Porsche Design verbinden viele Sammler und Kenner feiner Mechanik trotz ikonischer Uhrenmodelle in der 51-jährigen Historie nicht unbedingt mit dem Begriff Uhrenmanufaktur. Und doch entwickelt die Schweizer Tochter von Porsche Design, die Porsche Design Timepieces AG gerade etwas, was die Schweizer Uhrenwelt auf den Kopf stellen und revolutionieren könnte. Ein exklusiver Besuch in der Porsche-eigenen Manufaktur in Solothurn lässt vor allem eine Frage aufkommen: Muss der Begriff Uhrenmanufaktur in Zukunft neu gedacht werden?
Wie hat sich wohl Ferry Porsche 1950 gefühlt?
Wie sich wohl Firmengründer Ferdinand Porsche 1950 gefühlt haben muss, als er durch sein Werk 1 in Stuttgart schritt, um die Arbeiten am 356, dem ersten Serien-Porsche, zu überprüfen? Ein paar Backstein-Hallen waren es damals, heute wirken sie winzig, eingebettet in die riesige Konzernfläche in Stuttgart-Zuffenhausen mit über 600.000 Quadratmetern.
Porsche Stammgelände in Zuffenhausen ©Porsche AG
Diese Frage kommt einem in den Sinn, wenn man heute die Porsche Design Timepieces AG in Solothurn betritt. Ein schlichter Betonbau, in dem man ein paar Räumlichkeiten angemietet hat. Kein repräsentatives Firmenmuseum, geschweige denn Empfangsgebäude, mit dem so viele bekannte Schweizer Uhrenhersteller gerne werben. Wie wird es hier wohl in 75 Jahren aussehen? Also genau in der Zeitspanne, die nun die Automobilfirma und Muttergesellschaft von ihren Anfängen trennt (Das Gründungsjahr von Porsche war bereits 1948, die ersten 356 wurden in Gmund gebaut)? Wer diesen Text liest, könnte vermuten, dass die Gebäude rasch zu eng werden. Derzeit gibt man sich noch bescheiden und der CEO der Porsche Timepieces AG, Rolf Bergmann, empfängt einen hier noch persönlich.
Das erste Mal gewährt er Journalisten Zugang in seinen „kleinen heiligen Gral“, wie er und sein Kollege Gerhard Novak, General Manager Timepieces, die Räumlichkeiten liebevoll nennen. Es geht heute nicht nur um einen exklusiven Zugang, sondern auch um ganz besondere Einblicke in ein Thema, das nicht nur für Porsche revolutionär ist, sondern für die gesamte Schweizer Uhrenindustrie. Bergmann und seine Marketing-Kollegen haben sich dafür einen besonderen Claim ausgedacht, der es gut trifft: „Sportwagen am Handgelenk.“
Rolf Bergmann, CEO der Porsche Timepieces AG (l.) und Gerhard Novak, General Manager Timepieces (r.)
Um das Porsche-Feeling nicht in der Garage enden zu lassen, ist es nur logisch in Zeiten von zunehmenden Flug- und Bahnreisen, seiner Kunden die Lebenswelt Porsche zu erweitern und dabei, so erklärt Bergmann „ist Porsche Design natürlich eine Marke, die das bereits seit über einem halben Jahrhundert perfekt auf den Punkt bringt.“ Mit Reisegepäck, Sportmode, Sonnenbrillen, Accessoires und natürlich ganz besonders Armbanduhren.
Einzigartig ist nicht das was, sondern das wie
Dabei ist, und das wird man heute hier lernen, gar nicht so einzigartig, was Porsche Design da tut, sondern vor allem, wie sie es tun. Denn so wie Porsche am Ende Sportwagen baut, wenn auch außergewöhnliche, baute Porsche Design mit seiner Schweizer Tochter eben bislang auch eher mechanische Armbanduhren wie viele andere. Einzigartig, und da sind Bergmann und Novak zu Recht stolz darauf, war bislang nur eines so Bergmann: „Weder gibt es einen anderen Autohersteller auf der Welt, der eine eigene Uhrenmanufaktur besitzt und unabhängig betreibt“ noch, ergänzt sein Kollege Novak, „können andere dabei als Gründungsvater einen herausragenden Gestalter vorweisen, der zwei Ikonen in völlig unterschiedlichen Bereichen – Automobil und Uhr – geschaffen hat.“
Wie die Uhren zu Porsche kamen
So weit, so klar. Bevor es darum geht, was es mit dem Sportwagen am Handgelenk auf sich hat und Swisswatches Magazine der Frage nachgeht, ob Porsche Design vielleicht den Schlüssel zum ultimativen Sammlermodell von morgen in der Tasche hat, stellt sich erst einmal die Frage, wie Porsche überhaupt zu Armbanduhren kam.
Porsche war jahrzehntelang vor allem eines: Rennsport für die Straße
Porsche, das hieß jahrzehntelang Rennsport, zumindest Rennsport für die Straße. Uhren? Sollen die anderen machen. Da war einst der Großvater Ferdinand, ein begeisterter und ebenso begnadeter Ingenieur, der der Welt den Käfer schenkte und gleichzeitig Auto-Union-Rennwagen entwarf. Da war der Vater Ferry, der 1951, nur drei Jahre nach der Präsentation des ersten eigenen Sportwagens, unter dem eigenen, böhmischen Namen sein Motorsport-Debüt in Le Mans gab. Mit dem 356 SL und nur 45 PS gewann der französische Porsche-Importeur Auguste Veuillet zusammen mit seinem Landsmann Edmond Mouche auf Anhieb in seiner Klasse. Fünf Jahre später, 1956, tritt das kleine Familienunternehmen am 10. Juni bei der Targa Florio, dem härtesten Langstreckenrennen seiner Zeit, an. Der Porsche 550 Spyder von Umberto Maglioli fuhr der Konkurrenz von Maserati und Ferrari in den Bergen Siziliens schlicht davon. Der Vorsprung auf den Zweitplatzierten: 15 Minuten. Doch von Uhren (noch) keine Spur.
