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140 Jahre alpine Uhrentradition: Ein Gespräch mit Alpina Brand Manager Oliver van Lanschot Hubrecht zum Jubiläum

140 Jahre alpine Uhrentradition: Ein Gespräch mit Alpina Brand Manager Oliver van Lanschot Hubrecht zum Jubiläum

29. Juli 2023

Graue Wolken umhüllen das mit Schnee bedeckte Matterhorn, einer der Ikonen der Alpen. An diesem Tag zeigt sich der Gipfel schüchtern, doch bildet er eine nicht weniger imposante Kulisse für eine Jubiläumsfeier. Mit Sicht auf das Matterhorn feiert die Schweizer Uhrenmarke Alpina ihr 140-jähriges Bestehen. Dabei blickt Alpina nicht nur auf seine traditionsreiche Vergangenheit zurück, sondern präsentiert zum Jubiläum mit den zwei limitierten Alpiner Heritage Carrée Mechanical 140 Years Serien ein Originalkaliber von 1938 in neuer Aufmachung. 

Die zwei Ausführungen der Alpina Heritage Carrée Mechanical 140 Years

Doch was macht Alpina zu der Marke, die sie heute ist und wie spiegelt sich das in den Jubiläumsmodellen wider? Im Folgenden betrachten wir die Entwicklung des Unternehmens und die neuen Zeitmesser genauer. Unter anderem sprachen wir mit Alpinas Brand Manager Oliver van Lanschot Hubrecht, den wir zum Gespräch in Zermatt trafen, über die Vergangenheit und Zukunft der Marke.  

Die Bergwelt als Muse 

Die Bergwelt ist durch ihre atemberaubende Kulisse und wilde, raue Natur herausfordernd und faszinierend zugleich. Im Falle von Alpina diente diese Kombination als Inspiration zur Markengründung. Vor 140 Jahren, im Jahr 1883, gründete der Alpinist Gottlieb Hauser gemeinsam mit Bergkameraden eine Uhrmachergenossenschaft in Winterthur. Diese basierte auf dem Konzept einer Bergsteigergesellschaft und trug damals den Namen „Alpina Union Horlogère S.A.“ („Schweizerische Uhrmacher-Genossenschaft“). Die Genossenschaft bestand aus einem Verbund spezialisierter Zulieferer für Uhrenkomponenten rundum Biel, unter anderem dem Uhrwerklieferanten J. Straub & Co., und Genossenschaftswerkstätten, die die Établissage (frz. Zusammenstellung) der einzelnen Komponenten vornahmen. Dabei lag der Anspruch darauf, robuste Uhren herzustellen, die dem extremen Terrain der Bergwelt standhielten. 

Dass die Bergwelt fester Bestandteil von Alpinas DNA ist, zeigt sich nicht nur in den Uhrenmodellen. Nach einer erfolgreichen Präsentation der ersten hauseigenen Uhrwerke auf der ersten Weltausstellung in Paris im Jahre 1900, wurde Alpina im folgenden Jahr zur eingetragenen Marke für die von Genossenschaftsmitglied Jacob Straub entwickelten Uhrwerke. Auf diesen befand sich bereits ein Vorläufer des Logos, bei dem ein Kreis von einem Dreieck umfasst wird. Dabei stellte das Dreieck eine stilisierte Form des Matterhorns dar. Einige Jahre darauf, 1908, steht „Alpina“ als eingetragene Marke für Uhren. Dabei entwickelte sich das Logo zu einem roten Dreieck, dem „Alpiner“, das auch heute noch das Markenzeichen ist. 

Erde, Wasser, Luft 

Auch Alpinas Geschichte ist mit dem Militär verknüpft, das als bekannter Treiber für neue Uhrenmodelle gilt. Im Jahr 1912 brachte Alpina seine ersten Chronometer nach sächsischem Vorbild auf den Markt. Ein Jahr später wurden diese von der deutschen Marine genutzt. In den 1920er Jahren stattete Alpina verschiedene Luftwaffen mit Pilotenuhren aus. Damit entwickelte Alpina nicht nur Uhren, die auf die Bergwelt (Alpiner) ausgerichtet waren, sondern auch für andere Terrains. Noch heute finden sich diese Uhren in den Kollektionen Seastrong (Wasser) und Startimer (Luft). 

