sohn des Firmengründers Ferdinand Adolph Lange, hat nicht nur mit zahlreichen Erfindungen entscheidende Impulse zur Weiterentwicklung der Feinuhrmacherei gegeben. Seine wichtigste Entdeckung findet sich bis heute in fast allen mechanischen Qualitätsuhren: die Zugabe von Beryllium als Legierungsbestandteil für Uhren-Spiralen. Richard Lange ließ sich diese Erfindung, die damals einen Präzisionsschub in der Feinuhrmacherei auslöste, 1930 patentieren. Hier findet sich zumindest eine Antwort, warum Siliziumspiralen derzeit kein Thema für A. Lange & Söhne sind. Eine andere beantwortet Chefentwickler Anthony de Haas in unserem exklusiven Interview sehr anschaulich.

Das alte Familiengut von 1920 (links) und A. Lange & Söhne Stammhaus, Postkarte, 1920 (rechts)

Richard Lange


Die wichtigsten Erkennungszeichen der Uhrwerke von A. Lange & Söhne


Neben der außergewöhnlichen handwerklichen Vollendung aller Teile im Werk, auch solche, die man nicht sieht, ist das Markenzeichen von Uhrwerken aus Glashütte natürlich die Dreiviertelplatine, die in fast jedem Werk auftaucht, mit Ausnahme einiger Automatikwerke. Das zweite Merkmal ist der handgravierte Unruhkloben. Beides sind auch hier wieder Merkmale, die aus der Ära der Lange-Taschenuhren übernommen wurden. Wenn man sich dann die komplizierten Werke anschaut wie die der Chronographen, sieht man diese Dreiviertelplatine immer durch die anderen Module hindurch. Selbst bei Werken mit zwei Komplikationen wie dem ewigen Kalender und dem Chronograph, liegt das Werk mit dieser Platinenform in der Mitte wie ein Sandwich zwischen den beiden Modulen.


Warum Lange nicht immer das Tourbillon zeigt


Dass man bestimmte Funktionen wie ein Tourbillon mal nur auf der Werkrückseite oder auf dem Zifferblatt zu sehen bekommt, hat mit dem eingangs beschriebenen Double Track Approach zu tun und ist bei weitem nicht willkürlich: Daher gibt es bei Lange auch hier beide Varianten: Bei der innovativen Lange 1 Tourbillon ewiger Kalender ist das Tourbillon nur rückseitig zu sehen, genauso wie beim Datograph Perpetual Tourbillon, bei den klassischen “Pour le Mérite”-Modellen sind die Tourbillon-Mechanismen hingegen durch einen Ausschnitt im Zifferblatt prominent zu erkennen.

Lange 1 Tourbillon Ewiger Kalender, Kaliber L082.1

Datograph Perpetual Tourbillon, Kaliber L952.1 (links)
Tourbillon Pour Le Merite, Kaliber L133.1 (rechts)


Neusilber – ein traditionelles Material bei Lange


Alle Werkbrücken und Gestellteile bestehen bei A. Lange & Söhne seit Anbeginn aus Neusilber, einer im 19. Jahrhundert aufkommenden Legierung aus Kupfer, Nickel und Zink, die früher allgemein gebräuchlich aber heute sehr selten zu finden ist und in Glashütte neben A. Lange & Söhne nur noch Moritz Grossmann verwendet: Diese Legierung ist relativ verwindungsfest. Bei den frühen Taschenuhrwerken von Lange waren Platinen aus diesem Material fein gekörnt und wurden vergoldet. Heute verzichtet Lange auf einen galvanischen Überzug und macht sich stattdessen einen Vorteil dieser Legierung zu Nutze: Sie überzieht sich mit einer goldfarbenen Patina, welche die Oberfläche schützt und die Sammler zu schätzen wissen.


Wie aufwändig werden die Werke von A. Lange & Söhne handwerklich verziert?


Goldchatons, gebläute Schrauben, geschliffene und polierte Oberflächen sowie von Hand gravierte Unruhkloben gehören zu den Merkmalen, die alle 72 manufaktureigenen Kaliber teilen. Das Prinzip liest sich einfach, die Umsetzung ist umso aufwendiger: Lange dekoriert die werkseitig sichtbare Seite der Dreiviertelplatine immer mit einem „Glashütter Bandschliff“ genannten Streifenmuster. Er ähnelt optisch den bekannten Genfer Streifen, wirkt aber etwas dreidimensionaler. Der Bandschliff wird vor der Zweitmontage durchgeführt, um eine makellose Oberfläsche zu garantieren. Die Werkplatte wird zifferblattseitig mit einer Perlage versehen. So nennt man die kleinen, einander überlagernden Kreisschliffe, die durch einen rotierenden Schleifstift erzeugt werden.


Zweifachmontage – aufwendig bis zur Perfektion


Eine weitere Gemeinsamkeit ist diese Zweifachmontage, die allen Modellen zuteil wird. Sie ist aufwändig und auch sie gibt es in dieser Form nur bei A. Lange & Söhne. Im Zuge der Zweitmontage werden auch erst die von Hand gebläuten Schrauben verwendet und die Goldchatons poliert, da man zu 100 Prozent vermeiden möchte, dass irgendwelche Bearbeitungspuren durch den Saphirglasboden zu erkennen sind. Die Zweifach-Montage betrifft auch hier alle Werke bei A. Lange & Söhne und nicht nur solche mit Komplikationen.


Die wichtigsten Modelle, die man von A. Lange & Söhne kennen sollte


Bevor es in die Details der Werke-Entwicklung geht, hier zunächst die wichtigsten Uhren, die wirklich jeder Lange Fan kennen sollte: Die 1994 vorgestellte Lange 1 hatten wir als Markenikone mit Großdatum und dezentralem Zifferblatt bereits erwähnt, ebenso wie das Tourbillon “Pour Le Mérite” mit dem ersten Antrieb über Kette und Schnecke in einer Armbanduhr und dem Anspruch, sofort wieder in der Haute Horlogerie Liga mitspielen zu können.

Dann sollte man natürlich das 1999 erste inhouse entwickelte Chronographenwerk des Datograph kennen, auf den 2003 der Double Split mit der ersten eigenen Unruhspirale folgte, zugleich war deren Werk als erste Uhr mit einem 30-Minuten- Schleppzeiger-Mechanismus ausgerüstet.

2009 setzte Lange mit der Zeitwerk zum Sprung ins 21. Jahrhundert an und setzte mit der digitalen Zeitanzeige und dank zahlreicher Patente ein großes Ausrufezeichen in der Uhrenszene. Mit der 2013 vorgestellten Grand Complication, stieß A. Lange & Söhne dann wieder in die Klasse der Minute Repeater vor, einen Bereich, in dem man traditionell bei Taschenuhren bis zur Enteignung 1948 eine international wichtige Rolle spielte. Mit der ersten Edelstahluhr im Jahr 2019, der Odysseus, öffnete Lange dann ein ganz neues Kapitel, ohne jedoch seinen Anspruch an Feinuhrmacherei im Segment der sportlichen Armbanduhren aufzugeben.

Zeitwerk, Kaliber L043.1

Grand Complication, Kaliber L1902

Odysseus, Kaliber L155.1


Wie entsteht ein neues Uhrwerk bei A. Lange & Söhne?


