Im Jahr 2004 haben Robert Greubel und Stephen Forsey gemeinsam die gleichnamige Uhrenmarke Greubel Forsey gegründet. 2007 haben die beiden Uhrmacher ein altes Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert gekauft und zu einem Atelier umgebaut, wo sie nun traditionelle Handwerkskunst und moderne Haute Horlogerie miteinander in Einklang bringen.
Stephen Forsey und Robert Greubel
Es ist ausgerechnet ein 300 Jahre altes Bauernhaus, das sich Stephen Forsey und sein Partner Robert Greubel ausgesucht haben, um ihre Mission, die Zukunft der Uhrmacherei sicherzustellen, vorantreiben zu können. Doch die alte Farm verkörpert nur die eine Seite einer Philosophie, die traditionelle Handwerkskunst und moderne Haute Horlogerie miteinander in Einklang bringen soll.
Das alte Farmhaus aus dem 17. Jahrhundert
Und so erstreckt sich hinter dem Farmhaus ein avantgardistisches Gebäude, wie man es in dieser Gegend im Schweizer Hochtal noch nie gesehen hat. Es ist das uhrmacherische Herzstück der Uhrenschmiede Greubel Forsey, und ihr angrenzendes Bauernhaus die gute Seele der Manufaktur.
Das avantgardistische Atelier von Greubel Forsey
Skulpteure der Zeit
Stephen Forsey mag die Bezeichnung Manufaktur eigentlich gar nicht so gerne. Er spricht lieber von einem Atelier. Im Jahr 2004 hat er gemeinsam mit seinem Partner Robert Greubel die gleichnamige Uhrenmarke gegründet. 2007 haben Greubel und Forsey dann das alte Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert gekauft.
Farmhaus und Atelier sind miteinander verbunden
Erst seit 2009, also nach der Fertigstellung des Ateliers, sind alle Workshops von Greubel Forsey unter einem Dach vereint: Forscher, Mathematiker und Physiker, Mechaniker, Kunsthandwerker und natürlich Uhrmacher. Davor waren sie auf über zehn verschiedenen Plätzen in ganz La Chaux-de-Fonds und Umgebung verteilt.
Gilles Tissot, ein Künstler aus der Region hat das alte Haus umfangreich restauriert. Wichtig war dabei, möglichst viele Teile des alten Gebäudes zu erhalten. So sind viele der Holzbalken, der Kamin, Kuhstall, der Weinkeller und eine verwitterte Steinsonnenuhr noch original. Wo einst Kühe vor dem strengen Winter Schutz fanden, ist jetzt eine kleine Kantine für die rund 100 Mitarbeiter bei Greubel Forsey entstanden. In der alten Bauernstube steht noch ein alter Keramiksteinofen, wo vor einigen hundert Jahren, so ist sich Stephen Forsey sicher, bereits Uhrmacherei betrieben wurde – der Raum dient heute für persönliche Meetings und Präsentationen.
Stephen Forsey
So schön und inspirierend das Bauernhaus auch sein mag, kann es natürlich nicht den Ansprüchen der Uhrmacherei von heute gerecht werden. Aus diesem Grund haben Robert Greubel und Stephen Forsey angrenzend an die Farm einen Anbau errichten lassen, indem die Workshops mit ihren Spezialisten untergebracht sind.
Wie ein Berg erhebt sich die massive Glasfassade aus der Erde, fügt sich aber so harmonisch und unaufdringlich in die Landschaft ein, als wäre sie ein natürlicher Teil davon. Der aus Neuchâtel stammende Architekt Pierre Studer hat es entworfen. Die doppelten Fenster der imposanten Glasfassade sind so konstruiert, dass sie in den Zwischenräumen die Wärme und Kälte ideal speichern und abgeben, so dass im Atelier konstant dieselbe Temperatur herrscht.
Das Gebäude ist so ausgerichtet, dass es zwar ausreichend Tagesschlicht spendet, aber niemals direkter Sonneneinstrahlung ausgesetzt ist und somit ideale Arbeitsbedingungen für die Uhrmacher bietet. Das abgeschrägte Dach ist im Sommer mit Gras bewachsen, das Schafen als Weideplatz und Nahrung dient.
Im Sommer grasen auf dem Dach die Schafe
Um in die Workshops zu gelangen, führt kein Weg an der alten Farm vorbei. Es ist, als würde der Uhrmacher jeden Tag aufs Neue zuerst daran erinnert werden, dass seine Arbeit auf einer Jahrhunderte alten Tradition beruht. Wenn man den Eingang der alten Stube betritt, fällt der Blick auf einen Aufsteller mit verschiedenen Aufschriften, die immer wieder auch auf Gehäusen, Werksplatinen, Brücken oder der Schwungmasse der Zeitmesser von Greubel Forsey auftauchen: Savoir-Faire, Noblesse, Inventeurs Horlogers, Unique, Architecture, Perfection Garde-Temps oder Exclusivite liest man da.
