Fehlt dem aktuell schwachen Uhrenmarkt vielleicht die Raffinesse, um gerade Topsammler zu begeistern, die schon alles haben? Autor und Uhren-Experte Jörn Kengelbach unternimmt einen Ausflug in die Welt des Emaille-Kunsthandwerks von Vacheron Constantin und erkennt, warum ausgerechnet seltene Handwerkskünste der Uhrenbranche zu einem glanzvollen Comeback verhelfen könnten.
Ein Universum für sich
Wer sich das erste Mal mit der Kunst des Emaillierens mechanischer Uhren beschäftigt, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. So geht es mir selbst, und ich muss gestehen, um solche Handwerkstechniken bislang immer einen weiten Bogen gemacht zu haben, aus einem einzigen Grund: Dahinter verbirgt sich ein Universum an Informationen, das den Rahmen eines einzigen Artikels sprengen würde, zumal bei der am längsten durchgängig in Betrieb befindlichen Uhrenmanufaktur, Vacheron Constantin. Die zelebriert dieses Jahr ihren 270. Geburtstag. Dennoch lohnt es sich, sich auf die Reise in diese ganz eigene Welt zu begeben.
Zeit ablesen? Kunstwerke!
Auch wenn es heute den Anschein hat, dass mechanische Armbanduhren nur erfunden wurden, um die Zeit möglichst präzise zu erfassen und ablesen zu können, wäre das eine unglaubliche Verzerrung dessen, was Uhren, allen voran Taschenuhren, über Jahrhunderte waren: Wertvolle Preziosen, die den Besitzer natürlich in den Stand hoben, halbwegs genau die Zeit zu kennen (so genau man das seit der Renaissance als Adeliger halt brauchte, wenn sich sowieso alle Untertanen nach einem richteten). Aber vor allem unterstrichen Taschenuhren den gesellschaftlichen Rang, den Stil und verliehen letztlich auch dem Reichtum seines Besitzers Ausdruck. Und die Emaille-Arbeiten auf Zifferblättern, bei frühen Uhren noch viel mehr auf Gehäusen und Lünetten, haben daran einen ganz erheblichen Anteil aus einem einfachen Grund: Weil diese Bauteile seit jeher Uhren ein Gesicht verliehen.

Ein vollständiges Archiv und ein Experte, der hilft
Da Vacheron Constantin in seiner nun 270-jährigen Geschichte über das wohl vollständigste Archiv einer noch existierenden Uhrenfirma verfügt und zugleich bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts als die von Königshäusern, Päpsten und Generälen gleichermaßen begehrteste Uhrenmarke der Welt galt, lohnt es sich in vielfacher Hinsicht, mit dieser Firma dieses Universum zu erschließen.

Und ich bekomme dazu ein bisschen Unterstützung von Christian Selmoni, immerhin seit 35 Jahren im Unternehmen. Er verantwortete bereits die Kollektion zum 250. Firmenjubiläum, war verantwortlich für das Comeback der Overseas und nun der 222 und seit 2017 als Style und Heritage Direktor wohl so gut wie kein zweiter damit vertraut, was dieses Haus kann und was es in seiner reichen Geschichte geleistet hat.

Woher kommt Emaille auf Uhren?
Doch zuerst zu den Basics: Die erste bekannte Emailarbeiten sind rund 3.500 Jahre alt und dienten als Grabbeigaben in mykenischen Gräbern auf Zypern, was jeder auf Wikipedia lesen kann und was zeigt, Emaille-Arbeiten genossen schon immer ein hohes Ansehen und begeistern, weil die Technik besonders leuchtenden Farben dazu verhalf, Jahrhunderte zu überdauern. Nicht unwichtig, wenn man sich auf dem Weg in die Ewigkeit befindet. Denn obwohl Emaille empfindlich gegenüber Stößen ist, handelt es sich um ein robustes, chemisch nahezu unveränderliches Material, dem die Zeit keine Leuchtkraft raubt.

