Vor knapp über einem Jahr hat Jérôme Biard das Ruder bei CORUM übernommen. Er möchte sich nicht mit seinen Vorgängern vergleichen – Biard, der schon als Kind ein Fan der Marke war, hat seine ganz eigene Vision. Zu unserem Lunch nach Zürich erschien der sympathische CEO gewohnt in Jeans und Blazer und verriet, warum eine Marke wie CORUM über den Abverkauf von großen Mengen allein nicht profitabel sein kann, warum das Messe-Konzept überdacht werden muss und mit welchen Mitteln er in Zukunft seine Kunden erreichen möchte. Am liebsten würde Biard mit jedem Einzelnen sprechen. Nur für Donald Trump hätte er wohl eher keine Zeit übrig.
1. Was bedeutet für Sie eine mechanische Uhr, welche Uhr tragen Sie heute und welches Modell tragen Sie am häufigsten?
Eine Uhr muss für mich mechanisch sein. Mir gefällt daran, dass sie kein Verfallsdatum hat, solange man gut darauf aufpasst. Man kann sie von Generation zu Generation weitergeben.
Heute trage ich ein Modell aus unserer Admiral Kollektion, die Admiral Legend 42 mit einem Teak Holz Zifferblatt. Die Uhr ist elegant und gleichzeitig sportlich-schick. Ich war schon immer ein großer Fan von CORUM und war bereits als kleines Kind im Segelsport aktiv, daher passt die Admiral (ehemals Admiral’s Cup) Kollektion gut zu mir. Die Uhren haben diesen sportlich-eleganten Schick der hervorragend zu meinem Style passt, Jeans und Blazer.
Ich trage allerdings genauso gerne die Golden Bridge, insbesondere die Tonneau-geformte Golden Bridge Stream. Ich habe erst kürzlich mein Technik-Team damit beauftragt, das rechteckige Joachim Horsley Modell in Weißgold als Grundlage zu nehmen und anstelle der Partitur von Beethoven einen Satz einzugravieren, den ich besonders schätze: „Eleganz ist die einzige Schönheit die nie vergeht“ von Audrey Hepburn. Er ist in die Rückseite der Uhr eingraviert und ich liebe die Kombination Weißgold gepaart mit der schwarzen Mikrostruktur.
CORUM Admiral Legend 42 mit Teak Holz Zifferblatt
2. Sie sind seit knapp über einem Jahr CEO von CORUM und Ihr Vorgänger Davide Traxler hat es seinerzeit geschafft, die Verkaufszahlen um 38 Prozent in nur 12 Monaten zu steigern. Haben Sie diesen Erfolg fortführen können?
Ich möchte ungern die Arbeit meines Vorgängers bewerten und mich nicht damit messen. Wir haben unsere Verkäufe um rund 15 Prozent zum Vorjahr steigern können. Viel entscheidender ist für mich der Bruttoertrag. Als ich 2017 in die Firma kam lag dieser bei 32 Prozent. Heute liegen wir bei 47 Prozent. Das interessiert mich viel mehr, denn wir können zwar stark verkaufen, das bedeutet aber längerfristig nicht zwingend, dass es der richtige Weg für die Firma ist. In der Vergangenheit ist das Geld nicht effizient investiert worden. Für mich gilt, weniger ist mehr. Zuerst muss die Qualität stimmen, die Qualität der Vertriebsnetze muss stimmen und die Produktion muss sich viel stärker an den wirklichen Erträgen orientieren. All diese Dinge spielen für mich eine wichtigere Rolle als die reinen Abverkäufe.
Ich habe drei Missionen für CORUM: ich möchte die Wertigkeit der Marke erhöhen, ich möchte ihr eine Perspektive geben und unseren Businessplan auf eine effizientere Ebene bringen – wir haben in den letzten Jahren zu viel Geld verloren. Die Tochtergesellschaft in den USA schuldet uns zum Beispiel mehr als 12 Millionen Euro und verliert 2.5 Millionen Euro jedes Jahr. Wir können also davon ausgehen, dass wir unser Geld nicht so schnell zurückbekommen. Selbst wenn die Tochtergesellschaft in den USA eines Tages eine Millionen Euro Profit im Jahr erwirtschaftet, dauert es 12 Jahre, bis wir unser Geld zurückbekommen. Daher ist es für eine kleine Marke wie CORUM viel effizienter, mit starken Vertriebspartnern zusammenzuarbeiten. Wir können es uns einfach nicht leisten, weltweit acht Tochtergesellschaften zu unterhalten.