Alpina Militäruhr um 1921

Jahrzehntelanger Pioniergeist 

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkte Alpina ganz oben bei Innovationen mit, die heute als selbstverständlich betrachtet werden. Angesichts der schnellen internationalen Verbreitung der Uhren von Alpina, führte das Unternehmen als eines der ersten im Jahr 1926 eine internationale Garantie ein. Einige Jahre später brachte Alpina mit der Block Uhr 1933 eine Sportuhr auf den Markt, die als Ursprungsform der Sportuhren wie wir sie heute kennen, angesehen werden kann. Dieser Zeitmesser besaß eine patentierte Krone, die staubfrei und luftdicht integriert war und somit das empfindliche Uhrwerk schützte. 

Alpinas weltweite Garantie um 1926

1938 erschien die Alpina 4, die besonders durch ihre Vermarktung anhand von vier Merkmalen herausstach. Zu diesen Merkmalen zählten, dass die Uhr wasserdicht, stoßfest, antimagnetisch und rostfrei war. In den späten 1960ern wurden diese Merkmale in der Alpina 10 auf zehn erweitert. Wie der Journalist Lorenzo Maillard bei der Präsentation der neuen Heritage Carrée Mechanical 140 Years anmerkt, „Alpina war nicht die einzige Marke, die über Sportuhren sprach. Doch sie waren eine der ersten Pioniere, die sie für den Massenmarkt ansprechender machten und ein starkes Storytelling dafür hatten.“ 

Werbeplakat für die Alpina 4 um 1938

Bedingt durch den Krieg brachten die 1940er Jahre viele technische Innovationen hervor und durch eine Verbesserung der Produktionstechniken war es möglich, Uhren in größeren Mengen zu produzieren. Daher war es besonders wichtig, sich durch eine gute Vermarktung gegen die große Konkurrenz behaupten zu können. So veranstaltete Alpina in den 1940er Jahren einen jährlichen Kongress, bei dem – ähnlich zu heutigen Presseevents – Einzelhändler, Journalisten und Sammler eingeladen wurden. Zum 60-jährigen Bestehen von Alpina im Jahr 1943 waren 2000 Gäste geladen. Auch hier wurde durch den Begriff der „Alpina Familie“ die Bergsteigermentalität und enge Verbundenheit zueinander ausgedrückt.

Während Alpina gegen Ende der 1940er Jahre sein erstes Automatikwerk und eine Chronographen-Version der Alpina 4 herausbrachte, lancierte die Marke in den 1960er Jahren erstmals eine Taucheruhr und eine Damenuhr. 

Werbeplakat aus den 1960er Jahren zur ersten Alpina-Taucheruhr Seastrong 10

Wende und Wiedergeburt

Mit der Quarzkrise standen Uhrenmanufakturen vor der Frage, mit dem Wandel mitzuziehen oder bei der Tradition zu bleiben. Alpina entschied sich für Letzteres und musste einige Einbußen in Kauf nehmen. Das führte dazu, dass die Marke von den frühen 1980er bis 2000 Jahren nahezu nicht existent oder, genauer gesagt, inaktiv war. Schließlich kauften die Eigentümer von Frederique Constant, Aletta und Peter Stas, die Marke Alpina.  

2003 wurde die Wiedergeburt der Marke auf der Baselworld Uhrenmesse offiziell eingeläutet. In den darauffolgenden Jahren kam es zum Aufbau von eigenen Produktionsstätten bei Genf und zur Einführung zahlreicher, teils neu auferlegter Modelle. Dazu zählen beispielsweise die Alpiner 4 von 2014, die limitierte Startimer Pilot Heritagevon 2015 und die 2005 erschienene Alpiner Avalanche Extreme Regulator, die erst dieses Jahr bei der Watches and Wonders Uhrenmesse in Genf in limitierter Neuauflage mit einem atypischen Regulator vorgestellt wurde.  

