
Rado Anatom Skeleton: Der Master of Materials und die Kunst des Weglassens
Die Anatom ist seit jeher ein Spiegelbild der Expertisen von Rado. Und so ist es nur folgerichtig, dass es nun auch eine skelettierte Version gibt. Die Anatom Skeleton ist ausgestattet mit einem Gehäuse aus matter Plasma-Hightech-Keramik, einem zylindrischen Saphirglas und einem Kautschukband. Darüber hinaus setzt sie auf das Weglassen von Materialität.
Bereits 1954 gab es eine erste Erwähnung skelettierter Uhren von Rado, und zwar im Katalog zur Mustermesse Basel (MUBA), dem Vorläufer der Baselworld. Aber erst knapp 70 Jahre später sollte es zu einer der Spezialitäten der Marke werden. In der Zwischenzeit entwickelte sich das Unternehmen zum Experten für Hartmetall wie zum Beispiel Wolframkarbid sowie für Saphirglas und Keramik. Passend dazu prägte Rado mehrere Slogans: Master of Materials, Art of Ceramic und Art of Skeletonisation.
Letztere Kunstfertigkeit hat Rado nun auch der Anatom zuteilwerden lassen. Diese betrat erstmals 1983 als echte Avantgardistin die Uhren-Bühne, um diese 40 Jahre später erneut zu erobern.
1983: Die Anatom taucht auf
Als die Anatom im Jahr 1983 auf Markt kam, hatte sich Rado längst als Vorreiter für avantgardistische, oft rechteckige Designs etabliert, wie ein Modell aus den 1930er-Jahren zeigt. In den folgenden Jahren folgten viele weitere Zeitmesser dieser Art.
Zum Beispiel die Manhattan aus den 1960er-Jahren, die dank eines patentierten Dichtungssystems zu 100 Prozent wasserdicht war – für eine quadratische Uhr in der damaligen Zeit ein echtes Novum. 1976 kam die Linie Glissière auf den Markt, bei der eine eingesetzte Schwalbenschwanzstruktur zur Befestigung des Saphirglases diente. Dank hochmoderner, äußerst zuverlässiger Klebstoffe ist diese raffinierte mechanische Vorrichtung heute nicht mehr erforderlich.
Es gibt viele weitere Beispiele für die historische Rechteck-Kompetenz von Rado, dem Master of Materials. Die Material-Verliebtheit zeigte sich auch 1983 bei der Konstruktion der Anatom. Im Fokus stand synthetisches, kratzfestes Saphirglas, welches damals aufgrund der anspruchsvollen Verarbeitung in der Regel Premiummodellen vorbehalten war. Rado setzte es bei der Anatom von Beginn an konsequent ein. Die konvexe Wölbung des Saphirglases, welches der Form des Handgelenks randlos von einer Gehäusekante zu anderen folgt, stellte Anfang der 1980er-Jahre eine große Herausforderung dar, welche der Meister des Materials souverän meisterte.
Möglich war dies, da Rado bereits seit 1962 im Bereich Saphirglas geforscht hatte. Damals feierte die DiaStar Premiere. Zu ihren Merkmalen zählte neben einer Lünette aus Wolframcarbid ein Saphir-Deckglas. Erst dadurch konnte 1983 die ausgefallene Anatom entstehen. Das dabei verwendete randlose Saphirglas wird in mehreren Schritten gefertigt und auf der Innen- und Außenseite abgerundet ist.
Zu dem zylindrischen Saphirglas gesellten sich neuartige Formen sowie Variationen der Band- und Gehäuseanstöße. Dieses neue Gestaltungs-Paradigma sollte das öffentliche Bild der Marke für Jahrzehnte prägen.
„Die innovative Verschmelzung von Konturen und Design eines Zeitmessers mit feineren ‚anatomischen‘ Aspekten führte nicht nur zu einem höheren Tragekomfort, sondern auch zu einer fließenden Optik. Damit waren optimale Voraussetzungen für eine Produktlinie geschaffen, die vier Jahrzehnte überdauern sollte und weltweit Aufmerksamkeit erregte“, sagte Adrian Bosshard, CEO von Rado, anlässlich der Lancierung der die Anatom im Jahr 1983.
Die ersten Versionen waren mit einem Quarzwerk ausgestattet, wie es Anfang der 1980er-Jahre üblich war. 1996/97 erschien schließlich in der Anatom-Kollektion das erste Automatikmodell.
2023: Die Anatom – so cool wie vierzig Jahre zuvor
Wer sich die Anatom von 2023 anschaut, sieht zunächst ein cooles Design in der futuristischen Optik der 1980er-Jahre. Ein Look, der gefragter denn je ist. Die Anatom und ihre DNA sind aber zugleich ein Abbild der Material-Geschichte, der Innovationskraft und der modernen Formgebungs-Kompetenz von Rado, wie meine Kollegin Emilia Hoth in ihrem Artikel „Was die Anatom über Rados Entwicklung verrät“ eindrücklich beschreibt.
