Auf ein Lunch mit: Jaquet Droz CEO Christian Lattmann
Bei den Kunstwerken von Jaquet Droz geht es um Emotionen – und so entzückte schon Pierre Jacquet-Droz vor fast 300 Jahren die Menschen von Frankreich bis China mit seinen Tabakdosen, Taschenuhren und Automaten. Heute führt Christian Lattmann mit seinem Team das Erbe der Maison würdevoll weiter. Es war Nicolas G. Hayek, der das Potential des heutigen CEOs schon früh erkannte, unternehmerisch, aber in erster Linie auch menschlich betrachtet. Lattmann‘s Herzlichkeit und positive Unternehmenskultur schwingen genauso in den flinken Fingern seiner Kunsthandwerker mit, wie auch in den Zeitmessern und Automaten. Sie zeigen surreale 3-D Animationen auf engstem Raum und Vögel, die auf Knopfdruck aus dem Handgelenk zwitschern. Und da sich Emotionen nun mal schwer kontrollieren lassen ist es nicht verwunderlich, dass viele Kunden nicht nur eine Uhr des Hauses besitzen. So geht es auch beim Gespräch mit Christian Lattmann weniger um harte Fakten und Zahlen, sondern vielmehr um Schönheit, Leidenschaft und Emotionen.
1. Was bedeutet für Sie eine mechanische Uhr? welche Uhr tragen Sie heute und welche Uhr tragen Sie am häufigsten?
Für
mich bedeutet eine mechanische Uhr einerseits Schönheit, und gleichermaßen auch
Leidenschaft. Schönheit: weil die mechanische Uhr ein Juwel ist. Schönheit ist sehr
wichtig und gibt unserem Leben einen Sinn. Mechanische Uhren verkörpern ein
Lebensgefühl und man drückt mit ihnen seinen persönlichen Stil aus. Und
Leidenschaft: einfach, weil sie von Menschenhand erschaffen wurde, mit viel
Geduld, Expertise und Passion – eine Passion, die ich mit meinem Team teile um neue
Zeitmesser zu erschaffen, die unsere Kunden begeistern.
Heute
trage ich die Grande Seconde Skelet-One,
eine Neuheit aus dem Jahr 2018. Sie ist recht modern und zollt trotzdem dem
Stil der historischen ‚Grande Seconde‘ ihren Tribut. Wir wollten unbedingt eine
skelettierte Uhr in unserer Kollektion haben, die aber die Werte der Marke
respektiert. Die Skelet-One wurde
letztendlich ein riesen Erfolg. Anders als bei den meisten unserer Zeitmesser,
bei denen wir der Idee des berühmten Satzes von Antoine de Saint-Exupéry folgen
„Das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar“, öffnen wir zum ersten Mal die
Mechanik unserer Uhren.
Momentan trage ich die Skelet-One am liebsten. Sie liegt mit ihrem 41mm Gehäuse extrem bequem am Handgelenk. Aber ich trage auch die Grande Seconde Moon sehr gerne, sie ist ein echter Blickfang. Nur im Strandurlaub habe ich keine Jaquet Droz im Gepäck, dafür aber eine Swatch Sistem51. (Lacht)
2. Sie sind schon seit 1989 bei der Swatch Group tätig. Wie war Ihre erste Begegnung mit Nicolas G. Hayek?
Ich
habe damals als Produkt Manager für OMEGA gearbeitet. Eines Tages erhielt ich
einen Anruf von Mr. Hayek’s Sekretariat, dass er mich sprechen wolle. Als ich
am Nachmittag bereits in sein Büro kam, hielt er meinen Lebenslauf in den
Händen und sagte: „Ich suche einen Typen wie dich für Breguet“. Das war im Jahr
2002, gerade einmal zwei Jahre nachdem die Swatch Group die Marke Jaquet Droz
erworben und wiederbelebt hat. Mr. Hayek hatte immer gesagt: „Denkt daran, das
ist eine einmalige Erfahrung und Chance, die euch gerade geboten wird“. Ich
habe ein paar Jahre gebraucht um wirklich zu verstehen, was er damit meinte.
3. Seit 2016 sind Sie nun CEO von Jaquet Droz. Was ist die wichtigste Message, die Sie über das traditionsreiche Unternehmen vermitteln möchten?