Zwei Ausführungen der Alpina Startimer Chronograph, 2011


Ein Rück- und Weitblick mit Oliver van Lanschot Hubrecht

Hoch oben im Bergdorf Zermatt haben wir mit Alpinas Brand Manager über die Besonderheiten der Marke, ihre bisherige Geschichte und Zukunftspläne gesprochen.  

Was macht Ihrer Meinung nach Alpina und seine Uhren einzigartig?

Zunächst einmal das Erbe, das wir haben. Die ursprüngliche Absicht der Marke war es, schöne Uhren zu kreieren, die den rauen Bedingungen der Alpen widerstehen können. Zudem wollte man verschiedene Akteure der Uhrenindustrie zusammenbringen, um gemeinsam stärker zu sein und erschwingliche, schöne Uhren mit einer starken DNA anzubieten. Meiner Meinung nach haben wir heute all das zusammen – vor allem mit den neuen Extreme Uhren, die wir nach der ursprünglichen Lancierung im Jahr 2005 wieder 2022 auf den Markt brachten. Die Idee ist, dass man beim Anblick der Uhr die Alpen atmet, aber auch die Geschichte sieht, die dahintersteckt. Ich denke, wir haben wirklich eine schöne, starke Sportuhr mit einem unverwechselbaren Design und einer starken Alpina-DNA in ihr. Trotzdem ist der Preis erschwinglich: Der Durchschnittspreis der Marke liegt bei 1.500 Euro. 

Was sind charakteristische Merkmale einer Alpina Uhr? Auch in Bezug auf die vier beziehungsweise zehn Merkmale.

Was Merkmale wie die Wasserdichtigkeit angeht, so denke ich, können sie heute von jeder Marke angeboten werden. Wir konzentrieren uns also nicht wirklich auf diese Eigenschaften. Heute geht es darum, ein wirklich hochwertiges Produkt zu einem erschwinglichen Preis anzubieten, das einen hohen Wiedererkennungswert hat und eine eigene DNA aufweist. Bei der Alpiner Extreme Serie haben wir zum Beispiel eine vierteilige Gehäusekonstruktion. Ich glaube, dass die Veredelung des Gehäuses und des Armbands so gut ist, wie man es heute auf dem Markt nicht mehr findet, wenn man das Wettbewerbsumfeld betrachtet. Wenn jemand unsere Uhren ansieht, möchten wir, dass er erkennt, woher wir kommen.

Im Jahr 2023 haben Sie eine neue Alpiner Extreme mit einer Regulatoranzeige eingeführt. Was war der Grund dafür?

Der Regulator war eigentlich das ikonische Uhrwerk, das wir in der Avalanche Extreme hatten, die wir 2005 auf den Markt gebracht haben. Zu dieser Zeit hatte das Modell einen Handaufzug. Jedoch war das eine viel größere Uhr mit einem 48 mm Gehäuse. Dieses Modell war zu seiner Zeit ikonisch für die Marke. Daher haben wir uns entschieden, das Modell wieder aufleben zu lassen, was ziemlich selten ist. Denn Regulatoren sind heute nicht sehr verbreitet, vor allem nicht in einem Sportgehäuse. Doch wir dachten, dass wir als Hommage an diese erfolgreiche Uhr, die wir damals hatten, mit einem Regulator und einer limitierten Auflage zurückkommen könnten. Wir haben drei limitierte Editionen oder 888 Stück und wir sind sehr erfolgreich damit. Sie verkaufen sich genauso gut wie eine Automatik mit drei Zeigern, was ziemlich erstaunlich ist. 

Was ist Ihre meistverkaufte Uhr oder Kollektion?

Das ist ganz sicher die Alpiner Extreme. Wir haben sie erst 2022 auf den Markt gebracht, aber sie ist schon jetzt ein Verkaufsschlager. Die meisten unserer Referenzen sind also wirklich, sagen wir mal, in den Top 5 bis 10 Uhren, die wir sehr schnell verkaufen. Wir konnten nicht einmal mit der Produktion mithalten. Wir haben also den Erfolg, den wir mit dem Produkt haben würden, ein wenig unterschätzt. Jetzt sind wir wieder auf dem richtigen Weg. Aber wir hatten einen kleinen Tiefstand, bei dem wir die Läden nicht nachbeliefern konnten, was natürlich ein schönes Problem ist, denn es zeigt den Erfolg des Designs und der Uhr.

