Kennen Sie das? Es steht ein Termin bevor, bei dem formelle Kleidung die bevorzugte Wahl ist, das Outfit ist gewählt – und dann das: Die akkurat gearbeitete Blusen- beziehungsweise Hemden-Manschette und die eher hoch aufbauende Lieblingsuhr wollen einfach nicht miteinander kooperieren. Sprich, es hakt und hängt, es beult und klemmt – ständiges Nachjustieren ist die lästige Konsequenz.
Spätestens dann geht einem auf, weshalb das ewige Streben einiger Uhrenmarken nach flach, flacher, am flachsten nicht (nur) dem Selbstzweck dient. Was aber zugegebenermaßen auch nicht tragisch wäre. Denn ein extrem flacher, fast schon zweidimensional wirkender Zeitmesser hat auch ohne adrette Bluse oder schickes Hemd einen ganz besonderen Reiz und kreiert eine cleane Silhouette am Handgelenk.
Nicht ohne Grund ist ein prägendes Attribut einer Dresswatch deren schlanke Bauweise. Und die gelingt mittlerweile auch mit inkludierten Komplikationen, die das Unterfangen „Ultraflach“ allerdings zusätzlich verkomplizieren. Dennoch verringert sich die Höhen-Dimension immer weiter, mittlerweile allerdings nur noch um Bruchteile von Millimetern. Was den Wettbewerb umso faszinierender gestaltet.
Flach, flacher, am flachsten: Weltrekorde begeistern die Uhrenwelt
Seit 2014 battelt sich Piaget bezüglich Flachheit mit Vorliebe mit Bulgari, dem aktuellen Weltrekordhalter in der Kategorie flachste Armbanduhr mit fliegendem Tourbillon. Aber das ist eine eigene Geschichte, über die Sie im Swisswatches Magazine-Artikel von Jens Koch mehr erfahren können.
Im vergangenen Jahr ging dieser Titel übrigens an die auf der Watches & Wonders 2024 lancierte Altiplano Ultimate Concept Tourbillon von Piaget. Diese ist mit zwei Millimetern Höhe gerade einmal 0,15 Millimeter „dicker“ als Bulgaris derzeitig Rekorduhr Octo Finissimo Ultra Tourbillon.
Ich bin mir sicher: Das Rennen ist längst noch nicht beendet, und die nächste Jagd auf den begehrten Weltrekord wurde bereits in Angriff genommen.
Piaget und die meisterliche Geschichte extraflacher Uhren und Uhrwerke
Grundvoraussetzung für eine flache Uhr ist ein flaches Uhrwerk. Piaget gehört zu den Meistern in der Disziplin der Miniaturisierung von den ohnehin schon winzigen Komponenten eines jeden Mechanikwerkes. So ganz nebenbei befreit die Marke so das Adjektiv „flach“ von seiner negativen Konnotation. Und das bereits seit 1957. Damals erschien das Handaufzugswerk 9P.
Mit dem Kaliber 9P beginnt die Karriere von Piaget als Meister extraflacher Armbanduhren
Die Zahl 9 bezeichnet die Größe des Kalibers: die neun Linien, eine historische Maßeinheit für Uhren, entsprechen gut 20 Millimetern. Das P steht naheliegenderweise für Piaget. Mit zwei Millimetern Höhe war das Handaufzugswerk bei seiner Einführung im Jahr 1957 das flachste mechanische Uhrwerk der Welt und wurde ausschließlich in Uhren aus Edelmetall verbaut.
Sein Nachfolger, das Kaliber 12P, kam 1960 auf den Markt. Es war zwar drei Millimeter dicker, verfügte dafür aber über einen integrierten Mikrorotor und damit über einen automatischen Aufzug. Bedenkt man, dass damals an CNC-gestützte Fertigung noch nicht zu denken war und viele Arbeitsschritte von Hand oder mit einfachen Maschinen erfolgten, konnte man schon damals Piagets ehrgeiziges Streben nach Superlativen erahnen.
