Sie lesen
Geld? Spielt hier und heute keine Rolle

Geld? Spielt hier und heute keine Rolle

Titelbild-SW-Kolumne-Nw
24. Oktober 2023

Sie lieben Zeitmesser und machen daraus kein Geheimnis: Unsere Horologie-Fachsimpler Philippe und Alexander im Gespräch.


Alexander: Heute spielen wir Lotto-Multimillionär. Soll heißen: Wir sprechen über unsere jeweils drei Favoriten in den Kategorien bis 20.000, bis 50.000, bis 100.000, bis 200.000 und bis 500.000 Euro. Und ein wenig darüber, was danach noch kommen könnte. Das alles aber komplett subjektiv, und unter Umgehung jeglicher Vernunft oder Argumente wie „Werterhalt“ oder „sinnvolle Sammlungsergänzung. Es wird Dich dennoch nicht überraschen, dass ich für fast jede Kategorie eine Patek Philippe gefunden habe, die ich begehre.

Philippe: Auch in der ersten? Nimmst Du da das Budget von gleich zwei Favoriten um eine Aquanaut zusammenzubekommen?

Alexander: Nein, da fehlt Patek Philippe tatsächlich noch. Stattdessen habe ich recht klassisch angefangen. So ist die neue Rolex Yacht-Master aus Titan für mich ein absoluter Favorit, weil sie im matten Titan so ungewöhnlich zurückhaltend für eine Sport-Rolex ist. Außerdem mag ich das leichte Tragegefühl. Im Moment bin ich eh im Titan-Wahn: Die IWC Ingenieur in Titan steht nämlich auch auf meiner Liste – auch wenn man sich wundern muss, dass IWC für sein Modell einen höheren Preis als Rolex aufruft. Und zu guter Letzt habe ich mich in den neuen Polaris-Chronographen von Jaeger-LeCoultre verliebt – mit dem grauen Sonnenschliff-Zifferblatt und den schwarzen Sub-Dials ist die Uhr ein Traum.

Philippe: Ja, das kann ich alles nachvollziehen – und komme doch zu einer anderen Auswahl. Mein Favorit in diesem Preis-Segment ist der Zenith Pilot Chronograph. Den finde ich in Keramik einfach sehr, sehr gut. Das große Datum ist perfekt abzulesen, die Reliefstruktur auf dem Blatt sehr cool, und sie trägt sich sehr angenehm. Außerdem finde ich in dieser Kategorie die klassische Rolex Explorer im 40 Millimeter toll. Und für eine Frau würde ich sofort und auf der Stelle eine Cartier Tank auswählen. Für mich selber wäre es aber eher die Ressence Type 1-2N mit dem nachtblauen Blatt.

Alexander: Damit rennst Du bei mir offene Türen ein. Ehrlich gesagt sind in der bis-50.000-Euro Kategorie sowohl die ölgefüllte Ressence Type 3 als auch die Type 2 ganz weit vorn – letzteres ist die mechanische Uhr, die sich per App stellen lässt. Im Uhrwerk sind Solarzellen, die dafür Energie speichern. Außerdem liebe ich die Referenz 6119G von Patek Philippe, das ist für mich der Inbegriff einer jeden Tag tragbaren Calatrava. Und da wir an dieser Stelle ja explizit träumen dürfen: Die Rolex Daytona Le Mans wäre auch was – die ist aber knapp jenseits der 50k. Da muss ich dann Rabatt raushandeln…

Philippe: Sag einfach, dass Du auch keinen Espresso und keinen Champagner beim Boutiquen-Besuch haben willst, dann klappt das bestimmt. Ich selber bin in dieser Klasse übrigens auch sehr Patek-lastig: Die Referenz 5212A, die Calatrava mit Wochenkalender, finde ich großartig. Die klassische Aquanaut 5167A wäre auch etwas für mich, am besten sowohl mit Stahl- als auch Kautschukarmband. Außerdem mag ich von F.P. Journe den Chronomètre Souverain Havana sehr – die vanillefarbenen Ziffern zusammen mit dem brauen Blatt sind gigantisch. Eine Uhr, die man zudem überall tragen könnte ohne aufzufallen.

Alexander: Und wenn es noch etwas mehr sein darf – was sind Deine Favoriten unter 100.000 Euro?

Philippe: Da wäre ich dann bei einer Nautilus, der Referenz 5990A. Auch den Worldtimer-Chrono mit lachsfarbenem Blatt, die 5935A, finde ich toll. Außerdem habe ich eine Schwäche für den Pioneer Cylindrical Tourbillon Skeleton von H. Moser & Cie.. Da fängt für mich die aufregende Welt der High-End-Independents an. Was wäre denn Deine Wahl?

