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Interview mit dem Patek Philippe Präsidenten Thierry Stern und der Wempe Geschäftsführerin Kim-Eva Wempe

Interview mit dem Patek Philippe Präsidenten Thierry Stern und der Wempe Geschäftsführerin Kim-Eva Wempe

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Patek Philippe hat nun zwei Fontänen


Eine sehr persönliche Begegnung mit Patek Philippe Eigentümer Thierry Stern und Kim-Eva Wempe, der geschäftsführenden Gesellschafterin der Gerhard D. Wempe GmbH & Co. KG, anlässlich der Eröffnung der neuen Patek Philippe Boutique an der Hamburger Binnenalster.

Patek Philippe betreibt nur drei Salons auf der Welt: Einen am Gründungssitz in Genf, einen in Paris und einen in London. Aus guten Gründen, wie Eigentümer Thierry Stern in diesem Interview erklärt. Doch die neue Dependance in Norddeutschland ist anders, das spürte jeder der 120 geladenen Gäste anlässlich der offiziellen Einweihungsfeier. Der deutlich zu vernehmende Kommentar von Thierry Stern beim Erreichen des oberen Stockwerks mit großen Panorama-Fenstern auf die Fontaine der Binnenalster spricht Bände: Wow.

Die neue von Wempe betriebene Boutique in Hamburg sprengt wirklich die Vorstellung dessen, was man bisher bei Patek unter dem Begriff Boutique kannte. Sie zählt, auch, wenn das nur unter vorgehaltener Hand gesagt wird, mit zu den größten Boutiquen auf der Welt. Verdreifachte Verkaufsfläche zum Vorläufer, verteilt über zwei Stockwerke, zwei Hausnummern neben dem Apple Store, empfangen die Genfer nun unter Hamburger Führung auf üppigen 230 Quadratmetern Kunden so prominent an der Alster, dass der Blick auf die Fontaine einen unweigerlich an das berühmte Mutterhaus am Genfer See denken lässt. 1000 Kilometer weiter nördlich fühlt man sich im ersten Stock dabei wie in einem stylischen New Yorker Loft. Diese Boutique vermittelt ein Gefühl von Weltläufigkeit, die Hamburgs erste Einkaufsstraße, den Neuen Wall, auf ein nächstes Level hebt.

Zurab Zazashvili, Kim-Eva Wempe, Thierry Stern
Fotocredit © Patrick Möckesch

Ein anderes Level ist auch das Gespräch mit den beiden Vollblut-Familienunternehmern, die Swisswatches zum Gespräch bat: Ein persönlicheres, ehrlicheres Interview über den Status Quo der Schweizer Uhrenbranche haben wir in den letzten Jahren nicht erlebt. Kein Thema wurde ausgelassen, sei es das schwierige der Nachfolgeregelung familiengeführten Häusern wie Wempe und Patek, sei es das Thema Hype um begehrte Modelle und die damit verbundene geringe Verfügbarkeit bestimmter Modelle, oder auch um das durch Rolex angestoßene Thema von Certified Pre-Owned Watches. Aber lesen Sie selbst.


Glückwunsch zur neuen Boutique! Wie geht es heute Patek Philippe nach dem Krisenjahr im Jahr 2020, in dem Sie rund 20 Prozent Umsatz einbüßen mussten?


Thierry Stern: Es geht uns ziemlich gut. Ich glaube, was uns in der Krise wirklich geholfen hat, war, dass wir viel mit lokalen Kunden gearbeitet haben, das war der Schlüssel zum Erfolg. Und das ist schon seit einigen Jahren unsere Strategie. Das war und ist mein erklärtes Ziel. Und deshalb habe ich mir, um ehrlich zu sein, keine allzu großen Sorgen gemacht. Man darf nicht vergessen, dass unsere Stückzahlen im Vergleich zur Nachfrage so gering sind, dass ich am Ende des Tages fast nichts verloren habe. Die meisten Kunden vor Ort waren glücklich, weil sie die Geschäfte fast ganz für sich selbst hatten. Ja, wir mussten die Produktion zeitweise einstellen, aber die Boutiquen konnten immer noch ausliefern, und damit waren wir sehr zufrieden. Natürlich war es kein Rekordjahr, aber für mich war es auch kein schlechtes Jahr. Und wir haben uns auch die Zeit genommen, an all den Dingen zu arbeiten, für die wir vorher keine Zeit hatten.

Neueröffnung Patek Philippe Hamburg
Fotocredit © Patrick Möckesch


Die Luxus-Uhrenbranche ist seit Jahren erfolgsverwöhnt. Hat Sie Covid unvorbereitet getroffen?


Thierry Stern: Ich war immer darauf vorbereitet, dass eines Tages Herausforderungen auf mich zukommen würden. Mein Vater hat mich gelehrt, dass, wenn Schwierigkeiten aufziehen, man den Vorteil nutzen und an anderer Stelle weiterarbeiten sollte. Und genau das haben wir getan: Wir haben diese Zeit genutzt, um an unseren Prozessen zu arbeiten, was die Organisation betrifft.

– Wie geht es Wempe, Frau Wempe? 