Es gibt bei Lange ein Produkt-Komitee (siehe Interview mit Anthony de Haas). Dort sitzen Konstrukteure, Gehäusedesigner, der Leiter der Produktentwicklung, Anthony de Haas, sowie die Geschäftsführung. Diese Experten bringen alle ihre Ideen zusammen, das kann mit einer Konstruktionsidee anfangen, aber auch mit einer Designidee, wie Anthony de Haas in unserem Interview ausführlich erläutert. Auch hier zahlt sich die Strategie aus, die man im Vorfeld festgelegt hat: Denn, wenn von vornherein feststeht, dass Neuentwicklungen nützlich sein müssen, um die Funktionalität für den Sammler zu erhöhen, kommen viele Ideen früher oder später von alleine und andere werden erst gar nicht vorgeschlagen. Allerdings braucht man dann besonders eines, was ironischerweise heute viele Uhrenfirmen nicht mehr zu haben scheinen: Zeit. Denn eine neue Werkentwicklung dauert ungefähr 4-5 Jahre, wie Anthony de Haas das für die erste Zeitwerk bestätigte, die 2009 auf den Markt kam.


Von der ersten Skizze bis zur Markteinführung dauert es fünf Jahre


Nachdem man sich im Produkt-Komitee einig geworden ist (indem übrigens auch sehr verrückte Ideen entstehen können, die nie umgesetzt werden), geht es an die Umsetzung. Die Arbeit der Designer und Konstrukteure läuft parallel in einer zweiten Phase, bis man sich auf eine gemeinsame Konstruktion und Form geeinigt hat. Dann erfolgt der Prototypenbau, das Ergebnis wird wiederum auf Herz und Nieren getestet. Laut Anthony de Haas kann die Testphase schon mal zwei Jahre dauern und währendessen muss die Konstruktion verbessert werden, wenn ein Prototyp den Hammerschlagtest, bei dem ein Fall simuliert wird, oder den mehrstündigen Rütteltest nicht übersteht.


Jede Lange Uhr wird extrem auf Alltagstauglichkeit getestet


Denn selbst die kompliziertesten Uhren müssen bei A. Lange & Söhne echte Alltagstests überstehen oder wie CEO Wilhelm Schmid es einmal ausdrückte: „Alle Lange-Produkte werden richtig durch die Mangel gedreht. Jeder, der das Prüflabor schon mal besucht hat weiß, was ich meine.“ So muss zum Beispiel auch jede komplizierte Uhr bei Lange einen 24-stündigen Rütteltest aushalten, was ungefähr einer eintägigen Tour über Kopfsteinpflaster mit einem Mountainbike entspricht. Wir von Swisswatches empfehlen dennoch jedem Besitzer einer solchen Uhr: Reizen Sie es lieber nicht aus!


Die Zukunft wird immer mitgedacht


Auch wenn Lange für fast jedes Modell ein eigenes Uhrwerk entwickelt, denkt das Team um Anthony de Haas natürlich dabei immer für zukünftige Modelle mit: Ein gutes Beispiel ist die sportliche Lange, die Odysseus von 2019, deren seitliche Drücker beim Launch nur zur Schaltung für Datum und Wochentag dienten, aber natürlich prädestiniert waren für weitere Funktionen: Sie schrien bereits nach einem Chronographenwerk, das allerdings erst im Jahr 2023 das Licht der Welt erblicken sollte.

Odysseus, Kaliber L155.1 und Odysseus Chronograph, Kaliber L156.1


Was bedeuten die Kaliberbezeichnungen bei A. Lange & Söhne?


Bevor wir uns den Uhrwerken im Einzelnen widmen, noch ein Wort zur Einordnung. Woher kommen die Kaliberbezeichnungen bei Lange? Alle Lange-Kaliber verfügen über dreistellige Codes zur eindeutigen Zuordnung, danach folgt ein Punkt und dann noch eine Ziffer.

Zeitwerk:
Generation 1, Kaliber L043.1 und Generation 2, Kaliber L043.6

Zeitwerk Striking Time, Kaliber L043.2 und Zeitwerk Minutenrepetition, Kaliber L043.5

Zeitwerk „Luminous“:
Generation 1, Kaliber L043.3 und Generation 2, Kaliber L043.9

Zeitwerk Decimal Strike, Kaliber L043.7 und Zeitwerk Date, Kaliber L043.8


Ganz besondere Modelle „Pour Le Mérite“


Wer jetzt noch Ausdauer hat, für den haben wir zwei ganz besondere Modelle beziehungsweise Modellreihen aufbereitet. Denn schon 1994 war in der Startkollektion ein Modell mit der Ergänzung „Pour le Mérite“.


Was bedeutet “Pour le Mérite” bei A. Lange & Söhne?


Der Name selbst stammt von einem berühmten preußischen Verdienstorden, der als Vorläufer des späteren Nobelpreises gilt. Der Orden Pour le Mérite (französisch „Für das Verdienst“) wurde durch König Friedrich II. gestiftet und war die höchste Tapferkeitsauszeichnung, die an einen Offizier vergeben werden konnte. Den Orden gab es in der militärischen Klasse bis 1918. Es war der Naturwissenschaftler Alexander von Humboldt, der 1842 König Friedrich Wilhelm IV. dazu inspirierte, eine Friedensklasse des Ordens unter der gleichen Bezeichnung für Wissenschaften und Künste, für Geisteswissenschaften, Naturwissenschaften und Medizin sowie Kunst zu stiften. In der zivilen Form existiert er als halboffizielle Auszeichnung mit der Bezeichnung Orden Pour le Mérite für Wissenschaften und Künste als vom Bundespräsidenten genehmigtes Ehrenzeichen bis heute weiter.

König Friedrich II

Naturwissenschaftler Alexander von Humboldt

König Friedrich Wilhelm IV

Frank-Walter Steinmeier, Bundespräsident der Bundesrepublik Deutschland


Ein Verdienstorden als Verpflichtung an sich selbst


A. Lange & Söhne hat den Namen des Verdienstordens in die Modellbezeichnung von bisher fünf Zeitmessern aufgenommen. Was anmaßend klingt, geht ebenfalls auf Günter Blümlein zurück. Für Lange bedeutet der Name aber eher eine extreme Verpflichtung: Jedes Modell mit diesem Namen muss auch innovativ genug sein, um überhaupt in den Rang einer “Pour le Mérite” aufgenommen zu werden. So gibt es bei Lange keine festen Zeiträume, wann eine neue “Pour le Mérite” erscheint, um sich nicht selbst unter Druck zu setzen bei solchen Ausnahme-Modellen.


„Pour Le Mérite“: Die erste Uhr beschrieb vor allem eines: Den Anspruch an sich selbst


Wenn man den Anspruch aus den Wissenschaften auf Armbanduhren überträgt, bedeutet das, etwas zu versuchen, was vorher noch keiner bei Armbanduhren versucht hatte. Bestes Beispiel ist das Tourbillon „Pour le Mérite“ von 1994: Einen Kette-Schnecke-Antrieb hatte es zwar zuvor schon bei See-Chronometern oder einigen wenigen Lange-Taschenuhren gegeben, aber diese Uhr war die erste Armbanduhr der Welt mit diesem Mechanismus. Heute eint alle „Pour le Mérite“-Modelle, dass sie über einen Antrieb über Kette und Schnecke wie einst bei besonderen Lange-Taschenuhren verfügen. Vier dieser Uhren sind bisher in Verbindung mit einem Tourbillon erschienen. Nur eine, die Richard Lange „Pour le Mérite“, rückte den Antrieb über Kette und Schnecke als einzige Komplikation in den Fokus, sozusagen die purste Form der „Pour le Mérite“.

Tourbillon Pour Le Mérite, Ref.: 701.001
Fotocredit © Sotheby’s

Der Ketten- und Schneckenantrieb ist eine der effektivsten Komplikationen zur Ganggenauigkeitssteigerung mechanischer Uhren.