Damals wie heute folgt man dem Motto des Gründers Georges-Édouard Piaget: „Toujours faire mieux que nécessaire“. Auf Deutsch: „Es stets besser machen als nötig.“ Zahlreiche Rekorde der Flachheit zeugen davon: sei es bei Skelettuhren, Uhren mit Datumsanzeige, Chronographen mit Automatikaufzug oder Handaufzug.
Das Kaliber 9P von 1957 gilt zwar als Startschuss für Piagets anhaltende und unbestrittene Expertise bezüglich flacher Uhren und Uhrwerke, gezeigt hatte sich diese aber bereits weitaus früher.
1874 gegründet, war das Unternehmen als Werkehersteller für seine filigranen Ankerhemmungen und Miniaturkünste bekannt. Aus dieser Spezialisierung entwickelte sich in den 1920er-Jahren ein weiteres Standbein: die Konstruktion, Fertigung und Veredelung von Taschenuhrwerken, welche mit einer Höhe von lediglich 2,4 Millimetern in der damaligen Zeit Maßstäbe setzten. Schließlich brachte man ab 1943 Uhren unter dem eigenen Namen auf den Markt.
Die Ultra-Flachheit von Piaget bekommt einen Namen: Altiplano Ultimate Concept – AUC
Gut sechs Jahrzehnte nach der Geburt des Kalibers 9P wurde das Projekt Altiplano Ultimate Concept als ultimative Idee der Flachheit von Piaget ins Leben gerufen, nachdem die Kollektion Altiplano bereits 1998 eingeführt worden war.
Nach vierjähriger Forschungs- und Entwicklungszeit stellte die Manufaktur auf dem Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH) 2018 in Genf den ersten AUC-Zeitmesser mit einer Gesamt-Bauhöhe von zwei Millimetern vor, für den fünf Patente eingereicht worden waren.
In der Zweizeigeruhr tickte das neu entwickelte Handaufzugskaliber 900P-UC. Zwei Jahre später wurde sie mit dem renommierten Preis Aiguille d‘Or des Grand Prix d‘Horlogerie de Genève (GPHG) ausgezeichnet.
Seitdem sind viele weitere AUC-Versionen erschienen. Die Integration von Komplikationen, welche normalerweise zu einem höheren Aufbau des Werkes führen, hat die weitere Verflachung der Uhren dabei nicht aufhalten können. Piaget erreicht dies, indem Gehäuse, Werk und Zifferblatt zunehmend miteinander verschmelzen.
Der vorläufige Höhepunkt – oder besser „Tiefpunkt“ – war die Altiplano Ultimate Concept Tourbillon zum 150. Jubiläum von Piaget im vergangenen Jahr. Mit einem Durchmesser von 41,5 Millimetern und einem Gehäuse aus einer Kobaltlegierung mit blauer PVD-Beschichtung wirkt der zwei Millimeter flache Zeitmesser mit fliegendem Tourbillon auf den ersten Blick fast wie eine Zeichnung auf Karton. Angelegt ans Handgelenk spürt man unmittelbar den hohen Tragekomfort einer solch extraflachen und leichten Uhr.
Altiplano Ultimate Concept Tourbillon und Altiplano 910P – ein extraflaches Duo in Khakigrün/Gold
Das neue Altiplano-Duo setzt auf Gelbgold in der Kombination mit Khakigrün, wobei die ultraflache AUC-Version mit Tourbillon zusätzlich eine Kobaltlegierung für das zwei Millimeter hohe, bis zwei bar wasserdichte Gehäuse mitbringt.
Anders als beim Automatikmodell Altiplano 910P kann bei der neuen AUC außerdem die zukünftige Besitzerin oder der zukünftige Besitzer dank Konfigurator selbst kreativ Hand anlegen.