Alexander: Ganz oben auf der Liste stünde auch bei mir eine Patek Philippe, allerdings eine weißgoldene: Die 5811 ist für mich wirklich eine Verbesserung gegenüber der 5711. Das tiefblaue Blatt ist ein Traum, und durch den einen Millimeter mehr Durchmesser bekommt dieses Blatt dann auch noch mehr Raum und dadurch Kraft – für mich ist sie nun noch schöner skaliert. Außerdem habe ich einen Crush für die Code 11.59 Starwheel von Audemars Piguet. Das ist für mich die mit Abstand coolste Variante dieser Kollektion bislang, und ich liebe die Darstellung der Zeit auf diesem Blatt. Außerdem habe ich mir auch eine H. Moser & Cie. rausgesucht, aber den klassischen Endeavour Perpetual Calender. Es gibt kaum eine klarere Art und Weise der Umsetzung eines Ewigen Kalenders – vielleicht abgesehen von der Referenz 5236 von Patek Philippe.

Philippe: Ich ahne, auch gen 200.000 Euro wirst Du nicht ohne Patek Philippe auskommen?

Alexander: Falsch! Es mag Dein Fanboy-Einfluss sein, es mag an der unglaublich sympathischen Art von Max Büsser liegen, aber je länger ich MB&F studiere, umso mehr verstehe ich, dass viele Supersammler gar nicht anders können als Büsser ihr Geld zu überweisen. Ich selber finde den Evo Sequential Chronographen mit seinen zig Zeitmess-Funktionen einfach irre, ähnliches gilt aber auch für den Ewigen Kalender. Und so ziemlich jede „Horological Machine“. Daneben finde ich den skelettierten Ewigen Kalender von Vacheron Constantin für die Overseas-Kollektion sagenhaft. Zudem habe ich bei Uhren ein Faible für alles was mit Mond, Astrologie und Gezeiten zu tun hat. Darum schwärem ich für die Krayon Anywhere, die den Zeitpunkt des Sonnenauf- und Sonnenuntergangs an einem für den Träger besonders wichtigen Ort anzeigt.

Philippe: Cool, von der hatte ich noch gar nicht gehört. Bei mir stehen auf der Wunschliste auch der MB&F Evo Sequential Chronograph, dazu ebenfalls von MB&F der LM Perpetual in Stahl mit roséfarbenem Blatt, und tatsächlich die Referenz 5236, der Ewige Kalender von Patek.

Alexander: Damit wären wir im Bereich von bis zu einer halben Million angekommen. Was nun?

Philippe: Die 5373 von Patek ist glaube ich noch in diesem Preisbereich – die Linkshänder-Grande-Complication. Rein vom Design ist das für mich die coolste Referenz der ganzen aktuellen Kollektion, und DER Inbegriff für das zeitgenössische Patek-Design. Die finde ich, einfach unheimlich gut. Ansonsten kann ich mich bei F.P. Journe für die Sonnerie Open Dial begeistern. Und als Fanboy würde ich in die MB&F HM9 SV investieren, die neueste Variante dieser „Maschine“ mit Saphirglas-Gehäuse. Und Du?

Alexander: Bei Patek finde ich die Minutenrepetition 5178 mit dem guillochierten Blatt sehr stark – zumal eine Minutenrepetiton ja umso besser klingt, umso weniger ergänzende Komplikationen ihr den Klangraum nehmen. Und weil ich eben von meinem Knall bei astrologisch inspirierten Uhren sprach: Die Celestial von Patek ist auch der Hammer. Die Midnight Planetarium von Van Cleef & Arpels ebenso.

Philippe: Da haben wir nun schon einige sehr krasse Uhren zusammengetragen. Aber wie man in dieser Branche weiß: Mehr geht immer? Gibt es jenseits dieser Preisklassen noch etwas was Dich reizt?

Alexander: Es gibt durchaus einige Modelle, die ich horologisch irrsinnig spannend finde. Gleichzeitig bewegt man sich da in einem Segment, dessen Preise man bei mir Zuhause in Norddeutschland wohl als „unanständig“ – mit Helmut-Schmidt-spitzem „s“ – bezeichnen würde. Wenn ich das ignoriere: Die in diesem Jahr vorgestellte Neuinterpretation der Patek Philippe Referenz 5316 mit dem halbtransparenten Glas finde ich ganz weit vorn, auch wenn es grundsätzlich ja gar keine neue Uhr ist. Aber mit Minutenrepetition, Tourbillon und Ewigem Kalender ist eine Menge drin in dieser vergleichsweisen zierlichen Uhr.

Philippe: Mir geht es in diesen Sphären ähnlich. Aber an dieser Stelle geht es ja ums träumen, nicht ums rechtfertigen – und Träume beflügeln schließlich. Ganz sachlich betrachtet darum: Die F.P. Journe Astronomique Souverain betrachte ich als absolute Champions League. Aber bevor wir noch weiterspinnen habe ich eine Idee.

Alexander: Welche?

Philippe: Wir machen noch einen zweiten Teil, bei dem man zumindest etwas hauswirtschaften muss mit seinen Träumen: Drei Uhren für insgesamt 20.000, drei Uhren für insgesamt 50.000, drei Uhren für insgesamt 100.000 Euro – welche wären es?

Alexander: Hervorragend. Fortsetzung folgt also.