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Aus dem Altertum zur modernen Uhr
In Genf kommt diese Verzierungstechnik bereits Mitte des 16. Jahrhunderts zu ersten Ehren mit den aus Frankreich vertriebenen Hugenotten auf, die in Paris ihr Handwerk lernten, aber ihre Religion nicht mehr ausüben durften.
So selten und so heißbegehrt gute Emailleure bis heute sind, ist kaum vorstellbar, dass im Bereich der Uhrendekoration Emaille-Arbeiten fast 300 Jahre lang die vorherrschende Verzierungstechnik war: Zwischen 1.600 und 1.900 nimmt diese Technik einen vorherrschenden Platz ein, vergleichbar mit den verschiedenen Gravurtechniken, auf die wir in einem anderen Artikel eingehen wollen.
Die moderne Armbanduhr verdrängt reich verzierte Taschenuhren
Aufwendig verzierte Pendulen, Tisch- Wand- und Taschenuhren wurden Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts durch die moderne Armbanduhr mit ihren viel geringeren Ausdrucksmöglichkeiten verdrängt und die Kunst auch deshalb vernachlässigt, will diese Uhren als Alltagsgegenstände ganz anderen Belastungen ausgeliefert waren und sind.
Vacheron Constantin hält am Kunsthandwerk fest
Nur wenige Maisons hielten in der Zeit von Ende der Siebziger Jahre bis zum Comeback der Mechanik zu Beginn der 90er Jahre an dieser bedeutenden Tradition fest. Vacheron Constantin war eines davon, wir mir Christian Selmoni erklärt: „Tatsächlich ist die Emaille seit den frühen Jahren der Maison in unseren Kreationen präsent.“
„Seit dem 17. Jahrhundert wurde Genf zu einer Hochburg der feinen Emaille-Kunst, insbesondere der Miniaturmalerei in Emaille, dank der Erfindung der technique de Genève, die letzte Brennvorgänge mit transparenter Emaille beinhaltet. Verschiedene Emaille-Techniken wie Champlevé, Cloisonné oder Miniaturmalerei waren innerhalb unserer traditionellen „métiers d’art“ sehr dominant. Während der 1970er und 1980er Jahre verlor die Emaille jedoch an Attraktivität und verschwand fast vollständig. Vacheron Constantin bot jedoch weiterhin einige wenige emaillierte Uhren an.“ Was deren Begehrlichkeit und Seltenheit heute erklärt.
Zu den von ihm beschriebenen Techniken kommen wir später, wichtig ist festzuhalten: Die Maison war definitiv ein Pionier bei der Wiederentdeckung dieses kostbaren Handwerks durch außergewöhnliche Uhren wie die Mercator (1994) oder Birds of America Tribute to J.J. Audubon (1996).

Keine Frage ist für Selmoni, dass die Emaille heute wieder ihren Status als herausragendes dekoratives Kunsthandwerk erlangt hat. was von der Maison durch limitierte Serien wie „Tribute to Great Civilisations“ (2022) und Einzelstücke von „Les Cabinotiers“, der Abteilung von Vacheron für einzigartige Stücke, zum Ausdruck gebracht wird.



Außergewöhnliche Arbeiten zum 250. Geburtstag vor 20 Jahren
Gerade in der Reihe der „les Metiers D’art“ feiert die Genfer Manufaktur mit außergewöhnlichen Emaillearbeiten seit gut 20 Jahren, also dem 250. Geburtstag ihr Comeback. Wer Franco Colognis Buch „Auf den Spuren von Vacheron Constantin“ anlässlich dieses wichtigen Geburtstages der Marke durchblättert (es sei Sammlern wirklich wärmstens empfohlen), entdeckt eine Vielfalt der eingesetzten Techniken, einen Reichtum an Kreationen und eine Vielzahl von Genres, dass es die Emailleure von Vacheron Constantin zweifelsohne verdienen, als grundlegendes Beispiel für die verschiedenen Techniken zu dienen.

