
Einfach? Schön! Die Parmigiani Fleurier Toric
Es ist mit höchster Wahrscheinlichkeit eine Premiere, aber diesem Text gilt es eine Entschuldigung voranzustellen: Die gezeigten Fotografien der Parmigiani Toric machen ohne Zweifel deutlich wie unverschämt attraktiv die Zeitmesser dieser Uhrenfamilie sind. Dennoch ist es trotz größter Bemühungen nicht gelungen die Magie der hier gezeigten Varianten hundertprozentig zu vermitteln.
Das mag nach Schwärmerei klingen, liegt aber zum einen in der Natur der Kategorie „Dress Watch“, die sich von Haus aus zurückhaltend gibt. Es hat zum anderen mit dem Selbstverständnis von Parmigiani Fleurier als Hersteller zu tun, der sich dem stillen Luxus verpflichtet fühlt, und bei dem aus unzähligen – teils leicht zu übersehenden – Details in der Summe erstaunliche Schönheit entsteht.
Und im Falle der Toric, und das ist letztlich ausschlaggebend, ist eines dieser Details die Bearbeitung der Zifferblätter, die in hohem Maße dafür verantwortlich ist, dass Fotos nur einen ersten Eindruck verschaffen können, sich die Seele der Uhr aber erst bei nächster Betrachtung am realen und beweglichen Objekt präsentiert – zu fein ist die von Hand geschaffene Textur der Zifferblätter dieser Kollektion. Im Folgenden soll dennoch versucht werden, den ganz besonderen Charme der Petite Seconde und des Quantième Perpétuel zu beschreiben.
Die neue Toric – der ewige Kalender folgt auf die kleine Sekunde
Bereits im vergangenen Jahr hat Guido Terreni, der CEO der Marke, seine rundum neu gestaltete Version der Toric präsentiert. Während die von ihm im Expresstempo lancierte Tonda PF mit ihrem integrierten Metall-Armband das Haus für eine ganz neue Zielgruppe öffnete, war die Arbeit an der Toric insofern noch herausfordernder, weil sie wie kein anderes Modell für den Namen Parmigiani Fleurier steht. Sie kann und muss als Herz des Unternehmens verstanden werden.
Zunächst lancierte Terreni also die kleine Sekunde, an deren gerändelter Lünette sich das gestalterische Toric-Erbe auf den ersten Blick ausmachen lässt. Ansonsten aber haben die Designer aus Fleurier Maßarbeit geleistet, alles in Frage gestellt, die Kollektion dabei optisch an die Tonda PF herangeführt, und sie zugleich für die Zukunft gerüstet. Entsprechend populär sind die seitdem produzierten Varianten der Toric, die oft nur in Kleinserien hergestellt werden, der Chronographe Rattrapante zum Beispiel, oder eben die hier gezeigten Ewigen Kalender.
Die Bedeutung der Toric für Parmigiani Fleurier
Der wohl prominenteste Parmigiani Fleurier Toric-Besitzer der Welt ist König Charles III. von England, der bereits seit gut fünfzehn Jahren immer wieder mit einem gelbgoldenen Toric-Chronographen am Handgelenk gesehen wird. Dieser Umstand wird in so ziemlich jeder Geschichte über die Modellfamilie erwähnt, denn auch wenn sich bis heute immer wieder Sammler über diese durchaus nischige Wahl die Köpfe zerbrechen, so lässt sich festhalten: Es ist schwer, ein prestigeträchtigeres Handgelenk als jenes des britischen Monarchen zu finden.
Er investierte offensichtlich früh in das noch junge Unternehmen von Michel Parmigiani, der seine ersten Modelle 1996 unter dem eigenen (Marken-) Namen lanciert hatte, und dafür auch schon damals das Wort Toric verwendete, für das er sich vom „Torus“ hatte inspirieren lassen, einem mathematischen Objekt aus der Geometrie, deren Struktur ihn an griechisch-römische Säulen erinnert.