Der kreative Sohn schafft eine Ikone: Den Porsche 911
Aber dann war da der kreative Sohn, Ferdinand Alexander, der an der Hochschule für Gestaltung in Ulm studierte und 1963 zusammen mit seinem Team ein Autodesign für die Ewigkeit schuf, den Porsche 911, der bei seiner Vorstellung auf der IAA im selben Jahr noch 901 hieß. Was viele, auch der Journalist Reinhard Seiffert der Zeitschrift Auto Motor und Sport, damals nicht ahnten: In den Rennversionen ist er der erfolgreichste Wagen, der je gebaut wurde. Seiffert schrieb in Ausgabe #8 der Zeitschrift noch lapidar: „Keine Frage, der neue Sportwagen, der ab Ende August in Zuffenhausen produziert wird, ist eines der interessantesten Autos der Welt. Er ist ausschließlich als Reisefahrzeug gedacht, nicht für den Gran-Turismo-Sport.“ Tja, nie hat sich ein Motorsportjournalist wohl schöner geirrt. Irren ist ein gutes Stichwort.
Ferdinand Alexander Porsche mit Porsche 901
Die wahre Geschichte des Porsche Chronos
Wir wollen die Sammler nicht langweilen mit dem Thema, denn Porsche Fans sind bestens vertraut mit diesem Teil der Geschichte. „F. A.“ wie er Zeit seines Lebens außerhalb der Familie genannt wurde und wie ihn hier in Solothurn auch heute noch alle nennen, machte sich als Gestalter des Porsche 911 erst unsterblich, und dann unabhängig: Als die Mitglieder der Familie Porsche 1972 das operative Geschäft des eigenen Unternehmens verließen (die Umwandlung der Rechtsform des Unternehmens auf eine Aktiengesellschaft gebot dies), gründete Ferdinand Alexander Porsche sein eigenes Designstudio, mit welchem er zwei Jahre später in die Heimat seiner Kindheit, Österreich, zurückkehrte.
Sein erstes Projekt war eine außergewöhnliche Uhr für verdiente Mitarbeiter der Porsche AG: Der schwarze Chrono I, die erste schwarze Armbanduhr der Welt, ist ein Uhrenklassiker der Moderne, der von Formel-1-Größen getragen wurde und am Arm von Tom Cruise im ersten Top Gun-Film die Leinwand eroberte. Rund 50.000 Modelle wurden in fünf Dekaden von verschiedenen Herstellern im Auftrag gebaut: Erst von Orfina, später von Eterna und heute eben von Porsche Design selbst – als limitierte Edition. Das nächste Kapitel – und das ist das erklärte Ziel von Bergmann und seinen Kollegen – könnte allerdings noch erfolgreicher werden: Dieses Mal mit passender Uhr zum Fahrzeug: Die Porsche AG baut allerdings über 300.000 Autos – und das pro Jahr.
Das Thema Uhr war immer da in der Familie Porsche
Die Geschichte der Chronograph 1 ist schnell erzählt, aber wichtig, um die heutige Philosophie zu verstehen. Novak sagt: „In der Art, wie F. A. Porsche die Gestaltungsprinzipien aus dem Sportwagen ans Handgelenk übertrug, setzte er ein klares Signal, was bis heute anhält und Porsche Design konsequent umsetzt.“ Und präzisiert, was er damit sagen möchte: „Das Schöne ist: Wir müssen nichts neu erfinden, da es bei F. A. Porsche selbstverständlich war, fortschrittlich zu denken!
Anfangs war der Chrono 1 kein kommerzielles Projekt
Anfangs war es kein kommerzielles Projekt, sondern eine Armbanduhr für Jubilare der Porsche AG. Die Aufforderung an Herrn Porsche, eine solche Uhr zu entwerfen, umfasste daher zunächst auch nur 20 Armbanduhren jährlich. Die Frage, warum ein Chronograph, versteht sich für Automobilisten von selbst. Was aber auch denen eher unbekannt sein dürfte, führt Novak im Detail aus: „Die Familie Porsche hatte sich schon immer selbst gerne mit guten Uhren umgeben und kannte sich sehr gut aus in dem Segment.“ Er hat im Archiv von Porsche ein interessantes Detail entdeckt: „Vermutlich ab dem Jahr 1950, aber sicher seit Mitte der Fünfziger Jahre des letzten Jahrhunderts haben alle Porsche Kunden, die die Grenze von 100.000 Kilometer mit ihrem Auto erreicht haben, von Porsche eine massiv goldene Uhr mit Porsche-Schriftzug geschenkt bekommen.“
Eine massiv goldene Armbanduhr für Porsche-Fahrer
Aufgrund der hohen Qualität der Fahrzeuge erreichten immer mehr Kunden diese Laufleistung weshalb ab Ende der 1950er Jahre zur Anerkennung für Vielfahrer eine goldene Anstecknadel überreicht wurde. Interessanterweise kamen von den ersten Chrono 1 Exemplaren bereits ab 1974 erste Uhren an Handgelenke prominenter Persönlichkeiten. Logisch, aber dennoch bemerkenswert: Besonders in den Formel-1-Fahrerlagern fand das Modell großen Anklang: Mario Andretti trug die Chronograph 1 im Jahr seiner Formel-1-Weltmeisterschaft von 1978, ebenso existieren Fotos von Ferrari-Boss Gianni Agnelli und Rennfahrer Niki Lauda, auch weiß man von Emerson Fittipaldi.
