Im Ur-Freak-Zeitmesser werden die unterschiedlichen Zeitkonzepte von Ulysse Nardin und Urwerk in einer Uhr integriert. Trotz ihrer Unterschiede verbindet sie die gemeinsame Motivation, etablierte Ansätze innovativ weiterzuentwickeln und neu zu interpretieren, ohne dabei bewährte Prinzipien außer Acht zu lassen oder deren Gültigkeit in Frage zu stellen.

Kein Zifferblatt, keine Zeiger und keine Krone – die erste Freak von Ulysse Nardin sorgte 2001 für viel Aufsehen in der globalen Uhren-Community. Denn der außergewöhnliche Zeitmesser brach mit herkömmlichen Konventionen und Traditionen der Uhrmacherei – optisch wie technisch. Und die UR-101, „die wie ein UFO ausschaut und keinen französischen Namen hat“, löste in laut Martin Frei 1997 gar einen Schock aus.

Ur-Freak – die innovative Melange außergewöhnlicher Uhrenkonzepte

Die disruptive Freak von Ulysse Nardin plus die avantgardistische Uhrenarchitektur von Urwerk – dass ein derartiges Arrangement nicht in einer herkömmlichen Uhr münden würde, liegt auf der Hand.

Und so kommen nun das kronenlose Konzept der ersten Freak und das Satelliten-Anzeigesystem von Urwerk zur Ur-Freak zusammen. Und die ist nicht einfach eine Fifty-Fifty-Melange beider Marken. Das zeigt sich vor allem beim Innenleben.

Die Fusion gelingt dank des neuen, integrierten Manufakturkalibers UN-241 mit 90 Stunden Gangreserve, das über den Gehäuseboden manuell aufgezogen wird. Die Einstellung erfolgt über die drehbare Lünette. Weitere technische Details zur Ur-Freak finden Sie hier.


Jean-Christophe Sabatier und Martin Frei im Interview

Am Rande der Geneva Watch Days 2025 Anfang September haben wir uns mit Martin Frei (Co-Founder Urwerk) und Jean-Christophe Sabatier (Chief Product Officer Ulysse Nardin) zur exklusiven Preview der Ur-Freak getroffen und spannende Hintergründe erfahren.

Wie kam es zu der Zusammenarbeit zwischen Ulysse Nardin und Urwerk?

Jean-Christophe Sabatier: Als Patrick Pruniaux (CEO Ulysse Nardin) mich darauf ansprach, dass er gern eine Kooperation mit einer anderen Marke eingehen würde, habe ich ihm gesagt, dass es auf jeden Fall eine unabhängige Marke sein muss, vor allem wenn es um die Freak gehen soll.

Und irgendwie war es dann folgerichtig, dass es Urwerk wurde. Vor etwa 20 Jahren entstand so etwas wie ein Club an Marken, die die traditionelle Uhrmacherkunst neu interpretierten, die Risiken eingegangen sind und tatsächlich die Uhrenindustrie herausgefordert und verändert haben. Ulysse Nardin und Urwerk gehörten dazu.

Martin Frei: Felix Baumgartner, Co-Founder von Urwerk, hat sich dann mit Patrick Pruniaux in Genf getroffen. Und als er zurückkam, erzählte er mir, dass sie über den Freak gesprochen und festgestellt hätten, dass es große Parallelen zu unserer Uhrenwelt gibt. Die Freak ist 2001 erschienen, nur wenige Jahre, nachdem wir unsere Zeitmess-Idee mit der UR-101 erstmals realisiert hatten.

Wir sind zwei ganz unterschiedliche Marken, aber wir teilen gemeinsame Werte und Visionen. Also haben wir uns erneut zusammengesetzt und überlegt, ob eine Zusammenarbeit möglich ist. Wir sind zu dem Entschluss gekommen: Ja! Damit hat alles begonnen.

Beide Marken sind sehr speziell, haben einen ganz eigenen Markenkern. Wie geht das zusammen?

Martin Frei: Es geht in erster Linie um die Idee von mechanischen Komplikationen und der entsprechenden Herangehensweise. Das Konzept der Freak ist extrem kreativ und immer noch neu. Es gibt so coole Features, wie die Krone zum Aufziehen der Uhr auf der Gehäuserückseite und das Einstellen der Uhrzeit über die Lünette. Das ist so anders als bei sonstigen mechanischen Uhren.

Bei uns ist das ganz ähnlich. Wir denken Funktionen auch anders, als es herkömmliche Uhrenmarken tun. Mit Urwerk und Ulysse Nardin treffen zwar sehr eigenständige Marken aufeinander, aber mit einer ähnlichen DNA bei der ganz eigenständigen Herangehensweise bei der Konstruktion von mechanischer Funktionalität.

Jean-Christophe Sabatier: Patrick und ich fanden die Idee großartig, mit Urwerk zusammenzuarbeiten. Denn es ist eine Marke mit viel Integrität, die immer ihren eigenen Weg geht. Das bewundere ich sehr. Und es erinnert mich an die Freak, die immer ein wenig das seltsame Tier in der Manege war und ist.

Und natürlich gibt es, wie Martin sagt, Ähnlichkeiten bei der unkonventionellen Herangehensweise und der Kreation technischer Konzepte. Das Streben nach Modernität, Innovationen und eine ganz eigene Designidentität, das trifft auf Urwerk und Ulysse Nardin gleichermaßen zu.