Kim-Eva Wempe: Ich kann mich den Worten von Thierry nur anschließen, definitiv. Wempe hat ja eine ganz besondere Rolle in Deutschland, hier sind wir traditionell sehr stark, wo wir seit nunmehr fünf Generationen im Geschäft sind. Und wir haben sehr viel Glück gehabt in der Covid-Krise, denn auch wenn wir uns manchmal über Deutschland beschweren: Am Ende ist es ein wunderbares Land und gut organisiert, was Krisen angeht. Das macht die Menschen zuversichtlich, und das ist es, was wir brauchen. Denn erst wenn unsere Kunden nicht mehr zuversichtlich wären, hätten wir ein Problem.


Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass ich Batterien von Uhren wechseln musste.

– Thierry Stern

Wie ist die Zusammenarbeit der beiden Unternehmen genau zustande gekommen? 


Kim-Eva Wempe: Alles begann mit meinem und Thierrys Großvater. Und ich hatte die Gelegenheit, als junge Frau ein Praktikum bei Patek machen zu können und mein Sohn hat diese Chance nun ebenfalls bekommen, bei Patek Philippe zu arbeiten. Und als er am letzten Tag ging, hast du, Thierry, ihm die Kopie des Originals der ersten an Wempe gelieferten Uhr aus dem Jahr 1929 gegeben. 

Thierry Stern: Auch ich habe diese Erfahrung gemacht zu Beginn meiner Karriere wie Kim-Eva und ihr Sohn und absolvierte ein Praktikum, allerdings in Frankfurt bei Wempe. Und für mich war es ebenso beeindruckend, in einem Geschäft anzufangen und dafür mein Zuhause verlassen zu müssen und ganz allein zu bleiben und plötzlich mit anderen Leuten in einer anderen Sprache zu kommunizieren und zu arbeiten. Ich erinnere mich noch sehr gut daran, dass ich Batterien von Uhren wechseln musste. Es waren Movado-Uhren. Wenn man zu stark drückte, sind die Uhren kaputt gegangen. Ich muss gestehen, ich habe ein paar von ihnen zerbrochen. Ein anderes Mal musste ich Blumen für Kim holen, die zu Besuch war, Ich war noch sehr jung. Also ging ich mit diesem riesigen Strauß Blumen durch die Stadt. Alle starrten mich an. Das war ein wichtiger Zeitraum in meinem Leben, denn damals begann ich nicht nur die Beziehung zwischen Wempe und Patek zu verstehen, sondern auch die Beziehung zwischen einem Einzelhändler und seinen Endkunden. Das war ja auch der Grund, warum ich dort war, um das zu lernen. Ich bewahre diese Erfahrung bis heute. Es ist schön zu sehen, dass unsere Kinder jetzt ihre Karriere anfangen, genauso wie wir damals. Das ist ein Kreislauf und gerade in zwei Familienunternehmen wie unseren ist es sehr wichtig, diese Beziehung zur Ausbildung aufrechtzuerhalten, denn nur so lernt man. Es ist wichtig, denn wenn sie in unsere Fußstapfen treten und wenn wir erwarten, dass sie noch besser werden als wir, braucht man Zeit. Dann können wir uns zurückziehen und entspannen, oder Kim-Eva? (Lacht)


Hellmut Wempe ist kürzlich mit 90 Jahren verstorben. Unser herzliches Beileid. Was hat Sie beide am meisten im Geschäftsleben Ihrer Väter beeindruckt und was konnten Sie von ihnen lernen?


Kim-Eva Wempe: Danke, ja, er wurde 90 Jahre alt und hatte ein wunderbares Leben. Was mich sehr geprägt hat, war sein Pflichtgefühl, das er von seinem Vater geerbt hatte. Er wollte eigentlich Journalist werden und die Welt bereisen, was er schließlich auch getan hat, aber anders als er sich das für seine Lebensplanung vorgestellt hatte. Er hatte seinem Vater versprochen, dass er, wenn sein älterer Bruder nicht aus dem Krieg zurückkehren würde, das Familienunternehmen selbst führen würde. Und genau das hat er getan. Ich weiß, dass er glücklich geworden ist. Er gab uns den Leitspruch mit: „Denkt nicht immer nur mit dem Kopf und habt nicht nur die Zahlen im Blick, hört auch auf euer Bauchgefühl.“

Thierry Stern: Es geht darum, wie man eine Strategie beibehält, die Kim und mein Vater beim Aufbau ihrer Unternehmen verfolgten. Das ist nicht leicht. Wissen Sie, sie waren nicht die Gründergeneration, aber sie waren die Generation, die wirklich damit begonnen hat, unsere Unternehmen auf das höchste internationale Level zu heben. Und um das zu erreichen, muss man meiner Meinung nach eine sehr klare und eindeutige Strategie haben. Und genau das hat mir mein Vater auch beigebracht, nämlich immer bei der Sache zu bleiben, sich auf das zu konzentrieren, was man kann und nicht zu versuchen, zu sehr und zu früh zu diversifizieren und alles zu schnell zu machen. Wenn man jung ist, erwartet man immer, dass alles sehr schnell geht. So funktioniert das Geschäft aber nicht. Man kann Menschen nicht in fünf Minuten verändern. Und genau das hat mir mein Vater beigebracht. Es ging immer um die Menschen – das Produkt, ja das habe ich dann später auch gelernt, so viel ist sicher. Aber gerade was die Strategie und den Umgang mit Menschen anbelangt, war es meiner Meinung nach sehr wichtig, dass unsere Eltern uns das persönlich beigebracht haben. Er sagte mir: „Du musst meinen Schritten folgen, aber du musst auch deine eigenen hinzufügen. Weißt du, die DNA der Marke ist da, aber deine DNA wird eines Tages ein Teil davon sein.“ Das war eine sehr gute Art, mich zu motivieren. Es geht nicht nur darum, nur etwas zu wiederholen, sondern darum, etwas hinzuzufügen.


