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Zum 50-jährigen Jubiläum: ein Gespräch mit Wempe Weinstraße-Geschäftsführer Marc Autmaring

Zum 50-jährigen Jubiläum: ein Gespräch mit Wempe Weinstraße-Geschäftsführer Marc Autmaring

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Die Wempe-Niederlassung in der Weinstraße in München ist seit 50 Jahren nicht mehr aus der Stadt wegzudenken und wird seit 2009 von Marc Autmaring als Geschäftsführer geleitet. In den vergangenen 14 Jahren ist es dem sympathischen und zielstrebigen Manager gelungen, den Standort Weinstraße weiterzuentwickeln, neue Zielgruppen zu erschließen und die enge Zusammenarbeit mit renommierten Uhrenmarken voranzutreiben. Wir trafen Autmaring zum Gespräch, in dem er uns nicht nur einen Einblick in die Welt eines der renommiertesten Juweliere Deutschlands gab, sondern auch spannende Perspektiven auf die Luxusgüterbranche.

Die Wempe-Niederlassung in der Weinstraße in München feiert ihr 50-jähriges Jubiläum


Wempe Weinstraße feiert 50 Jahre, und Sie sind seit fast der Hälfte dieser Zeit bei Wempe. Welche Veränderungen und Entwicklungen haben Sie während Ihrer Zeit im Unternehmen wahrgenommen?


Ich arbeite bereits seit dem 15. November 2001 bei Wempe, das war mein erster Arbeitstag. Natürlich hat sich seit 2001 in der Branche viel getan und es ist eine absolut dynamische Entwicklung, die man nicht erwarten konnte. Die Bedeutung von Luxusgütern hat sich im Vergleich zur Zeit meines Berufseinstiegs grundlegend geändert. Früher stand beim Kauf von Luxusgütern entweder die Belohnung für den persönlichen Erfolg oder das Feiern eines besonderen Ereignisses im Vordergrund, heute geht es oft um die Frage: bleibt das Produkt wertbeständig und habe ich mein Geld gut investiert?

Diese Entwicklung finde ich schade, und erwähne es oft in meinen Verkaufsgesprächen. Ich denke, es ist wichtig, den Fokus wieder auf das Uhrmacherhandwerk und die Ästhetik zu lenken. Ich wünsche mir, dass die Kundinnen und Kunden ihre Uhren im Hinblick auf diese Aspekte kaufen und nicht unter dem Aspekt, ein Investitionsgut oder Spekulationsobjekt zu kaufen.


Könnte die eingeschränkte Attraktivität der derzeitigen Investitions-möglichkeiten damit zu tun haben?


Ja, und die letzten fünf Jahre haben diesen Trend nur noch verstärkt. Durch Corona, Zinspolitik und die verschiedensten globalen Einflüsse wussten viele wohlhabende Menschen nicht, was sie mit ihrem Geld machen sollten. Die richtige Alternative – so schien es vielen – war die Investition in Luxusgüter. Dies wiederum führte zu einem völligen Nachfrageüberhang, der eine starke Wertentwicklung zur Folge hatte. Eigentlich sollten doch Emotionen der Auslöser für den Kauf eines Luxusproduktes sein.


Gilt dieser Trend nur für Uhren oder auch für Schmuck?


Dieser Trend spiegelt sich natürlich auch im Schmuck und in den Preisen für Edelmetalle wider. Traditionelle Geldanlagen wie zum Beispiel Gold gewinnen wieder an Bedeutung. Erst kürzlich habe ich zum ersten Mal einen Silberbarren verkauft – ich glaube, diese Frage hatte ich in meinem bisherigen Berufsleben noch nie. Aber auch Edelsteine, wie Diamanten, die in der Natur vorkommen und in der Vergangenheit als Zahlungsmittel verwendet wurden, werden verstärkt nachgefragt, wenn die Investitionen an den Finanzmärkten unsicher werden.


Sie haben den größten Teil Ihrer beruflichen Karriere bei Wempe verbracht. Was ist der Grund für Ihre Treue zum Unternehmen?


