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Swatch X Blancpain: ein Konzept mit Zukunft?

Swatch X Blancpain: ein Konzept mit Zukunft?

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Als Swatch die beispiellose Kollaboration mit Omega im letzten Jahr ankündigte, löste diese Kritik, Neugier, aber vor allem Überraschung aus. Überraschung darüber, dass Omega, eine Marke, die sonst für Uhren im höherpreisigen Segment steht, eine erschwinglichere Uhr auf den Markt bringt. Die MoonSwatch, eine Uhr aus Biokeramik im Wert von 250 € und inspiriert von der berühmten Omega Speedmaster Professional, weckte nun das Interesse von Menschen, die zuvor keine Uhr dieser Marke in Betracht gezogen hätten. Zwischen Social Media und Boulevardzeitungen wurden Stimmen laut, die die Entscheidungen der Marke kritisierten und ihr vorwarfen, von ihren Wurzeln abzuweichen und das Sortiment zu verwaschen. Doch wie wir heute wissen, ist die MoonSwatch längst zu einem Kassenschlager avanciert, der das Markenimage von Omega nicht etwa schädigte, sondern sogar dazu führte, dass die Nachfrage nach „echten“ Omega Speedmasters einen Anstieg erfuhr.

Mit fast einer Million verkaufter Exemplare der MoonSwatch im letzten Jahr und wahrscheinlich mehr als 2 Millionen in diesem Jahr (laut Swatch Group Kennzahlen) hat die Kollaboration gezeigt, dass eine polarisierende Zusammenarbeit zweier grundverschiedenen Marken innerhalb der Swatch Group für beide vom Vorteil sein kann. Vor allem, was den Absatz und den Bekanntheitsgrad betrifft. Der Halbjahresbericht 2023 der Swatchgroup spricht dabei eine klare Sprache: Die Gruppe erzielte im vergangenen Halbjahr einen Nettoumsatz von CHF 4 019 Mio., was einem beeindruckenden Wachstum von 18 % im Vergleich zum Vorjahr entspricht. Noch bedeutender und aussagekräftiger für den Erfolg der MoonSwatch ist jedoch die Tatsache, dass in allen Preissegmenten des Uhren- und Schmuckbereichs zweistellige Zuwächse verzeichnet wurden, wobei das unterste Preissegment das stärkste Wachstum aufwies. Alles in allem bedeutet das, dass der größte Schweizer Uhrenhersteller sich im laufenden Jahr auf einem guten Weg zu einem neuen Rekordumsatz befindet und die MoonSwatch dazu erheblich beigetragen hat.


Die Swatch X Blancpain Bioceramic Scuba Fifty Fathoms

Nach dem ersten Kapitel – der MoonSwatch – folgt mit der Blancpain X Swatch nun das Sequel. Auch sie ermächtigt sich der bewährten Formel: Der Durchmesser und das Design wurden von einem Fifty Fathoms Modell aus 2007 übernommen. Die Materialisierung ist ebenfalls Swatch typisch, mit einem Gehäuse, das aus Bioceramic besteht. Doch sollte man sich davon nicht irren lassen, denn die Bioceramic Scuba Fifty Fathoms ist eine echte Taucheruhr. Wie es sich gehört, ist die Bioceramic Scuba Fifty Fathoms selbst in einer Tiefe von 91 Metern dicht.

Das Uhrwerk hingegen löste im Vorfeld eine Reihe an Spekulationen aus, denn es ist für Blancpain von besonderer Bedeutung. Als die älteste Uhrenmarke der Welt verkörpert sie wie keine andere die Tradition der mechanischen Uhr. Zusätzlich markierte sie die Rückkehr der Schweizer Uhrenhersteller zu ihren ursprünglichen Werten, nachdem die Quarzkrise die Schweizer Uhrenbranche beinahe ruiniert hatte. Nachdem Jean-Claude-Biver die Marke Anfang der 1980er Jahre aufleben ließ, gipfelte die Marktkommunikation in diesem Slogan: „Seit 1735 gibt es bei Blancpain keine Quarzuhren. Es wird auch nie welche geben“. Deshalb freute es Uhrenliebhaber umso mehr, dass die Bioceramic Scuba Fifty Fathoms im Gegensatz zur MoonSwatch über ein mechanisches Uhrwerk anstelle eines Quarzmechanismus verfügt. Hierbei handelt es sich um das Sistem-51-Uhrwerk, das seinen Namen von der Anzahl seiner Bauteile erhält.