Sie haben beide Kinder in dem Alter, in dem man über die Übergabe des Unternehmens sprechen kann. Was würden Ihre Kinder anders machen, wenn sie jetzt das Zepter in die Hand nehmen würden?


Kim-Eva Wempe: Bei unserem Jahrestreffen mit allen Geschäftsführern und Abteilungsleitern habe ich meine Kinder beobachtet, als sie über ihre Projekte sprachen und mir gedacht: Wow, das ist großartig. Mein Sohn und meine Tochter sind ja bereits im Unternehmen und haben Aufgaben übernommen mit 24 und 26 Jahren. Aber ich habe nie gesagt, sie müssten das machen. Wenn sie es nicht gekonnt hätten, hätten wir zusammen entscheiden müssen: Nein, du bist nicht der oder die Richtige für das Unternehmen. Denn man hat eine enorme Verantwortung auch dem Unternehmen, den Mitarbeitern und den Kunden gegenüber, nicht nur gegenüber der Familie. Ich denke, das gilt auch für dich, Thierry. Wir müssen alles für die Firma tun und gleichzeitig die Kinder glücklich machen. Aber meine Kinder scheinen Wempe wirklich zu lieben, was mich sehr stolz macht. Deine Kinder haben ja noch ein bisschen Zeit, Thierry?

Thierry Stern: Ja, das stimmt. Doch was werden sie anders machen? Nicht viel, denn das müssen sie erst noch lernen. Meine eigenen Erfahrungen, als ich jung war, geben mir heute die Möglichkeit zu sagen: Okay, ich erinnere mich, wie ich war. Ich weiß noch, was ich gemacht habe, was gut war, was vielleicht schwächer war. Derzeit versuche ich, wirklich eine Strategie zu entwickeln, um sie zu trainieren. Und diese Strategie wende ich auch für Einzelhändler an, die auch Kinder haben wie Kim-Eva, wenn deren Kinder vielleicht zum Training zu Patek Philippe kommen. Sie alle sollten ein paar Modelle wirklich im Detail kennenlernen, dann den Handel, die Produktion und natürlich das Retailgeschäft. Es ist sehr wichtig, ihre Zukunft mit einem sehr klaren Plan aufzubauen, denn sonst wären sie nur die Tochter oder der Sohn von Frau Wempe oder von Herrn Stern. Das ist gefährlich. Denn sie müssen beruflich auf eigenen Füßen stehen. Ich arbeite daran, das zu optimieren und werde sehen, ob es ihnen gefallen wird. Schauen wir mal!


Das klingt sehr hart, zu sagen, dass das Unternehmen Priorität vor den Kindern hat.


Thierry Stern: Das mag sein, aber sehr viele Menschen verlassen sich 100-prozentig auf unsere Unternehmen. Wenn Kim-Eva Wempe verkaufen würde oder ich Patek Philippe, wäre das für viele eine Katastrophe. Diese Priorisierung ist sehr wichtig für die Zukunft unserer Firmen. Also müssen wir damit leben und ich denke, Kim hat vollkommen Recht. Ja, es ist in gewisser Weise schwierig zu sagen, dass die Priorität das Unternehmen genießt. Natürlich sind die eigenen Kinder auch immer die Priorität. Aber ich meine, wenn sie in das Unternehmen einsteigen, müssen sie verstehen, dass sie die Verantwortung für ein paar hundert oder tausend Menschen tragen. Das ist sehr wichtig. Und das ist vielleicht der erste Schritt, den man seinen Kindern erklären muss. Wenn sie dazu bereit sind, dann können wir ihnen natürlich ungemein helfen mit all den Ressourcen, die wir haben. Aber der Respekt für die Menschen im eigenen Unternehmen ist wirklich entscheidend. Mit großem Ego funktioniert das nicht. Und wir werden eines Tages genau wie unsere Eltern zu ihnen gehen und sagen: Ihr müsst dies und das und jenes tun, und sie werden sagen: Ja, Papa, mach mal langsam, wichtig ist, dass sie eine freie Entscheidung treffen können. Sie haben wie wir alle nur ein Leben, also sage ich immer: Genieß es lieber!


Eine Diversifizierung hin zum Händler könnte für mich gefährlich sein. Ich brauche 100% meiner Kapazitäten, um gute Uhren zu kreieren.

Thierry Stern

Was hat es für einen Vorteil, dass Sie ihre Boutiquen als Joint Venture mit einem Händler betreiben im Vergleich dazu, wenn Sie es alleine machen würden?


