Ein Konzept mit Sprengkraft: der sonderbare Fall der Christie’s Passion for Time Auktion
Am 6. November fand bei Christie’s die Versteigerung statt, die das Auktionshaus als eine der bedeutendsten Privatsammlungen bezeichnete, die es je versteigert hat. Außergewöhnlich selten, möglicherweise einzigartig: So lässt sich die beeindruckende Sammlung von Mohammed Zaman, einem Sammler aus dem Sultanat Oman, am besten beschreiben, die er in den letzten 40 Jahren zusammengetragen hat. Darin begründet sich auch die besondere Seltenheit der Christie’s Passion for Time Auktion, denn sie ist das Werk eines einzigen Sammlers, der die Uhren nach seinem Geschmack und seiner Wertschätzung gegenüber den Uhrmachern zusammengestellt hat. Das Ergebnis ist eine diversifizierte Kollektion von Uhren, die fast einen mythischen Status innehaben, wie die Rolex GMT-Master, die von Marlon Brando im Film „Apocalypse Now“ getragen wurde, oder Philippe Dufours Meisterwerk Grande et Petite Sonnerie, die erste Armbanduhr mit Grande Sonnerie.
Der Sammler aus dem Sultanat Oman, Mohammed Zaman
Verwirrung in letzter Minute
So wartete ich, wie viele andere auch, pünktlich um 10 Uhr am 6. November im Livestream, um die mit Spannung erwartete Passion for Time Auktion nicht zu verpassen. Doch Christie’s lies fast eine Stunde auf sich warten – so weit, so gut. Als die Auktion jedoch dann schließlich begann, wurde mitgeteilt, dass die Lose nun Gegenstand einer Garantievereinbarung mit einer unbekannten dritten Partei sind, und die Schätzwerte nun dementsprechend korrigiert wurden. Diese neuen Schätzwerte wurden live aktualisiert und auch vor jedem Los angekündigt. Dabei fiel sofort auf, dass die Schätzwerte der Lose für nahezu jede Uhr nach oben korrigiert wurden, manchmal um mehrere Zehntausende. Während der kumulierte ursprüngliche niedrigere Schätzwert aller Armbanduhren bei CHF 18.630.000 lag, belief sich der aktualisierte niedrigere Schätzwert jetzt auf CHF 28.745.500. Um es nochmal zu verdeutlichen: das macht eine durchschnittliche Erhöhung der niedrigsten Schätzwerte von 54,30 % aus. Noch fraglicher wird die Änderung, wenn man sich vor Augen hält, dass die ursprüngliche Höchsteinschätzung der Lose 33.995.000 CHF betrug.
Der Schätzwert dieser Rolex Oyster Perpetual „Stelline“ wurde von CHF 1 bis 2 Millionen auf CHF 1,8 bis 2,8 Millionen aktualisiert
Um zu verstehen, wie es zu dieser enormen Preisänderung gekommen war, wandte ich mich schon kurze Zeit nach der Auktion an Christie’s. Auf meine Frage hin, warum der aktualisierte Schätzwert so stark von der ursprünglichen Schätzung des Christie’s Passion for Time-Katalogs abweicht, antwortete Christie’s: „In letzter Minute meldete sich ein Dritter, der bereit war, für die Auktion zu bürgen, was uns vor der Auktion mitgeteilt wurde. Da die Werte, die die dritte Partei garantieren wollte, höher waren als die niedrigen Schätzungen des Katalogs, mussten wir sie auf ihre Werte korrigieren, um sie transparent zu kommunizieren.“ Diese Stellungnahme warf bei mir jedoch mehr Fragen auf, als sie beantwortete. Warum sollte die dritte Partei einen Betrag garantieren wollen, der höher ist als die niedrigsten Schätzungen von Christie’s, welchen Vorteil könnte sie daraus ziehen?
Garantie? Kein Problem!
Bevor ich mich mit der Frage befasse, welchen Vorteil die Garantie dem Dritten bieten könnte, möchte ich näher darauf eingehen, warum eine solche Bürgschaft überhaupt nötig wurde. Auf den ersten Blick sind Garantien eine kluge Möglichkeit, um das Verlustrisiko zwischen dem Auktionshaus (Christie’s) und dem Verkäufer (Herr Zaman) der einen Mindestpreis für seine Armbanduhren erhält, zu minimieren. Hierbei verpflichtet sich eine dritte Partei, ein unwiderrufliches Gebot für die Lose abzugeben – dies wird als Drittparteigarantie bezeichnet. Falls keine weiteren Gebote eingehen, ist somit garantiert, dass der Verkäufer einen Mindestpreis erhält, unabhängig vom Ausgang des Verkaufs.