Was, würden Sie sagen, hat sich seit der Übernahme der Marke durch Frederique Constant wesentlich verändert?

Die Marke wurde 2002 übernommen, also sind es jetzt schon 21 Jahre. Als die Marke übernommen wurde, war der Preispunkt höher. Wir hatten damals sogar einen Sonderfall zu verantworten. Seitdem hat Alpina versucht, seinen Weg zu finden. Wir wurden 2016 von der Citizen Group übernommen. Damit kamen dann einige erschwinglichere Produkte. Dann brachten wir einige Innovationen mit Smart Technology heraus. Das war großartig für die Marke, weil es uns Sichtbarkeit gab. Jedoch haben wir beschlossen, uns jetzt wieder voll und ganz auf mechanische, traditionelle in der Schweiz gefertigte Uhren mit dem Fokus auf das Design der Extreme zu konzentrieren. Wieder zurück zu den Wurzeln. Ich denke, die Menschen sind sich einig, dass dies der richtige Weg ist.

Was sind die Vorteile, wenn man Teil einer Gruppe ist?

Die Chance, die wir haben ist, dass wir innerhalb dieser Gruppe immer noch ziemlich unabhängig agieren können, was die Entwicklung der Strategie, die Produktentwicklung und so weiter angeht. Wir können aber auch von der Gruppe profitieren. Sie verleiht uns Stärke und Potenzial, ebenso wie die anderen Unternehmen der Gruppe, die zum Beispiel Uhrwerke herstellen. Auch davon können wir profitieren. Jetzt sind wir endlich auf dem Weg dahin, die Vorteile der Affiliates und das Vertriebspotenzial zu nutzen, das sie für uns entwickeln können.

Was sind Alpinas stärkste Märkte?

Wir sind jetzt in über 50 Ländern erhältlich, aber Westeuropa und die USA sind die führenden Märkte, die wir als erstes weiter ausbauen wollen. Apropos Westeuropa: Frankreich ist tatsächlich unser größter Markt. Dort haben wir über 100 Verkaufsstellen und sind also schon ziemlich etabliert. 

Wie würden Sie den typischen Alpina-Kunden beschreiben?

Es ist jemand, der vielleicht in einem urbanen Umfeld arbeitet, aber gerne in die Natur geht, Ski fährt, taucht oder segelt. Vielleicht ist der Kunde heute, bei einer breiteren Altersspanne, zwischen 30 und 50 Jahre alt. Ich würde sagen, dass wir durch unsere Markenbotschafter und unsere Partner, durch die Sportarten und Aktivitäten natürlich auf jüngere Kunden abzielen, um die jüngere Generation anzusprechen und sie möglicherweise auch ihre erste ernsthafte Uhr kaufen.

Haben Sie eigene Boutiquen oder planen Sie, Monomarken-Boutiquen zu gründen oder aufzubauen?

Nein, gerade ist das nicht Teil unserer Strategie. Wir entwickeln den Vertrieb, wir öffnen und schauen uns Multibrand-Umgebungen an. In der Branche ist ein Trend zu beobachten, dass Marken die Mehrmarkenumgebungen verlassen und Boutiquen eröffnen. Außerdem ist bei einigen Wettbewerbern ein Trend zu Preiserhöhungen zu beobachten, die das Preissegment zwischen 1.200 und 2.000 Euro oder sogar 3.000 Euro übersteigen. Für uns ist das wirklich eine Gelegenheit, diesen Raum in Multibrand-Einzelhandelsumgebungen einzunehmen.

Wie sieht es mit dem E-Commerce aus? Funktioniert das für Marken wie Alpina, die manchmal etwas mehr Einführung brauchen?