Thierry Stern: Dann bekomme ich auch viel mehr Probleme. Mein Job ist es, Uhren zu kreieren, zu entwickeln und herzustellen. Das ist es, wofür ich gemacht bin. Das ist es, was ich mag. Das ist es, was ich gelernt habe. Der Einzelhandel tickt anders. Wir haben drei eigene Geschäfte, unsere Salons, aber aus einem besonderen Grund: Das Genfer Geschäft ist natürlich historisch bedeutsam an unserem ehemaligen Firmensitz. Paris haben wir in einer Zeit eröffnet, als das damals niemand machen wollte, um ehrlich zu sein. Und London, das ist das einzige, woran ich mich erinnere, dass mein Vater mir sagte, dass wir dort ein Geschäft haben sollten. Ich habe nie mit meinem Vater über irgendein anderes Geschäft in der Welt gesprochen. Ich weiß nicht, warum, aber er sagte immer, London sei der Schlüssel. Er hatte damit absolut Recht.

Ansonsten ist es für mich wichtig, mit den besten Einzelhändlern zusammenzuarbeiten, und das ist ein großer Vorteil, weil die ihre Kunden kennen und wissen, wie man denen etwas verkauft. Und Firmen wie Wempe wissen auch, wie man solche Boutiquen baut, schöne Orte wie diesen in Hamburg und auch, die passenden Leute zu finden, den Geschäftsleiter, Herrn Peters. Ich jedoch weiß, wie man eine schöne Uhr baut. Aber verlangen Sie nicht von mir, dass ich plötzlich hierherkomme und versuche, den besten Ort und die besten Leute zu finden. Das kann ich nicht. Und warum sollte ich das?

Mit einem Händler zusammenzuarbeiten bedeutet zwangsläufig, Marge abzugeben.

Thierry Stern: Ja, da haben Sie recht, man hat mehr Spielraum. Aber ist das wirklich wichtig? Für mich nicht. Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich schon habe. Ich habe keine Aktionäre, also kann mich niemand drängen. Ich ziehe es vor, unabhängig zu bleiben und schöne Uhren zu kreieren, damit Kim sie gerne verkauft. Eine Diversifizierung hin zum Händler könnte für mich gefährlich sein. Ich brauche 100% meiner Kapazitäten, um gute Uhren zu kreieren. Das werde ich beibehalten. Solange Händler schöne Orte wie diesen schaffen, ist das für mich vollkommen in Ordnung.


Mir hat der Amerika-Chef von Patek Philippe in New York einmal gesagt: Kim, ich brauche dich. Bitte, du musst die Kunden aufklären.

Kim-Eva Wempe

Kim-Eva Wempe: Für uns gilt das genauso. Wir haben den Kunden im Blick und das, was ihn glücklich macht. Und es waren mein Großvater und Urgroßvater, die die beste Auswahl, was die Qualität der Produkte betrifft, für ihre Kunden suchten und dazu den besten Service. Das hat uns stark gemacht. Mir hat der Amerika-Chef von Patek Philippe in New York einmal gesagt: Kim, ich brauche dich. Bitte, du musst die Kunden aufklären. Das ist es: Wir müssen den richtigen Kunden für das Produkt finden. Und manchmal müssen wir auch Kunden ablehnen.


Frau Wempe, Sie kaufen als Händler ja vorab auf der Genfer Uhrenmesse Watches & Wonders Uhren ein. Die Uhren von Patek sind in vielen Fällen so heiß begehrt, dass es nicht leicht sein dürfte, auch als Händler an die richtigen Stücke zu kommen. Unterscheidet sich der Prozess in der eigenen Boutique denn grundsätzlich von dem in Ihren Wempe Häusern?


Kim-Eva Wempe: Wie Sie wissen, ist die Stückzahl bei Patek nach oben begrenzt. Wir setzen uns gemeinsam nach Ländern zusammen und besprechen, wie viele Kunden wir für ein Produkt erwarten. Es gibt dabei eine Menge verschiedener Aspekte, die wir im Auge behalten müssen. Unsere Idee ist es nicht, einfach nur Produkte an Menschen zu verkaufen. Wir wollen den richtigen Kunden finden. Den begeisterten Sammler genauso wie den Kunden, der sich seinen Lebenstraum verwirklichen möchte.

Thierry Stern: Es ist nicht einfach, wenn man eine Boutique wie diese hat. Die Herausforderung besteht darin, dass die Kunden kommen und sagen: Oh, das ist eine Patek-Boutique. Also müssen die alle Produkte vor Ort haben, aber das stimmt nicht. Wir bemühen uns weltweit darum, dass in jedem Schaufenster immer Uhren zu sehen sind, denn vor nicht allzu langer Zeit war das wirklich eine Katastrophe, weil es nichts gab. Sie haben das sicher auch gesehen. Und es war nicht nur ein Problem von Patek, auch Rolex hatte das Problem, alle guten Marken hatten das. 

Daher bleibt das Wichtigste zunächst, dass der Kunde die Uhren sehen kann. Diese Uhren werden nicht direkt verkauft. Aber viele denken immer noch, es ist eine Patek-Boutique, also kann ich die Uhren viel einfacher und schneller haben. Das ist nicht wirklich richtig. Es ist nicht wirklich falsch. Da Wempe in eine solche Boutique viel investiert, denke ich, dass es logisch ist, dass sie hier mehr Uhren bekommen. Ich kann nicht sagen, dass sie 50 Prozent mehr haben werden als vorher, weil ich das nicht kann, ich habe diese Uhren schlicht nicht. Aber man muss auch seine Hausaufgaben machen. Das bedeutet, dass ich hier genügend Uhren zur Verfügung stellen muss, damit Wempe einen guten Umsatz erzielen kann und auch die Marke gut repräsentieren kann.