An den Armen von Armeen
Der Chronograph 1 erlebte ab den späten 1970ern eine zweite Karriere abseits der Rennstrecken. Wegen seiner nahezu blendfreien Ablesbarkeit und damit höchster Funktionalität war er nämlich auch bei vielen Armeen im Einsatz: bei der NATO, der Bundeswehr, dem Schweizer Heer, aber auch bei den Emiraten und natürlich ganz besonders der Flugstaffel der US Air Force, die den Kopf eines Tigers im ihrem Logo verwendete. Egal ob Luft- und Seestreitkräfte, ergänzt Novak: „Diese Einheiten haben die Uhren für die Ausstattung ihrer Einheiten bei Porsche Design in Auftrag gegeben.“
Der Film Top Gun als Gamechanger
Als der US-Regisseur Jerry Bruckheimer 1985 mit dem Dreh zu Top Gun „Sie fürchten weder Tod noch Teufel“ begann, ging es darum, die Schauspieler authentisch auszustatten. Die Top Gun-Flugstaffel war praktischerweise in Miramar nahe Hollywood beheimatet. Novak kennt die Story bis ins Detail: „Da die Tigers den Chrono 1 getragen haben, ist Bruckheimer selbst in den Porsche Design Store in Beverly Hills gelaufen und hat nach diesem Modell gefragt. Dort hat man ihm dann jenen Chronograph 1 geliehen, den Schauspieler Tom Cruise 1986 im ersten Teil von Top Gun trug.“
Manchmal muss man auch Glück haben
Novak gibt heute offen zu: „Niemand bei Porsche Design war auf die Idee gekommen, Tom Cruise auszustatten.“ Besonders charmant: Natürlich wurde 2022 in Top Gun: Maverick auch der Chrono 1 von Cruise getragen – explizit nicht als bezahltes Product Placement. Es war übrigens die identische Uhr, weiß Novak, „da wir die Uhr damals bewusst zurückgenommen hatten, um sie zu bewahren.” 2019 war Bruckheimer wieder auf Porsche Design zugekommen und fragte uns erneut. Tom Cruise wollte die Uhr wohl nach dem Dreh kaufen, was Porsche Design allerdings verneinte. Man behält sie zu Recht lieber bis auf Weiteres als Familienschatz.
Ein neuer Ansatz muss her
Doch wieder zurück zur Verbindung von Automobil und Armbanduhren. Mit der Gründung der Porsche Design Timepieces AG im Jahr 2014 hatte die Porsche AG zusammen mit ihrer Tochter Porsche Design in Ludwigsburg die Weichen für die Zukunft gestellt. Die Porsche AG war nach der Beinahe-Pleite Anfang der Neunziger Jahre zu einer der wertvollsten Automobilmarken der Welt aufgestiegen – neben einer Diversifizierung der Modellpalette vor allem mit einem einzigartigen Produktionsprinzip nach Kundenwünschen: Hochgradig individualisierbare und limitierte Sportwagen. Denn genau das ist es, was Fans aus Stuttgart-Zuffenhausen erwarten.
Das ist ja schön und gut, dachten sich die schwäbischen Tüftler. Aber wie wäre es, wenn die Kunden ihre Armbanduhr so gestalten könnten wie den persönlichen Sportwagen? Spielerei? Die Auktionsergebnisse seltener Armbanduhren der letzten Jahrzehnte sprechen eine andere Sprache: Nicht nur performen sie besser als viele Aktien, sondern besonders gefragt sind wertvolle Einzelstücke, wie die Daytona von Paul Newman eindrucksvoll beweist (hier unser Artikel dazu).
Porsche Design ist nicht Rolex
Nun sind Porsche-Design-Uhren nicht Rolex oder Patek Philippe. Noch nicht. Aber den Weg hin zum ganzheitlichen Porsche-Erlebnis ebnen Männer wie Rolf Bergmann. Sein damaliges Ziel: Zeitmesser, die zu 100 Prozent zum persönlichen Wagen passen. Bergmann: „Uns war von Anfang an klar, der Aufwand wäre extrem.” Allein für den Porsche 911 gibt es 17 Standardfarben, fünf Felgentypen und über 20 Lederausstattungen im Fahrzeug-Konfigurator.
Seit 25 Jahren Logistikprofi
Allerdings ist Bergmann ein Profi, genau genommen seit 25 Jahren Logistikprofi, der schon den Porsche 996 Turbo mit entwickelt hat. Einer der weiß, was sequenzielle Fertigung bedeutet: „Porsche ist mit kleinen Stückzahlen bei großer Vielfalt stark geworden, das übertragen wir nun auf Uhren.“ Und da Bergmann um die Qualität der Autos weiß, fragte er sich: Ginge das nicht sogar mit dem gleichen Lack und dem gleichen Leder wie im Auto? Es ging. Neue Sammler-Horizonte eröffnen sich.
Mit dem Turbo S Exklusives Series fing alles an
Bergmann erinnert sich: „Mit dem Turbo S Exclusive Series haben wir 2017 erstmals eine limitierte Uhr zum Auto angeboten, die man nur beim Kauf des Wagens erhielt.“ Das schlug so gut ein – fast die Hälfte aller Autokäufer orderte die Uhr für 9.950 Euro gleich mit – dass die Drähte zwischen Ludwigsburg, Zuffenhausen und Solothurn heiß liefen. Hatte man gerade ein neues Geschäftsmodell entdeckt? Man hatte. Und die Ingenieure und Designer fragten sofort: Wie wäre es, wenn jeder Porsche-Fahrer sich in Zukunft direkt im Car-Konfigurator seinen persönlichen Porsche fürs Handgelenk bestellen könnte?
Bergmann: „Unter Hochdruck haben wir daran gearbeitet, und vor drei Jahren sind wir mit unserem Uhrenkonfigurator online gegangen. Jeder Kunde, der sich heute einen Porsche 911 konfiguriert, kann im Anschluss eine bereits passende Armbanduhr angeboten bekommen, die er noch weiter individualisieren kann.“ Allerdings weiß auch er: Nicht jeder Porsche ist automatisch ein begehrtes Sammlermodell.
Die neue Art, Uhren zu bauen
Sicher ist allerdings: Porsche Design schreibt mit den sogenannten „Porsche Design Custom-built Timepieces“ ein weiteres Stück Uhrmacher-Geschichte und schlägt ein neues Kapitel in der Herstellung von Armbanduhren auf.