Die besten Handwerker ihrer Zunft
Während früher die Handwerkskünste oft als zusätzliche Dienstleistung eingekauft wurden, und berühmte Namen für verschiedene Häuser arbeiteten, ist es heute anders wie Selmoni weiter ausführt: „Seit dem frühen 19. Jahrhundert arbeitet unsere Maison mit den besten Handwerkern in Genf zusammen – sie waren alle unabhängig. Nach der Wiederentdeckung dekorativer Handwerkskunst in den 1990er Jahren entschieden wir uns ein Jahrzehnt später, unsere „métiers d’art“-Werkstatt zu gründen, um diese traditionellen Handwerksformen zu bewahren, weiterzugeben und ihre Grenzen auszudehnen. Die Werkstatt ist unseren vier historischen Handwerkskunstformen gewidmet: Emaille, Guillochierung, Edelsteinfassung und Gravur.“



Welche Emaille-Techniken sollten Sammler kennen?
Kommen wir zu den Emaille-Techniken, die Sammler kennen sollten: Wichtig ist noch einmal festzuhalten. Emaille betraf bei weitem nicht nur das Zifferblatt, sondern bei Taschenuhren vor allem das Gehäuse bzw die Gehäusedeckel und die Lünetten.

Grubenschmelz und Zellenschmelz
Die beiden ältesten Arten der Emaille sind zugleich heute die bedeutendsten. Sie wurden ursprünglich aber besonders gerne auf Uhrengehäusen durchgeführt, weniger auf den Blättern. Wie erkennt man diese Techniken? Bei beiden Techniken des Grubenschmelzes und des Zellenschmelzes erscheinen an der Oberfläche die Konturen des emaillierten Dekors. Wie werden bei diesen Techniken Motive angefertigt? Bei der Grubenschmelztechnik oder Champlevé Cloisonnée entwirft der Graveur auf einer Metallplatte die Zeichnung, deren Konturen er beim Aushöhlen der später mit Email gefüllten Felder ausspart.

Bei der Zellenschmelztechnik oder Cloisonné klebt der Künstler einen Metalldraht von rechteckigem Querschnitt auf eine Unterlage und passt ihn den Formen des gewünschten Motivs an. Die so errichteten Wände begrenzen die Zellen, die das Email aufnehmen.

Emaille Basiswissen
Was ist Emaille? Emaille ist eine schmelzbare Mischung aus verschiedenen Mineralien, denen Metalloxide zur Farberzeugung hinzugefügt werden. In der Haute Horlogerie wird Emaille in Pulverform auf eine Metallbasis (Kupfer, Silber oder Gold) aufgetragen und in mehreren dünnen Schichten im Ofen gebrannt. Der Begriff „Grand Feu Email“ wird verwendet, wenn der Schmelzpunkt bei höheren Temperaturen zwischen 820 °C und 850 °C erreicht wird.

Champlevé (Grubenschmelztechnik) bei Vacheron Constantin
Die älteste bekannte Technik, die insbesondere bei den vier Uhren der „Les Cabinotiers – The Singing Birds“ Serie angewendet wird. Die Emaille wird dann durch mehrere Brennvorgänge bei über 800°C geschmolzen. Abschließend erfolgt eine Politur zur Nivellierung des Materials und eine abschließendes Ganzglasur, um eine glatte Oberfläche zu erzielen.


Cloisonné (Zellenschmelztechnik)
Die Cloisonné-Technik besteht darin, die Umrisse des Motivs mit feinen Golddrähten oder Silberdrähten nachzuziehen, die mit einem natürlichen Bindemittel, oft Gummi-Tragant, fixiert werden. Diese Drähte bilden kleine Zellen, die mit Emaillepulver gefüllt und nacheinander gebrannt werden, um verschiedene Farbtöne und Tiefen zu erzielen.

Unfassbar reich verzierte Taschenuhren
Die unfassbar reich verzierten Vacheron-Constantin-Taschenuhren der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entsprechen nicht nur dem Geschmack der Zeit. Hier verschmelzen Grubenschmelz und Zellenschmelztechnik mit zahlreichen Blättern, Streumustern, Girlanden oder regelrechten Blumensträußen zur Pracht eines längst untergegangenen Zeitalters. Die farbenreiche Palette hebt sich oft von einem schwarzen oder intensiv blauen Emailhintergrund ab.
Die 5 wichtigsten historischen Emaille-Uhren von Vacheron Constantin für Heritage Director Christian Selmoni
Auch wenn die Frage gemein ist, will ich von Selmoni wissen, welche fünf historischen Highlights Leser kennen sollten, wenn sie Emaille mit Vacheron Constantin in Verbindung bringen: „Fünf Uhren aus unserer Geschichte auszuwählen, ist eine Herausforderung, aber beginnen wir mit einer außergewöhnlichen Taschenuhr von 1824, deren Deckel mit einer Karte von Italien emailliert ist – ein Werk von unendlicher Feinheit. Während der Art-Déco-Periode gibt es zahlreiche Beispiele für reine Art-Déco-Kreationen, die mit Emaille verziert sind, wie Broschen, die von chinesischen und japanischen Motiven inspiriert sind. In den 1950er Jahren produzierten wir auch Armbanduhren mit Cloisonné-Emaille-Zifferblättern, wie die „Caravelle“. Später, im Jahr 2011, brachten wir „Univers Infinis“ auf den Markt, eine Serie, die verschiedene Handwerkskunst vereint, darunter Champlevé-Emaille in einer spektakulären Konfiguration.“


