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Diese Independent Watchmakers sollte man im Auge behalten – Teil 1
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Diese Independent Watchmakers sollte man im Auge behalten – Teil 1

27. Januar 2024

Wer noch recht neu in der Uhrenbranche ist, dem mag es so vorkommen, als würde mit dem Begriff ‚unabhängige Uhrmacher‘ regelrecht um sich geschlagen werden, ohne seine wahre Bedeutung wirklich zu kennen. Wofür steht dieser Begriff denn eigentlich? Patek Philippe und Audemars Piguet sind Uhrenhersteller in privater Hand und sollten daher, zumindest im geschäftlichen Sinne, als unabhängige Uhrmacher gelten. Und das sind sie auch – eben im geschäftlichen Sinne. Aber das ist nicht ganz das, was einen Independent Watchmaker – um bei dem Begriff zu bleiben – ausmacht. Auch wenn die Tatsache, dass sie sich in Privatbesitz befindet, eine ziemlich wichtige Rolle spielt, geht es bei der Unabhängigkeit auch um die Unternehmensgröße, die Produktionszahlen und die Verfahren, die bei der Herstellung der Uhren angewandt werden. Im Umkehrschluss bedeutet das: die Zeitmesser können unabhängig von den meisten Kontrollfaktoren hergestellt werden. Somit liegt die volle Kontrolle darüber in den Händen der Uhrmacher.

Was bieten Independent Watchmakers, das große Marken nicht können?

Im Wesentlichen verfolgen unabhängige Uhrmacher einen handwerklich orientierteren und damit arbeitsintensiveren Produktionsansatz. Der Arbeitsaufwand ist entscheidend: Maschinen unterstützen die Handwerker bei ihrer Arbeit, nicht umgekehrt.

So werden die Gehäuse nicht maschinell bearbeitet, sondern von Hand poliert und gebürstet. Mattierte Oberflächen werden mit Spezialwerkzeugen anstelle eines Sandstrahlers erzielt und Uhrwerkskomponenten werden unter Adleraugen gefräst und nicht mit einem einwandfreien Laser. Doch führen diese Methoden zu weniger präzisen Resultaten?

In gewisser Hinsicht ja, aber Top-Sammler legen Wert auf die handgefertigte Optik, wenn sie ein so kostspieliges Stück erwerben. Noch wichtiger ist jedoch, dass ein solcher Uhrmacher sich die Mühe macht, Teile der Uhr zu veredeln, die eine Maschine nicht bearbeiten könnte. Nur bei den handgefertigten Exemplaren widmen die Uhrmacher sich auch dem Abschrägen der Kanten der Uhrwerkskomponenten, die nicht sichtbar sind, außer, man baut die gesamte Uhr auseinander. Es ist dieses Engagement, für das der Kunde zahlt.

Außerdem ermöglicht die Unabhängigkeit eine größere Innovation beim Design. Die kleinen Produktionszahlen und Kundenkreise erlauben es den Uhrmachern, bei der Gestaltung ihrer Zeitmesser Risiken einzugehen, ohne sich auf umfangreiche Produktionsserien festlegen zu müssen und sich zu viele Sorgen darüber zu machen, wie sich das auf ihr Markenimage auswirken könnte. Sie konstruieren, was ihnen gefällt, so wie es ihnen gefällt.

F.P.Journe, Rexhep Rexhepi, Maximilian Büsser

In unserem ersten Teil über Independent Watchmakers stellen wir Ihnen drei Manufakturen vor, die mit ihrem Angebot an einzigartigen und ansprechenden Uhren die Unabhängigkeit in der Uhrmacherei verkörpern.