Es sind Synonyme für die Grundsätze, nach denen die beiden Uhrmacher seit vielen Jahrzehnten streben. Sie haben sich bei Renaud & Papi kennengelernt, wo sie beide an ultra-komplexen Uhrwerken tüftelten. Dort merkten sie, dass sie dieselbe Vision verfolgen und gründeten 2001 CompliTime mit dem Ziel, komplexe Mechanismen für etablierte Marken zu entwickeln. 2004 gründeten sie dann mit Greubel Forsey ihre eigene Marke, und lancierten ihren ersten Zeitmesser und zugleich erste Erfindung, den Double Tourbillon 30°.
Zeit ist ein Verbündeter, kein Feind
Bei der Herstellung einer Kreation bei Greubel Forsey geht es nicht um Geschwindigkeit oder die neusten Maschinen. Nur rund 100 Zeitmesser entstehen in den Workshops pro Jahr. Und zwar überwiegend von Hand und mit der Hilfe von Maschinen, die teilweise über 100 Jahre alt sind. Es geht bei Greubel Forsey darum, der industriellen Seite der Uhrmacherei die Stirn zu bieten, traditionelle Handwerkskünste zu pflegen um sie nicht aussterben zu lassen.
Natürlich unterstützen Maschinen die Uhrmacher bei ihrer Arbeit, aber sie werden größtenteils von Hand bedient. „Die Maschine ist lediglich eine Verlängerung der menschlichen Hand“, so Stephen Forsey. Es benötigt rund 10-15 Jahre, um die alten Maschinen vollends zu beherrschend und nimmt teilweise sogar 50-100 Mal mehr Zeit in Anspruch, als die Arbeit mit einer modernen CNC Maschine zu verrichten. Doch es geht den beiden Uhrmachern vielmehr darum, „eine Handwerkskunst am Leben zu halten als gegen die Zeit zu rennen“.
Fast mit einer pedantischen Sorgfalt werden bei Greubel Forsey alle Werksteile einzeln bearbeitet, gestanzt, geschliffen, veredelt und von den besten Uhrmachern genauestens auf kleinste Unstimmigkeiten überprüft. Stephen Forsey und Robert Greubel sind Perfektionisten durch und durch. Doch darin liegt auch ein wenig ein Wiederspruch – denn mit modernsten Maschinen könnte man die winzigen Komponenten viel gleichmäßiger bearbeiten als von Hand. „Bei der Suche nach Perfektion führt kein Weg an der Unvollkommenheit vorbei, denn auch Asymmetrie steht für Schönheit“, beschreibt es Forsey. Fast alle Komponenten des Werksmechanismus werden in den eigenen Ateliers hergestellt. Nur wenige Teile werden von extern zugeliefert.
Auch wenn man die Schönheit und Sorgfalt eines Zeitmessers von Greubel Forsey unweigerlich erkennt, bleiben ein Großteil aller Komponente für den Träger im Verborgenen. Nur der Uhrmacher weiß, wie viel Arbeit und Zeit in ihnen steckt. Greubel und Forsey laden daher regelmäßig treue Fans der Marke in ihre Farm und Atelier ein, damit sie vor Ort das Ausmaß an Handwerkskunst besser verstehen können, was nach der Zusammensetzung ihrer Uhr nicht mehr sichtbar ist.
Obsession
Nun würde man meinen, dass bei Greubel Forsey die Zeit fast stillzustehen scheint. Alles braucht unglaublich viel Geduld und Zeit. Rund vier Monate vergehen (je nach Modell) nur für die Veredelung und Dekoration aller Uhrenkomponenten. Das Zusammensetzen einer Uhr bei Greubel Forsey dauert rund 10 bis 20 Mal länger, als gewöhnlich.
Doch Stephen und Robert haben in nur 16 Jahren 30 Kaliber entwickelt, darunter sieben Erfindungen und unzählige Patente auf den Weg gebracht. Das ist für einen Independent Watchmaker dieser Größe eine rasante Entwicklung in kürzester Zeit. Für jedes Kaliber, das in der Regel aus zwischen 250 bis 935 Komponenten besteht, werden auch viele Teile neu und in kleinen Mengen individuell angefertigt. Von Brücken, Rädern bis hin zu den kleinsten Schrauben. Sogar Werkzeuge müssen regelmäßig in den eigenen Workshops hergestellt werden, wenn es keine passenden Maschinen gibt.