Auch bei Patek Philippe in der Boutique werden Kunden sich also gedulden müssen?

Thierry Stern: Natürlich werden wir Uhren zum Verkauf hier haben. Und natürlich werden wir das steigern. Aber auf der anderen Seite wissen alle, dass die weltweite Nachfrage enorm ist und die Produktion nicht nachkommt. Jeder Fan der Marke weiß das. Es wird also eine Herausforderung bleiben, allen, die zu uns kommen, höflich zu erklären, dass sie auf eine Nautilus warten müssen. Nein, ich kann sie heute ganz sicher nicht liefern. Aber bei allem, was selten und schön ist, hat man diese Herausforderung. Ich komme auf das zurück, was ich eingangs gesagt habe: Man braucht die richtigen Menschen, die in der Lage sind, mit den Kunden zu sprechen und ihnen diese Umstände zu erklären.

Kim-Eva Wempe: Die geeignetste Person für die Position des Geschäftsführers war Karl-Heinz Peters, der aus dem Geschäft da drüben kommt (deutet auf die andere Straßenseite, Sitz der Wempe Niederlassung am neuen Wall in Hamburg). Wir kennen unsere eigenen Kunden also sehr, sehr gut und kennen deren Geschichte. Ist er ein Uhrensammler, was weiß er über die Uhren. Und so bauen wir die Teams auf mit qualifizierten und passionierten Mitarbeitern. Jeder weiß hier genau, was er macht, sonst klappt das nicht bei der großen Nachfrage.


Aber auch Patek Philippe schränkt derzeit die Zahl der Standorte auf der ganzen Welt ein. Warum?


Thierry Stern: Ich habe in den letzten Jahren viele Türen geschlossen, nicht weil ich Lust dazu hatte. Nein. Sondern weil ich wusste, dass ich nicht genug Stücke haben würde. Ich kann meine Produktion nicht einfach so steigern. Und ich will es auch nicht, um ehrlich zu sein. Die einzige Möglichkeit, den Einzelhändlern zu helfen, war also leider, einige von ihnen zu schließen, um den anderen zu helfen, ein bisschen mehr Uhren zu haben. Auch für uns war das eine sehr schwere Entscheidung. Außerdem muss man mit einem solchen Standort auch einen gewissen Umsatz machen.

Wie Sie sehen, hat Wempe hochprofessionelle Mitarbeiter, die auch ein gutes Gehalt verdienen sollen und ich habe immer dafür gekämpft, dass die Gewinnspanne für Einzelhändler gut bleibt. Ich möchte nicht so sein wie einige Gruppen, die vielleicht etwas härter sind und deren Gewinnspanne vielleicht derzeit zu gering ist. Ich bin in dieser Hinsicht nicht gierig. Ich denke, es ist eine faire Beziehung, die wir haben werden. Ich verdiene Geld, Händler müssen Geld verdienen, und der Kunde will auch glücklich sein. Meine Aufgabe ist es auch, den Wert der Uhr, die Kunden kaufen, zu schützen.

Ist das der Grund, warum sie immer wieder Produkte aus dem Sortiment nehmen?

Thierry Stern: Ja, genau das ist der Grund, warum wir manchmal Referenzen aus dem Programm nehmen. Das beste Beispiel ist sicherlich die Nautilus, aber ich habe es mit vielen anderen gemacht. Und warum? Weil ich weiß, dass sich Patek Philippe ständig weiterentwickeln muss. Ich will nicht eine Hero-Model-Marke sein. Und zweitens, weil so der Wert der Sammlungen unserer Kunden steigen wird. Und ich denke, es ist Teil meiner Aufgabe, ihnen dabei zu helfen. So einfach ist das


Nach welchen Kriterien schließen Sie Multi-Brand-Verkaufspunkte? Was ist entscheidend?


Thierry Stern: Wir haben immer mit Multibrand-Stores zusammengearbeitet und werden es weiterhin tun, wir ziehen uns nur aus Standorten zurück, die vielleicht nicht mehr am richtigen Ort sind. Vielleicht gibt es zu viele Händler mit unseren Produkten um sie herum oder vielleicht haben wir sie geschlossen, weil sie auch zu schwach waren. Es gibt viele Gründe. Heute ist das hier der angesagte Laden. Morgen funktioniert dieser Laden vielleicht nicht mehr. Ich kenne Beispiele auf der ganzen Welt, wo plötzlich die Kunden wechseln, eine Stadt sich verändert oder andere Straßen attraktiver werden.

Kim-Eva Wempe: Das erinnert mich an die Situation, die wir mit Patek Philippe in London hatten. Patek Philippe wollte eine eigene Location. Und du, Thierry, hast zu mir gesagt: „Kim, dein Vater hat den richtigen Ort gefunden, den besten Ort in London. Aber wir müssen hier selbst ein großes Projekt machen.“ Ich kann die Entscheidung nachvollziehen, obwohl ich verständlicherweise nicht sehr glücklich darüber bin. Ich betrachte aber immer beide Seiten.

