Mit der neuen TAG Heuer Carrera Astronomer in drei verschiedenen Ausführungen präsentiert TAG Heuer eine moderne Neuinterpretation der Mondphasenkomplikation. Dieser Schritt wirft jedoch unweigerlich die Frage auf, ob die womöglich klassisch-poetischste aller Komplikationen mit jener Marke in Einklang gebracht werden kann, die wie keine zweite für den Rennsport steht. Doch ein Blick in die Unternehmenshistorie offenbart einige – wenn auch überraschende – Verbindungspunkte zur Raumfahrt und zur Mondphasenanzeige, die uns helfen können, die Verbindung zwischen ebendieser Komplikation und TAG Heuer zu verstehen. In diesem Artikel werfen wir einen detaillierten Blick auf diese Verbindungen, die Neuheiten und die moderne Herangehensweise an die Mondphasenanzeige.

Die Geschichte der Solunar – der ersten Uhr mit Gezeitenanzeige

Als einer der mit dem Mond assoziierten Teile der TAG-Heuer-Geschichte gilt die Solunar. Als ein echtes Kuriosum in dem von Chronographen geprägten Produktportfolio war die in den späten 1940er-Jahren lancierte Solunar (der Name setzt sich zusammen aus „Solar“ und „Lunar“) die erste Uhr überhaupt mit einem Gezeitenanzeiger auf der 6-Uhr-Position. Mithilfe dieser Anzeige, die sich vornehmlich an Segler oder Fischer richtete, konnten Ebbe und Flut basierend auf dem Mondzyklus an einem bestimmten Ort angezeigt werden. Dabei wurde die Anzeige mithilfe des Drückers auf einen spezifischen Ort eingestellt, und dann vollzog sie einmal alle 50 Tage eine Rotation – also in etwa doppelt so lang wie der 28,5-tägige Mondzyklus – und wurde von einem 24-Stunden-Ring umgeben, der die Gezeiten visualisierte: Die weiß-blauen Linien kennzeichnen Hochwasser, während die weißen Linien, umgeben von einem orangenen Farbton, auf Niedrigwasser hinweisen.

Mit ihrer ungewöhnlichen Anzeige legte die Solunar zudem den Grundstein für eine Chronographenversion der Gezeitenuhr: den Heuer „Mareograph“, der um das Jahr 1950 erstmals erschien. Die Uhr kombinierte das Gezeitenzifferblatt der Solunar (bei 9 Uhr) mit einem 12-Stunden-Zähler bei 6 Uhr und einem 30-Minuten-Zähler bei 3 Uhr, der zugleich als Regatta-Zähler fungierte. Durch die Unterteilungen in jeweils fünfminütige Intervalle konnte der Zähler genutzt werden, um den Start von Yacht- oder Bootswettkämpfen zu messen. Das Konzept dieses Chronographen – der von Abercrombie & Fitch unter dem Namen „Seafarer“ und später von Orvis unter dem Namen „Solunagraph“ verkauft wurde, obgleich all diese Modelle von Heuer hergestellt wurden – gelang im Jahr 2024 erneut zu Ruhm, als er durch die TAG Heuer Carrera Chronograph Seafarer × Hodinkee in einer modernen Wiederaufnahme einen neuen Morgen erlebte.

Credit © Christie’s

Klassische Heuer-Modelle mit Mondphasenanzeige

Jedoch fertigte Heuer in den späten 1940er- sowie 1950er-Jahren auch Uhren, die einen vollständigen Kalender mit der Chronographen-Komplikation verbanden. Diese Modelle zeigten den Wochentag und den Monat in zwei Fenstern bei 12 Uhr, das Datum über einen zentralen Zeiger am Zifferblattrand – und verfügten darüber hinaus über eine Mondphasenanzeige.

Diese eher seltenen Modelle wie etwa die Ref. 823 oder Ref. 2643 wurden häufig vom Kaliber Valjoux 88 angetrieben und in Edelstahl- sowie Goldgehäusen angeboten. Solche komplizierten Chronographen gehören heute zu den gesuchten Sammlerstücken, da Heuer schon damals – wie es auch heute der Fall ist – eher für reine Sportchronographen bekannt war.

Interessanterweise griff die Marke Mitte der 1980er – kurz nach der Übergangszeit von Heuer zu TAG Heuer – nochmals die Mondphasen-Tradition auf. Im Jahr 1985 erschien im Rahmen der „Golden Hours“-Kollektion, die zum 125-jährigen Jubiläum von Heuer lanciert wurde, ein limitierter 18K-Gold-Chronograph mit Datumsanzeige und Mondphase (Ref. 188.205). Diese Neuauflage, angetrieben durch das Lemania 1883, zeigte, dass die traditionelle astronomische Komplikation für die Marke noch immer einen hohen Stellenwert innehatte.

Die erste Schweizer Uhr im All? Es war eine Heuer.