Denn dem Gedanken des Sportwagens am Handgelenk liegt ein völlig neuer Entwicklungs- und Fertigungsprozess von Armbanduhren zugrunde. Bergmann erläutert das gerne im Detail und seine Augen leuchten dabei vor Begeisterung: „Um eine komplett individualisierbare Armbanduhr mit unzähligen Kombinationsmöglichkeiten in Serie anbieten zu können, mussten wir stark in die Prozesse eingreifen, wie Uhren heute hergestellt werden bis hin zu der Art, wie der Kunde sich seinen persönlichen Zeitmesser passend zum Fahrzeug zusammenstellt.“
Die Prozesse der Produktion müssen verändert werden
Die Prozesse, die der Kunde über seine Auswahl im Porsche Design Timepieces Konfigurator digital auslöst, verändern nämlich nicht nur sämtliche Produktionsabläufe und die Lieferketten, ja selbst auf die Art wie die custom-built Uhren von Porsche Design konstruiert und entworfen wurden, haben sie Einflüsse.
Schon die Standortwahl war von diesem Konzept beeinflusst
Der Ansatz, Uhren anders herzustellen als bislang, wurde sogar schon vor zehn Jahren bei der Auswahl des Standortes in der Schweiz berücksichtigt. Bergmann: „Solothurn liegt mitten im Fertigungs-Dreieck der besten Schweizer Zulieferer mit ihren hochgradig spezialisierten Betrieben.“ Die Region Biel mit den klassischen Uhrenherstellern sorgt zudem für ein sehr gutes Fachkräfteangebot. Ebenfalls nicht weit entfernt liegen die Betriebe zahlreicher Komponenten-Lieferanten. Als Herzstück der Schweizer Uhrmacherei gilt das nahe gelegene La Chaux-de-Fonds im Neuenburger Jura. Solothurn selbst ist wiederum verkehrstechnisch bestens zu den Flughafenstädten Zürich und Basel über Straße und Schiene angebunden. Gerhard Novak, führt weiter aus: „Als 2014 die Timepieces AG in der Schweiz gegründet wurde, stand von Anfang an fest, dass wir das damals noch als Clubuhren bezeichnete Konzept Realität werden lassen wollten.“
Große Herausforderungen zu Beginn
Dabei standen Bergmann und sein Team vor großen Herausforderungen: „Mit externen Uhrenherstellern, wie es Porsche Design bislang gemacht hatte, konnten wir die Vision einer Produktion von Uhren, die parallel und bis ins kleinste Detail abgestimmt auf das jeweilige Fahrzeug entwickelt werden, nicht umsetzen, da wir gleichzeitig bei Porsche in Zuffenhausen viel tiefer in die Produktion und Entwicklung der Autos selber eintauchen mussten, als es jemals ein Lizenzhersteller gedurft hätte.“
Die Idee zur Gründung einer eigenen Uhrenfertigung in der Schweiz war geboren
Die Idee zur Gründung einer eigenen Uhrenfertigung in der Schweiz war geboren. Nowak: „Nirgendwo gibt es eine größere Expertise in der Herstellung von individuellen Bauteilen für Uhren mit unseren Qualitätsansprüchen, als in der Schweiz. Und auch dort nur in bestimmten Regionen. Daher war der Standort Solothurn integraler Bestandteil für das Konzept der Porsche Design custom-built Timepieces.“
Das Designstudio in Zell am See musste eine vollkommen neue Armbanduhr entwerfen
Auch der Design- und Konstruktionsprozess von Armbanduhren musste umgestellt werden und das Studio F. A. Porsche in Zell am See war stark eingebunden in das Konzept. Bergmann: „Schnell war klar, dass wir für ein solches Konzept neue Gehäuse oder Armbänder mit ganz anderen Details benötigen würden, welche einen hohen Individualisierungsgrad zulassen. Diese Teile müssen austauschbar sein, ohne jedes Mal eine neue Uhr entwickeln zu müssen.“ Große Variantenvielfalt bei kleinen Stückzahlen ermöglicht daher beim custom-built Chronographen die vom Fahrzeugbau bei Porsche inspirierte Sequenzfertigung.
Der erste Uhrenkonfigurator der Uhrenindustrie
Doch wie funktioniert das Ganze? Los geht es für den Uhrenkäufer im Porsche Design Konfigurator, der eigens entwickelt wurde und technisch den aufwendigsten seiner Art für mechanische Armbanduhren auf der Welt darstellt. Hat der Kunde online seine persönliche Traum-Uhr oder die passende Uhr zu seinem Traum-Elfer gefunden und sich zusammengestellt, bekommt er am Ende des Auswahl-Vorganges einen Code per Email zugeschickt. Damit geht er zu seinem Porsche-Händler, der die Bestellung entgegennimmt und den Bestellvorgang auslöst.
Über 200.000 Varianten – Porsche stapelt tief
Auch wenn Bergmann von „unzähligen“ Gestaltungsvarianten spricht, in Wahrheit kann man sie schon zählen – besser gesagt berechnen: Wenn man jedes unterschiedliche Garn mit einrechnet, das für die Uhrenarmbänder möglich wäre, wären es theoretisch über 300 Millionen Varianten, aus der sich Kunden eine Uhr zusammenstellen können. In den Porsche Zentren in den sechs Ländern, in denen Porsche dieses Programm derzeit ausgerollt hat, gibt es zusätzlich sogenannte Beraterboxen für Kunden, die sich vor Ort über alle Details der Chronographen informieren möchten, und werden durch den gesamten Konfigurationsprozess geführt.
Sind Autoverkäufer die richtigen Uhrenverkäufer? Novak: „Die Verkäufer sind geschult, wenn auch unterschiedlich. Wichtig ist für ihn: „Der Kunde kann allerdings vor Ort auch selber rumprobieren, mit den Bändern und den Farben und vor allem die Modelle mal anfassen und sich anschauen.”