Wie Mr. Nick Hayek einmal sagte, Jaquet
Droz sei ein echter Juwel, den in die Zukunft geblickt nicht nur Sammler kennen
sollten, sondern dessen einzigartige Geschichte, Exzellenz, Kreativität und
Schönheit auch für die allgemeine Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden müsse.
4. Schaut man sich die Uhren von Jaquet Droz an, insbesondere die Automaten und Stücke aus dem Ateliers d’Art kommt die Frage auf: sind Ihre Kunden eher technisch versiert, oder reine Ästheten?
Unsere
Kunden fühlen sich von den Emotionen unserer Uhren hingezogen. Sie verraten
ihnen nicht nur die Zeit, sie erzählen eine Geschichte. Daher würde ich es
nicht auf eine bestimmte Klientel beschränken. Jeder kann sich von unseren
Kunstwerken in den Bann ziehen lassen. Wir nutzen gerne das Wort
„Verwunderung“, da es genau das beschreibt, was wir mit unserer Arbeit ausdrücken.
Es geht um pure Emotionen – und Emotionen lassen sich schwer kontrollieren. Das
ist es, was uns ausmacht. Daher besitzen auch die meisten unserer Kunden mehr
als eine Jaquet Droz Uhr. Letztes Jahr war ich in Tokio und ein Sammler aus
Osaka ist extra für den Abend nach Tokio geflogen, um bei der Präsentation
dabei zu sein. Allgemein lässt sich feststellen, dass unsere Kunden sehr
selbstbewusst sind und keinen Trends hinterherlaufen. Sie wollen anders sein.
5. Erfordert das Herstellen von Automaten ein besonderes Handwerk, wofür Sie eigens Mitarbeiter in Ihrem Atelier angestellt haben? Wo und wie rekrutieren Sie solche Spezialisten?
Wir
haben neben unseren Uhrmachern auch Miniatur-Zeichner, Graveure und Skulpteure,
die wir alle bei uns im Haus ausbilden. In Grunde brauchen sie keinerlei
Erfahrung mitzubringen, da sie alles bei uns lernen. Uns ist allerdings wichtig,
dass sie nach der Ausbildung auch bei uns bleiben. Wir möchten ihnen gerne klarmachen,
dass sie keine Maschinen, sondern Unternehmer sind – das ist Teil unserer
Unternehmenskultur. Wir versuchen sie möglichst nicht in ihrer Kreativität
einzuschränken, sie sollen an allen Entwicklungsprozessen beteiligt sein. Wir
sind alle ein Teil der Marke und niemand soll sich zu seiner Arbeit verpflichtet
fühlen, sondern überzeugt davon sein, was er tut.
6. Worin besteht technisch die größte Herausforderung, einen Automaten in ein Uhrengehäuse zu packen?
Die
Miniaturisierung, Komponenten immer kleiner werden zu lassen. Bei manchen
Stücken befinden sich bis zu 199 Komponenten nur auf dem Zifferblatt. Alle
Komponenten sind von Hand gefertigt – und das ist bei der Qualitätskontrolle
ein heikler Punkt. Denn die Teile wurden nicht von Maschinen gefertigt und sind
daher auch nicht identisch. Manchmal muss ich einschreiten und den
Schiedsrichter spielen, wenn unsere Qualitätskontrolle nicht zu 100 Prozent
glücklich mit einem Teil ist. Auch die Widerstandsfähigkeit der filigranen Komponenten
stellt uns vor eine Herausforderung. Denn wir möchten natürlich, dass unsere
Zeitmesser von den Kunden getragen werden, statt sie aus Vorsicht wegzusperren.
7. Könnten andere Marken Ihre Automaten (in Kombination mit Uhren) kopieren, oder ist die Technik ein gut gehütetes Firmengeheimnis?
Zuerst
einmal ist es ein riesiges Investment, das man in Kauf nehmen muss. Und viele
Marken investieren lieber in Marketing, statt in die Innovation ihrer Produkte,
wie wir. Außerdem benötigt man ein fundiertes Wissen für die Herstellung von
Automaten, und das ist ziemlich selten in der Branche.
– Haben Sie gewisse
Patente auf den Mechanismen?
Für
den Charming Bird haben wir drei Patente
angemeldet. Beim Magic Lotus Automaton
sind es vier. Der schwierigste Teil ist allerdings, sich einen neuen
Mechanismus einfallen zu lassen. Wenn das geschafft ist, stehen wir vor der
Herausforderung, es technisch umzusetzen.