Ja, natürlich. Ich meine, E-Commerce hilft der Verfügbarkeit der Uhr – während wir in einigen Märkten sehr etabliert sind und in einigen anderen weniger etabliert waren, aber ziemlich schnell voranschreiten. Also füllt der E-Commerce natürlich die Lücke. Was die Verfügbarkeit angeht, so haben wir uns auch im digitalen Bereich weiterentwickelt. Wir haben eine ganze Reihe von Kampagnen durchgeführt und kommunizieren auf diese Weise. Wir haben eine große Gemeinschaft von Online-Alpinisten aufgebaut und das hilft uns bei der Reichweite, der Kommunikation und dem Verkauf – egal, ob wir es selbst machen oder über Drittpartner.

Was ist Ihre Strategie für die Zukunft? Wie wollen Sie dazu beitragen, dass die Marke erfolgreich ist und sich noch weiter in Richtung Zukunft bewegt?

Es sind drei Dinge. Ich denke, wir sind derzeit sehr gut, was Produkte, Strategien und Kollektionen angeht. Wir wollen uns also wirklich darauf konzentrieren, die Alpiner Extreme als das erkennbare Alpina-Produkt zu etablieren, auch wenn wir weiterhin Uhren in anderen Universen entwickeln werden. Dann ist da der Vertrieb, den wir weiterentwickeln müssen. Auch hier streben wir innerhalb der nächsten drei Jahre eine Verdoppelung oder Verdreifachung unserer Verfügbarkeit in den Points of Sale an.

Und schließlich wollen wir in Bezug auf Anerkennung und Bewusstsein viel mehr über unser Erbe sprechen: darüber, woher wir kommen, dass wir diese reiche Geschichte haben, die vermittelt werden muss, weil nicht genug Menschen davon wissen. Das wollen wir zeigen und der Marke Glaubwürdigkeit und Legitimität verleihen. Aber aus der Produktperspektive sollten wir diesen Preispunkt beibehalten. Sagen wir mal so um die 1.500 Euro, im Durchschnitt, bis zu 3.000 Euro, und den Preis nicht zu schnell erhöhen. Vielleicht zu einem späteren Zeitpunkt, wenn es wieder in-house Uhrwerke gibt, aber im Moment haben wir die Marke in diesem Segment etabliert.

Alpina hat sich einst einen Namen mit der Produktion von hauseigenen Kalibern gemacht. Im Moment stellen die eigenproduzierten Kaliber jedoch nur einen kleinen Teil dar. Planen Sie, die Herstellung eigener Uhrwerke wieder auszubauen?

Ja, aber zu einem späteren Zeitpunkt. Natürlich haben die Uhrwerke, die im eigenen Haus entwickelt, produziert und montiert werden, einen höheren Preispunkt. Wir wollen in diesem Stadium nicht zu schnell in die Höhe gehen. Das hindert uns aber nicht daran, vielleicht eine Ergänzung zu machen oder eine Uhr zu bauen, die das hat, was wir mit dem sehr limitierten 490 sehen können. Das ist eigentlich eine Eigenentwicklung – aber von vor 85 Jahren. Wir haben im Moment also eines in der Kollektion. Doch bei neuen Entwicklungen wollen wir nicht zu schnell vorpreschen. Wir wollen diesen Preispunkt wirklich etablieren und nicht über 3.000 Euro gehen. Mit Manufakturwerken werden wir recht schnell die 4.000 oder 5.000 Euro-Marke erreichen, was für uns noch nicht der richtige Zeitpunkt ist. Sie können aber davon ausgehen, dass dies zu einem späteren Zeitpunkt durchaus der Fall sein wird. 

Alpina Manufaktur, 2006

Wie viele Uhren stellt Alpina pro Jahr her?

Wir geben keine genauen Zahlen bekannt. Was ich aber sagen kann, ist, dass es der Marke gut geht. Sie hat sich von der Krise prächtig erholt, da die Bestellungen durch die Decke gehen, mit einer Erhöhung des Durchschnittspreises. Unser Ziel ist es, die Anzahl der Verkaufsstellen zu erhöhen, insbesondere in den Schlüsselmärkten, und Deutschland ist Teil dieses Plans. Sie können also damit rechnen, noch viel mehr von Alpina zu sehen.