Allerdings stellten er und seine Kollegen etwas Erstaunliches fest: Die Kunden nutzen diese Art des Ausprobierens weniger, “Sie konfigurieren die Uhren am liebsten selbst online”, so Novak. Bergmann ergänzt: „Wir haben spezielle Auswertungssysteme entwickelt, die es uns erlauben, die Häufigkeiten einzelner Merkmale wie Aussenfarben, Felgentyp, Lederfarbe, Gehäusevarianten etc. zu ermitteln und diese wiederum zur Materialplanung für zukünftige Bedarfe zu verwenden. So bekommt Porsche anonymisiert wichtige Daten über Kundenvorlieben“.
Wenn die Uhr zum Auto einmal bestellt ist, lassen sich leicht weitere Verkaufsthemen abwickeln. Bergmann: „Die Kunden haben in kürzester Zeit die Prozesse von den Autos auf die Uhren übertragen können. Erst neulich bekamen wir eine Anfrage nach dem Motto: Mein Porsche läuft super, können sie mir zu Weihnachten folgende passende Uhr bestellen, und dann schickt uns der Kunde lediglich den Code.“ In Ludwigsburg wird dieser dann in eine Produktionsbestellung umgewandelt. Die Timepieces AG bekommt dann nach Erhalt der Bestellung diesen als Produktionscode oder auch TP-Code genannt, digital und zur Sicherheit auch gedruckt zugesendet.
Warum funktioniert dieses Prinzip nicht beim Juwelier?
„Der große Vorteil ist die Form der Kundenansprache, die beim klassischen Juwelier anders funktioniert“, sagt Gerhard Novak. „Der Juwelier könnte das niemals verkaufen, denn woher weiß er, welche Farbe der Kunde will? Rot ist bei Porsche nicht einfach rot, sondern karminrot oder indischrot. Das sind Dinge, die Porsche Fahrer wissen, aber vermutlich niemand außerhalb der Porsche Community.“ Porsche Design spricht in der Sprache des Autokunden. Und auch die Autoindustrie hat derzeit wohl kein Interesse daran, weil das Geschäft zu klein ist, und die Uhrenindustrie scheitert an der Logistik eines Automobilherstellers und vorhandenen, völlig anderen Produktionsweisen mit einer komplett eigenen Logistik. Diese ist hinter einer solchen Vielfalt aber entscheidend.
Das Prinzip der Sequenzfertigung für den Uhrenbau
Der Begriff Sequenzfertigung kommt aus der Autoindustrie und Porsche hat das Verfahren perfektioniert, er bedeutet: Im Hintergrund werden parallel die verschiedenen Auftragseingänge der Porsche-Zentren in eine virtuelle Reihenfolge sortiert und dieser Prozess danach eingefroren. Sollte der Kunde Änderungswünsche nach Auftragsbestätigung haben, kann das bis zum Tag der Fertigung einzelner Komponenten, in der Regel sieben Werktage vor Produktionsbeginn, über das Porsche-Zentrum erfolgen.
In Solothurn wird dann der so erzeugte QR-Code ausgelesen und an die Lieferanten weitergegeben. Bergmann: „Sequenzielles Fertigen ist ein fließender, getakteter Prozess. Wir sagen: Der Bestellvorgang der Uhr zieht Material beim Lieferanten, also den individuellen Aufzugsrotor, das persönliche Armband oder das passende Zifferblatt.“
Uhrenfertigung mit Null Fehlern?
In der traditionellen Schweizer Uhrmacherei bestehen bislang zwei klassische Prinzipien der Uhrenherstellung: Entweder liefern hochspezialisierte Betriebe einzelne Komponenten an Hersteller, die Etablisseure genannt werden. Diese Etablisseure setzen Bauteile zu fertigen Armbanduhren zusammen und liefern sie an Händler. Alternativ fertigen die sogenannten Manufakturen die wichtigsten Bauteile mit großer Fertigungstiefe selbst, vor allem aber Uhrwerke. Beide Prinzipien funktionieren aber für Individualuhrenkonzepte wie das custom-built Timepieces Programm von Porsche Design nur bedingt. Bergmann: „Für Etablisseure werden Einzelteile in der Regel in großen Stückzahlen produziert mit wenigen Varianten. Manufakturen können zwar sehr individuelle Uhren bauen, aber in der Regel nur als Kleinserie. In beiden Varianten explodieren irgendwann die Kosten, wenn entweder die Stückzahlen oder die Vielfalt steigen.“
Was bedeutet Manufaktur bei Porsche?
Die Produktion bei Porsche Design sieht wie folgt aus: 2014 hat man die Bürogebäude in Solothurn bezogen. Die ersten Uhren hat man noch beim Auftragsunternehmen fertigen lassen, bevor die eigene Produktion stand. Bereits letztes Jahr folgte die erste Erweiterung im bestehenden Gebäude. Produktion bedeutet bei Porsche Design zunächst Etablissage, also Uhrenmontage, dann die Qualitätskontrolle und vor allem die Logistik. Sie ist das Herzstück.
Der Ablauf ist fast identisch zur Automobilfertigung in Zuffenhausen: Zu jeder Uhr gibt es einen konkreten Bestellauftrag mit einem Bild der Uhr und einer sogenannten „Picking Liste“, auf der einer der Uhrmacher vor Ort sämtliche Komponenten entnimmt. Der Uhrmacher hat einen kleinen Wagen, auf dem eine Kommissionierungsbox mit kleinen Fächern für alle Komponenten liegt, die er im Logistiklager einzusammeln hat. Er „pickt“ diese, wie es in der Autobranche heißt: Hier die passende Schwungmasse, dort die passenden Zeiger, dann die Schrauben, das Uhrwerk, das Gehäuse, das Zifferblatt, die Farbringe in Autofarben, die Armbänder und die Saphirgläser. Die Uhrmacher rotieren von Station zu Station, Experten nennen das polyvalent. Einen Tag kontrolliert einer die Qualität, einen Tag montiert derselbe Mitarbeiter Kundenuhren.