8. Wie entstehen immer wieder neue Paillonée Muster? Woher kommen die Ideen, Materialien, Techniken?
Die
Ideen kommen nicht von einer Person alleine. Es ist ein kollektiver Prozess,
bei dem die gesamte Marke involviert ist. Eine Idee kann von unseren Künstlern,
Designern oder auch aus der Vergangenheit kommen. Hier lassen wir uns meistens
von der Natur inspirieren, da sie tief in der Geschichte der Marke verankert
ist. Kreativität ist ein menschlicher Prozess – zu viele Hierarchien in
den Teams bremsen die Kreativität der Einzelnen. Bei uns kann sich jeder
einbringen.
9. Warum lassen Sie Ihre Werke von der Schwesterfirma Blancpain herstellen, statt Ihre eigenen Werke zu produzieren?
Es
war eine strategische Entscheidung von Marc Hayek. Wir sollten uns voll und
ganz auf die Handwerkskünste konzentrieren. Man darf nicht vergessen, dass die
Werke von Blancpain extrem hochwertig sind und speziell für uns hergestellt
werden – mit Hand-Verzierungen und einer Silizium Hemmung. Wir bezeichnen uns
nicht als Manufaktur, sondern als „Atelier de Haute Horlogerie“ und darin liegt
auch unsere Kompetenz. Außerdem hat es auch wirtschaftliche Gründe. Unsere Produktionsmengen
sind viel zu gering, als dass wir eine ganze Uhrwerks-Einheit im Haus
implementieren könnten. Es würde den Preis für unsere Uhren soweit in die Höhe
katapultieren, dass niemand mehr bereit wäre, den Preis dafür zu zahlen.
10. Warum braucht eine sehr klassische Marke wie Jaquet Droz sportliche Modelle (Grande Seconde SW, Monopusher Chronograph) in der Kollektion? Welche Zielgruppe möchte die Marke damit ansprechen?
Es
stimmt natürlich, dass wir geschichtlich betrachtet keine Kompetenzen im
Bereich Sportuhren vorweisen können, aber wir haben einige Anfragen, besonders
von chinesischen Kunden. Sie erwarten natürlich keine richtige Sportuhr von
uns, aber eine etwas robustere und formlosere Uhr. Es war aber nie ein Teil
unserer Vergangenheit und wird auch kein bedeutender Teil unserer Zukunft
werden. Für mich ist es wichtig, dass wir nicht kopieren und unsere eigene
Identität bewahren.
11. Sie sagten kürzlich, die Zukunft wäre Ihnen genauso wichtig wie die Vergangenheit. Lassen Sie uns daher über beides sprechen. Befand sich die Marke Jaquet Droz das ganze letzte Jahrhundert in einem Dornröschenschlaf, bevor sie im Jahr 2000 von der Swatch Group übernommen wurde?
Der Sohn von Pierre Jaquet-Droz starb nur ein Jahr nach seinem
Vater. Jean-Frédéric Leschot, der 1791 übernahm, musste drei Manufakturen (La Chaux-de-Fonds,
London, Genf) führen und die politischen Unruhen zu dieser Zeit zwangen ihn
dazu, alle Geschäfte zu schließen. Es ist allerdings umso bemerkenswerter, dass
Pierre Jaquet-Droz auch heute noch sehr präsent und bekannt in der Region ist
und als Genie in Erinnerung blieb, obwohl die Marke so viele Jahre nicht
existiert hatte. Derzeit arbeiten wir mit einem Historiker zusammen und
versuchen unsere Geschichte aufzuarbeiten. Unsere umfangreiche Recherche wird
dann zum 300-jährigen Jubiläum im Jahr 2021 mit einem Buch veröffentlicht.
12. In welche Richtung bewegt sich Ihrer Meinung nach die Uhrenindustrie?
Da Jaquet Droz eine verhältnismäßig kleine Marke ist, würde ich meine Antwort gerne auf uns beschränken. Innovation und Kreativität sind für die Zukunft von Jaquet Droz entscheidend. Wir müssen weiterhin die Eigenschaft beibehalten, Dinge zu erschaffen, statt zu kopieren. Wir möchten uns auch weiterhin in die Köpfe der jungen Generation hineinversetzen und ihnen verständlich machen, warum Uhrmacherei eine Kunst ist und warum es so wichtig ist, dieses Handwerk am Leben zu halten und die Leidenschaft dafür zu teilen.
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