Es ist genau 70 Jahren her, dass Panerai erstmals Uhren mit einer tritiumbasierten Leuchtmasse vorstellte. Luminor war die innovative Substanz der Stunde und kam ab sofort in der gleichnamigen Kollektion von Panerai zum Einsatz. Doch die darauffolgenden rund 60 Jahre ist die ikonische Linie kaum verändert worden – größere Innovationen blieben aus.
Die Officine Panerai Manufaktur im Schweizerischen Neuchâtel
Erst ab 2010, damals noch unter der Leitung von Angelo Bonati wagte man sich erstmals mit neuen Materialien und Farben zu experimentieren. Mit der PAM00382 löste Panerai 2011 sogar den ersten Bronze-Hype in der Uhrenbranche aus. Die hauseigene Ideenschmiede Laboratorio di Idee brachte immer neue technische und fortschrittliche Ansätze hervor. Diese Abteilung für Forschung und Entwicklung sorgt dafür, dass der Anspruch der Marke an einer kontinuierlich technischen Weiterentwicklung stets umgesetzt wird.
Luminor Submersible Bronzo – PAM00382
Seit zwei Jahren treibt der neue CEO Jean-Marc Pontroué das Ganze mit Materialien wie Carbotech, Fibratech oder Goldtech auf die Spitze. Im kommenden Jahr will er sogar die allererste mechanische Uhr aus 100% recycelten Materialien vorstellen. Wir sprachen kürzlich mit Pontroué über die High-Tech Neuheiten 2020 und seine ehrgeizigen Pläne für 2021.
Maskuline mechanische Instrumente
Mit Jean-Marc Pontroué hat Panerai (Richemont Gruppe) einen Mann gefunden, der sich mit großem Engagement um den Ausbau der Vision des Laboratorio di Idee kümmert. Er war zuvor CEO von Roger Dubuis, wo er ohnehin bereits viel Erfahrung mit außergewöhnlichen Materialien und Legierungen, neuen Herstellungsverfahren und gewagt-konstruierten Werken sammeln konnte. Ein Team aus 50 Mitarbeitern steht ihm nun bei Panerai in dieser hochmodernen Ideenschmiede zur Seite, um nicht nur die Grenzen der eigenen Werkstechnik weiter auszuloten, sondern auch neue Materialien für Gehäuse und Bänder zu entwickeln.
Doch für Pontroué gibt es auch klare Grenzen, wenn es um den Eingriff in das Erbe der 160 Jahre alten florentinischen Marke geht: „Das kissenförmige Gehäuse hat unsere Uhren bis heute geprägt, das Design darf nicht verändert werden – Panerai wird immer für große und maskuline Uhren stehen, wir machen keine modischen Zeitmesser, sondern mechanische Instrumente“ sagt er und ergänzt, „Gehäuse, Zifferblätter, Bänder und Werke wurden allerdings lange Zeit kaum verändert, hier können und möchten wir uns weiterentwickeln“.
Carbotech, Fibratech, Goldtech: Neuheiten 2020
Wie das in der Umsetzung aussieht, das hat Panerai in diesem Jahr wieder eindrucksvoll bewiesen. Anlässlich des 70. Jubiläums ebendieser Kollektion mit der neuartigen Leuchtmasse steht die „Luminor Marina“ im Jahr 2020 im Fokus. Das bereits im letzten Jahr vorgestellte Carbotech erscheint in einem neuen Design und wird mit neuen Materialien wie Fibratech und Goldtech erweitert. Carbotech besteht aus dünnen Kohlefaserschichten, die unter hohem Druck und bei kontrollierter Temperatur miteinander verschmolzen und durch ein speziell entwickeltes Polymer verfestigt werden. In der neuen Version der Luminor Marina Carbotech 44 mm PAM01118 kommt eine noch stärkere Leuchtmasse namens Super-LumiNova X1 zum Einsatz. Es wird dazu erstmals auch auf der Kronenschutzbrücke, am Gehäuserand, den Inschriften und den Armbandnähten aufgetragen.