Akrivia


Im Herzen der Genfer Altstadt ist das Atelier von Akrivia beheimatet. Hier residiert der talentierte 36-jährige Uhrmacher Rexhep Rexhepi mit seinem 20-köpfigen Team. Mit 14 Jahren begann er seine Ausbildung bei Patek Philippe und arbeitete anschließend bei der berühmten, unabhängigen Uhrenmanufaktur F.P.Journe. 2012 gründete der Uhrmacher schließlich seine eigene Manufaktur. Inspiriert und beeinflusst von Künstlern wie George Daniels, Breguet und natürlich F.P.Journe wusste Rexhepi, dass seine erste eigene Uhr mit einem Tourbillon ausgestattet sein sollte. Ein Jahr nach der Entstehung von Akrivia war die Geburtsstunde der AK01, einem Tourbillon Zeitmesser mit einem Eindrücker-Chronographen und einer beachtlichen Gangreserve von 100 Tagen. Das ist ziemlich beeindruckend für eine erste Kreation. Die Akrivia Kollektion hat sich seitdem stetig weiterentwickelt. Unter anderem erschien 2017 die AK06 als das erste Modell im Sortiment ohne ein Tourbillon.

Atelier Akrivia in Genf

2018 lancierte Rexhep mit der Chronomètre Contemporain I das erste Modell einer Kollektion im neoklassischen Stil, die mit „Rexhep Rexhepi“ signiert sind und damit die Marke um eine neue Kollektion erweiterten. Im selben Jahr war Akrivia auch zum ersten Mal an der Baselworld Uhrenmesse vertreten, was Rexhep dabei half, als der talentierte unabhängige Uhrmacher ins Bühnenlicht zu treten, der er ist. Seitdem hat er sich in der Branche einen Namen gemacht und die Chronomètre Contemporain II entwickelt, die in limitierter Serie von 50 Uhren mit einem 5N-Gehäuse aus Rotgold und einem elfenbeinfarbenen Grand-Feu-Email-Zifferblatt sowie 50 Uhren mit einem Platingehäuse und einem schwarzen Grand-Feu-Email-Zifferblatt mit „grave-gratté“ auf dem Sekundenzifferblatt erschien. Im April dieses Jahres hatte ich das Privileg, das Stück Nummer 20 bei der Vorbesichtigung der Hongkonger Uhrenauktion zu sehen. Im Mai erzielte es schließlich einen astronomischen Preis von 922.550 USD.

Gegenüber vom Hauptgebäude, in der Werkstatt für die Komponenten, erschafft der legendäre Genfer Gehäusemacher Jeanne-Pierre Hagmann die Gehäuse für die Chronomètre Contemporain Kollektion. Für das Design und die Produktion der Gehäuse verwendet Hagmann noch immer alte traditionelle Techniken und damit womöglich mehr als alle anderen. So entwirft er seine Designs nicht am Computer, sondern immer noch mit Stift und Papier. Das habe ich bemerkt, als ich diesen Sommer einen Blick auf seinen Schreibtisch erhaschen konnte.

Jedoch heben sich unabhängige Manufakturen wie Akrivia von größeren Unternehmen besonders durch ihre Uhrwerke und Zifferblätter ab. Die Endbearbeitung der Uhrwerke erfolgt bei Akrivia nach den höchsten Standards mit einem filigranen Finish und Abschrägungen; auch bei Elementen, die nicht sichtbar sind. Dabei werden traditionelle Genfer Handbearbeitungstechniken genutzt. Dazu zählen unter anderem die Côtes de Geneve, das Schwarzpolieren, die Perlage in allen Ecken und Winkeln. Noch beeindruckender ist, dass hier kein Uhrmacher nur eine bestimmte Aufgabe erledigt. Stattdessen ist jeder Uhrmacher in allen Disziplinen bewandert, die es zur Endbearbeitung und zur Zusammensetzung benötigt. Das bedeutet, dass ein Zeitmesser von einem einzigen Uhrmacher angefertigt wird.

Erst kürzlich stellte Rexhep das Einzelstück Chronomètre Antimagnétique vor, das diesen November auf der Only Watch 2023 Wohltätigkeitsauktion versteigert hätte werden sollen. Dieses Modell besteht aus einem Gehäuse mit einem Faradayschen Käfig, der die Uhr vor Magneteinwirkungen schützen soll.