Lange meldete sich zurück in der Haute Horlogerie


Mit dem Tourbillon „Pour le Mérite“ meldete Lange den Anspruch an, direkt in die Haute Horlogerie einzusteigen, zurück auf dem Gipfel der Uhrmacherei. Es sollte elf Jahre dauern, bis die nächste Pour le Mérite erschien, der Tourbograph. Dann folgte 2009 die Richard Lange „Pour le Mérite“. 2011 folgte die Richard Lange Tourbillon „Pour le Mérite“ mit einem Regulator-Zifferblatt und 2017 folgte der Tourbograph Perpetual „Pour le Mérite“.

Alle “Pour le Mérite”Uhren waren limitiert, die erste Serie, unter Sammlern heute sehr begehrt, war auf 200 Exemplare in verschiedenen Edelmetallgehäusen begrenzt. Das ungewöhnlichste Modell stellte 1994 sicher die Platin-Variante dar, sie war aber nicht die seltenste mit 50 Exemplaren, denn es gab auch eine Stahluhr (Ref.: 701.006), neben den 19 Modellen in Weißgold, 24 in Rotgold und 106 Gelbgoldmodellen. Der 2017 vorgestellte Tourbograph Perpetual „Pour le Mérite“ war die bisher komplizierteste Uhr von A. Lange & Söhne, nur noch übertroffen von der Grand Complication.

Tourbillon Pour le Mérite, Kaliber L902.0


Eine Klasse für sich: Die Grand Complication von A. Lange & Söhne


Inspiriert von der Taschenuhr Grand Complication Nr. 42500 aus dem Jahr 1902 präsentiert A. Lange & Söhne 2013 seine komplizierteste Armbanduhr: die Grand Complication. Sie besitzt ein großes und kleines Geläut, eine Minutenrepetition, einen ewigen Kalender und einen Rattrapante-Chronographen mit blitzender Sekunde. Montage und Feinabstimmung der Mechanismen waren so aufwändig, dass nur eine Uhr pro Jahr und nur sechs Exemplare insgesamt gefertigt wurden.

Taschenuhr Grand Complication Nr. 42500


Wann ist eine komplizierte Uhr bei A. Lange & Söhne eine große Komplikation?


Der Begriff ist nicht wirklich einheitlich geregelt. Um als große Komplikation oder Grande Complication eingestuft zu werden, muss eine Uhr laut einer allgemein akzeptierten Schweizer Definition folgende Funktionen besitzen: eine Minutenrepetition, einen Chronographen mit Schleppzeiger und einen ewigen Kalender. Eher umstritten ist, ob das Tourbillon, eigentlich eine Vorrichtung, um den negativen Einfluss der Schwerkraft auf die Ganggenauigkeit einer Uhr zu minimieren, als Komplikation durchgeht. A. Lange & Söhne bezeichnet den Tourbograph Perpetual „Pour le Mérite“ auch nicht als eine große Komplikation – obwohl es nach dieser Definition eine wäre – allerdings vor allem, um eine Verwechslung mit der Grand Complication zu vermeiden. Auch der Datograph Perpetual Tourbillon wäre eine, wenn man das Tourbillon als Komplikation bezeichnen würde. Lange bezeichnet bis heute nur eine Uhr als Grand Complication, und zwar das gleichnamige Modell mit den erwähnten sieben Zusatzfunktionen und einigen Besonderheiten.

Grand Complication, Ref.: 912.032, Kaliber L1902, Anzal der Uhrwerksteile: 876.
Komplikationen: Kalenderfunktion, Mondphasenanzeige, Schlagwerksfunktion, Chronograph, Wochentagsanzeige


Eine Uhr für die Ewigkeit: Die Grand Complication Nr. 42500 von A. Lange & Söhne


Vielleicht noch ein paar Sätze zur Inspiration für die erste Grand Complication der Neuzeit: Die Taschenuhr Nr. 42500 aus dem Jahr 1902 gehört bis heute zu den kompliziertesten Taschenuhren, die je hergestellt wurden. Sie verfügt über ein Schlagwerk mit stündlichem großem und viertelstündigem kleinem Geläut, eine Minutenrepetition, einen Schleppzeiger-Chronographen, eine Stoppuhr mit Zwischenzeit und Fünftelsekundeteilung. Neben dem Hauptzifferblatt hat die Uhr 4 kreisrunde kleine Anzeigen, darunter ein ewiger Kalender auf der 12, ein Tagesanzeiger im laufenden Monat auf der 3, eine Mondphasen-Anzeige auf der 6 und eine Wochentaganzeige auf der 9. Der Kalender synchronisiert sämtliche Anzeigen mit Ausnahme des Mondes täglich exakt um null Uhr. Ihr Uhrwerk mit vernickelter Neusilberplatine besteht aus 833 Einzelteilen, sie wiegt insgesamt rund 300 Gramm. Alle arabischen Ziffern und die Symbole auf dem Emaillezifferblatt sind handgemalt.


5.600 Goldmark – fünf Jahresgehälter


Diese Uhr wurde 1902 an eine Wiener Privatperson verkauft. Dank eines handschriftlichen Eintrags im Stammbuch wissen wir, dass der Kaufpreis 5.600 Goldmark betrug. Das entsprach damals dem Gegenwert von fünf Jahresgehältern eines Lehrers. 2001 tauchte sie mit stark korrodiertem und teilweise unvollständigem Werk wieder auf. Nach der mehrjähriger Restauration bei A. Lange & Söhne wurde die Uhr 2010 erstmals auf dem ehemaligen Genfer Uhrensalon ausgestellt und befindet sich heute als Dauerleihgabe im Mathematisch-Physikalischen Salon im Dresdner Zwinger. Sie inspirierte zur Entwicklung der 2013 vorgestellten und damit ersten Grand Complication von A. Lange & Söhne in einer Armbanduhr.

Doch kommen wir zurück zu den wichtigsten verschiedenen Klassen von Uhrwerken bei A. Lange & Söhne.


Eine Übersicht: Die wichtigsten Uhrwerkstypen von A. Lange & Söhne


Die Geschichte der Automatikwerke bei A. Lange & Söhne


Die erste Armbanduhr von Lange mit einem Automatikwerk war 1997 die Langematik mit einem kleinen Rotor, die aber eben über keinen klassischen Mikrorotor verfügte, was ihr eine interessante Stellung einräumt. Das Kaliber L921.2 trägt den charmanten Namen SAX-0-MAT. Die „0“ im Namen SAX-0-MAT, die als Buchstabe „O“ gelesen wird, greift eben diese außergewöhnliche Funktion auf, „SAX“ steht für das Bundesland Sachsen – und „MAT“ für den automatischen Aufzug.

Langematik 301.021, Kaliber L921.2 ‚Sax-0-Mat‘


Der Lange Dreiviertel Rotor


Bei Lange nennt man diesen Aufzugsrotor „Dreiviertelrotor“, weil er in die markentypische Dreiviertelplatine eingepasst ist und damit freien Blick auf die Gangpartie erlaubt. Sein Zentralsegment besteht aus 21 Karat Gold, die äußere Schwungmasse aus 950er Platin. Die Aufzugsenergie wird über ein reibungsarmes Aufzugs- und Reduktionsgetriebe mit vier Kugellagern in Richtung Federhaus übertragen. Eine weitere Innovation ist der patentierte Zero-Reset-Mechanismus, den wir ganz am Ende dieser Story erklären. Die Aufgabe der Entwickler bestand unter anderem auch darin, den fein finissierten Unruhkloben weiter gut sichtbar zu lassen, damit die Schwungmasse ihn nicht verdeckt. Und natürlich musste der Aufzugsrotor bei Lange sehr effizient sein und beidseitig aufziehend.