Thierry Stern: Klar, wenn ich sehe, dass Wempe für einen alles aufbaut, ist es schwierig zu sagen, wir müssen etwas verändern. Aber ich muss auch die Marke Patek Philippe erhalten. Und nur wenn die Marke erhalten bleibt, floriert auch der Einzelhandel. Zum Glück haben wir eine langfristige Vision, anderen Marken ist das im Moment noch egal. Aber das halte ich für gefährlich.


Apple, sagten Sie Apple? Für mich ist es wirklich egal, ob Apple neben uns ist oder nicht.

– Kim-Eva Wempe

Ist es Zufall, sich genau neben eine der wertvollsten modernen Marken der Welt anzusiedeln, wie hier in Hamburg neben Apple?


Kim-Eva Wempe: Apple, sagten Sie Apple? Für mich ist es wirklich egal, ob Apple neben uns ist oder nicht. Der Neue Wall ist das Tor zur wertvollsten Straße der Stadt. Und wir lieben den Blick aus den großen Fenstern in der ersten Etage auf eines der Wahrzeichen Hamburgs, die Fontaine auf der Binnenalster. Es könnte keinen besseren Ort geben.

Thierry Stern: Es schadet jedenfalls nicht, in der Nähe von Apple zu sein. Die Frage erinnert mich an die Zeit, als es mit den elektronischen Uhren losging: Oh, was werden Sie jetzt tun? Die mechanischen Uhren würden aussterben. Alle unkten, die Apple Watch würde den Markt zerstören. Das Gegenteil war der Fall. Ich wusste es von Anfang an. Und wenn Sie sich all die Interviews ansehen, die ich gegeben habe, habe ich immer gesagt: Nein, es ist sehr cool, weil die jüngere Generation wieder anfängt, etwas am Arm zu tragen, egal ob es eine Apple Watch oder etwas anderes ist. Sie gewinnen wieder die Gewohnheit, Uhren zu tragen und nicht nur ein Telefon zu haben. Und das ist genau das, was passiert ist. Für mich ist es also keine Bedrohung. Ich denke, dass es uns vielleicht sogar hilft.

Wir haben viele Uhrensammler bei Swisswatches, die aus der Digitalbranche kommen.

Thierry Stern: Sie haben recht: Wir sind es, die ihnen helfen (lacht). Nein, im Ernst: Als ich in New York ein Treffen mit Kunden und Unternehmern hatte, waren viele Leute von Apple, Google und all diesen Firmen dabei. Und ich habe auf ihre Handgelenke geschaut: Sie trugen alle Patek Philippe! Und ich fragte: Meine Herren, erklären Sie mir das. Sie haben das iPhone entwickelt, Sie haben die Apple Watch entwickelt. Warum tragen Sie eine Patek Philippe? Und einer, ich glaube, er war von Google, stand auf und sagte: Wissen Sie was, ich glaube, ich kann für uns alle sprechen. Wir mögen Patek, weil uns das wieder auf die Erde zurückbringt. Es macht uns Freude, etwas zu sehen, von dem wir wissen, dass es mechanisch funktioniert. Es ist für mich auch fantastisch. Ich hätte mir vor 20 Jahren nie träumen lassen, dass ich auf dem Niveau von Apple in der gleichen Straße mitspielen würde, also das ist jedenfalls keine Tragödie. Das ist doch ganz schön!


Was kann die neue Hamburger Boutique, was andere Boutiquen nicht können?


Kim-Eva Wempe: Sie bietet ein umfassendes Markenerlebnis von Patek Philippe in einer entschleunigten und sehr privaten Atmosphäre mit einer ausreichenden Auswahl an Uhren. Doch es geht nicht um die Menge der Uhren, sondern vor allem darum, die Kunden, die oftmals Sammler sind, auch richtig zu empfangen. Wir haben gemeinsam eine Welt geschaffen, in der wir nun mit den Kunden auch individuelle Veranstaltungen durchführen können. Dort wird gefachsimpelt, sich ausgetauscht und unter Gleichgesinnten über das Lieblingshobby gesprochen. Wir schaffen personalisierte Kundenerlebnisse.

Thierry Stern: Es geht bei unseren Boutiquen um Vertrauen in die Marke. Der Kunde soll spüren, wie sich Patek entwickelt. Und das bedeutet, Boutiquen erzeugen Sicherheit. Es geht nicht nur um die Uhren, sondern eine langfristige Vision der Marke. Wenn man in ein solches Geschäft kommt, spürt jeder, dass es nicht nur irgendein Pop-up-Store ist, in dem man etwas kauft, das vielleicht sechs Monate hält. Die Tatsache, dass man an einen solchen Ort kommen kann, ist meiner Meinung nach sehr wichtig, weil es dem Kunden die Gewissheit gibt, dass es um eine langfristige Kundenbeziehung geht.

Die neue Patek Philippe Boutique in Hamburg
Fotocredit © Joern F. Kengelbach


In Hamburg mausert sich der Neue Wall, die berühmteste Einkaufsstraße, demnächst zur Uhrenstraße. Sehen Sie das eher als eine positive Entwicklung. Ist es gut, so viele Uhrengeschäfte in einer Straße zu haben?


