Zertifizierungen spielen in der Uhrenindustrie eine immens große Rolle. Während die einen die Echtheit einer Uhr bestätigen, bescheinigen andere die Qualität einer Uhr beziehungsweise des Uhrwerks.
Die bekannteste in letzterer Kategorie ist die Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres (COSC) mit Hauptsitz in La Chaux-de-Fonds: die offizielle Schweizer Prüfstelle für Chronometer, also für hochpräzise Uhren.
Die COSC ist keine öffentlich-rechtliche Einrichtung, sondern eine als gemeinnützig anerkannte Organisation zur freiwilligen Selbstkontrolle für eidgenössische Uhren- und Uhrwerkehersteller.
Die Bedeutung der COSC für die Schweizer Uhrenindustrie
Die Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres wurde 1973 gegründet und prüft die Ganggenauigkeit von in der Schweiz hergestellten Uhrwerken, welche später in Uhren Schweizer Provenienz verbaut werden.
Hauptsächlich stellen sich mechanische Werke für Armbanduhren, aber auch solche für Taschenuhren und für quarzbetriebene Zeitmesser den strengen Prüfkriterien. Dies erfolgt unabhängig von den Marken „und gewährleistet so die Unparteilichkeit des Zertifizierungsprozesses“, betont Andreas Wyss.
Die beeindruckenden Zahlen der COSC
Seit ihrer Gründung hat die COSC genau 54.920.207 Zertifizierungen vorgenommen. Allein im vergangenen Jahr erhielten 2.376.987 Uhrwerke das begehrte Label „Certified Chronometer“. Bei der großen Mehrheit handelte es sich um mechanische Kaliber – Tendenz steigend –, lediglich etwa 90.000 Quarzwerke erhielten im letzten Jahr das COSC-Zertifikat – die Nachfrage der Marken ist hier sinkend.
Setzt man dies ins Verhältnis zu den im Jahr 2024 exportierten 5,4 Millionen Schweizer Mechanikuhren, zeigt sich der hohe COSC-Anteil (43 %) und die große Relevanz der Prüforganisation für das Renommee der gesamten Schweizer Uhrenindustrie.
„Über 60 Marken sind von der COSC zertifiziert, was unsere Rolle als vertrauenswürdiger Partner der Schweizer Uhrenindustrie unterstreicht. Diese Marken verlassen sich bei der Zertifizierung ihrer Uhren auf die Expertise und Unabhängigkeit der COSC“, betont Andreas Wyss.
Und dabei wird jedes einzelne Werk genaustens unter die Lupe genommen, und zwar für einen Zeitraum zwischen zwölf und 20 Tagen. „Während dieser Zeit wird jedes Uhrwerk in verschiedenen Positionen und bei unterschiedlichen Temperaturen getestet, um seine Präzision und Zuverlässigkeit sicherzustellen. Diese umfassenden Tests stellen sicher, dass jedes zertifizierte Uhrwerk die hohen Standards für die Bezeichnung ‚Certified Chronometer‘ erfüllt“, erklärt der COSC-CEO.
Die Durchfallquote ist übrigens gering und liegt lediglich vier bis sieben Prozent jährlich, „was die außergewöhnliche industrielle Kompetenz der Uhrenhersteller widerspiegelt.“
Neuausrichtung: Von der Zertifizierungs-Organisation zur Marke
Die COSC hat in diesem Jahr ihre Identität als Marke geschärft und plant eine 360-Grad-Kampagne zur stärkeren Einbeziehung des Endkunden. Dazu gehört neben einem neuen Logo vor allem auch die neue Website, welche für Uhren-Laien verständlich das Weshalb und Wie der Chronometer-Zertifizierung erläutert. Branchen-Experten finden hier aber nach wie vor tiefergehende Informationen.
Hinzu kommen umfangreiche Aktivitäten auf den sozialen Kanälen der COSC sowie der Partnermarken, mit denen ebenfalls Uhrenneulinge angesprochen und für den Wert präziser Uhrmacherei sensibilisiert werden sollen.
Ziel ist die größere Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit, und zwar nicht als reine Zertifizierungs-Organisation, sondern als eigenständige Marke. Aus diesem Grund werden unter anderem neue Zertifizierungskarten für Uhrenkäufer eingeführt, welche den Zugang zu präzisen und exklusiven Daten über das geprüfte Uhrwerk gewähren.
Überdies plant man die Beteiligung an Uhrenevents wie den Geneva Watch Days Anfang September. Hier wird es erstmals den Präzisions-Wettbewerb Calibership geben, bei dem es um die hohe Kunst der Feinjustierung eines mechanischen Uhrwerks geht.
Vierzig Nachwuchstalente, die von Studierenden der Genfer Uhrmacherschule trainiert werden, können hier ihr Geschick an Sellita-Uhrwerken unter Beweis stellen, bevor sie sich der abschließenden, strengen Prüfung durch die COSC stellen.