Schließlich sei eine maßgefertigte Grand-Complication-Taschenuhr von „Les Cabinotiers – Tribute to J. Vermeer“, erwähnt, deren großer Deckel vollständig in Miniaturmalerei emailliert ist – in der eingangs erwähnten technique de Genève.

Was ist Genfer Emaille?
Wie bereits beschrieben: Um 1780 entwickeln die Genfer Emailleure das Verfahren, das unter dem Namen Genfer Emaille Bekanntheit erlangte: Sie ähnelt einer farblosen Glasur, die darunter liegenden Farbschichten schützt und noch mehr zum Leuchten bringt. Die Expertise in Grand-Feu-Emaille, also unter einer schützenden Flussschicht, ist eine ziemliche Herausforderung, da immer die Gefahr besteht, die gesamte Arbeit in einem Brennvorgang zu ruinieren.
Weitere herausragende Modelle: Disteln, zum Greifen nah
Frühe Produkte von Vacheron Constantin decken alle Facetten der Kunst ab. Von schlichteren Blumen und Girlanden, die auf goldgraviertem Grund stehen bis hin zu vollständig ins Gehäuse übergehende Verzierungen und Ranken, die sich dreidimmensional um das Gehäuse herumziehen.
Ich will, gerade weil sie so wunderschön sind, noch ein paar Beispiele ergänzen. Der Genfer Dekorateur und Juwelier Bonnet-Chappuis zum Beispiel kreiert 1905 eine Taschenuhr, die von der Firma im darauffolgenden Jahr auf der internationalen Ausstellung von Mailand vorgestellt wurde. Sie ist mit Disteln in Zellenschmelztechnik auf schwarzem Emailgrund dekoriert. Drei Jahre später wählte derselbe Künstler ein neugotisches Dekor aus monochrom weißem Email, das viel Raum für das Gold des Gehäusebodens lässt.