Besonders die Lieferanten müssen umdenken
Dabei gilt bei Porsche Design custom-built Timepieces das Null-Fehler-Prinzip. Wenn ein Bauteil nur einmal hergestellt wird, weil es nur zu genau einer Bestellung passt, müssen sich die Uhrmacher zu 100 Prozent darauf verlassen können, dass es fehlerfrei ist. Bergmann: „Hier kehrt Porsche Design das klassische Uhrmacher-Prinzip der Qualitätskontrolle beim Wareneingang um, denn nun muss der Lieferant die Qualität bereits bei der Lieferung garantieren.“
Auch das Engineering stammt von Porsche Design
Die aus dem Porsche-Sportwagenbau üblichen Prinzipien werden damit erstmals auf die Armbanduhrenproduktion übertragen. Hinter der neuen Logik tickt Bergmann: „In unserem Designstudio in Zell am See entwerfen unsere Kollegen die Uhren, wir entwickeln sie bis ins Detail zusammen mit den Lieferanten. Das Engineering und sämtliche Qualitätsvorgaben kommen dabei von Porsche Design.“ Liegen alle Bauteile seitens der Lieferanten fehlerfrei vor, beginnt die Fertigung und unterscheidet sich damit essentiell vom Fertigungsprozess von der klassischen Methode, bei der die Uhren von Station zu Station wandern und spezifische Bauteile wie Armbänder jeweils zugeliefert werden.
Die Qualitätskontrolle ist ein Schlüsselbegriff bei dieser Art der Uhrenfertigung
Die Qualitätskontrolle ist ein Schlüsselbegriff bei dieser Art der Fertigung. Bergmann: „Wenn ein Zifferblatt nur einmal existiert, muss es auch fehlerfrei eingebaut werden durch den Uhrmacher. Das ist eine andere Verantwortung als immer das gleiche Zifferblatt in Serie einzubauen und bei Beschädigung einfach ein zweites aus dem Regal ziehen zu können.“ Wichtig ist, dass die Qualität im Prozess laufend überprüft wird. Das gilt für die Funktionsweise der Uhr, aber natürlich auch für die richtige Spezifikation, damit alles so ist, wie der Kunde es konfiguriert hat. Das perfekte Endergebnis für den Kunden.
Im Detail: Der Porsche Design Chronograph custom-built
Sämtliche custom-built Modelle von Porsche Design sind dabei 100 Prozent Swiss Made. Bergmann: „Die Wertschöpfungstiefe in der Schweiz liegt mit über 90 Prozent weit über den gesetzlich vorgeschriebenen 60.“ Sämtliche Uhrwerke von Porsche Design werden außerdem von der COSC (Zentrale Schweizer Prüfstelle Contrôle officiel suisse des chronomètres) auf Ihre Ganggenauigkeit hin überprüft. Bergmann: „Als erster Uhrenhersteller bieten wir nun für die custom-built Baureihe ein COSC-Zertifikat für Uhren mit individualisiertem Uhrwerk an.“
Das Uhrwerk – Weltpremiere in Hochleistung
Im Porsche Design Chronograph custom-built ging das Basis-Manufakturkaliber 01.100 mit 46 Stunden Gangreserve erstmals in Serie. Highlight des COSC-zertifizierten Werkes ist der individualisierbare Aufzugsrotor im Look der aktuellen Felgen des Porsche 911 Carrera. Erstmals überhaupt bietet ein Uhrenhersteller eine COSC-zertifizierte Armbanduhr mit einem individualisierbaren Bauteil im Uhrwerk an. Bergmann: „Der Aufwand der Prüfung aller Varianten im Vorfeld ist enorm. Aber genau diese Detailversessenheit erwartet ein Porsche-Fan und Uhrenliebhaber von uns.“
Der Felgenrotor – einmalig in der Uhrenindustrie
Von der klassischen Carrera-Felge inklusive Rotorabdeckung und zweifarbigem Porschewappen bis hin zum Exclusive-Rad mit goldenem Porsche-Wappen stehen sieben verschiedene Rotortypen zur Auswahl. Auch die Rotorflanke kann dabei analog zur Felgenflanke beim Fahrzeug in Wunsch-Wagenfarbe lackiert werden. Dabei verwendet Porsche Design die original Porsche-Farbpalette. Der Felgenrotor in den Uhren entspricht dabei einer im Maßstab 1:22 verkleinerten Version der Originalfelge, angepasst auf die Geometrie der Uhr. Die Fertigung der Rotoren erfolgt auf bis zu Fünf Tausendstel Millimeter genau. Das Porschewappen, an der Fahrzeugfelge rund 5 Zentimeter groß, misst auf dem Aufzugsrotordeckel lediglich 3,3 in der Breite und 4,4 Millimeter in der Höhe. Dabei bleibt das Pferd aus dem Stuttgarter Stadtwappen mit bloßem Auge gut erkennbar. Es ist das technisch anspruchsvollste Element dieser Uhren. Bergmann: „Wir bekommen drei Jahre vor Produktionsstart die Konstruktionspläne dieser Designs aus Weissach. Unser Designer übersetzt das dann in den Aufzugsrotor, der möglichst dreidimensional wirken muss.”
Die Armbänder – bis zu 900 verschiedene Konfigurationen
Der enorme Aufwand, der bei dieser Uhr betrieben wurde, ist nirgendwo so gut zu erkennen wie bei den verfügbaren Metall- oder Lederarmbändern, die zudem noch in drei Größen angeboten werden. Kleine Pop-Up-Menüs im Konfigurator erleichtern dabei die Auswahl. Bei den Metallarmbändern wird nur hautfreundliches Titan verwendet. Alle Versionen verfügen über einzeln verschraubte Glieder. Es gibt sie analog zu den Gehäuse-Varianten in glasperlgestrahltem Naturtitan oder schwarz beschichtet mit Titancarbid. Zusätzlich stehen zwei verschiedene Schließen zur Auswahl. Wahlweise eine Butterfly-Schließe mit seitlichen Drückern oder eine Schließe mit siebenfacher Feinverstellung. Alle Leder-Armbänder bestehen aus 100 Prozent Porsche Sportwagenleder in den 16 Original-Lederfarben des Porsche 911, dabei wird selbst für die Ziernähte das Original-Garn in den Farben des Porsche Interior verwendet. Die Lederarmbänder werden mit einer Butterflyschließe mit Dorn und Bügeln mit seitlichen Drückern zum Entriegeln ausgeliefert. Kunden können sich bis zu vier verschiedene Armbänder konfigurieren.