Kommen wir nun zum größten Verbindungspunkt von TAG Heuer und dem Weltall: Wir schreiben den 20. Februar im Jahr 1962. Am Cape Canaveral herrscht reges Treiben, um das erklärte Ziel zu erreichen: Im Rahmen der Mercury-Atlas-6-Mission sollte ein US-Amerikaner erstmals in die Erdumlaufbahn gebracht werden. Doch aufgrund des Kalten Krieges, der in diesem Jahr seinen Höhepunkt erreichen sollte, lag über allem eine angespannte Stimmung – und der Druck war groß. War es doch der sowjetische Kosmonaut Juri Gagarin, der bereits ein Jahr zuvor die Erde umrundet hatte. Auf der Startrampe erstreckte sich die Atlas-LV-3B-Rakete, bereit, Richtung All emporzusteigen. An ihr befestigt war die Raumkapsel mit dem Namen Friendship 7. Im Inneren der Raumkapsel befindet sich der Pilot John Glenn – und über seinem Arm ist nicht etwa eine Breitling oder eine Omega Speedmaster gespannt: Hierbei handelte es sich um die Referenz 2915A, einen Stoppchronographen von Heuer.

Um 9:47 Uhr war es schließlich so weit: John Glenn startete. Gemeinsam mit seiner Heuer sollte er die Erde in einer Zeit von 4 Stunden und 55 Minuten dreimal umrunden, eine maximale Höhe von 260 Kilometern und eine Umlaufgeschwindigkeit von ungefähren 7,8 Kilometern pro Sekunde erreichen – und die USA mit diesem vollwertig bemannten Raumflug zur Sowjetunion aufschließen. Dies machte die Heuer Referenz 2915A zwar nicht zur ersten Uhr im All (diesen ruhmreichen Titel hat der Sturmanskije-Chronograph inne, den Juri Gagarin trug), wohl aber zur ersten Schweizer Uhr, die je das Weltall betreten hat.

Bei der Heuer Referenz 2915A, die mit elastischen Bändern über John Glenns Arm gespannt war, handelte es sich um ein Modell mit weißem Zifferblatt, dessen zentraler Chronographenzeiger eine vollständige Umdrehung in 60 Sekunden vollführte. Der kleine Zeiger des oberen Hilfszifferblatts maß dabei Zeitintervalle von bis zu 60 Minuten, während der des unteren Hilfszifferblatts Zeiten von bis zu 12 Stunden erfasste. Das Zifferblatt ermöglichte dank der Kombination aus großen Ziffern und der feinen Skala am Zifferblattrand das präzise Erfassen von Zeitintervallen mit einer Genauigkeit von 1/5 Sekunden. Zudem erlaubte das aufeinanderfolgende Drücken der Krone das Starten, Stoppen und Fortsetzen des Chronographen, während das Betätigen des seitlichen Drückers die Zeiger wieder in ihre Ausgangsposition zurücksetzte.

Im Jahr 2012, um feierlich zwei Meilensteine zu begehen – das 50. Jubiläum des ersten Schweizer Uhrenherstellers im Weltraum sowie der ersten erfolgreichen SpaceX-Mission zur Internationalen Raumstation (ISS) – lancierte TAG Heuer die auf 2.012 Exemplare limitierte TAG Heuer Carrera Calibre 1887 SpaceX Chronograph. In ihrer Zifferblattgestaltung übernahm TAG Heuer jene Anordnung der historischen Referenz 2915A und übersetzte sie in das Format einer Armbanduhr: Auch die Jubiläumsuhr verfügte demnach über ein weißes Zifferblatt mit einem 60-Minuten-Zähler bei 12 Uhr und einem 12-Stunden-Zähler bei 6 Uhr, gehüllt in ein 43-mm-Edelstahlgehäuse. Ebenfalls übernommen wurden die Dreiecksmarkierungen bei 12 und 6 Uhr sowie die Ziffern, die in derselben Schriftart ausgeführt wurden. Völlig neu hingegen war die Verwendung eines Datumsfensters und einer grafischen Darstellung bei 3 Uhr, die ein Bild der SpaceX-Rakete Falcon 9 mit der Dragon-Kapsel im niedrigen Erdorbit zeigt. Interessanterweise war auch eines dieser Exemplare des Sondermodells im Weltall: Als SpaceX im Mai 2012 seinen Flug zur ISS unternahm, reiste der Carrera SpaceX Chronograph mit an Bord – und kehrte mit einem intakten Kaliber 1887 zurück, das nach der Landung einer umfassenden Überprüfung unterzogen wurde.

Die neue Mondphasenanzeige von TAG Heuer: die Carrera Astronomer

Nun, da wir die Verbindungspunkte von TAG Heuer zum Weltall geklärt haben, ist es Zeit, einen genaueren Blick auf die Neuheiten zu werfen. Mit der Carrera Astronomer strebt TAG Heuer an, eine Gegenposition zu den größtenteils vom Rennsport geprägten Modellen ihres Produktportfolios zu schaffen – und zugleich mit einem neuen Preispunkt eine neue Kundenzielgruppe zu erschließen. Um dies zu erreichen, setzt die Marke auf eine Komplikation, deren Ausführung ebenso ungewöhnlich ist wie die Mondphasenanzeige selbst für das heutige TAG Heuer.

