Ein guter Ruf ist schnell ruiniert, ungleich länger dauert es ihn aufzubauen. Wenn Jaeger-LeCoultre heute oft und gern als „Uhrmacher der Uhrmacher“ bezeichnet wird, dann ist das also leicht dahingesagt, doch gibt es dafür viele Geschichten aus vergangenen Jahrzehnten und unzählige Gründe dafür. Gleich mehrere liefern die aktuelle Polaris-Kollektion und Neuheiten wie der zuletzt lancierte Polaris Chronograph mit seinem in einem neuen „Ozeangrau“ lackierten Zifferblatt.

Beginnt man mit dem Offensichtlichen, so ist dieser Zeitmesser hochattraktiv, allein der Farbverlauf auf dem Blatt zieht den Blick wieder und wieder an. Beschäftigt sich man etwas intensiver mit der Uhr und ihrer Geschichte, so offenbart sich dann, dass viele Jahrzehnte der beständigen Fortentwicklung das geschaffen haben, was diese Uhr und ihre Geschwister heute darstellen: Den sicherlich sportlichsten Zugang in die Welt von Jaeger-LeCoultre, der nichtsdestotrotz ein distinguierter bleibt. Um diesen zu erklären, lohnt sich der Blick zurück, um den es in dieser Geschichte auch gehen soll.


Highlights der Polaris-Linie: Date, Chronograph und Ewiger Kalender


Die Polaris-Kollektion: Von Dreizeiger-Modellen bis zum Ewigen Kalender

Als Ur-Referenz für die heutige Polaris-Kollektion wird gern die Memovox Polaris aus dem Jahr 1968 genannt, die historische Taucheruhr mit Alarmfunktion. Doch die Geschichte robuster und sportlicher Uhren geht bei Jaeger-LeCoultre noch viel weiter, und soll im folgenden genauer beschrieben werden.

Sicher ist: Seit 2018 gibt es die Polaris-Kollektion so, wie Sammler sie heute kennen. Damals wurden neben einer Dreizeigeruhr (mit Kaliber 898/1), einem Chronographen (mit Kaliber 751) und einem Chronographen mit Weltzeitfunktion (mit Kaliber 752)  auch eine Polaris mit Datum (mit Kaliber 899) sowie eine Memovox-Variante mit Alarmfunktion lanciert. Letztere wurde angetrieben von Kaliber 956, das bereits 2008 für eine 2008 lancierte Memovox Tribute to Polaris, eine limitierte Edition im Look des historischen Orginals.

Seitdem hat sich der Name „Polaris“ neben der den Namen Jaeger-LeCoultre prägenden Reverso etabliert. Zudem wurde die Kollektion unter anderem um eine Geophysic-Variante mit einer zweiten Zeitzone und Gangreserve-Anzeige (mit Kaliber 939) sowie einen Ewigen Kalender (mit dem dafür entwickelten Kaliber 868AA) erweitert, der in Edelstahl und Rotgold erhältlich ist.

Typisch für die Polaris sind nunmehr: Erstens, markante Indizes, die eine hohe Ablesbarkeit sicherstellen. Zweitens, makellos finissierte Gehäuse, mit einem gekonnten Spiel aus gebürsteten und polierten Flächen. Drittens, subtil eingesetzte Vintage-Akzente, zum Beispiel beim Design der Ziffern bei der Polaris Date. Und dann natürlich viertens: Zifferblätter mit einem herausragenden Spiel mit Farbverläufen. Dieses zeichnet auch die neuste Variante des Chronographen mit dem „ozeangrauen“ Zifferblatt aus. 35 Lackschichten werden aufgetragen, um den Effekt bei dieser 16.000-Euro-Uhr zu erreichen.

Bekannt ist der Look bereits von dem im Jahr 2023 vorgestellten Chronograph mit einem hellgraueren Zifferblatt, der allerdings ausschließlich in Boutiquen der Marke erhältlich ist (Ref. Q902843J). Angetrieben werden beide vom Kaliber 761 mit zwei Federhäusern und einem Säulenrad mit vertikaler Kupplung, welches das Kaliber 751 der ersten Polaris-Chronographen von 2018 ersetzt hat. Es verfügt über eine Bauhöhe von 5,76 Millimetern und eine Gangreserve von gut 65 Stunden. Dass das Hilfszifferblatt auf drei Uhr nur 30 Minuten zählt? Nicht viel, aber genug für jedes Kurzstreckenrennen, für Tiefkühlpizzen und Versteckspiele.

Der Durchmesser von 42 Millimetern beim Chronographen entspricht Konkurrenzmodellen wie der Omega Speedmaster Moonwatch Professional oder der Rolex Daytona (allerdings überwiegend in 40mm), und ist sogar einen Millimeter größer als der IWC Portugieser Chronograph oder die Zenith Chronomaster Sport – was am Handgelenk aber nicht auffällt. Denn letztlich ist der Polaris-Chrono zwar die wohl sportlichste Interpretation einer Jaeger-LeCoultre, dann aber doch vor allem eine Uhr für Gentlemen, die mit ihrer Uhrenwahl beeindrucken wollen, dabei aber nicht auffallen. Gerade mit dem dunkelgrauen Zifferblatt gelingt dies hervorragend.