F.P.Journe


François-Paul Journe ist der Name, der in den Ohren eines jeden leidenschaftlichen Sammlers für Independent Watchmakers klingelt. Ihn einen Meister der zeitgenössischen Uhrmacherei und des Designs zu nennen wäre eine Untertreibung. In Marseille geboren und an der Ecole d’Horologie de Paris ausgebildet, ließ er sich 1989 in der Schweiz nieder. Nach verschiedenen kleineren Projekten kreierte er zwei Jahre später seine erste Armbanduhr: ein Prototyp der heute als Tourbillon Souverain bekannten Uhr. Zum ersten Mal in der Geschichte der Armbanduhr ist in diesem Modell ein Remontoire System (Nachspannwerk) integriert, durch das eine konstante Kraft auf die Hemmung ausgeübt wird. Dadurch wird die Genauigkeit des Zeitmessers erhalten, wenn die Gangreserve erschöpft ist. Zudem bestehen das Uhrwerk und das Zahnradgetriebe vollständig aus 18-karätigem Gold. Noch heute ist diese Uhr im Besitz von Monsieur Journe höchstpersönlich.

2000 präsentierte F.P.Journe der Welt einen weiteren horologischen Meilenstein: die erste Resonanz-Armbanduhr. In Bezug auf eine Armbanduhr handelt es sich bei der Resonanz um das Prinzip, durch das die beiden Unruhen einer Uhr mit zwei Uhrwerken sich schließlich synchronisieren und selbst regulieren, nachdem sie eine Zeit lang unabhängig voneinander gelaufen sind. Häufig ist das ein Phänomen, das bei Pendeluhren und Metronomen zu beobachten ist. Für eine Armbanduhr ist das eine unglaubliche Leistung: denn in die F.P.Journe Chronomètre à Résonance ist jetzt auch das Remontoire System der Marke, die remontoire d’egalité, integriert. Damit ist sie eines der begehrtesten und ikonischsten Modelle in F.P.Journes Sortiment.

Mit der Zeit erlangte Journe die Anerkennung, die er als ausgezeichneter Uhrmacher verdient und produziert inzwischen um die 1.000 (mechanischen) Uhren im Jahr – über eine weite Spanne an Kollektionen und Komplikationen hinweg, eingeschlossen der Sport-Modelle. Er hat bereits mit verschiedenen Persönlichkeiten und Unternehmen für die Kreation von Sondermodellen zusammengearbeitet. So kooperierte er zum Beispiel mit dem amerikanischen Regisseur Francis Ford Coppola, um ein Einzelstück mit sofortiger digitaler Stundenanzeige, angezeigt durch eine blaue Hand, zu schaffen. 2021 erzielte die Uhr bei Christies CHF 4,5 Millionen und ist bis heute die am höchsten versteigerte F.P.Journe Uhr. Noch dazu zählt sie zu den 25 teuersten Zeitmessern, die je versteigert wurden.

In seiner Anfangszeit nutze F.P.Journe Messing für seine Uhrwerke, unter anderem bei der Chronomètre à Résonance Souscription. Obwohl solche Modelle sehr begehrt sind, ist Journe heute stolz darauf, einer der wenigen zu sein (mir fällt kein anderer ein), der so einen großen Teil seiner Uhrwerke vollständig aus 18-karätigem Gold fertigt. Wie die meisten anderen erfolgreichen unabhängigen Uhrmacher ist auch F.P.Journe für seine hervorragende Veredelung von Uhrwerken bekannt. Er beherrscht die besten Techniken. Zum Beispiel Schwarzpolieren, Côtes de Geneve und Spiegelanglage, um nur einige zu nennen.

Kürzlich kündigte F.P.Journe ein weiteres Einzelstück an, das auf der Only Watch 2023 unter den Hammer hätte kommen sollte: Chronomètre Furtif Bleu, ein Uhrwerk mit Handaufzug aus 18 Karat Roségold, das von einem Gehäuse und einem Armband aus Tantal umschlossen ist und ein blaues Emailzifferblatt besitzt. Wie der Name schon vermuten lässt, hat der Zeitmesser einige Eigenschaften mit der berüchtigten Chronomètre Bleu gemein, deren faszinierendes blaues Zifferblatt auch in ein Tantal-Gehäuse gefasst ist. Der Name Chronomètre Furtif bedeutet „verstohlen“ und das ist sie auch, so viel sei gesagt. Das blaue Emaille-Zifferblatt ist so gestaltet, dass die mattierten arabischen Ziffern nur sichtbar sind, wenn das Licht darauf reflektiert wird. Mit anderen Worten ist es eher der ultimative Sichtschutz für Ihre F.P.Journe, als für Ihr iPhone. Darüber hinaus verfügt die Uhr über eine Mondphase und eine Gangreserveanzeige, die beide in das 18-karätige Roségoldwerk eingebettet und nur von hinten sichtbar sind. Diese Uhr ist also wirklich nur für ihren Träger bestimmt.