Neue Wege gehen

2015 wartete Alpina mit einem Novum in der Schweizer Luxus-Sportuhrenbranche auf. Die Horological Smartwatch stellte die erste Swiss Made Connected Uhr mit analogem Zifferblatt dar, die eine Verbindung zum Smartphone hat. Doch neben der Erkundung einer neuen Generation von Uhren, befasste sich Alpina in den letzten Jahren auch mit Umweltthemen. Zusätzlich zu Umweltinitiativen, stellte die Uhrenmarke zwei Modelle aus recycelten Materialien her. Die Seastrong Diver Gyre Automatic aus dem Jahr 2020 hat ein Gehäuse, Armband und Box aus recyceltem Plastik, das von den Ozeanen stammt. Zwei Jahre darauf erschien die Seastrong Diver 300 Automatic Calanda mit einem Gehäuse aus recyceltem Stahl. 

Alpina Seastrong Diver 300 Automatic Calanda, 2022

In der Vergangenheit haben Sie sich auch im Bereich der Nachhaltigkeit engagiert. Gibt es eine klare Nachhaltigkeitsstrategie oder ist für die Zukunft noch etwas geplant?

Auf jeden Fall. Wir arbeiten im Moment sehr intensiv an dieser Strategie auf Unternehmensebene. Sie haben vielleicht in der Vergangenheit mit unseren Shape the Change Initiativen gesehen, dass wir einige Uhren aus recycelten Materialien entwickelt haben. Wir arbeiten jetzt an einem viel längerfristigen Plan, einem Zehnjahresplan, der vollständig darauf ausgerichtet ist, wie wir uns als Unternehmen verhalten. Deshalb arbeiten wir jetzt intensiv daran, um diese Agenda mit starken Verpflichtungen, Zielen und Vorgaben zu erstellen, die wir zu einem späteren Zeitpunkt kommunizieren werden. Hoffentlich werden wir noch in diesem Jahr diesen Plan fertiggestellt haben, den wir dann ausrollen können. Vor allem, da dies unser Spielplatz ist – die Berge, das Meer… Auch wenn die Uhren nicht den größten CO2-Fußabdruck haben, weil sie lange Zeit bei uns bleiben, gibt es immer noch eine Menge, was wir tun können – als Marke und als Person. 

Alpina Seastrong Diver Gyre Automatic und Präsentationsbox aus recyceltem Plastik, 2020

Gab es ein spürbares Interesse an der Seastrong Diver Automatic, insbesondere weil sie aus recycelten Materialien hergestellt wurde?

Ja, das kommt ganz auf die Märkte an, die, sagen wir mal, eine höhere Uhrmacherkunst, Bildung und ein höheres Verständnis haben. Ich denke, dass vor allem die jüngeren Generationen in der Lage sind, Uhren zu tragen, in denen recycelte Materialien verarbeitet sind. Das Umweltbewusstsein ist da. Wir haben also großes Interesse gesehen. Natürlich hat das auch seinen Preis. Es ist einfach teurer, ein recyceltes Material herzustellen: Fischernetze zu sammeln, sie zu Pellets zu zermahlen und dann wieder einzuschmelzen, um ein Material herzustellen, das robust genug ist, um in einer Taucheruhr zu bestehen. Wir sehen, dass nicht jeder bereit ist, mehr für eine Uhr mit recyceltem Gehäuse zu bezahlen. Einige Leute ja, aber nicht jeder. Wir sind also noch nicht so weit.

Die Quarz-Krise hätte die Marke fast zerstört. Heute bieten Sie auch Smartwatches und modernere Uhren an. Wenn wir zurückblicken, dann wollte Alpina damals eigentlich bei den mechanischen Uhren bleiben. Was ist heutzutage der Schlüssel, um das Gleichgewicht zwischen Modernität und Tradition zu finden, ohne dabei die eigene Identität zu verlieren?