Jaeger-LeCoultre und das Militär

Dunkle Zifferblätter lassen bekanntermaßen selbst größere Uhren am Handgelenk kleiner erscheinen, vor allem aber können sie in Kombination mit hellen Indizes auch eine hohe Ablesbarkeit gewährleisten. Traditionell ist dies darum auch der Look von Fliegeruhren, weshalb es nicht vermessen ist, die Geschichte der Polaris bis in die 1940er-Jahre zurückzuverfolgen. Damals war das britische Verteidigungsministerium auf der Suche nach Zulieferern für Dienstuhren, die besonders strenge Auflagen erfüllen mussten, auf dass die Soldaten und Piloten der Royal Air Force (RAF) und der australischen Luftwaffe (RAAF) mit zuverlässigen Zeitmessern ausgerüstet wurden.

Aus diesen Jahren stammen dann auch JLC-Uhren wie die Mark X und die Mark XI. Diese Namensgebung kommt bekannt vor? Tatsächlich war Jaeger-LeCoultre damals nicht der einzige horologische Zulieferer des Commonwealth, vielmehr gab es ein dutzend Hersteller für die Mark X – darunter Longines, Omega und Lemania – während es bei der antimagnetischen Mark XI neben JLC lediglich noch IWC war. Für letzteres Modell waren die Ansprüche des Ministeriums in Sachen Präzision noch einmal deutlich höher, denn sie war für die Piloten gedacht, während die Mark X als robuste und zuverlässige Arbeitsmaschine am Boden ihren Dienst verrichten sollte.

Seitdem gilt die Mark XI. als eine der wichtigsten Fliegeruhren der Welt, und die hier gewonnene Expertise half Jaeger-LeCoultre bei der Entwicklung weiterer Einsatzuhren in der Luft und im Wasser. Auch das Modell Geophysic aus dem Jahr 1958 steht in dieser Tradition: Angetrieben wurde sie vom Kaliber 478, das bereits dreizehn Jahre zuvor entwickelt worden war, und zur selben Werkefamilie gehört wie das Kaliber 488 für die Mark XI. Die hochpräzise Geophysic wurde als Uhr für Wissenschaftler entwickelt, und erlangte Berühmtheit, als sie dem Kapitän des ersten U-Bootes geschenkt wurde, der mit dem Atom-U-Boot „USS Nautilus“ erstmals den Nordpol unter Wasser durchquerte.

Jaeger-LeCoultre und die Taucheruhren

Anfang der 1950er Jahren wurden einige der berühmtesten Taucheruhren der Welt erdacht. Von Rolex Submariner (1953) über Blancpain Fifty Fathoms (1953) bis zur Breitling Superocean (1957) und der Omega Seamaster (zwar 1948 lanciert, aber die 1957 Variante passt besser zum Sportuhren-Look). Tauchen wurde damals zum Freizeitsport, und sowohl Profis als auch Laien verlangten nach einer eigenen Gattung Uhr dafür.

Auch bei Jaeger-LeCoultre sah man diesen Bedarf, und näherte sich dem Thema mit einem einzigartigen Ansatz: Bereits seit 1950 stellte man dort unter dem Namen „Memovox“ Uhren mit Alarmfunktion her, und die 1959 präsentierte Memovox Deep Sea nahm diese Technik nun mit unter Wasser: der Alarmton mit einer besonders hohen Frequenz sollte den Taucher an die bereits verstrichene Zeit und die nötige Rückkehr an die Wasseroberfläche erinnern.

In der Tradition dieser Uhr steht dann auch die zehn Jahr später präsentierte „Memovox Polaris“, die bis zu 200 Meter Wasserdichtigkeit vorweisen konnte, und eine noch bessere – also lautere – Alarmfunktion vorweisen konnte. Mit einem Durchmesser von 42 Millimetern hatte sie für die damalige Zeit üppige Ausmaße, die eine hohe Ablesbarkeit sicherstellten.

Ihr folgte 1970 mit der Memovox Polaris II ein Nachfolger, der in leuchtendem blau und Seventies-Design im Bubble-Look eine ganz neue Designsprache in die Kollektion brachte, und mit dem Hochfrequenz-Automatikkaliber 916 vom neuesten Uhrwerk der Manufaktur angetrieben wurde. Die Kautschukbänder von damals prägen noch heute das Erscheinungsbild der aktuellen Polaris-Kollektion, die an Kautschuk- oder Textilbändern eine besondere Präsenz hat.

Jaeger-LeCoultre und die Sportuhren

Das Genre der bis heute populären „Toolwatches“ – also Einsatzuhren – wurde bei Jaeger-LeCoultre von Anbeginn etwas anders gedacht als bei den Mitbewerbern. Statt „anders“ wäre der Begriff „elitärer“ vielleicht ebenso passend, und was sonst sollte man auch von einem Haus erwarten, dessen ikonische Reverso-Kollektion auf dem Gedanken basierte, eine Uhr zu schaffen, die den Anforderungen von Polo-Spielern genügt.