Mehr Risiko bedeutet mehr Gewinn
Um zu verstehen, welchen Nutzen die dritte Partei daraus ziehen könnte, müssen wir uns vor Augen halten, dass Dritte Parteien oftmals Einzelpersonen oder Interessengemeinschaften ausmachen, die ein eigenes finanzielles Interesse verfolgen. Der Bürge wird, wie bei Christie’s auch, für die Übernahme des Risikos entschädigt. In den meisten Fällen basiert die Vergütung des Dritten auf einer festen Vergütungsgebühr, oder falls das Los zu einem höheren Preis verkauft wird, auf einem Teil des Gewinns. In dieser Tatsache findet sich auch die Antwort auf die Frage, warum die dritte Partei bereit war, mehr zu garantieren als die niedrigsten Schätzungen von Christie’s: Je mehr Risiko eine dritte Partei übernimmt, desto höher ist die potenzielle Entschädigung.
Das berüchtigte Los 1013
Während der Auktion ereigneten sich eine weitere Abfolge von Ereignissen, die Fragen aufwarfen. Etwa 70 Prozent der Lose wurden zu den revidierten niedrigen Schätzungen verkauft und viele davon gingen an dasselbe Los mit der Nummer 1013. Die Vermutung liegt nahe, dass entweder der Dritte selbst oder eine Person aus seiner Interessengemeinschaft hinter diesem Los stand. Am Tag der Auktion ist es dem Bürgen nämlich gestattet, ein höheres als sein unwiderrufliches schriftliches Gebot für das Los abzugeben. Der Dritte ist zwar verpflichtet, Christie’s sein finanzielles Interesse an einem Los und denjenigen, die er zu dem Los berät, offenzulegen, doch ist ungewiss, ob dies tatsächlich stattgefunden hat.
Die Rolex GMT-Master von Marlon Brando ist ein Paradebeispiel für diese Vorgänge. Sie wurde von Brando während der Dreharbeiten zu Francis Ford Coppolas Kultfilm „Apocalypse Now“ von 1979 getragen und wurde im ursprünglichen Katalog auf 1.000.000 – 2.000.000 CHF geschätzt. Nach der Drittparteigarantie belief sich die aktualisierte Schätzung auf 3.750.000 – 6.500.000 CHF. Auch sie erzielte schließlich mit einem Gesamtpreis von 4.582.500 CHF, einen Betrag, der die korrigierte niedrige Schätzung zuzüglich Gebühren deckte.
Der Schätzwert der Rolex GMT-Master von Marlon Brando wurde von CHF 1,0 bis 2,0 Millionen auf CHF 3,750 bis 6,5 Millionen aktualisiert
Ein Konzept mit Sprengkraft
Garantien sind im Kunstmarkt schon seit Jahren ein heiß diskutiertes Thema und bergen als eine Mischung aus Risikoabsicherung für das Auktionshaus und Spekulation für den Dritten und andere Bieter ein Konzept mit reichlich Sprengkraft. Aus dieser Mischung resultieren allerdings mehrere Probleme. Das Konzept der Garantie sorgt dafür, dass das Los (in diesem Fall die Armbanduhr) auf ein Spekulationsobjekt reduziert wird, dass seinen Wert nicht über Seltenheit, Zustand oder historischem Wert definiert, sondern darüber, wie viel Profit damit generiert werden kann. Die Garantie präsentiert sich dabei als perfekte Investitionsmöglichkeit: kauft ein Bürge ein Los, erhält er vom Auktionshaus eine Finanzierungsgebühr und zahlt daher weniger für das Los als alle anderen Mitwerber. Und sollte ein anderer Bieter das Wunschobjekt kaufen, verdient der Dritte dennoch daran. Das Worst-Case-Szenario wäre allerdings, wenn das Los nicht verkauft wird – dann bleibt er womöglich auf einem Los sitzen, dass er nicht wollte.
Der Schätzwert der George Daniels Platinum Anniversary No. 00 wurde von CHF 1,2 – 2,4 Millionen auf CHF 1,5 – 2,8 Millionen aktualisiert
Dazu kommt, dass die dritte Partei die von ihnen zugesagte Garantie und dessen Bedingungen kennt, und sich deshalb in einer Art Monopolstellung befindet, die im Umkehrschluss zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen führen kann. Insgesamt könnten all diese Vorgänge dafür sorgen, dass der Markt für Armbanduhren verzerrt und die Preise künstlich in die Höhe getrieben werden.
Eine bekannte Taktik
Die Taktik, die Garantie in letzter Minute zu verkünden, ist ebenfalls nicht neu. Dieses Vorgehen dient dazu, die Intransparenz zu erhöhen und gegebenenfalls andere Bieter mit Informationen zu überfluten. Christie’s hätte gut daran getan, eine Frist zu setzen, damit es nicht kurz vor der Auktion zu unerwarteten höheren Schätzungen kommt. Wie in den „Geneva Conditions of Sale Buying at Christie’s“ geschrieben steht, besteht die Möglichkeit, Lose, die einer Garantievereinbarung unterliegen, im Katalog bereits vor der Auktion mit einem bestimmten Symbol zu kennzeichnen. Dies war beim originalen Katalog der Christie’s Passion for Time Auktion nicht der Fall und hätte in diesem Fall erheblich zu verbesserter Transparenz beigetragen.
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