PAM 01118 (links) und PAM 01119 (rechts)
Die in der neuen Luminor Marina Fibratech 44 mm PAM01119 verwendete Mineralfaser Fibratech wird aus geschmolzenem Basaltgestein und mineralischen Zusatzstoffen gewonnen. Die Fasern werden mit Polymeren zu dünnen Schichten verbunden, die in genauer Ausrichtung übereinandergelegt und dann bei kontrollierter Temperatur und Druck verfestig werden. Zum ersten Mal besteht das Gehäuse der PAM01112 aus Goldtech, eine Legierung, die ganz im Stil des Laboratorio di Idee entwickelt wurde und sich durch einen hohen Kupferanteil (24%) in Kombination mit Platin (0,4%) auszeichnet. Beide Materialien tragen zu einem intensiven Farbton sowie einer hohen mechanischen Festigkeit und Oxidationsbeständigkeit bei.
PAM 01112 (links) und PAM 01662 (rechts)
Die neue Luminor Marina DMLS PAM01662 kombiniert Titan mit Carbotech. Das Gehäuse besteht aus einem speziellen Titan, das mit einer Direct Metal Laser Sintering (DMLS) Technologie gefertigt wird. Durch ein 3D-Druckverfahren wird Titanpulver in Schichten von jeweils 30 Mikrometern aufgebracht und mit einem Hochleistungs-Lichtleitlaser gesintert. Lünette, Aufzugskrone und der Hebel der Kronenschutzbrücke bestehen hingegen aus Carbotech.
70 Jahre Servicegarantie
Darüber hinaus besitzen zum ersten Mal drei der neuen „Luminor Marina“ Modelle (PAM01117, PAM01118, PAM01119) eine Servicegarantie von 70 Jahren. Das gab es in der Uhrenbranche noch nie. Diesen Service kann Pontroué zwar sehr wahrscheinlich auch in Zukunft nicht auf alle seine Kollektionen ausweiten, aber für ihn sind solche exklusiven Zusatzleistungen und Erlebnisse ein Teil seiner Strategie. „Es geht nicht mehr nur um die Uhren. Ich glaube stark an enge Partnerschaften mit anderen Marken aus verschiedenen Branchen, wodurch sich ganz neue Möglichkeiten für uns ergeben“.
PAM 01117 – eine Servicegarantie von 70 Jahren
Er spricht damit zum Beispiel die Zusammenarbeit mit dem italienischen Segelsyndikat „Luna Rossa“ an, deren Schifftechnologien und Materialien ihn auch bei der Herstellung der Uhrenmodelle inspirierten. Das Zifferblatt ist beispielsweise aus einer dünnen Schicht des Segels der AC75 Einrumpfyacht Luna Rossa. Teil dieser einmaligen Panerai Erlebniswelt abseits der Uhren – aber natürlich immer in Verbindung mit ihnen – ist zum Beispiel auch die Kooperation mit dem Extremsportler Mike Horn, die jedem Käufer einer der stark limitierten Submersible EcoPangaea Tourbillon GMT Mike Horn Edition PAM01108 eine einmalige Arktis-Expedition mit dem Forscher ermöglicht, die zwar letztendlich vom Kunden selber bezahlt wird, aber so niemals realisierbar wäre.
Mission Nachhaltigkeit
Pontroué spricht aber auch über die Modebranche, die in Punkto Recycling der Uhrenindustrie weit voraus ist. Für ihn aber kein Grund, nicht auch aktiv zu werden. So sind die Bänder der ersten Submersible Mike Horn Edition (SIHH 2019) aus recycelten PET Flaschen gefertigt. Für Pontroué und Panerai ist das Thema Nachhaltigkeit nicht mehr nur eine Option, sondern eine ernste Mission, „insbesondere für uns als Marke, die schon immer so eng mit dem Meer verbunden ist“, sagt er. Das zeigt sich aber nicht nur in den Uhren, sondern auch das neueste Verpackungsmaterial besteht zu 100% aus recyceltem Material. In den eigenen Boutiquen wird ausschließlich LED Beleuchtung verwendet, die etwa 80% weniger Energie verbraucht als herkömmliche Glühbirnen.