Die Tropfentechnik – gewölbte Emaille
Gut zwei Dekaden später erscheinen zwei Kreationen von Verger Frères für Vacheron Constantin, die typisch für den Art-déco-Stil sind: Das Email scheint leicht gewölbt. Dieser Effekt wird durch die sogenannte Tropfentechnik erzielt, bei der die letzte Schicht verdickt wird, um sie konvex zu machen. Auffallend: Die Farben des jeweiligen Gehäusebodens reichen bis zur Lünette und werden an der Gehäuseschulter bei der einen Uhr durch einen feinen blauen Emailstreifen, bei der anderen durch eine gravierte Goldborte unterbrochen.
Berühmte Emaille-Künstler, die für Vacheron Constantin gearbeitet haben
Für die Profis, die sich tiefer einarbeiten wollen: Zahlreiche Künstler führen aufsehenerregende Arbeiten im Auftrag des Hauses Vacheron Constantin durch: Georges Oettinger, Graveurmeister führt auf Gehäuseböden Wappen von seltener Präzision aus. Anfang des 20. Jahrhunderts verbindet ein gewisser Germain Pochon, durchscheinendes Email auf guillochiertem Grund mit Emailminiaturen aus. Jules Rosset oder die Schwestern Marie und Louise Goll liefern über viele Jahre dem Haus Stücke im Geist des 19. Jahrhunderts.
Zifferblätter und Emaillearbeiten auf Armbanduhren von Vacheron Constantin
Doch kommen wir zur heute wichtigsten Form der Arbeiten, nämlich auf Zifferblättern. Die Emaillierung von Zifferblättern unterscheidet sich vom Prinzip her gar nicht von derjenigen, die für Taschenuhrengehäuse verwendet werden. Früher wurden die Ziffern und die Minutenskala in der Regel mit einem einzigen Marderhaar aufgemalt, bis sie seit Ende des 19. Jahrhundert tamponiert oder zu deutsch aufgestempelt werden. Entscheidend ist: Im gesamten Verlauf des 20. Jahrhunderts führt man bei Vacheron Constantin die Tradition dieser Meister im Sinne eines Kunsthandwerks fort, wofür Werke von Marthe Leclerc oder Helene May Mercier sprechen, die in Zusammenarbeit mit Ihrem Meister Carlo Poluzzi entstanden.
Die verschiedenen Emaille-Techniken auf Zifferblättern, die Sammler kennen sollten
Entsprechend dem jeweiligen Zeitgeschmack haben die Zifferblatthersteller von Vacheron über die Jahrhunderte sämtliche Techniken eingesetzt, von deckend weißer Emaille, durchscheinender auf Goldzifferblättern mit aufgesetzten Ziffern sowie mit Glanzblättchen versehenen, winzig kleine Motive in Stern-, Blumen- und Arabeskenform, die mit einer Punze aus Gold- oder Silberblättern ausgestanzt wurden. Und natürlich ging es auch immer um die Email-Miniatur-Malerei und darum guillochierte Muster besonders hervorzuheben.
Wichtige Armbanduhren von Vacheron Constantin mit Emaille-Zifferblättern
Bereits ab dem Jahr 1943 erwähnen die Hauptbücher der Maison zahlreiche Zifferblätter in oben beschriebener Zellen- und Grubenschmelztechnik. Besonders beliebt sind Darstellungen von Kontinenten aber auch besonderen Orten. Nord- und Südamerika tauchen auf, aber es gibt eben auch Motive wie Tahiti im Jahr 1947.
Segelboote und Mercator-Landkarten
Mitte des 20.Jahrhunderts sorgt ein vor Anker liegendes oder gegen den Sturm ankämpfendes Segelboot in Form einer Karavelle für Aufsehen. Die Motive gehen auf den Schweizer Maler Hans Erni zurück. 1970 gedenkt die Manufaktur dem Flug von Apollo 14. Und seit 1996 erweist man dem Geografen und Kartografen Gerhard Mercator die Ehre, wie Christian Selmoni eingangs erwähnte. Gemalt wurden die Motive von Lucie und Jean Genbrugge. 1997 feierte Vacheron den Wissenschaftler und Maler John James Auduborn, mit einer Reihe emaillierter Zifferblätter mit Vogeldarstellungen (Muriel Sechaud und Anita Porchet). Und schließlich entstand vor 25 Jahren das chinesische Jahr des Drachen mit einem solchen Motiv.
Die vier Jahreszeiten
Zum 250. Jubiläum feierte Vacheron Constantin das Comeback seiner Metiers d’Art mit dem Thema der vier Jahreszeiten in vier verschiedenen Modellen, die es jeweils 11 Mal zu kaufen gab (1 Schatulle wanderte ins Firmenmuseum). Gehäuse mit den Motiven zu Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter bestanden jeweils aus Graugold, Gelbgold, Roségold und Platin. Auf den Zifferblättern zieht der Wagen Apolls seine Bahnen, jeweils jahreszeitlich schimmernd in feiner Emaille-Arbeit, in der verschiedene Techniken angewendet wurden.
Schließlich kommen wir zu weiteren wichtigen Emaille-Techniken, die Vacheron und einige wenige Maisons heute beherrschen.
Miniaturmalerei
Die Minuaturmalerei wurden eingangs schon mehrfach erwähnt, aber nicht ihr Herstellungsprozess: Diese Technik wird zum Beispiel in der Métiers d’Art Chagall & L’Opéra de Paris Uhrenserie angewendet. Hierbei wird das gewünschte Motiv von Hand auf eine bereits gebrannte Emailschicht gemalt. Jede Farbschicht wird durch mehrere Brennvorgänge fixiert, um lebendige Farbtöne zu erzielen. Abschließend wird das gesamte Werk mit einer transparenten Emaille-Schicht überzogen, um ihm Brillanz und Tiefe zu verleihen.