„Durch den direkten Kontakt mit den Verbrauchern möchten wir so die Schweizer Uhrmacherkunst fördern und das Bewusstsein für unsere strengen Prüfverfahren schärfen. Dieser Ansatz erhöht nicht nur die Sichtbarkeit der COSC, sondern stärkt auch ihre Partnerschaften mit Uhrenmarken und trägt so zu einer breiteren Anerkennung der Schweizer Uhrmacherstandards weltweit bei“, betont Andreas Wyss:
„Es geht nicht darum, ein Logo neu zu gestalten. Es geht darum, das zu präsentieren, was wir am besten können – die feine Uhrmacherei – zusammen mit den Marken unserer Kunden.“
COSC-CEO Andreas Wyss im Interview
Da ist zum einen (noch) unser Fokus auf die Präzision des Uhrwerks. Hinzu kommen die hohen, zu erfüllenden Standards, um die Bezeichnung Chronometer zu erfüllen.
Ferner ist eine COSC-Zertifizierung ein seit Jahrzehnten anerkanntes, prestigeträchtiges Qualitätssiegel in der Uhrenindustrie und gilt weltweit als Maßstab für höchste Präzision. Es ist der Beweis für die Fähigkeit einer Uhr, unter verschiedenen Bedingungen eine stets präzise Zeitmessung zu gewährleisten.
Im Gegensatz dazu umfassen andere Zertifizierungen wie METAS zusätzliche Tests auf magnetische Widerstandsfähigkeit und Wasserdichtigkeit, während die internen Tests der Superlative-Chronometer-Zertifizierung von Rolex über unsere Standards hinausgehen.
Wie finanzieren Sie sich und wie gewährleisten Sie echte Unabhängigkeit?
Als gemeinnützige Organisation finanzieren wir uns hauptsächlich über die Gebühren für die von uns erbrachten Zertifizierungsleistungen, um die Kosten für die aufwendigen Prüfprozesse zu decken. So kommen wir ohne eine externe Finanzierung aus und bleiben unabhängig. Wir agieren also als absolut neutrale Organisation.
Strenge Standards und Protokolle stellen zudem sicher, dass alle Uhren unabhängig von der Marke unter den gleichen Bedingungen und nach den gleichen Kriterien geprüft werden. Dieses Bekenntnis zu Neutralität und Konsistenz trägt zur hohen Glaubwürdigkeit und Vertrauenswürdigkeit der COSC-Zertifizierung bei.
Werden die Prüfkriterien eigentlich regelmäßig aktualisiert?
Zunächst einmal basieren die COSC-Prüfkriterien für Armbanduhren auf der ISO-Norm 3159 für Chronometer. Diese Norm ist eine internationale Referenz und wird regelmäßig überprüft und aktualisiert, um sicherzustellen, dass sie weiterhin relevant ist und hohe Präzisionsstandards gewährleistet.
Die Internationale Organisation für Normung, also die ISO, arbeitet dafür eng mit Branchen-Experten und Interessengruppen zusammen. Wir als COSC übernehmen diese hohen Präzisions- und Qualitätsstandards und können so einen einheitlichen und zuverlässigen Zertifizierungsprozess bieten.
Die Uhrendesigner kreieren immer kleinere, flachere oder kompliziertere Uhren beziehungsweise Werke. Fällt es Ihnen manchmal schwer, mit diesen Entwicklungen Schritt zu halten?
Die Entwicklung kleinerer, flacherer oder komplizierterer Uhren erfordert tatsächlich eine kontinuierliche Anpassung der Prüfmethoden und -geräte. Mit unseren hochmodernen Laboren und maßgeschneiderten Geräten sind wir aber in der Lage, den Fortschritten im Uhrendesign und in der Uhrentechnologie stets Rechnung zu tragen.
Werden Uhren durch die COSC-Zertifizierung für Endverbraucher eigentlich teurer?
Die COSC-Zertifizierung steigert zwar den Wert einer Uhr, indem sie ihre Präzision und Zuverlässigkeit gewährleistet, macht sie aber für den Endverbraucher nicht unbedingt deutlich teurer.
Für den Hersteller erhöhen sich zwar die Gesamtkosten, eine COSC-Zertifizierung ist aber immer eine lohnende Investition und sollte Teil der umfassenden Qualitätssicherungs- und Markenstrategie sein. Marken können ihre Bekanntheit steigern und ihren Ruf verbessern, indem sie ihre Produkte mit unseren hohen Standards in Verbindung bringen. Im wettbewerbsintensiven Uhrenmarkt können sie sich so differenzieren.
Unsere aktuellen Bestrebungen zielen daher auch darauf ab, den Endverbraucher noch mehr für den Wert und die Bedeutung der COSC-Zertifizierung zu sensibilisieren.
Dieser Schritt in die Öffentlichkeit ist also auch ein Versuch, die Position Schweizer Uhrenhersteller in volatilen Zeiten zu stärken, um der internationalen Konkurrenz einen Schritt voraus zu sein.
Ja, der Schritt der COSC in die Öffentlichkeit kann als Versuch gesehen werden, den Ruf Schweizer Uhren weiter zu stärken, insbesondere in volatilen Zeiten, in denen der Luxus- und Uhrenmarkt mit Unsicherheiten konfrontiert ist.