Auch die Ziernähte des Armbandes stammen aus der Automobilproduktion
Sämtliche 16 Interior-Farben des Fahrzeug-Konfigurators stehen auch bei den Ziernähten zur Auswahl. Bis zu 900 verschiedene Varianten können so im Konfigurator erzeugt werden. Bergmann: „Das Leder der Fahrzeugsitze ist wirklich identisch, unser Lieferant muss es daher auch bei denselben Gerbereien bestellen wie die Porsche AG. Das Lederband mit Softeinlage und Hard-Endstück ermöglicht ein komfortables Schnellwechsel-System direkt am Uhrengehäuse. Das komplexe Produkt wird von Hand beim Lieferanten zusammengefügt. Vorher wird das Deckleder ausgeschärft, es ist nur 0,5 Millimeter dünn, um am Ende zusammen mit dem Unterleder die Ziernaht zu setzen. Auch hier ist das Garn identisch mit dem in den Porsche 911 Fahrzeugen, allerdings aus optischen Gründen etwas dünner. Gerhard Novak weiß um deren Beliebtheit: „Die Kunden lieben nicht nur die Uhren, sondern auch die Armbänder: Der durchschnittliche Kunde bestellt zu seiner Uhr im Schnitt 2,4 Bänder.“ Vor allem der Lieferant muss dabei umdenken. Bergmann: „Der Hersteller produziert die wichtigsten Farben vor, aber ohne Garn, und erst mit der Platzierung der Bestellung geht der Prozess los: Dann gilt es noch zu entscheiden, ob der Kunde Medium, Large oder XL als Band wünscht. Da man keine Bänder vorhält, bedeutet das aber auch, dass es praktisch keinen Ausschuss gibt.“
Alles geht nach Wunsch – auch Zifferblätter und Lünetten
Die Zifferblätter werden durch eingelegte, farbige Zifferblattringe mit der von F. A. Porsche entwickelten Skalen-Minuterie im Stil der klassischen Fahrzeug-Tachos individualisiert. 36 Fahrzeugfarben und 21 Lederfarben stehen hier zur Auswahl. Sogar die Zeiger können persönlich zusammengestellt werden: Der Kunde wählt den Zeiger „Essenz“ (schwarz rhodiniert mit roter Spitze) oder die „Performance“-Zeiger (mattweiß mit roter Spitze). Auch die Lünette in Titan Natur oder schwarz beschichtet kann wahlweise mit klassischer Minuterie oder als Tachymeter-Skala zur Rundenzeitmessung geordert werden.
Die Krönung: Alle 163 Porsche Farben
Für alle farbigen Bauteile braucht das Team von Rolf Bergmann lange vor Produktionsbeginn der Uhr den genauen Farbton: Beim Porsche 911 der Serie 992.2, also dem kommenden Facelift, weiß er seit über zwei Jahren welche Farben kommen werden, damit er seine Lieferanten die Lacke entwickeln lassen kann. Bergmann: „Wir bestellen sogenannte Ur-Muster von Porsche mit dem identischen Fahrzeuglack. Diese original Farbkarten geben wir dann den Lieferanten. Die Lacke selbst müssen dann vom Lieferanten wieder neu entwickelt werden. Denn die Original-Autolacke können nicht verwendet werden, da sie nicht für solche kleinen Elemente geeignet sind. Die Eigenschaften wie Deckfähigkeit, Viskosität und Farbausprägung sind bei den Uhrenteilen anders zu beurteilen als bei Karosserieteilen. Gerhard Novak ergänzt: „Unter einem siebenfach entspiegelten Saphirglas sieht man jede Unregelmäßigkeit.“
Normal reichen pro Bauteil drei bis vier Lackiervorgänge. Bergmann ergänzt: „Wir haben allerdings auch Metallic-Lacke, die sind noch aufwendiger, weil je nach Farbton spezifische Grundierungen notwendig werden, um auf den kleinen Flächen den Metallic-Effekt wirken zu lassen.“
2022 wurde das Gestaltungsspektrum um 127 historische und ikonische Porsche Farben erweitert. Kunden können seither auch aus zusätzlichen Farbringen um das Zifferblatt wählen. Dazu gehören unter anderem gulfblau, sternrubin und mintgrün. Das sind berühmte Fahrzeuglacke aus den 90ern, die unter Porsche Fans Kultstatus genießen. So können Uhrenliebhaber nun den Look ikonischer Porsche Modelle der letzten Jahrzehnte von der Straße an das Handgelenk übertragen. Dadurch sind die Variationsmöglichkeiten weiter gewachsen. Dass sich zwei Kunden mit identischen Porsche Design custom-built Timepieces begegnen, halten beide Manager für sehr unwahrscheinlich.
Auch der Aftersales Bereich wird revolutioniert
Auch für den After-Sales-Bereich und die Uhrenwartung bedeuten die Porsche Design custom-built Uhren große Veränderungen, da nun Ersatzteile anders vorgehalten werden müssen. Bergmann: „Wir müssen nicht nur kontinuierlich neue Lack- oder Ledersorten aus den Fahrzeugen mit ins Programm aufnehmen, sondern auch auslaufende Farben und gegerbte Lederhäute für den Service-Fall vorhalten.“ Hier kommt der modulare Aufbau der Uhren den Uhrmachern zugute, so dass sich zum Beispiel dank Wechselbandsystem Lederarmbänder schnell austauschen lassen. Einen weiteren Vorteil bietet auch hier die sequenzielle Fertigung. Bergmann: „Sollten nachträglich einzelne Ersatzteile benötigt werden, können diese im selben Prozess in die Produktion der Lieferanten eingetaktet werden und es entsteht kaum nennenswerter Mehraufwand trotz eines individuellen Bauteils.“
Und die Kosten dieses Logistik-Marathons?