3. Was waren Ihre ersten Maßnahmen als neuer CEO? Haben Sie entscheidende Veränderungen innerhalb der Marke vorgenommen?
Zu allererst bin ich um die Welt gereist und habe zugehört. Ich wollte verstehen, wie die Marke wahrgenommen wird. Nach den Gesprächen mit allen Vertriebspartnern war klar, dass wir uns weiter verstärkt auf die ‚Golden Bridge‘ und ‚Admiral‘ Linien konzentrieren müssen, uns aber genauso bei der Bubble kreativ austoben können, aber auf eine anspruchsvollere Art und Weise. Wir dürfen aber auch unsere ‚Heritage’ Kollektion nicht vernachlässigen, die Münze für unsere ‚Coin Watch’ musst nur in einer modischeren Art und Weise eingesetzt werden. Auf Management Ebene habe ich den Businessplan überarbeitet mit dem klaren Ziel, eines Tages mehr Geld zu verdienen indem wir mehr Umsatz generieren. Wir schaffen das aber nicht, indem wir zwar mehr verkaufen, aber auch mehr Verlust einfahren. Wir haben auch ein neues Konzept mit einer anspruchsvolleren Imagesprache entwickelt um zu zeigen, dass wir eine kreative und künstlerisch-orientierte Marke sind, die unsere anders denkende Herangehensweise unterstreicht.
4. Sie haben gerade erst angekündigt, nach 62 Jahren die Baselworld Uhrenmesse zu verlassen. Wie bleiben Sie in Zukunft mit Ihren Einzelhändlern, Kunden und der Presse im Kontakt?
Als ich vor rund 30 Jahren in die Uhrenbranche eingestiegen bin, war der CORUM Stand auf der Baselworld Uhrenmesse der erste auf der linken Seite – die Monopolstellung. Und inzwischen sind wir der letzte Stand auf der linken Seite. Verstehen Sie mich nicht falsch, es ist immer noch eine sehr gute Position und ein wundervoller Stand, aber zwischendrin ist so viel passiert. Als CEO muss man sich der wirtschaftlichen Lage seiner Marke bewusst sein. Vor sechs Jahren hat uns der Bau des Standes sechs Millionen Euro gekostet. Sechs Millionen, die wir in zehn Jahren amortisieren müssen. Das ist eine Menge Geld für eine kleine Marke wie uns. Die Messe in Basel kostet uns jedes Jahr rund 2.5 bis drei Millionen Euro. Ich muss also schauen, dass ich dieses Geld so effizient wie nur möglich investiere um meine Ziele für CORUM zu erreichen und meinen Träumen zu folgen.
Ich komme gerade von der SIAR in Mexiko zurück wo sie eine viel engere Beziehung zu ihren Kunden haben. Also wollen wir das Geld für Basel nun in kleinere, intimere Events investieren. Wir produzieren sehr qualitative Uhren und ich möchte diesen Anspruch auch im Austausch mit meinen Händlern, der Presse und Kunden gewährleisten. CORUM ist nicht besonders bekannt, daher benötigen wir mehr Zeit zu erklären. Wir produzieren rund 9.000 Uhren im Jahr – um all diese Handgelenke zu erreichen müssen wir im Gegenzug mit viel mehr Menschen sprechen.
5. Ist die SIHH Uhrenmesse eine Option für Sie? Oder glauben Sie, dass die beiden größten Uhrenmessen in Basel und Genf in Zukunft immer weniger eine Rolle spielen werden, betrachtet man den schnellen Wandel der Uhrenindustrie?
Ich denke, das Messe-Konzept muss überdacht und der heutigen Zeit angepasst werden, genauso wie einige Museen ihre Kulturerlebnisse überdenken sollten.
Unser Ziel ist es, unsere Einzelhändler bestmöglich zu unterstützen, damit sie ihre Kunden ausreichend informieren können. Und das ist während der Messe einfach nicht möglich. Ich möchte mehr Zeit mit allen Beteiligten verbringen. Auf der Messe hetze ich durch 30 bis 60 Minuten Slots.
6. Planen Sie die Eröffnung von CORUM Boutiquen in Europa?
Jedenfalls nicht mittelfristig. Eine Boutique muss profitabel sein und es ist für CORUM nicht einfach diese Kosten zu decken. Eine Boutique sollte nicht nur den Imagezwecken dienen, sondern in erster Linie eine profitable Institution sein.
7. Wer ist der stereotypische CORUM Kunde?
Das können die unterschiedlichsten Personen sein. Aber ich würde sagen, jemand der an seine Träume glaubt. Eine Person, der Dinge auf eine andere Art und Weise tut. Es kann ein Architekt sein, ein Designer – aber es ist vermutlich niemand, der anderen folgt. Sie sind eher diejenigen, die Verantwortung übernehmen und ein großes Selbstbewusstsein besitzen. Daher auch unser Slogan „Craft Your Dreams – Gestalte deine Träume“. Ihnen ist es egal, dass niemand weiß, dass sie eine Uhr für rund 20.000 Euro von einer unbekannten Marke tragen.
8. Vier ehemalige US Präsidenten trugen CORUM Uhren. Wäre es für Sie eine Ehre, wenn auch Donald Trump eine Ihrer Uhren tragen würde?
Ich schätze Persönlichkeiten mit Feingefühl und Empathie anstelle von Menschen die glauben, alles zu wissen. Daher sind mir Menschen wie John F. Kennedy, Barack Obama oder Bill Clinton lieber. Tut mir sehr leid Mr. Präsident.