Ist es also klug, dies noch einmal zu tun?

Um die Frage nach der Sinnhaftigkeit weiterer Kollaborationen von Marken innerhalb der Swatchgroup zu beantworten, ist es wichtig, die Strategie dahinter zu verstehen. Lassen sie uns dazu eine kleine Reise in eine Zeit unternehmen, als die Schweizer Uhrenbranche von der Quarzkrise in ihrer Existenz bedroht wurde. Damals sorgten neuartige elektronische Uhren mit quarztechnologie dafür, dass Uhren mit mechanischem Uhrwerk fast völlig verdrängt wurden. Infolge der Quarzkrise gingen in der Schweiz rund 60.000 Arbeitsplätze verloren und es dauerte bis Anfang der 1980er Jahre, bis der damalige Unternehmensberater Nicolas G. Hayek die Rettung der Schweizer Uhrenindustrie einläutete. Dieser war der Auffassung, dass es in der Schweizer Uhrenindustrie an Unternehmerpersönlichkeiten mit „Mut, Fantasie und Weitsicht“ mangelte.

Deshalb schlug der Berater vor, betroffene Firmen nicht etwa zu verkaufen, sondern zu sanieren und die SSIH (Société Suisse de l’Industrie Horlogère SA) und die ASUAG (Allgemeine Schweizerische Uhren AG) zu einer Holding zusammenzufassen. Schlussendlich war es Hayek, der die Produktion und den Vertrieb einer günstigen „Second Watch“ (kurz Swatch) einläutete. Die Positionierung mit den innovativen Swatch-Kunststoffmodellen im unteren Preissegment sorgte schließlich für neuen Wind in der Branche und frischen Umsätzen in den Kassen.

Nick Hayek, der Sohn von Nicolas Hayek und CEO von Swatch folgt diesem historischen Beispiel mit seiner Strategie der Kollaborationen innerhalb der Swatch Group. Genau wie sein Vater in der Vergangenheit, strebt er nicht danach, sich ausschließlich auf teure Marktsegmente zu konzentrieren, sondern darauf, Produkte für eine breite Bevölkerungsschicht anzubieten, anstatt sie nur für Eliten herzustellen. Können wir also mit einer weiteren Demokratisierung der hochpreisigen Modelle der Swatch-Marken rechnen? Zumindest die Zahlen sprechen für die Strategie, denn wie die Statistik der Schweizer Uhrenexporte des Verbands der schweizerischen Uhrenindustrie fh angibt, verzeichneten die Uhren mit Exportpreisen bis zu 200 Franken (bzw. Ladenpreisen von bis zu 600 Franken) im August weiterhin einen starken Anstieg von +11,6 %. Zum Vergleich: Die teuersten Zeitmesser verzeichneten einen Anstieg von +1,5 %.

Die Schwierigkeit wird jedoch eine völlig andere sein. Der Erfolg der MoonSwatch beruhte zu einem erheblichen Teil auf ihrer Originalität und Frische, während die Swatch X Blancpain Kollaboration, die jetzt vorgestellt wurde, eher wie ein Sequel wirkt. Weitere Fortsetzungen dieses Konzepts könnten Gefahr laufen, sich zu stark auf die bewährte Erfolgsformel zu verlassen und wie Wiederholungen zu wirken. Natürlich gibt es Beispiele von Fortsetzungen, die die Erwartungen übertreffen und die Qualität des Originals beibehalten oder sogar steigern. Es bleibt jedoch abzuwarten, ob Swatch die richtige Balance zwischen der Fortführung des beliebten Konzepts und der Schaffung von etwas Neuem finden wird.


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