Ein Chefkonstrukteur, der besondere Aquarelle in seiner Freizeit malt


Die Idee für dieses Uhrwerk stammte übrigens vom damaligen Chefkonstrukteur Helmut Geyer. Er brachte seine Vorstellungen in seiner Freizeit in Aquarellzeichnungen zu Papier. Und erst, als er alle wichtigen konstruktiven Fragen geklärt hatte, stellte er sie der Geschäftsleitung vor. Er ist mittlerweile pensioniert, doch sein Sohn arbeitet noch heute im Unternehmen – ebenfalls als Konstrukteur. Was könnte den familiären Charakter dieser Firma besser beschreiben? Die anfängliche Gangreserve war mit 46 Stunden beachtlich, aber heute wissen wir: Da ging natürlich ab 2003 auch dank der eigenen Unruhspirale noch extrem viel mehr.


Wahre Ingenieurskunst zeigt sich bei mechanischen Uhren in der Gangreserve


Ingenieurskunst zeigt sich auch bei Lange in der Verbesserung der Gangreserve über die Jahrzehnte: Das erste hauseigene Chronographenwerk in der Datograph verfügte nur über 36 Stunden Gangreserve, das Nachfolgemodell hatte 2012 bereits 60 Stunden. Die erste Zeitwerk 2009 verfügte über ebenfalls 36 Stunden, der Nachfolger Zeitwerk Date zehn Jahre später im Jahr 2019 sogar über das Doppelte, also 72 Stunden. Man kann schon sagen: Seit dem Neustart im Jahr 1994 steht das Thema Gangreserve als ein zentraler Eckpfeiler in der Werkentwicklung im Mittelpunkt: Mit der Lange 1 mit drei Tagen Gangreserve setzte man 1994 schon einen Benchmark und erreichte es damals über zwei übereinander gelagerte Federhäuser. Der schöne deutsche Begriff Doppelfederhaus, der es bis auf das Zifferblatt schaffte, spricht für die enorme Bedeutung dieses Themas bei Lange. Aber natürlich fand man dann später technische Wege, wie bei der großen Lange 1, diese Gangreserve von 72 Stunden mit nur einem Federhaus zu realisieren. Auch die Saxonia kommt heute auch auf diese Gangreserve mit nur einem Federhaus.

Datograph 403.035, Kaliber L951.1

Datograph 405.035, Kaliber L951.6


Servicefreundlichkeit ist kein leeres Versprechen bei A. Lange & Söhne


Alle Uhrwerke werden bei Lange grundsätzlich auch danach weiterentwickelt, um sie noch servicefreundlicher zu machen. Eine Tugend, die viele Uhrenfans von niemandem geringerem als Rolex kennen. Und auch bei A. Lange & Söhne werden nicht alle Verbesserungen im Einzelnen kommuniziert. Ein kleines Beispiel: Bei der Lange 1, die 2015 ein neues Werk erhielt, sieht für Träger vieles erst einmal sehr ähnlich aus, allerdings bekommen diese nun ein exakt um Mitternacht schaltendes Datum. Es sind solche Details, die Lange-Sammler immer wieder freuen.

Zeitwerk, Kaliber L043.1 (links) und Zeitwerk Date, Kaliber L043.8 (rechts)

Lange 1, Kaliber L901.0 (links) und Lange 1, Kaliber L121.1 (rechts)


Die Lange-Zentralrotorautomatikwerke


Trotz des innovativen Dreiviertel-Rotorkonzepts verschloss sich Lange nicht einem Zentralaufzugsrotor: Mit der Lange 1 Daymatic ging es 2010 los, um diese Uhr zu unterscheiden von der klassischen Lange 1 mit Handaufzugswerk, entwickelten die Ingenieure nicht nur den Selbstaufzug, sondern ein spiegelbildlich aufgebautes Zifferblattdesign, mit retrograder Wochentaganzeige, die zum Kennzeichen der ersten Lange 1 mit Automatikwerk wurden.

Lange 1 Daymatic 320.021, Kaliber L021.1

Große Lange 1 mit Handaufzug 117.025, Kaliber L095.1


Ein Einstiegswerk der Extraklasse


Danach folgte die Saxonia Automatik im Jahr 2011. Gerade in dieser Einstiegslinie kann man die unglaubliche technische Exzellenz der Entwickler von A. Lange & Söhne erkennen: Im Werk der ersten Saxonia von 1997 steckten noch 307 Bauteile, in der überarbeiteten knapp 100 weniger, nämlich genau 209. Auch das ist ein klares Indiz dafür, dass Lange nach dem Prinzip arbeitet: Weniger ist manchmal eben mehr. Fast hundert Teile sind eine Menge, vor allem, wenn zugleich die Gangreserve von 46 auf 72 Stunden steigt. Bei solchen Themen verlassen die Ingenieure auch gerne das eigentlich charmante Prinzip des Dreiviertelrotors und setzen auf einen deutlich effizienteren Zentralrotor. Ebenso verfügt diese Uhr nur über 31 Rubinlagersteine statt vorher 36. Uhrmacherkunst besteht eben auch darin, mit möglichst wenigen Teilen zurechtzukommen. Die Saxonia-Reihe stellt für A. Lange & Söhne bis heute preislich den Einstiegsbereich dar, was auch mit einer der Gründe gewesen sein dürfte, selbst für einen absolut renommierten Werkehersteller, hier auf ein einfacheres, aber nicht weniger effizientes Werk zurückzugreifen, das man aber erstaunlicherweise dennoch selbst konstruiert und inhouse fertigt und mit einer inhouse produzierten Unruhspirale versieht.

Kaliber L921.2 ‚Sax-0-Mat‘, Anzahl der Werksteile: 307

Kaliber L086.1, Anzahl der Werksteile: 209


Ein Paukenschlag für die Uhrenwelt: Das erste Chronographenwerk seit über 30 Jahren


Kommen wir zu einem wegweisenden Werk von A. Lange & Söhne: Der erste Datograph sorgte 1999 international für großes Aufsehen, weil selbst keine der großen Manufakturen zu dem Zeitpunkt eigene Chronographenwerke fertigte. Mit dem Kaliber L951.1 präsentiert A. Lange & Söhne 1999 das erste Chronographenwerk, das in der gesamten Uhrenbranche nach rund drei Jahrzehnten von Grund auf neu entwickelt wurde. Nur zur Einordnung: Selbst Patek Philippe verwendete damals Chronographenwerke von Lemania. Im Grunde kann man sagen: Erst durch die Datograph wurden einige Schweizer Manufakturen wachgerüttelt und ihnen war fortan klar, dass sie mit eigenen Werkeentwicklungen dagegenhalten mussten, wenn eine kleine deutsche Manufaktur, die gerade einmal ihr 5-jähriges Comeback feierte, in der Lage war, ein solches Uhrwerke inhouse zu entwickeln. Das konnte niemand in der Schweiz auf sich sitzen lassen.


Was macht das Handaufzugskaliber der Datograph von 1999 so besonders?


Die Konstruktion des patentierten, exakt springenden Minutenzählers ermöglicht die zweifelsfreie Ermittlung der Stoppzeit. Und die integrierte Flyback-Funktion erlaubt es, mit nur einer Drückerbetätigung eine laufende Zeitmessung zu beenden, die Zeiger auf null zu stellen und eine neue Messung zu starten. Zum ersten Mal vereint das Kaliber zudem einen Chronographen mit dem patentierten Großdatum von A. Lange & Söhne.

Datograph, 403.035, Platin
Foto © A Collected Man


Der Quantensprung im Chronographenbau: Double Split


Doch bei Lange war man schon wieder einen Schritt weiter. Fünf Jahre später folgte der Double Split, ein Schleppzeiger-Chronograph der erstmals den Messbereich von Zwischenzeiten und Vergleichszeitmessungen in einer Armbanduhr von einer Minute auf bis dahin unvorstellbare 30 Minuten erhöhte. Gleichzeitig feierte im Kaliber L001.1 die erste in der Lange-Manufaktur entwickelte und gefertigte Unruhspirale Premiere.