Ich denke, dass die Smartwatch ein gutes Beispiel für die innovative Seite von Alpina ist. Keine andere Marke hat es 2015 geschafft eine Swiss Made Smartwatch zu entwickeln, die nicht nur schön anzusehen ist, sondern auch intelligente Technologie enthält. Also haben wir es versucht. Dann haben wir auch erkannt, dass dem Grenzen gesetzt sind und beschlossen, uns wieder ganz auf mechanische Uhren zu konzentrieren. Es ist also wichtig zu wissen, dass wir versuchen müssen, Gelegenheiten zu ergreifen und kreativ zu sein, um uns weiterzuentwickeln, aber ohne zu vergessen, was unsere DNA ist und woher wir kommen. 

Was sind die begehrtesten Vintage-Uhren von Alpina für Sammler?

Es gibt viele spezielle Uhren da draußen. Wie zum Beispiel die Gehäuse, die damals fast nur von Handwerkern hergestellt wurden. Man kann also echte Juwelen entdecken. Ich kann keine bestimmte benennen. Aber ich würde sagen, dass einige der ursprünglichen Seastrong Modelle, die Alpina 10, die originalen Superkompressor-Modelle und einige Modelle mit originalem „Bumper-Uhrwerk“ wirklich interessant sind. Nicht zu vergessen die schönen Taschenuhren aus den frühen Tagen von Alpina. Ich kann mich also nicht auf eine festlegen.

Alpina Chronometer, 1912


Auch dieses Jahr dreht sich Alpina um das Thema Wiederverwendung – allerdings anders als bisher. Anlässlich ihres Jubiläums lancierte Alpina die Alpiner Heritage Carrée Mechanical 140 Years mit einem Originalkaliber von 1938. Schauen wir uns die zwei Ausführungen des limitierten Zeitmessers einmal genauer an. 

Was für ein Zufall: Die Entwicklung der Alpiner Heritage Carrée Mechanical 140 Years

Manches gerät in Vergessenheit, um zum richtigen Zeitpunkt wiederaufzutauchen. So geschah es auch mit dem Uhrwerk der Alpiner Heritage Carrée Mechanical 140 Years. Wie der Zufall es wollte, sollte ein Anruf das Kaliber AL-490 wieder mit seinem Hersteller vereinen. Alpinas Brand Manager Oliver van Lanschot Hubrecht erzählt: 

„Vor etwa drei Jahren wurde ich von jemandem kontaktiert, der sagte, er habe originale 490er-Uhrwerke bei einem Einzelhändler gefunden, der ein Service-Center in der Schweiz hatte und sein Geschäft schließen wollte. Er rief mich also an und sagte: ‚Die Uhrwerke sind perfekt. Wären Sie daran interessiert?‘ Ich sagte: ‚Klar, schicken Sie mir eins. Ich will es mir ansehen.‘ Ich war mir nicht sicher, was ich empfangen würde. Aber ich erhielt ein wunderschönes kleines Uhrwerk, noch im Original-Papier verpackt. Toll! Ich ließ es von einem Uhrmacher überprüfen, der sagte: ‚Die Werke sind neu und völlig unbenutzt.‘ Natürlich kaufte ich die ganze Menge und sagte, dass das etwas wäre, aus dem wir etwas ganz Besonderes machen sollten. Es gab keine bessere Gelegenheit, als dieses Uhrwerk für das 140-jährige Jubiläum zu nutzen und es in eine neue Uhr zu integrieren.“

Alpina Kaliber AL-490

Wohl kaum ließe sich ein Jubiläum besser feiern als mit einem Jubiläumsmodell, das im wahrsten Sinne des Wortes ein Stück Geschichte enthält. In diesem Fall handelt es sich um das Kaliber AL-490, das unter der Nummer 158882 als Patent registriert wurde. Es bildet das handaufgezogene Herzstück der zwei, auf jeweils 14 Stück limitierten, Mikroserien der Alpiner Heritage Carrée Mechanical 140 Years. Das Kaliber selbst wurde schon 1921 von einem Unternehmen der Alpina Gruppe für Alpina entwickelt. Allerdings kam es erst 1938 auf den Markt und seine Produktion wurde laut Maillard vermutlich aufgrund von Automatikwerken eingestellt. 

