Wenn es in der Uhrenbranche einen Superhelden gäbe, dann wäre es wohl François-Henry Bennahmias, der Chef der Schweizer Uhrenmanufaktur Audemars Piguet. Der Erfolg, zu dem er der Marke in den letzten 11 Jahren als CEO verholfen hat, ist eigentlich mit normalen menschlichen Kräften gar nicht zu schaffen. Seit seinem Antritt als CEO von AP im Jahr 2012 konnte er den Umsatz verdreifachen und die Begehrlichkeit trotz riskanter strategischer Entscheidungen enorm steigern.
Bennahmias hält sich nicht an Kodexe, wie man es für eine so traditionelle Marke erwarten würde. Er wirkt ungehorsam, disruptiv und scheint dabei unantastbar zu sein: Distanzierung von Retailpartnern durch eigene Monobrand-Boutiquen (AP Houses) statt Multibrand Verkaufspunkte, die kontrovers diskutierte CODE 11.59 und nicht zuletzt die Partnerschaft mit Marvel’s Superhelden – damit wagte Bennahmias die Royal Oak und damit den heiligen Gral des Unternehmens anzutasten, die so maßgeblich für den Erfolg der Marke in den letzten 50 Jahren verantwortlich ist. Bennahmias hat also einen gewissen Hang zu Superkräften, daher ist es nicht verwunderlich, dass er die Idee für eine Partnerschaft mit Marvel schon seit langer Zeit hegt, als er noch gar nicht CEO der Marke war.
Die zweite AP x Marvel Edition
Gute Kontakte zahlen sich aus. Denn sein langjähriger Freund, der Schauspieler Don Cheadle stellte vor einigen Jahren den Kontakt zu Marvel her, nachdem er in Avengers die Rolle des James Rhodes alias War Machine spielte. Und was unmöglich erschien wurde 2021 möglich, als Audemars Piguet die erste Royal Oak Concept x Marvel Uhr vorstellte. Es war Black Panther, einer der großen Marvel Charaktere, der als 3-D Figur über dem Zifferblatt einer Royal Oak Concept schwebte. Die 250 Exemplare waren sofort ausverkauft, auch wenn ein paar Exemplare inzwischen wieder auf dem Zweitmarkt zirkulieren. Immerhin mit satter Preissteigerung. Ein Unique Piece, das für den guten Zweck versteigert wurde, erzielte bei der Auktion 5.2 Millionen Dollar. Der Coup ist geglückt, da war die nächste Edition schon längst wieder in Planung. Denn nun, zwei Jahre später, stellt Bennahmias feierlich in Dubai die zweite Marvel Kreation vor. Der neue Superheld ist kein geringerer als Spider-Man.
Auch bei diesem Modell scheint der Marvel-Charakter im Gehäuse zu schweben. Form und Konturen der Figur wurden mit CNC-Maschine aus einem Stück Weißgold gefräst. Die untere Hälfte des Superhelden-Anzugs wurde per Lasergravur bearbeitet – die obere Fläche der Figur von Hand graviert und dann von Hand bemalt. Mehr als 50 Arbeitsstunden verbrachten die Dekorateure nur mit der Bearbeitung der Figur. Die Concept, im Jahr 2002 eingeführt, dient als Spielwiese für experimentelle Materialien, Formen und Funktionen. Das 42-mm-Gehäuse der Royal Oak Concept Tourbillon Spider-Man besteht aus Titan, was in der regulären Royal Oak Linie undenkbar wäre. Außerdem wurde das Gehäuse extra für diese Edition (wie auch schon für die Black Panther) angefertigt. Lünette und Krone bestehen aus schwarzer Keramik.
Meisterwerk der Skelettierung
Comic-Fans gelten ja schon als detailverliebt (dazu später mehr.) Doch AP hat es auf die Spitze getrieben und das neue Werk maximal skelettiert. Die Uhrmacher entfernten so viel Material wie möglich, was dazu führt, dass Spider-Man der Hauptakteur ist. Entstanden ist ein neues Kaliber 2974 mit Handaufzug, ein Nachfolger des Kaliber 2948, das in allen Tourbillon Modellen der CODE 11.59 tickt. Bennahmias kündigte bereits in unserem Gespräch von 2020 an, dass fortan die neu entwickelten Werke der CODE 11.59 auch in anderen Uhrenlinien verbaut werden. In der Royal Oak Concept Black Panther war mit dem Kaliber 2965 noch ein klassisches Concept-Kaliber verbaut, das auf dem 2964 von AP basiert.
Die neue Royal Oak Concept Tourbillon Spider-Man wird an einem schwarz-grauen Wechselarmband aus Kautschuk samt AP-Schließe aus Titan getragen. Im Lieferumfang ist ein zweites Kautschukband in Schwarz und Rot. Das Liebhaberstück kostet 195.000 Schweizer Franken (rund 238.000 Euro).
Unique Piece: Royal Oak Concept Tourbillon „Black Suit Spider-Man“
Zurück zu den Comic-Fans dieser Welt. Denn sie wissen, dass es Spider-Man nicht nur in seinem rot-blauen Anzug gab, sondern auch mit einem Outfit ganz in schwarz. In Ausgabe #252 „The Amazing Spider-Man“ von 1984 war er etwa darin zu sehen. Für das Unique Piece der diesjährigen Marvel Edition ist somit Spider-Man in einem schwarzen Suit gekleidet. Das Gehäuse ist nicht aus Titan, sondern aus Weißgold mit Gravuren, die das Licht schimmern lassen, als würde das Netz von Spider-Man im Dunkeln leuchten. Auf dem Saphirglasboden ist die Inschrift „Royal Oak Concept Unique Piece“ versehen. Das Einzelstück wird an einem schwarzen Kautschukband mit strukturierter Oberfläche oder einem schwarzen Kalbslederband mit Textil-Effekt und silbernen Nähten getragen.
Die Royal Oak Concept Tourbillon “Black Suit Spider-Man” wurde am 25.05. bei Christie’s für die Summe von 6.2 Million US Dollar versteigert. Der Erlös geht vollständig an die First Book und Ashoka gemeinnützigen Organisationen, die Unternehmertum von jungen Menschen aus finanzschwachen Familien fördern, die sich für ein faires, nachhaltiges und menschliches Leben einsetzen.
Bleibt nur noch die Frage, welcher Marvel Charakter Bennahmias wohl wäre. Vielleicht ein bisschen Tony Stark – alias Iron Man – mit seiner unzerstörbaren Rüstung, mit der er (Bennahmias) Skeptiker und Widersacher einfach an sich abprallen lässt. Und eben auch ein Stück weit der nerdige aber geniale Peter Parker – alias Spider-Man – mit seinem sechsten Sinn, eine Superkraft, mit der auch Bennahmias gesegnet zu sein scheint und damit die Zukunft der Uhrenbranche definierte, wie kaum ein zweiter.