Nun könnte man einwerfen: Porsche leistet sich diesen Luxus eben, um seine Autokunden bei Laune zu halten. Wer die Porsche AG gut kennt, weiß, genau das Gegenteil ist der Fall: Jede Tochtergesellschaft muss Gewinn erwirtschaften, anders wäre die angestrebte Konzern-Umsatzrendite von 20 Prozent kaum denkbar. Und auch wenn es kleine Teile sind, die Herstellungskosten jedes Bauteils, wie eines Aufzugsrotors in Wagenfarbe, sind für die Kalkulation von Rolf Bergmann entscheidend: „Um so etwas überhaupt anbieten zu können, müssen Sie lange vor der Serienfertigung eines Automobils an den Designprozessen beteiligt sein.“
Der letzte Schliff – die individuelle Laser-Gravur aus Solothurn
Auf Wunsch kann jeder Kunde seinen Porsche Design Chronograph custom-built mit einer persönlichen Lasergravur auf dem Gehäuseboden zum absoluten Einzelstück machen. Der Laser dafür steht natürlich auch in Solothurn. Und er verleiht jedem Zeitmesser die ultimative persönliche Note. Wohlgemerkt, auch hier sprechen wir von Losgröße eins. Mit dieser Zusatzgravur kann auch die im Lieferumfang enthaltene Schmuck-Aufbewahrungsbox versehen werden. Schaut man sich den Prozess an, der zwar eine große Maschine braucht und eine Uhr, die die passende Fläche bietet, fragt man sich sofort, warum das nicht andere machen? Zusätzlich können Kunden auf Wunsch sogar die passende Fahrzeug-Grafik auswählen für ihre Box: Es stehen Schriftzüge zum persönlichen Fahrzeug zur Auswahl, so wie er auch auf dem Wunschfahrzeug am Heck zu sehen ist. Alternativ wählen Kunden ein grafisches Logo wie die Flyline des aktuellen 911 Carrera aus. Auch hier eine Vielfalt, die kein anderer Uhrenhersteller laut unserer Recherchen anbietet, jedenfalls nicht für Serienuhren.
Was uns in Zukunft erwartet
Mit dieser revolutionären Fertigungsmethode stellt die Porsche Design Timepieces AG in Solothurn rund 5.000 Uhren pro Jahr her. Wen wundert es: Den größten Anteil machen inzwischen die Fahrzeug begleitenden Uhren aus. Bergmann: „Unser größter Markt sind heute bereits die USA mit 35 Prozent Marktanteil. Das Potential ist aus mehreren Gründen noch riesig: Zum einen bietet Porsche Design die Uhren derzeit weltweit nur in wenigen Ländern überhaupt an. Gerhard Novak: „In Deutschland, den USA, im Vereinigten Königreich und der Schweiz sind die custom-built Timepieces bereits seit 2020 verfügbar. Ende April 2022 erfolgte der Start in Frankreich, im Sommer desselben Jahres in Österreich.“ 2024 sollen weitere Länder folgen, welche, wollen die Manager allerdings noch nicht verraten. Gerade in Märkten mit hohem Interesse an Uhren ist leicht vorstellbar, welches Potential das Geschäftsmodell birgt: Italien, Japan und Asien sind Regionen mit sehr vielen Uhrenverrückten.
Aber noch interessanter ist: Die Porsche Design custom-built Uhren kann zwar jeder kaufen, allerdings bietet Porsche die Uhren nur passend zum Porsche 911 an. Die Baureihe macht inzwischen weltweit gerade einmal 15 Prozent der Gesamtstückzahlen aus. Drittens hat Porsche Design mit den Kleinserien anlässlich bestimmter Sondermodelle einen echten Volltreffer gelandet: Diese limitierten Fahrzeugserien wie der GT3 oder GT2 oder der jüngst vorgestellte 718 RS Spyder (hier unser Artikel dazu) stellen nicht nur die begehrtesten Sammlermodelle für die Fangemeinde dar und sind oft extrem schnell ausverkauft, sondern die dazugehörigen Uhren sind ebenso begehrt. Novak: „Bei den Sondermodellen zu limitierten Fahrzeugen erwerben bis zu 50 Prozent der Fahrzeugkäufer in den letzten Jahren auch die passende Uhr.“ Will heissen: Solange Porsche wächst, wachsen auch die Stückzahlen von Porsche Design Uhren mit.
Es wächst zusammen was zusammengehört
Für Ferdinand Alexander Porsche, Erfinder des Porsche 911 und Vater aller Porsche Design-Uhren, wäre das Prinzip, Auto und Uhr auch in der Fertigung zusammen zu führen, nur allzu logisch gewesen: Schließlich kam ihm die Idee für das Designprinzip des schwarzen Chronograph 1 aus dem Design des schwarzen Dashboards der Porsche Fahrzeuge.
Bergmann: „Ferdinand Alexander Porsche schuf in großer gestalterischer Konsequenz 1972 den ersten schwarzen Armbandchronographen. Eine sequenzielle Fertigung im Armbanduhrenbau einzuführen, verlangt anfänglich sehr viel Disziplin. Ist der Prozess aber einmal gelernt, profitieren Kunden überproportional davon: Sie erhalten einen ganz persönlichen Zeitmesser in der gewohnten Porsche-Qualität.“
Wenn man diese Aussagen mit den Strategien heutiger Kultmarken wie Rolex oder Patek Philippe vergleicht, wird Kennern klar: Wenn Porsche diesen Weg konsequent weitergeht, könnte eine große Sammlermarke entstehen. Vorausgesetzt, Sie mögen Porsche, aber sonst hätten Sie diesen Text ja eh nicht bis zum Ende durchgelesen.