Wempe ist nicht nur mein erster, sondern auch mein langjährigster Arbeitgeber – eine Tatsache, die auf den ersten Blick vielleicht überrascht. Nach meiner Banklehre und einem Studium suchte ich nach Erfahrungen und wurde von Wempes Ruf als Branchenprimus angezogen. In München gestartet, wollte ich einen Einblick gewinnen und fand mich dank meiner Vorbildung und familiären Prägung – meine Eltern hatten ein Juweliergeschäft – schnell integriert und gefordert. Nach kurzer Zeit übernahm ich mehr Verantwortung und war innerhalb von anderthalb Jahren stellvertretender Geschäftsführer in der Niederlassung München Maximilianstraße. Weiter ging es nach New York, wo ich wieder die Rolle des Verkäufers übernahm und Auslandserfahrung sammeln konnte. Die nächste Station war die Niederlassung in Frankfurt, wo ich schließlich die Position des Geschäftsführers übernahm.

Ehrlich gesagt war meine ursprüngliche Idee eine ganz andere: Ich wollte so schnell wie möglich ganz viel lernen und dann das Juweliergeschäft meines Vaters übernehmen. In dieser Zeit war abzusehen, dass die großen Uhrenmarken in naher Zukunft überwiegend Standorte in großen Ballungszentren bevorzugen würden. Dann kam das Angebot von Kim-Eva Wempe, die Niederlassung in der Münchner Weinstraße zu übernehmen. Nun stand ich vor der Wahl: übernehme ich das Geschäft meines Vaters oder binde ich mich vertraglich an Wempe. Die Wahl fiel auf das Familienunternehmen Wempe. Ich schätze die Grundwerte des Unternehmens: die Freiheit, den Raum für die eigene Entfaltung, die persönlichen Interessen, die ein Geschäftsführer einbringen kann und den individuellen Stil. Das fasziniert mich bis heute und zieht mich in den Bann.


Was macht Wempe im Vergleich zu seinen Mitbewerbern einzigartig, welche Alleinstellungsmerkmale hat Wempe, um sich abzuheben?


Das klare Alleinstellungsmerkmal liegt in der Philosophie des Hamburger Familienunternehmens, an der wir nach wie vor festhalten. Der Vorteil sind kurze Wege dank flacher Hierarchien und rasche Entscheidungen. Diese Aspekte verleihen jeder Niederlassung und jedem Standort eine individuelle Note. Jedes Geschäft ist unterschiedlich, jedes Geschäft hat seinen ganz eigenen Spirit.

Im Vergleich zu konzerngesteuerten Mitbewerbern, die weitaus stärkere Kontrollmechanismen haben, setzen wir auf eine freiere Atmosphäre. Im Schmuckbereich beispielsweise können wir dadurch gezielter auf individuelle Kundenwünsche eingehen und diese zeitnah umsetzen, was bei großen Schmuckmarken weniger flexibel gehandhabt wird. Unsere eigene Schmuckproduktion in Süddeutschland bietet die nötige Anpassungsfähigkeit und die kurzen Wege. Diese Flexibilität werden wir niemals aufgeben.


In der von Deloitte durchgeführten Swiss Watch Industry Study 2023 geben 62 Prozent der befragten Führungskräfte und Branchenexperten an, dass der Offline-Verkauf dem Online-Verkauf auch in den nächsten fünf Jahren voraus bleiben wird. Teilen Sie diese Auffassung?


Auf jeden Fall. Zum Glück leben wir in einer Welt, in der meiner Meinung nach die persönliche Beratung sogar wieder an Bedeutung gewinnen wird. Das ist meine Erfahrung aus allen Verkaufsgesprächen, die wir führen. Die Kundinnen und Kunden werden immer Produkte in einer bestimmten Preisklasse online anklicken, und das mag im Gesamtvolumen auch steigen. Aber ab einer bestimmten Preiskategorie merken wir immer wieder und immer mehr, dass die persönliche, objektive Beratung zu Produkten wichtig ist und dass die Kunden diesen persönlichen Kontakt wieder suchen.

Natürlich haben sich einige Kunden die Produkte nach Hause schicken lassen, aber oft besuchen sie dann doch wieder unsere Geschäfte, um eine weitere Anpassung vornehmen oder sich erneut beraten zu lassen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Vorteil eine direkte Service- und Ansprechpartnerin oder einen direkten Service- und Ansprechpartner zu haben, die oder der ein Produkt im Falle eines Problems annimmt, es repariert und ein gutes Gefühl vermittelt, nicht aussterben wird. Unsere Kundinnen und Kunden vertrauen darauf, dass sie ihr Geld bei uns sinnvoll ausgeben und dieses Gefühl kann man nur schwer vermitteln, wenn alles online abgewickelt wird.


