Als wir vor einiger Zeit die Manufaktur von Breguet im Vallée de Joux besuchten, führte natürlich kein Weg am Atelier für die Uhrwerksmontage vorbei, wo auch den Tourbillons der Maison ihr Leben eingehaucht wird. Abraham-Louis Breguet war schließlich vor über 200 Jahren der Erfinder dieses Regulators und die Manufaktur ist heute der weltweit größte Hersteller. Sieben Tourbillon Familien stehen zur Auswahl, basierend auf mehreren Modellen. Die Gelegenheit war ideal – die Versuchung zu groß. Somit baten wir das Team vor Ort kurzerhand um ein paar entsprechende Modelle und verwandelten ein Separee der Manufaktur vorläufig in ein Fotostudio. Die Protagonisten: vier prestigeträchtige Meisterwerke der Maison, die das innovative Erbe von Breguet auch im 21. Jahrhundert noch genauso erfolgreich weiterführen.
Eine bunte Auswahl an in-house Tourbillon-Werken
Am 26. Juni 1801 patentierte Abraham-Louis Breguet das weltweit erste Tourbillon. Bis dato hatte die Schwerkraft einen entscheidenden Einfluss auf das mechanische Uhrwerk, und somit auf die Ganggenauigkeit. Das galt insbesondere für Taschenuhren und Tischuhren, deren Uhrwerke meist einer vertikalen Position ausgeliefert waren, was hauptsächlich für den negativen Einfluss der Schwerkraft verantwortlich ist. A.-L. Breguet’s Lösung – er packte alle Bauteile (Unruh, Feder, Anker und Ankerrad), die am empfindlichsten auf die Schwerkraft reagierten, in das Innere eines mobilen Käfigs, der sich einmal pro Minute um die eigene Achse dreht. Die Wirkung der Schwerkraft wurde nun dank des Tourbillons gleichmäßig verteilt und lageabhängige Drehabweichungen konnten somit vermieden werden.
Technik trifft auf Handwerkskunst – die Werke werden meist aufwendig von Hand finissiert
Der Name Tourbillon – der übrigens soviel wie ‚Wirbelwind‘ bedeutet – und die entsprechende Technik konnten sich bis heute durchsetzen. Natürlich wurden die Bauteile im Laufe der Zeit modifiziert, aber das Prinzip ist unverändert. Ein wunderbares Beispiel dafür bietet die Referenz 5367 Classique Tourbillon Extra-Plat Automatik, eine Weiterentwicklung der Referenz 5377 aus dem Jahr 2013. Der Tourbillonkäfig und die Unruh bestehen aus Titan, die Unruhfeder ist aus Silizium gefertigt und die Hemmung aus einer Mischung aus Silizium und antimagnetischem Stahl. Das Tourbillon wurde dezentral bei 5 Uhr angebracht und schmückt sich mit einer sorgfältig von Hand anglierten Tourbillonbrücke. Für eine extra flache Uhr schwingt sie mit einer beachtlich hohen Frequenz von 4 Hz und bietet dennoch eine Gangreserve von 80 Stunden. Nicht zuletzt sind die leichten Materialien dafür verantwortlich.
Classique Tourbillon Extra-Plat Automatik Ref. 5367 (links)
Brilliant finissiert – die Rückseite der Classique Tourbillon Extra-Plat Automatik Ref. 5367 (rechts)
Wie kunstvoll Tourbillons in Szene gesetzt werden können, zeigt die Referenz 5335 Tourbillon Messidor. Sie ist von den Pendülen des frühen 20. Jahrhunderts inspiriert, bei denen die Zeiger dank einer transparenten Scheibe zu schweben schienen. Statt der schwebenden Zeiger hat sich die Manufaktur für ein fliegendes Tourbillon-Drehgestell entschieden. Das Tourbillon ist zwischen zwei runden Saphirplatten montiert. Der Drehkäfig ist mit einer dritten Saphirscheibe verbunden. Das auffällig goldene Bullauge um das Tourbillon verdeckt geschickt die tragende Konstruktion, wodurch der Käfig frei in der Luft zu schweben scheint. ‚Messidor‘ steht für das Datum (26. Juni 1801) der ersten Eintragung von A.-L. Breguet’s Tourbillon – ‚Messidor An IX‘, nach dem damals in Frankreich gültigen Revolutionskalenders.