Grisaille-Emaille
Bei der Grisaille-Technik wird ein dunkler oder schwarzer emaillierter Hintergrund verwendet, auf dem der Handwerker ein Motiv durch das sukzessive Auftragen von Limoges-Weiß erschafft, um Graustufen und Hell-Dunkel-Effekte zu erzielen. Der Künstler arbeitet sehr frei, aber muss das Motiv aus dem Schwarz herausarbeiten. Praktischerweise stammt einer der Meister-Emailleure von Vacheron Constantin aus Limoges in Frankreich. Hier geht es wirklich um die Sekunde, da jede Schicht sehr präzise gebrannt werden muss, da eine zu hohe Hitze das Design vollständig zerstören kann. Die Finesse der Grand Feu Grisaille Emailmalerei offenbart dann alle Details, wie etwa in der Serie „Métiers d’Art Hommage à l’Art de la Danse“, wo selbst die kleinste Falte in den Tütüs, die samtige Struktur eines Bandes oder die Transparenz des Tülls sichtbar wird.



Plique-à-jour-Emaille
Diese Technik ist eine Abwandlung des Cloisonné-Emails, unterscheidet sich jedoch dadurch, dass sie keine Metallbasis im fertigen Zustand hat. Die Emaille wird zunächst auf eine dünne Kupferbasis aufgetragen, die nach dem Brennen mit Säuren aufgelöst wird. Dadurch entsteht ein transparenter Effekt, der an Buntglasfenster erinnert. Dieses Verfahren wurde beispielsweise in der „Métiers d’Art Les Aérostiers“ Serie angewendet, um durchscheinende Hintergründe zu erzeugen.



Flinqué-Emaille
Hierbei wird eine zuvor guillochierte Metalloberfläche mit transparenter Emaille überzogen, um das Lichtspiel in der Guilloché-Struktur zu intensivieren. Ein Beispiel dafür ist die „Métiers d’Art – Les Univers Infinis“ Serie, bei der Guilloché und Cloisonné-Emaille kunstvoll kombiniert wurden.


Tallow Drop Enameling oder Tropfentechnik
Bei dieser Methode, die oft in historischen Taschenuhren zu finden ist, wird das Emaille in mehreren leicht gewölbten Schichten aufgetragen, um einen konvexen Effekt zu erzielen. Während bei Cloisonné oder Champlevé die Emaille oft flach geschliffen und dann mit einer finalen Flussschicht überzogen wird, bleibt beim Tallow Drop Enamelling die obere Schicht bewusst gewölbt, um Lichtreflexionen zu maximieren.
Welches war die erste Uhr von Vacheron Constantin mit Emaille-Zifferblatt?
Welche war nun die erste Taschenuhr des Hauses mit einer dieser Emaille-Techniken? Selmoni gesteht: „Das ist eine wirklich schwierige Frage! Selbst wenn wir alle Produktionsregister der Maison von Anfang an besitzen, wurden diese Handwerkskünste damals noch nicht dokumentiert. In unserer eigenen Sammlung haben wir eine Taschenuhr aus dem Jahr 1785, deren Zifferblatt aus weißer Emaille besteht und ebenfalls emaillierte arabische Ziffern aufweist. Es ist ein sehr beeindruckendes Beispiel für die außerordentliche Qualität der frühen Emaille-Arbeiten und die Fähigkeit, die Zeit zu überdauern. Das Zifferblatt sieht aus wie neu, da Grand-Feu-Emaille eben niemals anläuft oder oxidiert.“
Taschenuhr aus Gelbgold mit Emaillemalerei (1810)
Diese Taschenuhr aus dem Jahr 1810 ist das älteste emaillierte Stück mit Emaille auf dem Gehäuse in der hauseigenen Sammlung von Vacheron Constantin. Sie kombiniert die Kunstfertigkeiten von Gravur, Guilloché, Edelsteinbesatz und Emaillemalerei. Die Rückseite der goldenen Gehäuseschale ist mit einer Miniaturmalerei verziert, die Blumen vor einer Landschaftsszene zeigt. Das Motiv ist umgeben von fein ziselierten Goldarabesken, die mit Perlen besetzt sind und sich von einem schwarzen Emaille-Hintergrund abheben.