Kim-Eva Wempe: Das ist eine sehr interessante Frage. Wir sind nicht davon überzeugt, dass Unternehmen, die Uhren produzieren, auch immer die besseren Betreiber von Einzelhandelsgeschäften sind. Vor allen Dingen aus der Kundenperspektive. Wenn der Kunde eine Auswahl an verschiedenen Marken haben möchte, dann möchte er auch eine Möglichkeit haben, an einem Standort eine kuratierte Auswahl an Uhren und Schmuck zu sehen. Er findet dort großartige und kompetente Verkaufsberater, die ihm die Vor- und Nachteile einer jeden einzelnen Marke erklären können. Jetzt muss er oftmals in mehrere Boutiquen gehen, alle Informationen aufnehmen und dann aus der Erinnerung heraus für sich eine Entscheidung für die Uhr treffen, die seinen Anforderungen und wünschen entspricht. Ich glaube, niemand hat die Kunden wirklich gefragt, ob sie das wirklich wollen.

Thierry Stern: Ich stimme mit Kim-Eva überein. Sie müssen wissen: Längst nicht alle Boutiquen sind rentabel. Es sieht immer einfach aus, wenn das Geschäft für alle gut läuft. Aber wenn schlechte Zeiten kommen, und die werden kommen, wird sich das ändern. Es ist nicht schlecht, wenn eine Marke eine Boutique macht. Warum auch nicht? Aber zu oft geht es nur darum, die volle Marge zu kassieren.


Als ich einmal nach China gereist bin, hatte ich 160 Uhren dabei. Das war alles. Und die sahen mich an und sagten: Dieser Typ ist verrückt. Er kommt mit 160 Uhren zu uns.

– Thierry Stern

Also bleiben Sie dabei, keine weiteren Salons außer Genf, Paris und London? Nicht mal Tokio oder New York?


Thierry Stern: Nein, nicht in Tokio und nicht in New York. Warum sollten wir auch nach New York gehen? Wempe ist dort, Tourneau ist dort und Tiffany. Der einzige Standort, um ehrlich zu sein, wäre vielleicht Indien. Viele Leute bitten mich, nach Indien zu gehen, aber ich habe keine Uhren. Aber da würde es Sinn machen, da wir dort nicht allzu viele Einzelhändler kennen. In so einem Fall wäre es besser, wenn wir es selbst machen würden. Aber ich hätte ja kaum Produkte! Eine Anekdote dazu: Als ich einmal nach China gereist bin, hatte ich 160 Uhren dabei. Das war alles. Und die sahen mich an und sagten: Dieser Typ ist verrückt. Er kommt mit 160 Uhren zu uns. Stellen Sie sich dann also Indien vor. Unseren Kunden geht es nicht um Quantität, sondern Qualität.


Wir haben in den letzten Jahren gesehen, wie Plattformen wie Instagram den Uhrenmarkt verändert haben und mit enormer Sichtbarkeit und Schnelligkeit Informationen verbreiten. Welche Rolle spielt diese zunehmende Digitalisierung bei Wempe und Patek Philippe?


Kim-Eva Wempe: Durch die digitale Kommunikation steigen die Kontaktpunkte mit einer Marke. Die Digitalisierung ist für Kunden, potentielle Neukunden und digital Natives elementarer Bestandteil der Customer Journey und daher sehr wichtig. Die Kunden möchten heute, bevor sie eine Uhr im Geschäft kaufen, viele Informationen im Vorfeld haben. Sie möchten Informationen über die neuesten Produktentwicklungen, über die Funktionsweisen eines mechanischen Uhrwerks, möchten an Insiderwissen partizipieren. Sobald die Entscheidung gefallen ist, eine Uhr zu kaufen, möchten sie die Uhr auch anprobieren und sich zum Beispiel die Funktionsweisen genau erklären lassen. Dafür ist und bleibt der stationäre Handel relevant.

Thierry Stern: Digitalisierung ist ein wichtiges Tool. Man sollte es aber nicht nur benutzen, um zu verkaufen. Das ist schwierig. Es ist ein Werkzeug für die nächste Generation. Die haben es gerne, und es ist gut, damit zu kommunizieren. Für mich geht es dabei mehr um Bildung. Es geht nicht darum, wirklich zu verkaufen. Ist es hilfreich? Ja, auf jeden Fall. Aber es ist ein weiteres Instrument, das Sie einsetzen können. Und es kostet inzwischen eine Menge Geld. Für mich ist es wichtiges Marketing.


Geschäfte mit gebrauchten Uhren zu machen ist nichts, was ich heute vorhabe.

– Thierry Stern

Große Marken beginnen derzeit mit dem eigenen Verkauf gebrauchter Uhren, Bucherer arbeitet mit Rolex am Certified Pre-Owned Programm. Unter welchen Bedingungen wäre das ein Modell für Patek Philippe und für Wempe, in dieses Geschäftsfeld gemeinsam einzusteigen?