Ein scheinbar schwebender Tourbillon schmückt die Messidor Ref. 5335 (links)
Tourbillon Messidor Ref. 5335 (rechts)
Dann trat ein besonderes Highlight vor die Linse, technisch, wie auch optisch. Die Große Komplikation Referenz 5347 Classique Double Tourbillon besitzt gleich zwei Tourbillon-Käfige, die auf einer Platine montiert und fest mit dem verlängerten Stundenzeiger verbunden sind. Die beiden unabhängigen Tourbillons drehen sich also nicht nur einmal pro Minute um die eigene Achse, sondern wandern mit dem Stundenzeiger einmal in zwölf Stunden um das Zifferblatt. Ein enormer Kraftakt, der nur möglich ist, indem die Uhrmacher bei Breguet die Differentiale für die Kraftübertragung an das Räderwerk möglichst effizient konstruierten. Kurz gesagt: Das Räderwerk, das seine Kraft aus dem Federhaus erhält, nimmt auch die Anzeigenräder mit, die allerdings wenig Kraft beanspruchen. Breguet hat die beiden Tourbillons daher mit dem Stundenzeiger verbunden, der als Brücke der beiden Käfige dient und hat sie mit einem möglichst einfachen Räderwerk ausgestattet. Das Zifferblatt ist extrem aufwändig handguillochiert – fast noch spektakulärer ist aber die Rückseite des Uhrwerks, auf der eine Handgravur das Sonnensystem symbolisiert, inspiriert von der wandernden und eigenachsigen Rotation der Tourbillons.
Doppelt gegen die Schwerkraft – die Classique Double Tourbillon Ref. 5347 besitzt zwei unabhängige Tourbillons (links)
Auf der Rückseite ist eine aufwendige Handgravur zu sehen, die das Sonnensystem symbolisiert (rechts)
Die Ruhe nach dem Sturm: Von schwebenden und doppelten ‚Wirbelwinden‘ geht es bei der nächsten Referenz etwas bodenständiger zu – zurück zu einer klassischen Regulator-Ausführung, die aber nicht weniger begeistert. Denn die Uhrenarchitekten von Breguet haben die Classique Tourbillon Quantième Perpétual Referenz 3795 akkurat skelettiert, wodurch sowohl das Tourbillon, als auch der Ewige Kalender mit all ihren Bauteilen wunderschön zur Geltung kommen. Der traditionelle 60-Sekunden Tourbillon der Referenz 3795 schlägt bei einer Frequenz von 2,5 Hz, also mit derselben Kraft, wie auch Breguet’s Zeitmesser vor 200 Jahren. In Schwung gebracht wird die Unruh mit einer klassischen ‚Breguet-Spirale‘ – auf den Einsatz von Silizium wurde bei diesem Modell verzichtet, denn die 3795 basiert auf dem Kaliber 558QP3. Auf der fein anglierten Tourbillonbrücke befindet sich ein Sekundenzeiger.
Classique Tourbillon Quantième Perpétual Ref. 3795
Es gibt nicht viele mechanische Erfindungen, die 200 Jahre überdauern und dabei ihre Funktionalität noch heute zeitgemäß und in Gebrauch ist. Darüber hinaus sind die Uhrenliebhaber fasziniert von ihrem Antlitz, es gibt kaum Modelle, bei denen der Tourbillon im Verborgenen bleibt. Wir verlassen voller Euphorie das Vallée de Joux, mit Fotos für die Ewigkeit im Gepäck. Auch die kleinen Tourbillons wirbeln munter weiter. Auf die nächsten 200 Jahre.