Altiplano Ultimate Concept Tourbillon – wenn Gehäuse, Werk und Zifferblatt zu einer Einheit werden
Mit einem Durchmesser von 41,5 und einer Höhe von zwei Millimetern ist dieses neue ultraflache Tourbillon-Modell eine Neuinterpretation der Jubiläumsedition vom vergangenen Jahr. Und bietet genauso wenig Spielraum für die inneren Werte. Deshalb wird kein Mü verschenkt und der knapp bemessene Raum vollends mit dem Handaufzugskaliber 970P-UC gefüllt, welches im 4-Hertz-Takt (28.800 A/h) schwingt und eine Gangreserve von 35 Stunden bietet.
Es beruht auf dem 900P-UC, verfügt aber zusätzlich über ein peripher angeordnetes, fliegendes 1-Minuten-Tourbillon. Das klingt einfacher, als es war. Denn rund 90 Prozent aller bestehenden Teile mussten aufgrund des begrenzten Platzangebotes neu entwickelt werden. „Alles wurde umgestaltet“, erläuterte Benjamin Comar, CEO von Piaget, auf der letztjährigen Watches & Wonders.
Beim neuen Altiplano Ultimate Concept Tourbillon (Referenz G0A50530) hat die Manufaktur also erneut darauf gesetzt, Gehäuse, Werk und Zifferblatt nicht als getrennte Einheiten, sondern als integriertes Modul zu verstehen. Entsprechend werden die verschiedenen Komponenten nebeneinander und nicht übereinander angeordnet.
Außerdem dient beispielsweise der Gehäuseboden als Hauptplatine des Uhrwerks, und alle Brücken, Zahnräder und Lager sind direkt in das Gehäuse integriert. Der Rotor ist zudem in Ringform gefertigt und sitzt am äußeren Rand des Werkes und nicht über den anderen Bauteilen. So wird die ultraflache Architektur überhaupt erst möglich.
Auf der Rückseite der Uhr befinden sich zwei Gravuren: das Piaget-Motto „Toujours faire mieux que nécessaire“ und der Schriftzug „La Côte-aux-Fées“. Dabei handelt es sich um das Dorf, in dem Piaget gegründet wurde und wo noch heute die außergewöhnlichsten Stücke der Marke gefertigt werden.
Das AUC-Tourbillon wird mit einem khakigrünen Kalbslederarmband mit einem neu entwickelten Muster namens Polish Mesh und Dornschließe am Handgelenk gesichert. Der Preis lautet 730.000 Euro.
Ganz persönlich – die AUC ist Teil des Programms „Infinitely Personal“
Dieses Personalisierungskonzept beruht auf dem sogenannten Style Selector, den Piaget in den 1960er-Jahren seinen Kunden anbot. Mit diesem konnte man die Form des Gehäuses, die Art des Zifferblatts und des Armbands sowie den Umfang der Edelsteinfassung selbst wählen.
Er war sozusagen der analoge Vorläufer des digitalen Piaget-Konfigurators Infinitely Personal von heute. Eingeführt im Jahr 2020 bietet dieser unter anderem die Möglichkeit, für die Altiplano Ultimate Concept Tourbillon individuelle Oberflächen, Materialien und Gravuren auszuwählen.
Altiplano 910P – konsequentes Farbschema
Erstmals in der Altiplano-Kollektion mit diesem Modell ein Gehäuse aus Gelbgold zum Einsatz. Konsequent wird es mit Khakigrün kombiniert. Anhand der Namensgebung wird bereits deutlich, dass die Altiplano 910P (Referenz G0A50126) nicht zum erlauchten Kreis der Konzeptuhren von Piaget gehört. Mit einer Höhe von 4,3 Millimetern ist sie noch immer ausgesprochen flach. Aber eben nicht flach genug, um die Weihen einer AUC zu erhalten.
In ihrer bis zwei bar wasserdichten 41-Millimeter-Hülle arbeitet das Automatikwerk 910P mit 48 Stunden Gangreserve und einer Frequenz von 3 Hertz (21.600 A/h). Es bietet eine dezentrierte Stunden- und Minutenanzeige bei 10 Uhr.
Getragen wird die Altiplano 910P an einem khakigrünen Alligatorlederband mit Dornschließe. Der Preis beträgt 40.500 Euro.
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