Martin Frei: Dem stimme ich voll und ganz zu. Und ich habe so viel gelernt, während ich mich mit der Freak beschäftigt habe, zum Beispiel wie aus der Idee eines Designers dank Dr. Ludwig Oechslin, diesem genialen und coolen Uhrmacher, Wirklichkeit wurde.

Bei Urwerk haben wir eine ganz ähnliche Konstellation. Ich als Designer und Künstler auf der einen und Felix als Uhrmacher auf der anderen Seite. Wir spielen im Grunde immer Ideen-Ping-Pong miteinander und kreieren so unsere Uhren.

Ein solch kreatives Ping-Pong hat es auch zwischen Ulysse Nardin und Urwerk gegeben, wodurch eine neue Realität und am Ende eine gemeinsame Uhr entstanden sind.

Man weiß am Anfang einer solchen Kooperation nie, wohin sie führt. Man wird immer überrascht. Das ist das Beste daran.

Aber muss man nicht auch Kompromisse eingehen?

Martin Frei: Ja, man muss auf verschiedenen Ebenen Kompromisse eingehen. Das bedeutet, dass es gewisse Einschränkungen gibt, die es nicht gibt, wenn man alleine eine Uhr kreiert. Im Falle der Freak betraf das vor allem dessen komplexe Mechanik, welche natürlich erhalten bleiben musste.

Wir haben uns also gefragt, wie wir damit umgehen, wie wir das mit unseren Vorstellungen verbinden können. Bei der Suche nach der Antwort haben wir sehr viel gelernt. Und am Ende sind unsere beiden Konzepte perfekt miteinander verschmolzen.

Wie lange hat der ganze Prozess von der Idee bis zur fertigen Uhr gedauert?

Jean-Christophe Sabatier: Drei Jahre. Während dieser Zusammenarbeit ging es vor allem um technische Aspekte, weniger um Farbcodes oder Logos. Stattdessen haben wir ein komplett neues Handaufzugskaliber entwickelt.

Das UN-241 besteht aus 263 Komponenten. 157 davon haben wir speziell für den Ur-Freak entwickelt. Es handelt sich daher um eine vollständig neue dreidimensionale Uhrwerks-Architektur. So haben wir es geschafft, das Prinzip der Satellitenanzeige und der wandernden Stunden von Urwerk mit dem Freak-Konzept zu verbinden.

Eine Herausforderung, die mir dabei besonders gut gefallen hat, war, dass wir die Architektur des Karussells mit einem deutlich größeren Oszillator in der Mitte neugestalten mussten, um Platz für die Satelliten von Urwerk zu schaffen. Dadurch löst sich der konzentrische Zielscheiben-Effekt auf und die Konstruktion wirkt sehr ausbalanciert und zugleich kraftvoll.

Martin Frei: Es gibt ein asymmetrisches Element. Das schafft ein Gegengewicht zum zentrierten Oszillator und macht das Design noch aufregender. Denn Symmetrie kann auch langweilig sein.

Wie viel Urwerk und wie viel Ulysse Nardin stecken in dem Ur-Freak?

Martin Frei: Das ist gar nicht so einfach zu beantworten. Ich vergleiche das gerne mit uns Menschen. Wenn man sein eigenes Kind ansieht, fragt man sich ja auch: Wie viel steckt von mir und wie viel vom anderen Elternteil darin? Dabei ist es aber die Kombination aus beidem, die etwas Neues geschaffen hat. Meine Antwort auf Ihre Frage ist tatsächlich aber auch immer vom jeweiligen Moment abhängig.

Jean-Christophe Sabatier: Richtig. Und mal sieht man eher die viele Arbeit, die für die Ur-Freak erforderlich war, und mal sieht man einfach nur das fantastische Ergebnis: die Verschmelzung von zwei außergewöhnlichen Uhren-Konzepten zu etwas völlig Neuem und Überraschendem.

In meinen Augen wird die Freak übrigens immer moderner und tragbarer. Stimmen Sie mir zu?

Jean-Christophe Sabatier: Das hat unter anderem damit zu tun, dass solche Designs wie bei der Freak oder den Uhren von Urwerk als immer selbstverständlicher empfunden werden – ganz anders als vor 20, 30 Jahren.

Sie sind zwar noch immer sehr eigenständig und auffällig, aber genau das gehört mittlerweile zum Universum Uhr dazu. Dazu haben die Freak und Urwerk maßgeblich

Martin Frei: Wir alle haben viel investiert, was dazu geführt hat, dass Uhren heute ganz anders wahrgenommen werden. Das hat nichts mit einer Abkehr von der großen Tradition der Uhrmacherkunst zu tun. Für uns ist diese individuelle Eigenständigkeit aber nur die eine Seite der Medaille.

Auf der anderen befinden sich Wissenschaft, Neugier und Innovation. Beides gehört zusammen, man benötigt beide Kräfte: die Erkenntnisse aus der Vergangenheit und den Willen, etwas neu zu erschaffen. Manchmal kämpfen sie gegeneinander, aber oftmals wirken diese Kräfte auch miteinander – und dann entsteht etwas Neues. So erhalten wir unsere Kreativität aufrecht.

Jean-Christophe Sabatier: Ich denke, der beste Weg, Traditionen zu bewahren, ist es, sie ein wenig aufzurütteln.

Martin Frei: Richtig. Technologie will sich weiterentwickeln, das ist eine Art Naturgesetz und entspringt der dem Menschen innewohnenden schöpferischen Kraft.


ulysse-nardin.com

urwerk.com

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