Diese kreisrunde Optik fand sich in frühen Toric-Modellen dann mitunter auch gleich mehrfach in Form von zwei ineinander übergehenden Torus-Ringen als doppelt gerändelter Lünette. Ästhetischer Anspruch von Michel Parmigiani war bei der Uhrenreihe dabei immer die Harmonie des Goldenen Schnitts in Verbindung mit klassischen Elementen wie römischen Ziffern. So wurden die Uhren mit ihren gerändelten Torus-Lünetten zum Inbegriff einer Uhrmacherei, die zumindest optisch nur wenig Vorwärtsdrang zeigte.
Für eine neue Zeit: Die Toric Petite Seconde
Das Bild der heutigen Toric ist ein komplett anderes. Im Vergleich mit ihrer älteren Verwandtschaft präsentiert sich die Neue um einiges puristischer. Die Lünetten wirken zarter, das 40,6-Millimeter Gehäuse nimmt sich insgesamt zurück, und auch die Indizes lassen den Zifferblättern den verdienten Raum, um zu wirken.
Guido Terreni spricht in diesem Zusammenhang von einer „zeitgemäßen Neuinterpretation von Klassizismus“, die das Thema „Dresswatch“ neu denkt, und die Toric-Modelle vielfältiger nutzbar macht. Was wohl in etwa heißen soll: Nur weil ein Kunde sich für eine klassische Dreizeigeruhr begeistert, muss und soll er nicht immer einen Anzug anlegen müssen, um sich dem Zeitmesser gerecht zu kleiden. Gerade die Reduzierung auf das Wesentliche macht die Modelle vielfältig einsetzbar, egal ob es nun die Platin-Version Golden Hour oder die roségoldene Dune ist.
Im Zentrum aller ästhetischen Gedanken steht bei der neuen Generation der Toric das handgekörnte Zifferblatt, das mit einer aus dem 17. Jahrhundert stammenden Technik bearbeitet wird: Das massiv-goldene Blatt wird mit einer Mischung aus Weinstein, Meersalz und Silber beschichtet und im Anschluss von Hand gebürstet.
Das Ergebnis ist eine matte Oberfläche, die an eine mineralisch verputzte Wand erinnert. Das zart texturierte Zifferblatt schluckt Reflexionen, gleichzeitig offenbart sich die Raffinesse dieser Uni-Optik erst in der Bewegung am Handgelenk. Bei der Dune ist das Zifferblatt dabei sanft-sandfarben gehalten, wie eine Düne im rötlichen Abendlicht. Bei der Golden Hour strahlt das Blatt heller und edelmetallener – was durch den Kontrast mit dem weißen Platingehäuse und den Zeigern und Indizes aus rhodiniertem Gold nur noch verstärkt wird.
Das Handaufzugswerk PF780 mit zwei Federhäusern und 60 Stunden Gangreserve ermöglicht mit einer Bauhöhe von 3,15 Millimeter Höhe eine schlanke Gehäusesilhouette am Handgelenk. Die Uhren sind lediglich 8,8 Millimeter hoch, womit sie beispielsweise noch etwas schmaler als die neue und ebenfalls hochgelobte Patek Philippe Calatrava Ref. 6196P ist. Trotz ihres dezenten Profils hat die Toric dabei eine angenehme Präsenz am Handgelenk, was zu einem guten Teil am leuchtenden Zifferblatt, aber eben auch an den makellos-feinen Appliken aus Roségold oder eben rhodiniertem Gold liegt.
In ihrer Gesamterscheinung bereichert die Toric Petite Seconde das Segment der so genannten Anzuguhren ungemein, weil nicht nur die Zifferblätter ebendiesen eine ganz neue Farbe geben. Irgendwo zwischen maximaler Reduktion und dem Mut zu einem selbstbewussten Auftritt hat sich Parmigiani Fleurier vielmehr einen Platz gesucht, den die klassischen Konkurrenten von Patek Philippe Calatrava über Vacheron Constantin Patrimony hin zur Rolex 1908 oder Breguet Classique nicht nutzen.