MB&F


Nicht alle unabhängigen Uhrmacher müssen automatisch der Tradition so eng verbunden sein. Und MB&F ist das – zumindest auf den ersten Blick – sicher nicht. Maximilian Büssner, der in Lausanne ein Masterstudium in Mikrosystemtechnik absolvierte und später für Jaeger-LeCoultre und Harry Winston arbeitete, hegte schon immer eine Leidenschaft für die Uhrmacherei. 2005 rief er mit Maximilian Büsser and Friends, auch MB&F genannt, eine Marke ins Leben, die stolz darauf ist, höchst moderne und progressive (auf eine gute Art) „Maschinen“ mit interessanten und komplizierten „Motoren“ zu entwickeln. Hinter seinen Kreationen steckt mit Sicherheit einiges an Ingenieurskunst!

2007 lancierte MB&F seinen ersten Zeitmesser, namens Horological Machine No.1. Dieses avantgardistische Meisterwerk schaut tatsächlich aus wie eine Zeitmaschine und könnte sogar eine gewesen sein, da es für die damalige Zeit nicht nur futuristisch aussah, sondern auch ein sehr fortschrittliches Uhrwerk besaß. Die bemerkenswerte „Maschine“ mit ihren 81 Lagersteinen war das weltweit erste Uhrwerk mit vier parallel und in der Reihe geschalteten Federhäusern, die eine ungewöhnlich lange Gangreserve von einer Woche ermöglichten. Darüber hinaus dient ein Tourbillon als schlagendes Herz zwischen den separaten Stunden- und Minutenzeigern. Erhältlich in Rotgold, Weißgold oder PVD-beschichtetem Weißgold.

Neben der Horological Machine Linie, die mittlerweile mehr als zehn Modelle umfasst, hat MB&F weitere Kollektionen mit futuristisch anmutenden „Maschinen“ geschaffen, wie Max es ausdrückt. Im Jahr 2011 wurde mit der Legacy Machine No. 1 die Legacy Machine Reihe ins Leben gerufen. Ganz im Geiste des vorherigen Jahrhunderts, entsprang das Modell der Vision von Max, „dreidimensionale Maschinen für das Handgelenk“ in einem runden Gehäuse zu kreieren. Die dreidimensionale Uhr verfügt über ein Zifferblatt mit einer schwebend gelagerten Unruh, die in der Mitte verankert ist, eine vertikale Gangreserve, die dem Schubkraftregler eines Hightech-Flugzeugs ähnelt, und zwei unabhängige Zeitzonen auf jeder Seite. Darüber hinaus wurde das Uhrwerk in Anlehnung an Techniken aus dem 19. Jahrhundert auf höchstem Niveau vollendet. Das erscheint auch sehr passend, wenn man bedenkt, dass das Kaliber zum Teil von dem finnischen Uhrmacher Kari Voutilainen entwickelt wurde, der selbst ein brillanter traditioneller Uhrmacher ist.

Zudem hat MB&F die MAD Gallery konzipiert, deren Name für Mechanical Art Devices (Mechanische Kunstobjekte) steht. Die MAD Galleries befinden sich in Genf, Dubai und Taipei. Dort werden einige seiner technischen Meisterwerke ausgestellt, nicht nur Exemplare von MB&F, sondern auch andere Exponate „kinetischer Kunst“, die von angesehenen Künstlern stammen.

Für seine jüngste Kreation für Only Watch 2023 (welche verschoben wurde) setzt MB&F seine Mission fort, die Grenzen von futuristischem Design und Uhrwerksingenieurskunst auszuloten. Gemeinsam mit H. Moser & Cie hat MB&F die Streamliner Pandamonium kreiert, die die DNA beider Marken vereint: eine Kombination aus dem Gehäuse und Armband der Moser Streamliner und einem aquamarinfarbenen Fumé-Zifferblatt mit Sonnenschliff, das die Legacy Machine-Reihe widerspiegelt.


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