Double Split 404.032, Kaliber L001.1


30 Minuten Messbereich statt nur einer


Die weitaus offensichtlichere Innovation in diesem Uhrwerk war aber natürlich der weltweit erste Doppel-Rattrapante-Mechanismus. Dank eines zweiten Stoppzeiger- Paares für die Minuten erweitert sich der Messbereich nun auf 30 Minuten, was viele zusätzliche Anwendungsmöglichkeiten eröffnet. Mit dem Triple Split und seinem Kaliber L132.1 wird dieser selbst aufgestellte Rekord 14 Jahre später noch einmal gebrochen. Dessen zusätzliches Stunden-Zeigerpaar erhöht die Zeitspanne für Vergleichszeitmessungen schließlich auf zwölf Stunden. Die eigene Unruhspirale ermöglichte nun eine große Freiheit in der Werkeentwicklung bei Lange. Das hat eine ganz andere Bedeutung, als Schrauben blau anlaufen zu lassen. Lange war nun nämlich in der Lage, das Herz jeder mechanischen Uhr, die Unruh, sehr fein an die Charakteristik des Werkes anzupassen. 2023 feiert das Kaliber L156.1 Premiere im Odysseus Chronograph, Langes erstes automatisches Chronographen-Uhrwerk mit innovativer, dynamischer Nullstellung der Stoppzeiger.

Double Split

Triple Split 424.038, Kaliber L132.1 und Odysseus Chronograph, Kaliber L156.1


Die wichtigsten Modelle mit Tourbillon-Mechanismus


Wie eingangs erwähnt, war bereits eine Uhr in der ersten Kollektion mit diesem filigranen Tourbillon-Mechanismus ausgestattet, der traditionell den Einfluss der Schwerkraft auf die Gangpartie ausgleicht. Die Ausgestaltung der Käfigformen der Tourbillons von A. Lange & Söhne orientieren sich natürlich an historischen Taschenuhren von Lange, in Armbanduhren allerdings um ein Vielfaches verkleinert. Das erste Tourbillon war der besagte „Pour le Mérite“, darauf folgte die Lange 1 Tourbillon im Jahr 2000, ebenfalls eine Weltpremiere: Zur Jahrtausendwende erschien diese erste Armbanduhr mit der Kombination aus Tourbillon, Großdatum, Dreitagewerk und Gangreserveanzeige. 2005 folgte der Tourbograph “Pour le Mérite” mit dem komplizierten Lange-Kaliber L903.0, das erstmals einen Rattrapante-Chronographen mit Tourbillon und Antrieb über Kette und Schnecke verbindet. Letzterer kompensiert zusätzlich den Drehmomentverlust der Aufzugsfeder.


Innovation im Tourbillon über 200 Jahre nach Abraham-Louis Breguet


2008 folgte dann mit dem Cabaret Tourbillon eine Weltpremiere in einem rechteckigen Formwerk: Mehr als 200 Jahre nach der Erfindung des Tourbillons durch Abraham-Louis Breguet gelingt es A. Lange & Söhne erstmals, einen Sekundenstopp für die im Drehgestell gelagerte Unruh zu realisieren. Wie das funktioniert, erfahren Sie am Ende dieses Textes.

Die besondere Herausforderung bestand hierbei darin, mit einer Stoppvorrichtung innerhalb des Tourbillonkäfigs zu agieren. Wenn man nur den Tourbillonkäfig plötzlich anhält, schwingt die Unruh ja leider langsam aus, was zu einem langsamen Stillstand des Sekundenzeigers führen würde. Lange löste das Problem, indem man eine spezielle Federbremse einführte, die über einen komplexen Hebelmechanismus gegen den Unruhreif drückt.

Zero-Reset Funktion: 1815 Tourbillon

Das Spannende dabei: Die Form der Stoppfeder musste empirisch ermittelt werden und ist nicht mathematisch beschreibbar. Nur die “Pour le Mérite” Uhrwerke werden seither nicht mit dieser Funktion ausgestattet, weil diese Modelle erstens keine Sekundenzeiger haben und sich zweitens getreu dem bereits mehrfach beschriebenen Double Track Approach ganz den Prinzipien der traditionellen Feinuhrmacherei verschrieben haben.

1815 Tourbillon mit Sekundenzeiger

Im 1815 Tourbillon wurden 2014 erstmals diese Innovation mit dem Zero-Reset-Mechanismus vereint, um eine Armbanduhr wirklich absolut sekundengenau einstellen zu können. Auch beim Datograph Perpetual Tourbillon von 2016 gibt es diese Stoppvorrichtung, da diese Uhr über einen Sekundenzeiger verfügt, allerdings ist hier der Tourbillon-Mechanismus nur werkseitig zu betrachten, ein Schicksal, das diese Uhr mit der 2012 lancierten Lange 1 Tourbillon Ewiger Kalender teilt.

1815 Tourbillon 730.079, Kaliber L102.1

Datograph Perpetual Tourbillon 740.036, Kaliber L952.2

Lange 1 Tourbillon Ewiger Kalender, Kaliber L082.1


Repetitionsuhren von A. Lange & Söhne


Die Zeitwerk Striking Time aus dem Jahr 2011 verfügte als erste mechanische Uhr von Lange über ein Schlagwerk. Sie schlägt automatisch die Viertel- und die vollen -Stunden. Die Viertelstunden-Intervalle werden jeweils mit einem hellen Ton geschlagen, bevor dann zur vollen Stunde ein dunkler Ton erklingt. Und natürlich respektiert auch diese Komplikation bei Lange das mehrfach beschriebene Prinzip der nützlichen Funktionen: Man kann das Geläut jederzeit und vor allem nachts abstellen. 

Zeitwerk Striking Time 145.032, Kaliber L043.2


Die komplizierteste Armbanduhr von A. Lange & Söhne


Die erste Minutenrepetition war die weiter oben erwähnte Grand Complication im Jahr 2013. Das Manufakturkaliber L1902 ist bis heute das komplizierteste Armbanduhrwerk, das je von A. Lange & Söhne gefertigt wurde. Es kombiniert einen ewigen Kalender mit Mondphasenanzeige, einen Rattrapante-Chronographen mit Minutenzähler, eine blitzende Sekunde sowie ein Schlagwerk mit Grande Sonnerie, Petite Sonnerie und einer Minutenrepetition. Insgesamt besitzt die Uhr drei Federhäuser. Eines für den Ablauf der Uhr, eines für den Chronographen mit blitzender Sekunde und eines für das Schlagwerk, das genügend Schlagkraft für 24 Stunden liefert. Dieses Uhrwerk besteht aus 876 Teilen und erfordert vor allem vom Uhrmacher eine recht hohe Frustrationstoleranz. Bei der Montage muss bei jedem Fehlton das komplette Werk demontiert werden, um den Fehler zu finden. Das Modell war auf sechs Exemplare limitiert, deren Herstellung mehrere Jahre benötigte. Sie zeigte bislang das ganze handwerkliche Können von A. Lange & Söhne. 2015 folgte die Zeitwerk als erste dezimale Minutenrepetition.

1815 Grand Complication 912.032, Kaliber L1902


Traditionell aber extrem innovativ


Die Richard Lange kam als Minute Repeater im Jahr 2022 auf den Markt, bei der das Thema auf traditionelle Weise umgesetzt wurde, ohne dabei auf Innovationen zu verzichten: So verfügt das Schlagwerk über eine Ruheaufhebung. Diese unterbindet die sonst übliche Pause zwischen Stunden- und Minutenschlag, die eintritt, wenn in den ersten 14 Minuten nach der vollen Stunde kein Doppelschlag für die Viertelstunde ausgelöst wird. Ein Sicherheitsmechanismus sorgt dafür, dass sich die Minutenrepetition bei gezogener Krone nicht in Gang setzen lässt. Zudem lässt sich die Krone nicht ziehen, wenn das Schlagwerk aktiv ist. Eine patentierte Hammersperre verhindert, dass die Hämmer ungewollt mehrfach auf die Tonfedern schlagen. Die Richard Lange Modelle knüpfen seit 2006 mit höchster Ganggenauigkeit und optimaler Ablesbarkeit an die Tradition wissenschaftlicher Beobachtungsuhren an.