9. In diesem Jahr haben Sie die Romulus von 1966 wieder zum Leben erweckt. Ist dieses Modell auch heute noch so erfolgreich wie damals?
Während meiner Reisen habe ich erfahren, dass sich alle die Romulus zurück wünschen. Daher haben wir ihr nun behutsam neues Leben eingehaucht und dieses Jahr einen Ewigen Kalender vorgestellt. Nächstes Jahr werden wir eine 3-Zeiger Version lancieren. Schritt für Schritt wird eine neue Romulus Kollektion mit Modellen aus Platin und mit verschiedenen Bändern aufgebaut. Wir müssen die Romulus aber so konstruieren, wie sie unser Gründer René Bannwart heute interpretieren würde.
10. Als die Bubble im Jahr 2000 zum ersten Mal lanciert wurde, war sie kein besonders großer Erfolg und verschwand bald wieder vom Markt. Warum ist sie heutzutage so erfolgreich?
Severin Wundermann – der die Bubble erfunden hat – war ein unglaublicher Visionär und kreativer Denker und er wusste, wie man die Uhrenindustrie überraschen konnte. Die Leute seinerzeit haben allerdings kritisiert, er würde die Haute Horlogerie für CORUM ausradieren und, dass die Golden Bridge Kollektion in Gefahr wäre. Mein Ziel ist es, die Brücke dazwischen zu schlagen. Wir produzieren kleine mechanische Kunstwerke. In diesem Jahr haben wir die Bubble mit einem Tourbillon vorgestellt. Also verheiraten wir die Haute Horlogerie mit Kreativität. Es macht auch hinsichtlich der Architektur der Uhr Sinn. Darüber hinaus statten wir die Bubble auch mit kleineren Komplikationen wie Monopusher und Chronographen aus und implementieren weitere raffinierte Details um der Marke CORUM treu zu bleiben. Auf der anderen Seite zeigen wir auch klassische Bubble Modelle mit einem künstlerischen Ansatz – aber immer auf einem hohen Niveau, denn ich möchte anspruchsvolle Produkte anbieten. Mit der Bubble erreichen wir ein neues, jüngeres Publikum. Wir wollen diese Uhr nicht zu ernst nehmen und versuchen uns nicht so sehr einzuschränken. In diesem Jahr haben wir die Mini-Bubble und die Bubble Manschettenknöpfe präsentiert um zu zeigen, dass wir etwas verrückt sind, verrückt aber geistreich.
11. Was können wir in der Zukunft von CORUM erwarten?
Wir müssen die Branche weiterhin mit Kreativität überraschen. Also haben wir eine Art Atelier ins Leben gerufen und die ‚CORUM Lab’ gegründet. Vor kurzem haben wir dann das erste limitierte Modell aus unserer ‚CORUM Lab’ präsentiert, mit einem Tonneau-geformten Werk und einem sehr modernen und ansprechenden Design. Wir wollen uns verstärkt auf die Métiers d’Art konzentrieren und den Fokus auf die Golden Bridge Werke lenken. Es sollen dabei neue Ideen entstehen, wie wir dieses einmalige Werk einsetzen können.
In Zukunft werden wir uns auch verstärkt den individuellen Bedürfnissen der einzelnen Märkte widmen. Ich habe kein Problem damit, wenn wir in Mexiko eine andere visuelle Kommunikations-Strategie fahren als zum Beispiel in Dubai. Ich habe genauso wenig ein Problem damit, verschiedene Uhren für verschiedene Märkte zu lancieren. Wir können lokal verschiedene Werbe-Kampagnen und Produkte einsetzen, solange global die selbe Identität transportiert wird. Dazu möchte ich gerne eine kurze Geschichte erzählen. Als ich ein kleiner Junge war brachte mir mein Vater ein Spielzeig aus Japan mit, das kein anderer in der Schule hatte. Wenn ich heutzutage meinem Sohn ein Spielzeug von meinen Reisen aus Asien mitbringe, kann er es höchstwahrscheinlich auch in einem Shop in Neuchâtel finden. Mit CORUM möchte ich gerne zurück zu der Exklusivität von damals.
12. In welche Richtung bewegt sich die Uhrenindustrie?
Alle Uhrenmarken sollten in den Spiegel blicken und reflektieren. Sie sollten nicht versuchen größer sein zu wollen als sie es sind. Zu viele Marken sind innerhalb einer Gruppe angesiedelt was dazu führt, dass die Identität verwässert. Einige Marken sind auch nicht vorausschauend genug. In Zukunft wird es weniger Akteure geben, vermute ich. Die Uhrenindustrie wird verstärkt zu einer narrativen Industrie. Nur diejenigen haben eine Chance, die ihren Fokus auf Qualität, Innovation und Exklusivität legen. Mechanische Uhren sind nicht für den Massenmarkt geeignet. Wir produzieren ganz klar Luxusprodukte, die sich nicht jeder leisten kann.