Panerai’s Einstellung zum verantwortungsvollen Umgang mit Ressourcen wurde bereits im Bau der neuen Manufaktur im Jahr 2014 bemerkbar, denn in Hinblick auf die CO2-Emissionen war es das Ziel, eine „Zero-Impact“-Manufaktur zu bauen. Mit Hilfe eines Wasserrückgewinnungssystems wird beispielsweise Regenwasser in Badeinrichtungen aufbereitet und zur Pflanzenbewässerung genutzt. Das bei der Kühlung der Maschinen anfallende Abwasser wird für die Beheizung des Gebäudes genutzt.
100% recycelte Uhren
Für 2021 hat Pontroué ein besonders ehrgeiziges Ziel. Zur Watches & Wonders im kommenden Jahr möchte er die allererste Uhr vorstellen, die zu 100% aus recycelten Materialien besteht. Das klingt auf den ersten Blick fast ein wenig verrückt, bedenkt man aber, dass bereits Bänder und Gehäuse aus recycelten Materialien bestehen, dann ist das Vorhaben nicht mehr ganz so surreal. Das Gehäuse, Kronenschutzbrücke, Lünette und Gehäuseboden der Mike Horn Special Editions bestehen bereits aus recyceltem Metall (EcoPangaea) oder Titan (EcoTitanium). Warum also nicht in Zukunft auch Werkskomponenten? Das Recycling von Titan verbraucht weniger Energie, als wenn es aus Erz gewonnen wird. Da Titan in Europa schwer zu beschaffen ist, wird es von der Industrie meist aus Amerika oder Russland bezogen, das Problem: der Schrott geht meistens auch dorthin zurück. Inzwischen kann es in Europa emissionssparend recycelt werden.
PAM 01108 – Mike Horn Edition
Wenn also Recycling Themen anständig zu Ende gedacht sind und nicht zur Folge haben, dass dafür dann wieder mehr Material produziert werden muss, weil es an anderer Stelle fehlt, dann kann auch die Uhrenbranche davon profitieren. Denn das Kaufverhalten ändert sich und Themen wie Nachhaltigkeit, Gesundheit und Ernährung sind gefragter denn je.
Messe-Konzept
In den letzten Monaten hat Pontroué an mehr als 1.000 Video-Konferenzen teilgenommen. Das war zwar ein guter und auch der einzige Weg, im Kontakt zu bleiben, aber der CEO ist ein starker Befürworter vom Messe-Konzept. „Für eine Marke wie Panerai, mit über 500 Verkaufspunkten weltweit und 150 eigenen Boutiquen, ist die Messe der beste Weg, in wenigen Tagen sehr komprimiert alle Menschen zu sehen, die für uns wichtig sind“, sagt Pontroué und ergänzt „es würde mich ein ganzes Jahr kosten, wenn ich alle persönlich treffen möchte“. Das Messekonzept könne für ihn grundsätzlich etwas verbraucherfreundlicher gestaltet werden, aber das seien nur kleine Anpassungen, grundsätzlich führe für ihn kein Weg daran vorbei.
Auf die abschließende Frage, ob auch eine Partnerschaft im Motorsport zukünftig in Frage kommen könnte, antwortet Pontroué vorfreudig, „da müssen wir uns noch ein Jahr gedulden, aber wir werden euch überraschen, denn das ist auch Teil unserer Philosophie“. Wie Panerai dann einerseits die umstrittene Autoindustrie und andererseits komplett nachhaltige Uhren überzeugend zusammenbringt, wird interessant sein zu sehen.