Richard Lange Minutenrepetition 606.079, Kaliber L122.1

Zeitwerk Minutenrepetition 147.050, Kaliber L043.5


Uhrwerke mit Mondphasen von A. Lange & Söhne


Neben dem Datograph stellte man 1999 mit der 1815 Mondphase “Hommage à Emil Lange” ein erstes Modell mit dieser Komplikation vor, die erstmals nach 1058 Jahren um einen Tag korrigiert werden muss. Ebenso genau arbeitet allerdings auch die Richard Lange Ewiger Kalender „Terraluna“, die auf der Rückseite zudem auch noch über eine spektakuläre, dreiteilige orbitale Mondphasenanzeige verfügt, die die Konstellation von Erde, Mond und Sonne abbildet.

1815 Mondphase “Hommage à Emil Lange”
Foto © Mr. Watchley

Der Großteil der sonstigen Mondphasen-Modelle hält seine Funktion genau auf 122,6 Jahre. Das Werk der Lange 1 Mondphase von 2017 verbindet die Mondphase sehr charmant mit einer Tag-Nacht-Anzeige in Form einer Himmelsscheibe mit Farbverlauf, die den 24-Stunden-Zyklus nachvollzieht. Man sieht den Mond wie er tagsüber am hellblauen Himmel erscheint.

Richard Lange Perpetual Calendar Terraluna 180.032, Kaliber L096.1

Lange 1 Mondphase 192.025, Kaliber L121.3


Und dann kam die Odysseus – die sportliche Uhr von A. Lange & Söhne


Wie viel Zeit man sich mit dieser außergewöhnlichen Sportuhr bei A. Lange & Söhne gelassen hat, lesen Sie bitte im Interview mit Chefentwickler Anthony de Haas. Wichtig ist zu wissen: Bei dieser Uhr durfte nichts schiefgehen, da sie nicht nur von Sammlern seit Jahren von Lange immer wieder gefordert worden war als perfekte Freizeituhr, sondern auch, weil die Manufaktur nun erstmals auch gestalterisch Neuland betrat. Dennoch bildet auch bei diesem Modell das Uhrwerk die Grundlage für das Verständnis des Gesamtergebnisses:


Hohe Frequenz sorgt für bessere Gangstabilität


Das Kaliber L155.1 Datomatic arbeitet für Lange-Verhältnisse mit einer hohen Frequenz von 28.800 Halbschwingungen pro Stunde. Die Zahl des Schwingungsverhalten einer Unruh sollte generell und bei Lange im Besonderen auf die Funktionen abgestimmt sein: Beim Datograph sind die 18.000 A/h Halbschwingungen logisch, da man dann die Fünftelsekunden beim Chronographen ablesen kann. 21.600 A/h ist eigentlich der Standard bei Lange, nur bei der Odysseus setzte man auf höhere 28.800 A/h. Warum? Nehmen wir einen Klassiker wie die Zenith Chronographen El Primero mit dem Schnellschwingerwerk, das bei 36.600 A/h Halbschwingungen den zusätzlichen Vorteil bietet, sich die Zehntelsekunde anzeigen lassen zu können. Dies hätte aber den Nachteil für Lange, dass der Verschleiß wiederum etwas höher wäre und die Uhren öfter im Service landen würden.

Kaliber L155.1 Datomatic

Daher entschied man sich hier für den Mittelweg von 28.800 A/h, weil das bei Uhren, die vielleicht auch mal beim Sport eingesetzt werden, deutlich der Gangstabilität zugutekommt. Äußere Einflüsse haben damit geringere Auswirkungen auf das Gangverhalten der Uhr und genau das wollte man mit diesem Modell ja erreichen.

Odysseus 363.179 in Edelstahl von 2019


Datomatic: Ein robustes Werk ohne Abstriche in der Verarbeitung


Alles an diesem Werk musste robuster werden, ohne auf Lange-Handwerksqualität verzichten zu müssen: So sind die Regulierschrauben der Unruh in den Unruhreif versenkt, wodurch Verwirbelungen minimiert werden. Zur Erhöhung der Steifigkeit ist die Unruh unter einer Unruhbrücke gelagert, die mit zwei gebläuten Schrauben fixiert ist. Der Namenszusatz Datomatic steht für die Kombination aus Datumsmechanismus, der durch seitliche Drücker bedient wird und automatischem Aufzug.

Der Aufzugsrotor der Odysseus mit 50 Stunden Gangreserve besteht aus einer verwindungssteifen, schwarz rhodinierten Arcap-Legierung mit äußerer Platinschwungmasse. Bei den anderen Lange-Automatikwerken sind die Rotoren vergoldet, bis auf die erste Langematik von 1997, deren ausführlich beschriebener Dreiviertelrotor noch in massiven, 21-karätigem Gold mit verschraubter Platinschwungmasse ausgeführt worden war.


Der Weg zum ewigen Kalender


Der Weg zum Werk mit erstem ewigen Kalender führte bei Lange über das Uhrwerk SAX-0-MAT in der Langematik Perpetual im Jahr 2001. Sie war insofern besonders, weil sie zugleich die erste Automatikuhr der Welt war, in der ein ewiger Kalender mit einer Großdatumsanzeige kombiniert wurde. Der Datograph Perpetual folgte 2006 und kombinierte einen Flyback-Chronographen mit einem ewigen Kalender. In die Lange 1 erhielt diese Funktion 2012 Einzug im Modell Lange 1 Tourbillon Ewiger Kalender, in dem man einen patentierten äußeren Monatsring einführte, so dass die charakteristische Zifferblatt-Anordnung der Lange 1 erhalten blieb.

Langematik Perpetual 310.028, Kaliber L922.1 SAX-0-MAT

Saxonia Datograph Perpetual 410.038, Kaliber L952.1

Es folgten die Grand Complication 2013 und im selben Jahr der 1815 Rattrapante Ewiger Kalender, und schließlich 2014 die Richard Lange Ewiger Kalender “Terraluna” mit orbitaler Mondphasenanzeige. Der zweite Datograph Perpetual im Jahr 2016 verfügte zusätzlich noch über ein Tourbillon. 2021 folgte die Lange 1 Ewiger Kalender im überarbeiteten Werk der Lange 1. Eine Ausnahme bildet auch hier wieder der Tourbograph Perpetual “Pour le Mérite“, ein Rattrapante-Chronogrpah mit Tourbillon und ewigem Kalender, aber eben mit dem extrem aufwendigen Antrieb über Kette und Schnecke von 2017.

Lange 1 Tourbillon Ewiger Kalender 720.032, Kaliber L082.1

Lange 1 Ewiger Kalender 345.036, Kaliber L021.3


Zusammenfassung: 30 Jahre Uhrwerke von A. Lange & Söhne


Es ist unmöglich, alle Uhrwerke in einem Text detailliert zu beschreiben, der noch halbwegs lesbar ist. Bestimmte Modelle wären sicher eigene Texte wert, so wie Langes 31-Tage-Werk, die Lumen-Baureihe oder die Handwerkskunstreihe mit seltenen Werkedekorationen wie Reliefgravuren und Schwarzpolituren. Um sich vor Augen zu halten, was das alles in Summe bedeutet, haben wir hier – weil es so beeindruckend ist – eine kleine Auflistung dieser Leistungen gemacht, was sämtliche Komplikationen angeht.