Durch die Stärkung unserer Markenidentität und die Steigerung des Verbraucherbewusstseins wollen wir den Wert der gesamten Schweizer Uhrmacherkunst unterstreichen. Diese Strategie trägt nicht nur dazu bei, das Ansehen Schweizer Uhren zu wahren, sondern stellt auch sicher, dass diese international wettbewerbsfähig bleiben.
Die Initiativen der COSC, wie das neue Logo, die Website und die Social-Media-Präsenz, sollen die strengen Standards und die Präzision Schweizer Uhren hervorheben und so ihre Position auf dem Weltmarkt festigen.
Gehört zu dieser Neuausrichtung auch das Konzept Super-COSC, welches Sie für Ende dieses Jahres angekündigt haben?
Das ist richtig. Dabei geht es darum, den Zertifizierungsprozess zu verbessern und unser Angebot an Dienstleistungen zu erweitern. Damit werden wir den sich wandelnden Anforderungen der Uhrenindustrie noch besser gerecht.
Ich kann Ihnen noch keine genauen Details verraten, aber es wird um die Prüfung von Uhrenköpfen gehen, was weitere Testmöglichkeiten bezüglich Wasserdichtigkeit, Magnetfeldresistenz, Gangreserve und so weiter eröffnet. Das übergeordnete Ziel ist es, die Rolle der COSC bei der Förderung der Schweizer Uhrmacherkunst weiter auszubauen.
COSC: Präzision mit Brief und Siegel
Die drei Prüflabore der COSC befinden sich in Le Locle, Biel und Saint-Imier und damit in nächster Nähe zu vielen Manufakturen. Erstaunlicherweise werden hier keine Uhrmacher beschäftigt, sondern rund 160 auf die Kontrolle von Uhrwerken spezialisierte Fachkräfte.
Die Prüfkriterien für Armband-Chronometer basieren auf der ISO-Norm 3159, welche die strengen Kriterien für mechanische Uhren festlegt. Dazu gehören Prüfungen des durchschnittlichen Tagesgangs, der temperaturbedingten Gangabweichung und der Positionsabweichung. Quarzuhren werden nach internen, an die ISO 3159 angelehnten, aber an ihre spezifischen Merkmale angepassten Spezifikationen geprüft.
Das gesamte Prüfverfahren ist standardisiert und umfasst statische Uhrwerkstests in fünf Positionen und bei drei Temperaturen (8 °C, 23 °C, 38 °C). Anschließend werden die Uhrwerke täglich erneut überprüft, um sicherzustellen, dass sie immer noch die erwartete Leistung erbringen. Der gesamte Prozess dauert zwölf bis 20 Tage.
Nur mechanische Uhrwerke, welche folgende Kriterien der Ganggenauigkeit erfüllen, erhalten das begehrte Label COSC Certified Chronometer:
- Mittlerer täglicher Gang: -4/+6 Sekunden
- Größte Gangabweichung: 5 Sekunden/Tag
- Mittlere Gangabweichung: 2 Sekunden/Tag
- Größte Gangdifferenz: 10 Sekunden/Tag
- Gangdifferenz in vertikaler und horizontaler Lage: -6 bis +8 Sekunden/Tag
- Gangabweichung bei Temperaturabhängigkeit: -/+ 0,6 Sekunden/Tag
- Wiederaufnahme des Gangs: -/+ 5 Sekunden/Tag
Die Historie der Contrôle Officiel Suisse des Chronomètres
Die COSC entstand 1973 durch die Zusammenlegung verschiedener privater und halbstaatlicher Laboratorien, welche bis dahin in den sogenannten Uhrmacher-Kantonen Biel, Genf, Neuenburg, Solothurn und Waadt als „Offizielle Kontrollstellen für den Gang der Uhren“ dienten.
Diese waren vor 1973 entweder in Uhrmacher- oder Ingenieursschulen untergebracht und beurteilten die Qualität der Uhren und Werke nach teils unterschiedlichen Kriterien. Dies stellte zum einen für Unternehmen mit Produktionsstandorten in verschiedenen Kantonen eine große Herausforderung dar und wirkte zum anderen auf Uhrenkäufer irritierend und wenig vertrauenerweckend.
Das führte dazu, dass die Zentrale Inspektionskommission der Schweizer Kontrollstellen eine Zusammenlegung der Kompetenzen initiierte, was schließlich zur Gründung der „Offiziellen Schweizer Kontrollstelle für Chronometer“ führte. Seitdem ist die COSC ein gemeinnütziger Verein mit einheitlichen und standardisierten Prüfnormen und -verfahren im Dienste der Schweizer Uhrenindustrie.
Ursprünglich umfasste die COSC sieben Teststellen. Im Laufe der Jahrzehnte wurde die Struktur der Organisation vereinfacht. Seit 2013 gibt es die drei Teststellen in Biel, Le Locle und Saint-Imier.
cosc.swiss