Die Shark Deep Sea von 1969 beispielsweise ist nicht einfach nur eine Taucheruhr mit Chronographen-Funktion, die Uhr wurde mit zusätzlichen, auswechselbaren Lünetten mit Telemeter-Skala und Weltzeitfunktion ausgeliefert. Jenseits der klassischen Funktionsuhren produzierte man in den Folgejahren aber auch diverse sportlich anmutende Modelle, deren Design den Stil der Zeit aufs Edelste traf. Dazu gehören die Memovox Snowdrop und die Memovox Speed Beat GT (beide 1972), wobei bei letzterer der Zusatz „GT“ nicht für das „Grand Tourismo“ der Autowelt steht, sondern für  „Grande Taille“, und sich auf die Maße von 46 x 39 Millimetern bezieht.

Jaeger-LeCoultre und der Zeitgeist

Jede Uhrenmarke pflegt einen eigenen Stil, zu dem neben der Design-DNA vor allem die Werte und die damit verbundene Unternehmenskultur des jeweiligen Hauses gehören. Diese gilt es über jegliche Strömungen des Zeitgeistes zu bewahren, und dabei zugleich doch immer modern und im hier und jetzt zu denken – und zu produzieren. So traditionsbewusst nicht nur das Handwerk der Uhrmacherei, sondern auch Jaeger-LeCoultre ist, so ausgeprägt ist der Wille im Unternehmen diese Tradition immer neu zu interpretieren.

Sei es durch Uhren mit „großer Taille“ und hoher Design-Affinität in den 1970er-Jahren, seien es die eher konzeptuellen Sport-Uhren der frühen 2000er mit ihrer technischen Innovation. Damals führte ein junger Mann namens Jérôme Lambert das Unternehmen. Die Master Compressor Memovox von 2002 war eines der ersten Modelle des damaligen Markenlenkers, der aktuell erneut die Geschicke bei Jaeger-LeCoultre bestimmt.

Ziel war es damals, das Haus Jaeger-LeCoultre, das traditionell auch immer viel für andere Hersteller produzierte, und nur mit viel Engagement durch die Quarzkrise gekommen war, als eigenständige Marke fester zu etablieren. Das Kompressor-System der Krone erhöhte bei diesem Modell die Wasserdichtigkeit, und der Zeitmesser als solches muss als moderne Uhr verstanden werden, der keinerlei Reminiszenzen mit historischen Modellen suchte.

Diesem Modell folgten technisch noch radikalere Uhren wie die Master Compressor Extreme Lab 1 (2007) – mit einem Hemmungsrad aus Silikon und einem Werk, das ohne jegliche Schmiermittel auskam – und die Master Compressor Extreme Lab 2 (2009) – deren Werk um eine GMT-Funktion und eine Gangreserve-Anzeige ergänzt wurde.

Jaeger-LeCoultre und die Eleganz

Wir leben in einer Welt, in der dem Wiedererkennungswert eine hohe Bedeutung zugeschrieben wird. Die Begehrlichkeiten rund um Uhren wie die Rolex Daytona oder Audemars Piguet Royal Oak zeugen davon. Der Polaris Chronograph hat diese Bekanntheit im Jahr 2025 noch nicht erreicht.

Man muss aber kein Freund des stillen Luxus sein, um sich für dieses und auch die anderen Modelle der Kollektion zu begeistern. Die Uhren entstammen einem Haus, dass die Welt der Uhrmacherei auf vielfältigste Weise seit 1833 begleitet und prägt. Auch der Name „Polaris“ hat eine jahrzehntelange Geschichte, und Uhren wie der Chronograph schaffen einen erstaunlichen Spagat: Sie vereinen höchstwertige Kaliber mit einem Erscheinungsbild, das auf den ersten Blick sehr schlicht und aufgeräumt erscheint, dessen Finesse sich aber in der Ausgestaltung der Zifferblätter präsentiert.

Diese klare Linie zieht sich durch alle Modelle der Linie hindurch. Farben sind nie aufmerksamkeitsheischend, und doch immer intensiv. Das Material der Wahl meist Stahl, was im Kontrast zur sehr eleganten Anmutung dieser Uhren steht, die zwar noch als „Einsatzuhren“ beschrieben werden können, die letztlich aber eine ganz eigene Klasse definiert haben: Sportliche Uhren nämlich, die gar nicht behaupten wollen, dass sie für Extremtaucher oder andere Abenteurer gemacht sind, sondern für Männer und Frauen, die im Alltag den Spagat aus Eleganz und Dynamik schätzen.

Mögen sich die Fundamentalisten unter den Toolwatch-Freunden also weiterhin daran abarbeiten, ob Edelmetalle oder Komplikationen wie ein Ewiger Kalender sich mit dem Geiste einer klassischen Einsatzuhr verbinden lassen. Eine Polaris sucht keine Vergleiche, sondern wirkt aus sich selbst heraus.


jaeger-lecoultre.com

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