Cartier hat wieder einen tiefen Blick ins eigene Archiv gewagt und ergänzt die exklusive Cartier Privé Kollektion um ein Modell, das selbst unter Kennern eher selten Erwähnung findet: die Tank à Guichets. Nach der Wiederauflage von Klassikern wie der Tank Normale, Tonneau oder Tortue richtet sich der Fokus nun auf ein Modell mit ungewöhnlicher Anzeigeform. Denn mit dieser Version kehrt auch ein selten eingesetzter Mechanismus zurück: die digitale Zeitanzeige per springender Stunde. Wir haben einen genaueren Blick auf dieses besondere Revival geworfen.

Ein radikaler Durchbruch
Die Tank wurde erstmals 1917 entworfen und prägte mit ihrer klaren Formensprache nachhaltig Cartiers Verständnis von Uhrmacherei: längs verlaufende Brancards parallel zum Armband, ein nahtloser Übergang zwischen Gehäuse und Band sowie eine bei 3 Uhr positionierte Krone. Die später als Tank Normale bekannte Uhr wurde 1919 der Öffentlichkeit vorgestellt – und ist seither in zahllosen Varianten erschienen.
Um 1928 herum zeichnete sich das Lebensgefühl durch eine gewisse Schnelllebigkeit aus. Züge, Automobile und ein zunehmend getakteter Alltag verlangten nach einer Uhr, die die Zeit auf einen Blick erfassbar machte. Cartier reagierte mit der Lancierung der Tank à Guichets: einer Uhr, die vollständig auf Zeiger verzichtete und stattdessen auf eine digitale Anzeige setzte. Stunden und Minuten wurden springend beziehungsweise schleppend durch zwei kleine Sichtfenster im Gehäuse abgelesen. Ein radikaler Bruch mit den damaligen Konventionen der Uhrmacherei.

Tank à Guichets Armbanduhr – anlässlich des 150-jährigen Jubiläums von Cartier im Jahr 1997 entstand diese auf 150 nummerierte Exemplare limitierte Edition (links) als Hommage an das Originalmodell, das erstmals 1928 lanciert wurde. Daneben eine historische Ausführung der Tank à Guichets aus dem Jahr 1931.
Gleichzeitig darf man nicht vergessen: Armbanduhren waren zu jener Zeit noch längst nicht selbstverständlich – was die avantgardistische Haltung dieses Modells umso deutlicher macht. Franco Cologni, Autor von Cartier: The Tank Watch, beschrieb die eigenwilligen Sprungziffern-Uhren treffend als „halb Maschine, halb Schmuckstück“ – eine Einschätzung, die auch heute noch gilt.

Eine gravierte Gehäuserückseite eines seltenen Tank à Guichets-Modells von 1931
Trotz (oder gerade wegen) ihres unkonventionellen Charakters fanden die Uhren prominente Träger. So galt Jazzmusiker Duke Ellington als bekennender Fan und trug sie im Alltag, ebenso wie der Maharaja von Patiala – ein indischer Fürst unter britischer Kolonialherrschaft, bekannt für seine Nähe zum Empire und seine Vorliebe für Extravaganz.
Die Cartier Tank à Guichets im Wandel der Zeit
In den 1930er-Jahren experimentierte Cartier weiter mit der Tank à Guichets und verfeinerte dabei sowohl das Design als auch die Proportionen. Unterschiede zwischen den einzelnen Ausführungen zeigen sich unter anderem in der Form der Anzeigenfenster, der Integration des Gehäuses und der Position der Krone. Dennoch blieb die Tank à Guichets eine absolute Rarität im Portfolio des Hauses. Erst 1997 tauchte sie wieder auf – mit einer limitierten Platinauflage von 150 Exemplaren anlässlich des 150-jährigen Markenjubiläums. 2005 folgte eine Variante in Roségold im Rahmen der Collection Privée Cartier Paris. Überraschen dürfte das kaum: Der Mechanismus mit springender Stunde spielte über viele Jahre hinweg eher eine Nebenrolle. Doch könnte sich das nun ändern?

Puristische Formsprache
Pierre Rainero, Cartiers Image, Style and Heritage Director, beschreibt die Tank à Guichets als eine Übung in radikaler Verfeinerung – eine noch reinere Ausformung der Vision Louis Cartiers, die sechs Jahre zuvor mit der Tank Louis Cartier ihren Anfang nahm. Durch den Verzicht auf ein klassisches Zifferblatt und die Reduktion auf ein massives Goldgehäuse, das lediglich von zwei kleinen Zeitanzeigen durchbrochen wird, verdichtet das Design die Ästhetik Cartiers auf ihr Wesentliches.
„Sechs Jahre nach dem Debüt der Tank Louis Cartier trieb Louis Cartier seine Suche nach gestalterischer Reduktion noch weiter – mit der Tank à Guichets. Die Zeit offenbart sich hier ausschließlich durch zwei minimalistische Anzeigen; das traditionelle Zifferblatt wurde durch ein schlichtes, vollständig aus Gold gefertigtes Gehäuse mit klaren Linien und perfekten Proportionen ersetzt. Der Mechanismus mit springender Stunde und schleppender Minute verkörpert Cartiers Verständnis von feiner Uhrmacherkunst – bei der technische Präzision stets im Dienst ästhetischer Vollendung steht.“
Pierre Rainero, Image, Style and Heritage Director