Nur komplizierter konstruiert: Die Toric Quantième Perpétuel
Obendrein ist die Toric mit ihrem puristischen Design eine ideale Plattform für die uhrmacherischen Pirouetten der Uhrmacherei. Bestes Beispiel: Die ewigen Kalender der Kollektion. Zwei jeweils auf 50 Exemplare limitierte Varianten haben den Anfang gemacht: Roségolden und mit dem von der Petite Seconde vertrauten Namen und Zifferblattton Golden Hour, sowie in Platin und dieses Mal mit himmelblauem Blatt in Morning Blue.
Dem jüngeren Selbstverständnis von Parmigiani Fleurier entsprechend ist auch dieser Ewige Kalender einer der schlichtesten auf dem Markt. Einzig Modelle wie der Endeavour Perpetual Calendar von H. Moser & Cie. oder die als In-Line Perpetual Calendar bekannte Referenz 5236 von Patek Philippe gehen in eine ähnliche Stil-Richtung. Das Trio belegt, dass eine große Komplikation nicht mehr durch eine möglichst komplexe Gestaltung des Zifferblattes auffallen muss.
Auf dem blauen oder sonnengoldenen Zifferblatt stören nur zwei kleine Hilfszifferblätter leicht unterhalb der Neun-und-drei-Uhr-Achse die handgekörnte Ruhe. Traditionalisten mögen an dieser Stelle anmerken, dass komplett mittig auf der Achse positionierte Hilfszifferblätter noch stimmiger gewesen wären, doch darf dies allemal in Frage gestellt werden: So wie die Modelle sich nun präsentieren ergibt sich vielmehr ein stimmiges Dreieck zwischen Markenlogo und den beiden kleinen Anzeigen. Zudem bleibt so die Schönheit des minimalistischen Zifferblattes in der oberen Hälfte frei von jeder optischen Ablenkung.
Angetrieben werden auch diese Varianten von einem Handaufzugswerk, dem roségoldenen PF733 mit 60 Stunden Gangreserve. Am Durchmesser von 40,6 Millimeter ändert sich im Vergleich zu den Petite Secondes nichts, das Gehäuse ist mit 10,9 Millimetern nur etwas höher. Es muss an dieser Stelle erwähnt werden, dass die roségoldenen Werke mit der Côtes de Fleurier-Finissage und den anglierten Stahlbrücken optisch ebenso beeindrucken wie die Front der Zeitmesser.
Also alles purer Genuss?
Trotz allen Wachstums der letzten Jahre: Parmigiani Fleurier ist nach wie vor eine der kleineren Manufakturen der Schweiz, im Val-de-Travers aber einer der ganz großen Namen. Das zeigt sich auch in der Preisgestaltung: Mit 53.000 Euro für die roségoldene Petite Seconde und 60.900 Euro für die Platinvariante sind beide Modelle im Vergleich zu den unmittelbaren Konkurrenten sehr selbstbewusst eingepreist. Im Vergleich dazu wirken die 95.800 Euro für die roségoldene Variante des Ewigen Kalenders und 103.700 Euro für das Platinmodell geradezu angemessen, gerade bei diesen limitierten Modellen stellt man bei weitem nicht die Spitze im Segment dar.
Der Wert dieser Uhren lässt sich ohnehin nicht in Euros beschreiben. Die sehr eigenständige Designsprache der Uhren hat vielmehr einen Einfluss auf Sammler und Markt: Die vier Toric-Varianten zeigen, wie sich Uhrmacherei mit einem maximal konservativen Selbstverständnis frisch und zeitgemäß präsentieren kann, und wie vermeintlich vertraute und bereits in jeder Form gesehene Standards noch einmal einen neuen und selbständigen Look bekommen. Auf Branchentreffs lässt sich seit einiger Zeit allemal feststellen: Nicht jeder verehrt die Marke, aber es ist nahezu unmöglich jemanden zu finden, der die aktuelle Kollektion des Hauses nicht respektiert.