Laut der Studie gibt mehr als jeder zweite Käufer (52 Prozent) an, dass er seine Traumuhr vor Ort, bei einem autorisierten Fachhändler kaufen möchte. Im Jahr 2022 gaben noch 58 Prozent an, dies tun zu wollen. Was kann Wempe in Zukunft tun, um dieser negativen Tendenz entgegenzuwirken und im digitalen Zeitalter zu bestehen?


Ja, wir müssen alle Kanäle bespielen. Wir haben eine umfangreiche Website aufgebaut, ein E-Commerce-Business integriert und bespielen zum Beispiel verschiedene Social-Media-Kanäle, um die jüngeren Zielgruppen zu erreichen, zu informieren und zu inspirieren. Viele Kundinnen und Kunden informieren sich heute im Vorfeld online über die neuesten Trends und Wunschobjekte. Die Welt hat sich verändert. Dennoch sagt mein Gefühl, dass für bestimmte Produkte und Themen der persönliche Service vor Ort unersetzlich ist, und dafür sind wir da. Wempe ist überall in Deutschland präsent, man findet uns in den größeren Städten. In Deutschland kann fast nur Wempe diese Kombination aus Online- und Offline-Erfahrungen bieten und dabei die Vorteile beider Welten verbinden.


In den letzten 12 Monaten gab es einen Boom bei der Eröffnung von Monomarken-Boutiquen für Schweizer Marken auf der ganzen Welt: Chopard, H. Moser & Cie. und IWC Schaffhausen in Shanghai, Zenith in Riad, Panerai und TAG Heuer in New York. Auch in München entscheiden sich die Marken immer häufiger für Monobrand-Boutiquen: JLC und bald auch Vacheron Constantin eröffnen ihre eigenen Filialen. Was ist Ihrer Meinung nach der Vorteil, den Wempe gegenüber einer Monobrand-Boutique bieten kann?


Unser Vorteil liegt darin, dass wir als objektiver wahrgenommen werden, dass wir Alternativen anbieten können und neutral beraten, ohne uns auf eine spezielle Marke festzulegen. Wir legen dem Kunden Optionen vor, vergleichen und erklären Vor- und Nachteile. Das macht die Beratung persönlicher und gibt den Kunden die Möglichkeit, verschiedene Marken in Betracht zu ziehen. Diese neutrale Darstellung der verschiedenen Produktwelten stellt auf Dauer sicher, dass wir erfolgreich bleiben. Manche Kunden mögen vielleicht die Exklusivität einer Monobrand-Boutique, aber es gibt eben auch Unsicherheiten und den Wunsch nach Auswahl, den wir bedienen können. Daher denke ich, dass beides funktionieren wird, vielleicht nicht bei jeder Marke, aber wir können trotzdem immer die neutralere und breitere Beratung bieten.


Bis 2030 werden die unter 40-Jährigen einen großen Teil der Kunden im Luxussektor ausmachen. Was unternimmt Wempe Weinstraße, um die Kundinnen und Kunden aus den Millennials und der Gen Z zu gewinnen und zu binden?


Wir haben auf Unternehmensebene erkannt, dass sich die Zielgruppen verändern. In den kommenden Jahren werden für das Luxusgütersegment die Millennials und die Generation Z immer bedeutender. Daher passen wir unser Produktsortiment und unsere Marketing-Kampagnen kontinuierlich an. Ich selbst bin schon seit einigen Jahren auf Social Media aktiv, denn Sichtbarkeit und Auffindbarkeit spielen eine entscheidende Rolle. In unserem Geschäft herrscht eine jugendliche Atmosphäre dank der Integration vieler junger Mitarbeitenden. Das spiegelt sich auch im Kleidungsstil wider. Niemand erwartet mehr, dass ich Krawatte trage.