34 Modelle mit Großdatum


A. Lange & Söhne hat bis heute 34 Uhrwerke mit dem prägenden Großdatum ausgestattet, bei der Zeitwerk Date gibt es ein Modell mit Ringdatum. Insgesamt gibt es vier Modelle mit Wochentagsanzeige und 35 mit Gangreserveanzeige.

Lage 1 Tourbillon Ewiger Kalender mit Großdatum

Inzwischen gibt es fünf Modelle mit dem patentierten Zero-Reset bzw. Nullstellmechanismus. Von den zehn inhouse entwickelten Tourbillons haben fünf den ebenfalls patentierten Nullstellmechanismus. Den traditionellen Antrieb über Kette und Schnecke, wie er früher in Lange-Taschenuhren verwendet wurde, findet man in den fünf bisher erschienenen “Pour Le Mérite” Sondermodellen. Von den 19 Werken mit Mondphasenanzeigen arbeiten zwei auf 1.058 Jahre genau (darunter die Richard Lange Ewiger Kalender „Terraluna“), die anderen klassisch auf 122,6 Jahre.

Der Tourbograph Perpetual „Pour le Mérite“ kombiniert fünf Komplikationen: Antrieb über Kette und Schnecke, Tourbillon, Chronograph-Rattrapante und ewigen Kalender.


Insgesamt 13 Modelle mit eigenen Chronographenwerken


Kommen wir zur wohl wichtigsten und aufwendigsten Werkekategorie: 13 Modelle mit eigenem Chronographenwerk hat man entwickelt, sieben davon mit Flyback- und sieben mit Rattrapante-Funktion. Von den erwähnten sieben Rattrapante oder Schleppzeigermodellen erlauben zwei sogar Vergleichszeitmessungen bis 30 Minuten beziehungsweise 12 Stunden dank der patentierten Double-Split- und Triple-Split- Technologie.

Wären die Leistungen im Chronographenbereich nicht schon ruhmreich genug, hier noch die weiteren Komplikationen der Glashütter Manufaktur: Zehn eigene Uhrwerke mit ewigen Kalendarien, zwei davon mit umlaufenden Monatsring, nämlich in der Lange 1 Tourbillon Perpetual und in der Lange 1 Perpetual. Dazu gesellen sich zwei Jahreskalender und zwei extrem lang laufende Werke, nämlich die Lange 31 mit 31 Tagen Gangreserve und die Richard Lange Perpetual „Terraluna“ mit 14 Tagen Laufzeit.

Saxonia Triple Split 424.037, Kaliber L132.1 – Der erste mechanische Rattrapante-Chronograph der Welt, der mehrstündige Vergleichszeitmessungen erlaubt.


Neun Uhren mit digitaler Sprungzifferanzeige


Neun Uhren verfügen derzeit über die digitale Sprungzifferanzeige, die Fans natürlich vor allem aus der Zeitwerk kennen. Es gibt aber auch zwei Modelle mit springender Sekunde – also einer Anzeige der “wahren” Sekunde über den gleichnamigen Zeiger anstatt des bei mechanischen Werken üblichen schleichenden Sekundenzeigers. Um die vielen Mechanismen anzutreiben, verwendet Lange drei verschiedene Typen von Nachspannwerken, die alle patentiert sind, um insgesamt 12 verschiedene Werke mit konstanter Energie zu versorgen.


Drei Uhrwerke mit Minutenrepetitionen


Sie denken: Reicht doch? Von wegen! Die Krone der Uhrmacherei stellen traditionell auch bei A. Lange & Söhne natürlich Uhrwerke mit Minutenrepetitionen dar, Lange hat drei Uhrwerke damit in petto, in der berühmten Grand Complication gibt es gar eine Grande und Petite Sonnerie. Die Zeitwerk Striking Time und die Zeitwerk Decimal Strike verfügen über eigene, “en passant” ertönende Schlagwerkmechanismen. Haben wir etwas vergessen? Ja, die „Grand Complication“ verfügt über eine blitzende Sekunde, der sogenannten “seconde foudroyante“, bei der sich der Sekundenzeiger in Fünferschritten einmal pro Sekunde um die eigene Achse dreht und so die Fünftelsekunden anzeigt und dabei am Tag erstaunliche 86.400 Umdrehungen vollzieht.

Kaliber L1902 mit blitzender Sekunde, Grand Complication 912.032


Fazit: Vergleichbar nur mit der eigenen Historie


Mit was kann oder darf man diese Leistungen vergleichen? Andere Uhrenfirmen ticken anders und entwickeln Uhrwerke anders. Eigentlich taugt in diesem Fall nur der Blick zurück in die eigene Geschichte von A. Lange & Söhne: Hierzu gab es im Jahr 2000 eine Veröffentlichung von Martin Huber aus München: In der sogenannten „Lange Liste“ (Das Buch ist übrigens zwar vergriffen, man bekommt es aber noch antiquarisch) werden alle Uhrwerksentwicklungen von Lange seit dem Gründungsjahr 1845 bis zur Enteignung im Jahr 1948 aufgeführt. Von den beeindruckenden 89 aufgelisteten Werkkategorien finden sich alleine 15 mit Minutenrepetitionen in unterschiedlichen Ausführungen, dazu acht selbstschlagende Werke, zehn Viertelstunden-Repetitions-Werke sowie eine 5-Minuten-Repetition. Nicht mitgezählt haben wir, dass es von diesen Repetitionsuhrwerken teilweise auch spezielle Modelle für Damen gab.

Wem jetzt der Kopf ähnlich brummt wie uns, weiß zumindest eins: Es gibt (fast) keine uhrmacherische Herausforderung, der sich diese Firma in den letzten 30 Jahren seit der Neuauflage eigener Modelle unter dem Namen A. Lange & Söhne nicht gestellt hätte. Und wenn es die Entwickler um Anthony de Haas bisher nicht getan haben sollten, gibt es einen ganz bestimmten Grund dafür.


Das sind die wichtigsten Patente von A. Lange & Söhne


Für all diese 72 Uhrwerke hat man bei A. Lange & Söhne über die letzten 30 Jahre zahlreiche Patente angemeldet, sie alle zu zählen, hat sich bislang noch niemand die Mühe gemacht. Diese natürlich nicht uncharmante Bescheidenheit (gerade in Deutschland, wo man sehr stolz auf sein Ingenieurwissen und Erfindungsreichtum ist) begegneten wir mit der Frage:

Welches sind die wichtigsten Patente von A. Lange & Söhne?

Die vielleicht wichtigsten neun haben wir im Folgenden einmal aufgeführt und erklärt.


Nullstellmechanismus Zero-Reset


1997 stellte A. Lange & Söhne sein erstes Automatikwerk vor, aufwendig war es noch dazu: Das mehrfach prämierte SAX-0-MAT-Kaliber verfügt über den erwähnten integrierten Zero-Reset-Mechanismus. Wie funktioniert das? Er stoppt die Unruh beim Ziehen der Krone und lässt den Sekundenzeiger blitzschnell auf die Nullposition schwenken, um die exakte Uhrzeit leichter einstellen zu können. Das Patent erfolgte im Jahr 2000.

Auch die Handaufzugswerke der 1815 Tourbillon und der Richard Lange Springende Sekunde arbeiten mit einer Zero-Reset-Funktion, die das präzise Stellen der Uhr erleichtert. Für das letztgenannte Modell wurde der Mechanismus als eigenständiges Modul konzipiert und mit einer Mehrscheibenkupplung ausgestattet, die den großen Sekundenzeiger beim plötzlichen Beschleunigen und Abbremsen sicher hält.