Anders als bei der gängigsten Methode, die Mondphasen über eine rotierende Scheibe mit zwei Monden darzustellen, geleiten bei der Carrera Astronomer Zeiger den Betrachter durch die Phasen des synodischen Mondmonats, der genau 29 Tage, 12 Stunden, 44 Minuten und 2,8 Sekunden umfasst. Innerhalb dieser Zeit durchläuft der Mond die Phasen des zunehmenden Sichelmonds, des zunehmenden Halbmonds und des Dreiviertelmonds bis hin zum Vollmond – bevor er über die Phasen des erneuten Dreiviertelmonds, des abnehmenden Halbmonds und der abnehmenden Sichel sein Licht verliert und schließlich zum Neumond zurückkehrt.

Die Carrera Astronomer zeichnet sich dadurch aus, nicht nur die verschiedenen Mondphasen anzuzeigen, sondern darüber hinaus die Tage des synodischen Mondmonats sowie einige Beschriftungen der einzelnen Phasen. Um eine moderne Herangehensweise an die Mondphasenkomplikation zu präsentieren, rotiert eine Scheibe, auf der ein Pfeil auf der unteren Seite stets die Beschriftung der aktuellen Mondphase wiedergibt, während ein weiterer Pfeil auf der oberen Seite die Tage des Mondmonats in Kombination mit visuellen Darstellungen der jeweiligen Phase anzeigt. Jeden Tag bewegt sich diese rotierende Scheibe um 1:00 Uhr morgens. Dem Mechanismus liegt das neu entwickelte Kaliber 7 zugrunde, das eine Gangreserve von 56 Stunden bietet. Es basiert auf dem Sellita SW385-1 und arbeitet mit einer Frequenz von 28.800 Halbschwingungen pro Stunde.

Die Ästhetik der TAG Heuer Carrera Astronomer

Die neue TAG Heuer Carrera Astronomer erscheint zunächst in drei Ausführungen, die allesamt durch ein 39 mm großes und 12,16 mm hohes Stahlgehäuse, einen silbernen Zifferblattinnenteil mit Sonnenstrahleneffekt sowie die Abbildung eines Observatoriums auf der Gehäuserückseite geeint werden. Doch kommen wir von den Gemeinsamkeiten zu dem, was die drei Varianten voneinander unterscheidet: Die schwarz-silberne Variante kombiniert einen schwarzen Zifferblattring mit rhodinierten Zeigern, Indizes und Logo, während auch die Mondphasenanzeige vollständig in Schwarz ausgeführt ist. Die roségoldene Variante fügt ihrer Mondphase denselben silbernen Farbton wie dem Rest des Zifferblatts hinzu, während die Zeiger, Indizes und Teile des 7-reihigen Stahlbandes mit ihrer Rosévergoldung passende Akzente setzen.

Die auffälligste Variante verleiht nicht nur den Zeigern und Indizes, sondern auch den Monden einen hellgrünen Farbton. Ergänzt wird dieser durch dunkelgraue Elemente der Mondphasenanzeige und des Zifferblattrings. Anstelle eines Edelstahlarmbands präsentiert sich die dritte Version mit einem Kalbslederarmband, das das dunkelgraue Farbschema abrundet.

Die Preise der Neuheiten – und ein Kritikpunkt

Mit den neuen Carrera-Astronomer-Modellen strebt TAG Heuer an, das Kernangebot ihrer 3-Zeiger-Modelle zu erweitern und damit ihre Attraktivität zu erhöhen. Um dies zu erreichen, schöpft die Marke aus ihrer Historie, als erste Schweizer Uhr am Handgelenk von John Glenn ins Weltall gelangt zu sein – und lanciert eine neuartige, in sich stimmige Mondphasenanzeige, die eine präzise Visualisierung des synodischen Mondmonats und seiner verschiedenen Phasen bereithält. Eine kleine Einschränkung ergibt sich jedoch im Alltag: Beim Tragen der Carrera Astronomer kann die Lesbarkeit der Mondphasenanzeige mitunter beeinträchtigt sein, da die Zeiger innerhalb der Anzeige positioniert sind. Je nach Zeigerstellung können Teile der Darstellung verdeckt werden, wodurch das Zifferblatt in bestimmten Momenten weniger klar wirkt.

Preislich ist die grüne Variante mit 4.400 Euro am günstigsten, während die silbern-schwarze Version bei 4.600 Euro liegt. Die roségoldene Variante bildet mit einem Preis von 7.000 Euro die Spitze. Sowohl die grüne als auch die roségoldene Variante sind auf jeweils 500 Exemplare limitiert. Eine entsprechende Gravur auf dem Gehäuseboden weist auf diese Limitierung hin.


tagheuer.com

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