Die Ateliers
Alle Arbeitsbereiche bei Greubel Forsey befinden sich im Neubau, der direkt mit dem alten Bauernhaus verbunden ist. Es ist ein dreistöckiges Gebäude, in dem ein offener langer Flur in der Mitte die Räume rechts und links voneinander trennt. Am Ende des Flurs gelangt man über einen Lift in die beiden oberen Etagen – unübersehbar ist die weiße Kreidemalerei darauf, die Zeichnungen von den verschiedenen Tourbillons und Erfindungen zeigt. Nach der kurzen Geschichtsstunde am Eingang zur Farm, wird der Uhrmacher hier an die Gegenwart erinnert, welche technischen Leistungen heute möglich sind.
Einer der größten Bereiche befindet sich im Atelier für Dekoration. Rund 25 der insgesamt rund 100 Mitarbeiter sind ausschließlich für die Veredelungen der Werkskomponente, Platinen, Brücken, Zifferblätter und Gehäuse zuständig. Es gibt keine Schule, in der man das hier angewandte Handwerk lernen kann. Die Kunsthandwerker hier sind keine Uhrmacher, sondern Neulinge oder Quereinsteiger, die sich für das Handwerk interessieren. Sie lernen bei Greubel Forsey alles von der Pieke auf, teilweise ohne jegliche Vorkenntnisse. Dafür braucht es natürlich erfahrene Kunsthandwerker, die ihr Wissen weitergeben.
Neben aufwendigen Gravuren, Perlschliffen und Polituren gehört das „black polishing“ (poli noir) zur Königsdisziplin der Dekoration und ist bei Greubel Forsey zum Aushängeschild geworden. Dabei werden die Oberflächen so feinsäuberlich bearbeitet, dass Licht nicht mehr durch winzige Unebenheiten reflektieren kann und die Oberflächen daher fast schwarz wirken. Früher wurde die Methode genutzt, um die Teile vor dem Korrodieren zu schützen und überschüssiges Material zu entfernen. Heute hat es in erster Linie einen ästhetischen Mehrwert. Wie beim Anglieren wird auch beim „black polishing“ eine Paste auf ein Holzstäbchen aufgetragen, womit die Oberflächen feinsäuberlich poliert werden. Beim letzten und feinsten Schliff kommt eine bambusartige Pflanze zum Einsatz, die in der Region wächst. Ihre Oberfläche ist so fein, dass es schwer vorstellbar ist, dass man damit Edelmetalle ‚schleifen‘ kann. „Aus der Wurzel der Pflanze wird Alkohol gebrannt“, erzählt uns ein Mitarbeiter des Ateliers mit einem Lächeln auf den Lippen.
In weiteren Räumen tüfteln Konstrukteure gemeinsam mit Physikern und Mathematikern an Lösungen zu uhrmacherischen Herausforderungen, vor die sie Stephen und Robert gestellt haben – wohlmöglich der nächste großen Coup, den die Beiden sich haben einfallen lassen. In der Montage setzt ein einziger Uhrmacher dann alle Komponente zu einer Uhr zusammen.
Hand Made 1 und die Zukunft der Uhrmacherei
Ein ganz besonders ehrgeiziges Projekt wurde Anfang des Jahres vorgestellt. Stephen und Robert haben mit der Hand Made 1 eine Uhr vorgestellt, die zu 95% von Hand auf traditionelle Art und Weise gefertigt wurde. Die Kreation nahm alleine 6.000 Arbeitsstunden in Anspruch. Lediglich das Saphirglas, die Gehäusedichtung, die Federstandgen, Rubinen und Hauptfeder wurden nicht von Hand gefertigt.
Man kann sich nun die Frage stellen, warum man diesen enormen Aufwand betreibt? Sieht so die Zukunft der Uhrmacherei aus? Nun ja, zum einen ist es natürlich der menschliche Instinkt, nicht die Kontrolle über etwas zu verlieren, dass nur noch von Robotern gesteuert werden kann. Aber es ist auch die ganz nüchterne Erkenntnis, dass die mechanische Uhr in 50-100 Jahren wohlmöglich nicht mehr restauriert werden kann, weil schlichtweg das Wissen langsam aber sicher verloren gehen, wenn niemand etwas dagegen unternimmt. „Und bei Greubel Forsey werden all die traditionellen Techniken gefördert, die man heutzutage kaum noch anwendet“, sagt Forsey. Und außerdem gäbe es immer noch genügend Menschen, die am echten Handwerk Freude haben und es zu schätzen wissen.
Greubel Forsey Hand Made 1
Bei einer Greubel Forsey Uhr ab 160.000 Euro weiß man neben dem unglaublichen Aufwand seiner Fertigung also auch guten Gewissens, dass man sein Geld in die Zukunft der Uhrmacherei investiert.