Miniatur-Emaille- und Transluzenz-Emaille-Pendeluhr aus Gelbgold (1908)
Dieser Uhrentypus wird an einer Halskette getragen, die aus Gelb- und Weißgold, Diamanten und Perlen gefertigt ist. Das Gehäuse ist mit transparenter Emaille auf einem guillochierten Hintergrund verziert und zeigt ein florales Motiv mit Miniaturmalerei und zusätzlichen floral geformten Applikationen aus Platin und Diamanten.

Egérie Creative Edition, schwarze Emaille (2022)
Inspiriert von Burano-Spitze vereint diese Weißgolduhr vier künstlerische Handwerkskünste, darunter das schwierige schwarze Emaille. Aufgrund seiner Eigenschaften ist Schwarz die anspruchsvollste Emaillefarbe, da selbst kleinste Unebenheiten oder Bläschen sichtbar werden. Das schwarze Emaille wird auf ein Tapisserie-Muster aufgetragen, um einen starken Kontrast und eine dreidimensionale Wirkung zu erzielen.


Métiers d’Art Fabuleux Ornements – Indische Manuskripte (2014)
Diese Serie ist eine Hommage an dekorative Kunstformen weltweit und umfasst vier Modelle, die verschiedene Kunsthandwerke vereinen. Ein Dutzend Meisterhandwerker haben sich bei der Umsetzung abgewechselt, um Ottomane Architektur, chinesische Stickerei, französische Spitze und indische Manuskripte darzustellen. Die Zifferblätter wurden in der Champlevé-Technik hergestellt und zeigen orientalische Blumenmotive auf einem blauen Himmelshintergrund mit skelettiertem Uhrwerk.


Les Cabinotiers Minutenrepetition Tourbillon – Flying Dutchman (2022)
Diese einzigartige Uhr ist eine Hommage an die Legende des verfluchten Kapitäns, die Richard Wagner inspirierte. Das tobende Meer unter einem von Blitzen durchzogenen Vollmondhimmel wurde in traditioneller Genfer Emaille-Miniaturmalerei gefertigt. In einem zweiten Schritt wurde das gespenstische Schiff in Grisaille-Emaille hinzugefügt, wobei Licht- und Schatteneffekte die phantastische Atmosphäre der Legende perfekt einfangen.



Vacheron Constantin “La Musique du Temps” (2020)
Diese Minutenrepetition-Uhr mit kunstvoller Cloisonné-Emaille auf dem Zifferblatt wurde für einen unbekannten Betrag bei Christie’s versteigert und gilt als eines der kunstvollsten emaillierten Modelle von Vacheron Constantin.
Kunsthandwerk, bei dem Haute-Horlogerie selbstverständlich ist
Ist ihnen etwas aufgefallen? Genau, wir haben hier kein einziges Mal über ein Uhrwerk gesprochen. Warum? Weil es nicht nötig ist. Wer würde eine Miniaturmalerie mit Grand-Feu-Emaille-Zifferblatt mit unzähligen Arbeitsschritten für eine Armbanduhr anfertigen, die unbedeutend ist oder mit einem Basis-Uhrwerk versehen ist? Richtig, niemand. Auch wenn Emaille-Arbeiten auf modernen Uhren vielleicht nicht für jeden Geschmack das Richtige sind, ein wichtiges Kriterium für Sammler bringen sie quasi automatisch mit: Ihr extrem hoher Handarbeitsanteil macht sie selten, die Unterschiedlichkeit jeder Malerei macht sie so gut wie immer zu einem Einzelstück. Und, wie wir eingangs gelernt haben, was ursprünglich einmal als Grabbeigabe wertvoll war, kann man heute am eigenen Arm sein ganzes Leben lang genießen. Und wie viele Modelle auf Auktionen zeigen, natürlich auch zukünftige Sammler oder Erben weit über das eigene Leben hinaus. Mit einer mechanischen Armbanduhr mit einem Emaille-Zifferblatt reiht man sich als Sammler unzweifelhaft ein in eine Linie, die bereits mehrere Jahrhunderte Besitzer von Bedeutung für Uhren begeistert. Und statt Mondpreise für Stahlmodelle zu zahlen, die gar nicht selten sind und sich im übertragenen Sinne zum „grand fou“ zu machen (also zu deutsch zum Deppen), ist es vielleicht an der Zeit, ein anderes Feuer zu entfachen und zum Grand-Feu zu der Emaille wechseln!