Thierry Stern: Wir verkaufen heute neue Uhren. Nicht wenige, die eine Patek Philippe verkaufen wollen, gehen zu Auktionshäusern. Geschäfte mit gebrauchten Uhren zu machen ist nichts, was ich heute vorhabe. Es wäre auch sehr kompliziert, eine neue Patek Philippe mit einer alten zu vergleichen. Wie sollte ich damit umgehen: Gleiche Referenz, anderer Preis? Ich weiß aber auch, dass ich auch den Einzelhändlern Informationen dazu schulde, denn sie fragen mich, okay, was kann oder darf ich selbst tun? Das ist herausfordernd. Ich sage daher allen: Lasst uns noch ein bisschen warten und schauen wir uns an, wie es mit anderen Marken weitergeht. Und dann werden wir herausfinden, wie wir uns verhalten.


Aber ist der Druck nicht enorm hoch und die Chance nicht sehr verlockend, hier einzusteigen als so extrem begehrte Marke? 


Thierry Stern: Es mag paradox klingen, aber dringend ist für mich nur, nicht zu schnell zu handeln. Wir sind heute nicht bereit und willens, alle gebrauchten Uhren zurückzunehmen, sie zu reparieren und dann wieder zu verteilen. Denn das ist die entscheidende Frage: An wen? Welche Einzelhändler? Patek Philippe Händler oder womöglich an einen Nicht-Patek Philippe-Händler? 


Schauen Sie sich das Geschäft denn wenigstens an?


Thierry Stern: Bisher arbeiten wir weiter wie gewohnt: Wer eine neue Patek Philippe erwirbt, bekommt ein seltenes Stück. Die raren Vintage-Modelle gehen normalerweise zu Auktionshäusern wie Christie’s, Sotheby’s oder Phillips. Dorthin sollten sie auch gehen. Aber ich bleibe immer offen, auch weil ich weiß, wie viele Stücke wir insgesamt seit 1839 geschaffen haben. Und ja, natürlich lerne ich. Ich war gerade in Philadelphia, um Watchbox oder andere zu sehen, weil ich alles verstehen möchte. Und es ist sehr wichtig für mich, dass ich die richtige Strategie wähle, denn wenn ich falsch liege, kann das den Einzelhändlern schaden und auch dem Endkunden. Es ist also eine große Herausforderung. Und um ehrlich zu sein, kann ich noch nicht abschätzen, wie schwer es sein wird, all diese Uhren zu reparieren. Dazu braucht man eine Menge Uhrmacher und Polierer.

Der Markt der Uhrmacher ist wie leergefegt!

Thierry Stern: Da hilft nur noch Klonen (lacht). Ein gutes Unternehmen wie unseres hat es einfacher, dass die Leute bereit sind, für uns zu arbeiten. Für neue Uhrmacher gibt es tolle Schulen und dann haben wir auch eine interne Schule bei Patek, in der wir unsere eigenen Uhrmacher ausbilden: Wir haben eine in Singapur, eine in München, in New York und in China, wo wir jeweils 6 bis 8 Uhrmacher ausbilden. Wir investieren hier massiv. Bei Rolex spricht man ja von bis zu 500 Uhrmachern, die gesucht werden. Wir haben jedenfalls das Ziel, die besten zu finden, diejenigen, die in der Lage sind, besonders schöne und seltene Stücke anzufertigen, Menschen, die auch einen Chronographen oder eine Minutenrepetition herstellen können.

Kim-Eva Wempe: Wir benötigen Uhrmacher nicht nur für Uhren von Patek Philippe. Wir brauchen sie in großer Zahl auch für alle anderen Marken, die wir führen. Das Wichtigste ist, Vertrauen für den Beruf des Uhrmachers zu wecken, das war in den Achtzigern und Anfang der Neunziger nämlich nicht der Fall. Allein bei uns haben wir inzwischen drei Ausbilder und 24 Auszubildende. Pro Jahr fangen sechs Lehrlinge an, die das Uhrmacherhandwerk erlernen möchten. Bei uns haben sie nach ihrer Ausbildung mehrere Möglichkeiten: sei es in der Servicewerkstatt am Standort Hamburg oder Glashütte, in unserer eigenen Uhrenproduktion in Glashütte oder im Uhrenservice in einer unserer nationalen und internationalen Niederlassungen. Jedem Auszubildenden, der bei uns seinen Abschluss macht, bieten wir eine Stelle im Unternehmen an.


Die Branche braucht die Uhrmacher für die weltweite Nachfrage nach Luxusuhren. Wird das immer so weitergehen? Wo sehen Sie Wempe, wo Patek Philippe in 10 Jahren?


Thierry Stern: Das sollten Sie unsere Kinder fragen! Für mich sehe ich vor allem eine sehr schöne Kontinuität. Zehn Jahre sind ehrlich gesagt gar nichts für Patek Philippe. Wir planen derzeit bis 2037, was neue Uhrwerke betrifft. Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir sehr erfolgreich sein. Allerdings vielleicht mehr mittels neuer Technologien, das ist das Einzige, wo sich für alle gerade sehr viel tut. Heute folgen die Menschen Patek auf Instagram, vielleicht wird es morgen etwas anderes geben? 

Kim-Eva Wempe: Dem kann ich definitiv nur zustimmen. 10 Jahre sind ein sehr kurzer Zeitraum für unsere Branche. 

Fotocredit © Patrick Möckesch


Wir danken für das Gespräch!


patek.comwempe.com


Titelbild © Patrick Möckesch