Exakt springender Minutenzähler


Der exakt springende Minutenzähler kam erstmals 1999 im Datograph, mit Langes erstem Chronographenkaliber, zum Einsatz und wurde im Jahr 2001 patentiert. Er lässt den Zeiger des Minutenzählers nach Ablauf von 60 Sekunden um genau einen Teilstrich weiterrücken, und zwar auch dann, wenn die Zeitmessung just beim Nulldurchgang gestoppt wird. So lässt sich der Minutenwert immer zweifelsfrei ablesen. Diese Konstruktion ermöglicht es dem Uhrmacher, den Sprung des Minutenzählers auch im bereits montierten Uhrwerk punktgenau einstellen zu können. In der aktuellen Kollektion sind alle Datograph-Modelle sowie der Double Split und der Triple Split damit ausgestattet.


Isolator-Mechanismus


Bleiben wir bei den Chronographenwerken: Dank des ausgeklügelten Mechanismus ist es bei den Schleppzeiger-Chronographen Double Split und Triple Split möglich, Zwischenzeiten zu nehmen, ohne dass es zu einem Amplitudenabfall kommt. Der 2005 patentierte Mechanismus vermeidet die bei herkömmlichen Konstruktionen auftretenden Reibungsverluste, indem er bei Betätigung des Rattrapantedrückers die formschlüssige Verbindung zwischen Rattrapantezeigern und Chronographenzeigern auf der Chronozentrumachse und auf der Minutenzählerachse trennt.


Sekundenstopp für das Tourbillon


Vielbeachtet ist diese im Jahr 2008 patentierte Erfindung: Mehr als 200 Jahre nach der Erfindung des Tourbillons durch Abraham-Louis Breguet beantwortete A. Lange & Söhne die Frage, wie man die oszillierende Unruh im Inneren eines rotierenden Tourbillonkäfigs stoppen könnte, um Uhren, die mit dieser Komplikation ausgestattet sind, sekundengenau einstellen zu können, so: Das Ziehen der Krone löst hier einen komplexen Hebelmechanismus aus, der eine beweglich gelagerte V-förmige Feder auf den Unruhreif senkt. Sie hält die Unruh augenblicklich an. Beim Drücken der Krone wird diese „Bremse“ gelöst und die Unruh schwingt sofort wieder an. Der Mechanismus findet sich unter anderem im Lange 1 Tourbillon Ewiger Kalender, im 1815 Tourbillon und im Datoghraph Perpetual Tourbillon.


Nachspannwerk


Die Entwicklung dieses 2010 erteilten Patent ging zunächst auf die Lange 31 zurück wie Anthony de Haas in unserem Interview erläuterte und wurde inspiriert von alten Langen Taschenuhrwerken: In allen Modellen der Zeitwerk-Uhrenfamilie wird dieses kleine Kraftwerk zwischen Federhaus und Unruh als Schrittmacher für das sprunghafte Weiterschalten der Ziffernscheiben im Minutentakt benötigt. Gleichzeitig leistet es einen wichtigen Beitrag zur Gangstabilität, indem es sicherstellt, dass die Unruh, unabhängig vom Aufzugszustand der Uhr und unbeeinflusst von den energiekonsumierenden Schaltvorgängen, über die gesamte Gangdauer mit gleichbleibender Kraft angetrieben wird. Ohne diese Ideen hinter diesem Patent gäbe es die Zeitwerk nicht.

Das patentierte Nachspannwerk der Richard Lange Ewiger Kalender „Terraluna“


Sprungziffermechanismus


Bleiben wir bei der Zeitwerk, der vielleicht innovativsten und modernsten Lange Uhr: Im Jahr 2011 erfolgte dieses Patent, das entscheidend für die exakt springenden Ziffernanzeige der Zeitwerk-Modelle ist. Das aus drei Scheiben bestehende Modul ist so konzipiert, dass die dargestellte Zeit von links nach rechts abgelesen werden kann. Mit sanftem Klick und für das menschliche Auge kaum wahrnehmbar schaltet das oben erwähnte Nachspannwerk den Mechanismus von Minute zu Minute, bis er zur vollen Stunde alle drei Ziffernscheiben gleichzeitig um exakt einen Zähler vorschnellen lässt.

01 – Zeitbrücke aus Neusilber, 02 – Lagerstein aus farblosem Saphir, 03 – Zehner-Minutenscheibe mit den Ziffern 0 bis 5, 04 – Einer-Minutenscheibe mit den Ziffern 0 bis 9, 05 – Stundenring mit den Zahlen 1 bis 12


Semitransparente Zifferblattbeschichtung der Lumen Modelle


Auch das siebte, im Jahr 2013 erteilte Patent beschäftigt sich, zumindest teilweise, mit der Zeitwerk: Es geht um die sehr begehrten Lumen-Modelle, bei denen die Ziffern oder ganze Blätter mit Leuchtmasse belegt sind und transparate Scheiben aus Saphirglas die klassischen Lange-Zifferblätter aus Neusilber ersetzen. Die technische Herausforderung bei der Entwicklung dieser Uhren lag darin, auch die unter dem Zifferblatt verborgenen nachtleuchtenden Elemente tagsüber mit Lichtenergie aufzuladen.

Das Team um Anthony de Haas fand die Lösung in einem Zifferblatt aus Saphirglas, das mit einer semitransparenten und zugleich UV-Licht durchlässigen Beschichtung versehen wurde. Gleichzeitig werden Lichtwellen im sichtbaren Bereich gedämpft, während Lichtwellen im ultravioletten Bereich durchgelassen werden, um die Anzeigen der Modelle Zeitwerk „Luminous“, Große Lange 1 „Lumen“ und Große Lange 1 Mondphase „Lumen“ und jüngst des neuen Datograph Perpetual Tourbillon Honeygold „Lumen“ nachts leuchten zu lassen.


Orbitale Mondphasenanzeige

Kommen wir zur Astronomie. Dieser Mechanismus wurde 2014 patentiert. Bei der Richard Lange Ewiger Kalender „Terraluna“ zeigt die patentierte orbitale Mondphase die Konstellation des Monds im Verhältnis zu Erde und der Sonne auf der Rückseite der Uhr durch den Saphirglasboden. Die Anzeige erfolgt so, wie sie sich für einen Beobachter auf der nördlichen Erdhalbkugel darstellt. Sie besteht aus drei Scheiben: einer Himmelsscheibe, einer darunter liegenden Mondscheibe und einer zentralen Erdscheibe. Die Unruh nimmt in der Anordnung die Position der Sonne ein. Die Anzeige folgt der synodischen Mondumlaufzeit von 29 Tagen, 12 Stunden, 44 Minuten und 3 Sekunden so exakt, dass sie erst nach 1.058 Jahren um einen Tag korrigiert werden muss.


Verzögerung der Ziffernfortschaltung


Auch das letzte hier vorgestellte Patent widmet sich der Zeitwerk, in diesem Fall dem Minute Repeater der Linie: Um bei der Zeitwerk Minutenrepetition den reibungslosen Ablauf der komplexen Mechanik zu gewährleisten, mussten aufwendige Sicherheitsmechanismen in das Uhrwerk eingebaut werden: So verzögert sich das Weiterschalten der Ziffernscheiben bei laufendem Schlagwerk, bis der Repetiervorgang vollständig abgeschlossen ist. Da die Staffeln des Repetiermechanismus konstruktionsbedingt auf den Wellen der Sprungzifferscheiben befestigt sind, könnte ein Schaltvorgang während des Repetierens zu mechanischen Konflikten führen und das Uhrwerk beschädigen. Durch die Verzögerung ist außerdem sichergestellt, dass das akustische Signal immer der angezeigten Uhrzeit entspricht.


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