Das Uhrwerk zeichnet sich durch seine unübliche rechteckige Form und den dadurch ungewöhnlich gestreckten Anker aus. Denn meist waren die bei einem eckigen Gehäuse verbauten Kaliber rund. Neben Alpina, stellten auch Omega und Longines solche eckigen Uhrwerke her. Das Kaliber AL-490 arbeitet mit einer Frequenz von 2,5 Hz. Es besitzt drei Brücken mit abgeschrägten Kanten, ein Sperrrad mit Sonnenschliff sowie eine patentierte Krone mit Staubschutz. Für die damalige Zeit besonders, lag die Gangreserve bei 42 Stunden. 

Damals kam das Uhrwerk in verschiedenen Gehäusen zum Einsatz, darunter einem patentierten, rostfreiem Stahlgehäuse und einem Goldgehäuse mit zwei Dichtungen zum Schutz vor Wasser. Auch die Zifferblätter waren unterschiedlich, doch es gab – typisch für die 30er Jahre – immer ein Hilfszifferblatt bei 6 Uhr und Radium-Zeiger für eine verbesserte Sichtbarkeit. Die restaurierten Uhrwerke haben heute in einem hochglanzpolierten rechteckigen Silbergehäuse mit einem offenen Gehäuseboden aus entspiegeltem Saphirglas eine neue Heimat gefunden. Dieses misst 29,5 x 35,7 mm. 

Alpina Heritage Carrée Mechanical 140 Years mit silberfarbenem Zifferblatt

Trotz des gleichen Gehäuses unterscheiden sich die beiden Varianten der Alpiner Heritage Carrée Mechanical 140 Years in der Ausführung des Zifferblattes. Das Modell der einen Serie hat ein schwarz gestaltetes Zifferblatt, während die andere ein silberfarbenes Zifferblatt mit einem cremefarbenen Minutenring besitzt. Auf dem schwarzen Zifferblatt befinden sich beige arabische Ziffern mit einer kreisförmigen kleinen Sekunde. Das silberne Zifferblatt zieren hingegen schwarze arabische Ziffern in einer aufrechten Schrift und eine quadratische kleine Sekunde. Eine sogenannte Chemin de fer-Minuterie, Eisenbahnminuterie, umgibt beide Zifferblätter. Zudem tragen beide Ausführungen das Alpina Logo der 1930er Jahre und besitzen zwei schmale Zentrale Zeiger, in Beige für die schwarze Variante und in Schwarz für die silberne Version. 

Alpina Heritage Carrée Mechanical 140 Years mit schwarzem Zifferblatt

Sowohl die silberne als auch die schwarze Ausführung haben ein hellbraunes Straußenlederarmband mit weißen Vintage-Nähten und einer Dornschließe. Beide Varianten sind für den Preis von 4.995 Euro erhältlich und kommen in einer eigens dafür entworfenen, gravierten Box. 

Gab es noch ein paar lustige Fakten über die Modelle selbst oder sogar über die Kaliber? Oder war es, wie Sie sagten, reiner Zufall, dass sich jemand bei Ihnen meldete und sagte, „Ich habe gerade diesen Schatz gefunden“?

Ich werde regelmäßig von Leuten kontaktiert, die Vintage Alpina-Uhren oder Uhrwerke finden. Es ist ziemlich aufregend, an solchen Projekten mit all den Forschungsaspekten arbeiten zu können und Schätze aus unserem Erbe zu entdecken. Die Möglichkeit, eine große Anzahl ein und desselben Uhrwerks zu finden, das sich in einem so guten Zustand befindet, bietet sich jedoch nicht jeden Tag. Wir hatten also riesiges Glück, das zu haben. Aber vielleicht nimmt durch diese Geschichte und vielleicht durch Ihren Artikel und die Berichterstattung, die wir durch dieses Ereignis bekommen werden, jemand den Hörer in die Hand und sagt: „Ich habe da etwas, und ich habe keine Ahnung, was ich damit machen will, was ich damit machen kann. Vielleicht sind Sie ja interessiert.“


alpinawatches.com