Vier Neuinterpretationen
In diesem Jahr kehrt Cartier mit vier neuen Editionen der Tank à Guichets zurück, die auf der Uhrenmesse Watches & Wonders 2025 vorgestellt werden. Ein kluger Schritt zur richtigen Zeit: Uhren mit springender Stunde erleben derzeit – langsam, aber spürbar – so etwas wie ein vorsichtiges Comeback. Wer tiefer einsteigen möchte, dem empfehlen wir einen Blick auf die Heure d’Ici & Heure d’Ailleurs von Van Cleef & Arpels oder unser Sammlerinterview mit Ruud van Rijn, der sich intensiv mit diesen faszinierenden Mechanismen beschäftigt. Eines steht fest: Auch die neuen Sammlerstücke von Cartier dürften das Thema Sprungstunde weiter ins Rampenlicht rücken.

Kaliber mit Handaufzug
Die aktuellen Modelle bleiben ihren historischen Vorgängern treu und sind mit einem Handaufzugswerk ausgestattet – dem Kaliber 9755 MC, das exklusiv für diese Uhren entwickelt wurde. Aufmerksamen Kennern wird auffallen, dass die Aufzugskrone bei allen vier Varianten nun dezent an der Oberseite des Gehäuses verborgen liegt. Ein Blick auf historische Modelle der Tank à Guichets zeigt jedoch, dass dies nicht immer der Fall war: Manche Versionen verfügten über Kronen in unterschiedlichsten Formen – vom Sechseck bis hin zum kannelierten Cabochon – und waren teils oben, teils auf der rechten Gehäuseseite positioniert. Die Entscheidung, die Krone nun vollständig in das Gehäusedesign zu integrieren, ist ein stimmiger Schritt – und unterstreicht den insgesamt schlanken, puristischen Charakter der Neuheiten.

Hochwertige Finissierung des Gehäuses
Mit Abmessungen von 37,6 x 24,8 mm und einem schlanken Profil von nur 6 mm unterstreichen die neuen Tank à Guichets Modelle ihren Charakter als elegante Dress Watches. Sie sind nicht für den robusten Alltagseinsatz gedacht – die Uhren sind nicht wasserdicht –, sondern richten sich an Sammler, die Cartiers kompromissloses Designverständnis zu schätzen wissen.

Ein genauer Blick auf das Gehäuse lohnt sich allemal, denn es umspannt im Wesentlichen beide Seiten der Uhr. Die satinierten Flächen des Gehäuses stehen im spannungsvollen Kontrast zu den polierten, horizontal verlaufenden Brancards. Die mittleren „Flächen“ – je nach Variante in gebürstetem Rosé-, Gelbgold oder Platin – greifen den Purismus der historischen Vorbilder auf und führen ihn konsequent weiter.

Inspiriert von 1928: Farbgebung und Gestaltung
Drei der vier Modelle orientieren sich klar am historischen Vorbild von 1928: das Stundenfenster bei 12 Uhr, die Minutenanzeige bei 6 Uhr. Die Varianten erscheinen in Gelbgold mit grünen Ziffern und farblich abgestimmtem Alligatorlederband, in Roségold mit dunkelgrauen Ziffern und passendem grauen Lederband sowie in Platin mit burgunderfarbenen Ziffern und einem Armband im gleichen Farbspektrum.

Foto © Valentin Abad für Cartier
1930er-Jahre: Grenzen verschieben
Im Gegensatz dazu greift das vierte Modell ein Design der 1930er-Jahre auf – mit asymmetrisch angeordneten Anzeigenfenstern bei 10 und 4 Uhr. Diese Version ist ausschließlich in Platin erhältlich und auf 200 nummerierte Exemplare limitiert. Goldfarben veredelte Scheiben mit burgunderroten arabischen Ziffern und eine farblich abgestimmte Minuterie unterstreichen den charaktervollen Auftritt dieser Neuinterpretation.

Tank à Guichets – Cartier für Kenner
In einer Zeit, in der Menschen sich nach Tradition sehnen, aber unweigerlich auch moderne Lösungen erwarten, könnte der Sprungziffernmechanismus sowohl gestalterisch als auch funktional genau die richtige Brücke schlagen – zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Dass die neuen Modelle bei Sammlern auf große Begeisterung stoßen werden, dürfte kaum überraschen – nicht zuletzt wegen ihrer außergewöhnlichen Seltenheit.

Eine kurze Internetrecherche zeigt: Während viele ungewöhnliche Vintage-Modelle von Cartier durchaus auffindbar sind, bleibt die Tank à Guichets eine echte Ausnahmeerscheinung. Die Zahl der noch erhaltenen Modelle dürfte sich heutzutage auf einige Hundert Stück belaufen – umso bedeutender ist diese limitierte Neuauflage. Ob das Comeback dieses seltenen Modells vielleicht den Auftakt zu einer ganz neuen Linie kennzeichnet? Das wird sich zeigen; aber träumen darf man ja.