Darüber hinaus passen wir den Ladenbau an und schaffen Räume, die die jüngeren Generationen ansprechen. Obwohl ein Juwelier natürlich nicht mit einem Sneaker-Laden vergleichbar ist, bieten wir Produkte an, die das Interesse der neuen Generationen wecken. Für die jüngeren Generationen ist Nachhaltigkeit sehr wichtig, und diese spiegelt sich in unseren Produkten perfekt wider, da sie extrem langlebig sind. Was hält länger als eine mechanische Uhr, ein goldenes Armband oder ein natürlicher Diamant?

Eine lässigere, coolere und dynamischere Kommunikation in allen Kanälen ist daher unerlässlich. Dieser Prozess ist herausfordernd, insbesondere bei beratungsintensiven Produkten. Die fünfte Unternehmergeneration ist schon am Start. Scott und seine Schwester Chiara Wempe verantworten den Bereich Business-Development, analysieren den Markt und setzen neue Impulse, mit dem Ziel, die Unternehmensmarke Wempe auch für die kommenden Generationen relevant, abwechslungsreich und inspirierend zu gestalten.


Soeben hat Rolex Ihren Mitbewerber Bucherer gekauft. Was ändert sich durch diese Übernahme für das Luxusuhren-Einzelhandelsgeschäft? Bietet sich dadurch sogar eine Chance für Wempe?


Aus jeder Veränderung entstehen Chancen, man muss die Veränderung nur positiv angehen. Die Übernahme scheint für mich in erster Linie eine reine Schutzmaßnahme für Bucherer zu sein, um das Erbe zu bewahren und das Unternehmen vor dem Risiko einer Zersplitterung zu schützen. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Situation entwickelt, aber für mich spiegelt dieser Akt vor allem eine langjährige Partnerschaft wider, in der Rolex Bucherer in die eigene Familie aufnimmt. Für uns ändert sich nichts – die Partnerschaft bleibt bestehen, und Wempe wird weiterhin Uhren von Rolex vertreiben.


Im Jahr 2021 wurde die Niederlassung in der Weinstraße einem großen Umbau unterzogen, der aus einem ohnehin schon eleganten Geschäft einen Wohlfühlort mit alpenländischem Flair machte. Was erwartet die Wempe Weinstraße als Nächstes?


Der Umbau der Niederlassung Weinstraße im Jahr 2021 war angesichts der unsicheren Zeiten von 2020 ein echtes Wagnis. Wir müssen nun das Geschäft finanziell so lenken, dass der Umbau sich am Ende auszahlt. Wir wollten mit unserer Niederlassung in München in der Weinstraße ein einzigartiges modernes bayerisches Feeling schaffen, um uns von den Mitbewerbern abzugrenzen. Das war eine sehr mutige Entscheidung von Kim-Eva Wempe, der geschäftsführenden Gesellschafterin in Anbetracht der Unsicherheiten, die die Coronapandemie mit sich brachte. Ich erinnre mich noch genau an ihre Worte: „Das ziehen wir jetzt durch, auch wenn wir nicht wissen, wie sich die Dinge entwickeln werden.“ Der Umbau war nicht nur dringend nötig, sondern auch eine Herzensangelegenheit für mich persönlich.


Was ist das Verrückteste, das Sie – in Hinblick auf einen Uhrenkauf – bislang in den letzten 15 Jahren bei Wempe erlebt haben?


Es gibt da eine amüsante Anekdote, die mir gleich in den Sinn kommt. Ein ausländischer Kunde konnte sich vor einiger Zeit nicht entscheiden, welche der beiden Breguet Tourbillons im Wert von jeweils 130.000 € und 150.000 € er nehmen sollte. Er lobte die Schönheit beider Uhren, aber er konnte sich einfach nicht für ein Modell entscheiden. In diesem Moment wagte meine Verkäuferin den Vorschlag: „Warum nehmen Sie nicht einfach beide?“ Bei Tourbillons denkt man vielleicht nicht gleich an den Kauf von zwei Uhren, aber diese Idee setzte sich im Kopf des Kunden fest und man merkte, wie es in seinem Kopf wie in einem Uhrwerk zu ticken begann. Das Ergebnis? Er entschied sich tatsächlich, beide Uhren zu nehmen. Ein unerwarteter und wahrlich bemerkenswerter Moment, besonders wenn es um Uhren dieser Preisklasse geht. Manchmal sind es genau solche einzigartigen Erlebnisse, die das Uhrengeschäft so faszinierend machen.


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