„Wie immer, wenn Rado involviert ist, stehen neue Technologien im Vordergrund“, betont Rado-CEO Adrian Bosshard. Dabei wird die Anatom von 2023 ihrem Namen noch gerechter als ihre Vorgängerinnen. Denn ihre harten, eher kantigen Formen von 1983 waren weicheren Linien gewichen, die zusammen mit dem abgerundeten Saphirglas den Begriff „anatomisch“ noch deutlicher abbilden.
2025: Die Anatom zieht blank
Nun zeigt der Meister des Materials bei der neuen Anatom Skeleton auch seine Kunstfertigkeit beim Weglassen. Ein schöner Anlass, einen Blick auf einige Highlight-Modelle von Rado zu werfen, bei denen das Werk zum Zifferblatt wird.
Moderner Ein- und Durchblick mit Rado
Bei Rado begann das Zeitalter der skelettierten und teilskelettierten Zeitmesser im Jahr 2010. Damals nutzte man in der Uhrenindustrie schon lange die Möglichkeiten der computergestützten Konstruktion. Diese erlaubt es, bei der Werkekonstruktion von Anbeginn den gewünschten Durchblick zu berücksichtigen, statt wie in früheren Zeiten im Nachhinein Material zu entfernen. Das Ergebnis sind Skelettuhren wie von Rado, die sich dank ihrer modernen Ästhetik großer Beliebtheit erfreuen.
2010: Sintra Skeleton Automatic COSC
Die auf 222 Exemplare limitierte Sintra Skeleton Automatic COSC ist mit einem speziell angepassten, skelettierten COSC-zertifizierten Uhrwerk und einem konvex geformten Gehäuse aus schwarzer Hightech-Keramik ausgestattet. Den Blick in das Innere erlaubt der kreisrunde Ausschnitt im Zifferblatt der rechteckigen Uhr.
2018: True Open Heart Automatic
In der True Open Heart Automatic arbeitet das Automatikkaliber R734 mit 80 Stunden Gangreserve. Geschützt wird es von einem Monobloc-Gehäuse aus polierter Hightech-Keramik in verschiedenen Ausführungen wie beispielsweise in Schwarz, Braun oder Plasma. Geometrische Aussparungen beim Zifferblatt machen Teile des Uhrwerks wie Räderwerk, Unruh und Uhrwerksplatinen sichtbar.
2021: True Square Open Heart
Kurz nach der Lancierung der Kollektion True Square gestattete eine Open-Heart-Variante erstmals Einblick in das mechanische Herz der Uhr, das skelettierte Automatikkaliber R734. Sie war außerdem Rados erste eckige Uhr mit einem Monobloc-Gehäuse aus Hightech-Keramik.
2021: Captain Cook High-Tech Ceramic
In diesem Jahr wurde Rados Captain Cook erstmals kratzfestes Hightech-Keramik für das Armband als auch für das Monobloc-Gehäuse zuteil. Das Zifferblatt unter dem kastenförmigem Chevé-Saphirglas und der Gehäuseboden bestehen aus schwarz gefärbtem Saphirglas, sodass das Innenleben in Form des skelettierten Uhrwerks R734 aus jedem Blickwinkel erkundet werden kann.
2022: Captain Cook High-Tech Ceramic Limited Edition
In diesem auf 1.962 Exemplare limitierte Modell der Captain Cook debütierte das Automatikkaliber R808 mit einer Gangreserve von 80 Stunden und einer antimagnetischen Nivachron-Spiralfeder. Das horizontal strukturierte Platinen-Design des Werks ist lässt sich durch das leicht schwarz gefärbte Saphirglas-Zifferblatt bewundern.
2023: DiaStar Original Skeleton, Captain Cook & Co.
2023 setzte Rado mit Modellen wie der Captain Cook High-Tech Ceramic Skeleton, der DiaStar Original Skeleton und der True Square Skeleton ganz besonders auf Uhren mit Durch- und Einblick und prägte den Begriff Art of Skeletonisation.
Zu den Highlights gehörte die DiaStar Original Skeleton, inspiriert vom Original aus dem Jahr 1962. Zur Feier des 60. Jahrestags der Uhr kam es 2022 zunächst zu einem Material-Wechsel. Statt Wolframkarbid wählte Rado Ceramos für Gehäuse und Lünette. Dabei handelt es sich um eine Hybrid-Legierung aus Hightech-Keramik (ca. 90 %) und Metall (ca. 10 %) und somit um einen besonders kratzfesten Verbundstoff. Die 2023er-Variante der DiaStar zeigte sich zudem skelettiert und offenbarte so das 2022 eingeführte Automatikkaliber R808.
Ebenfalls im Jahr 2023 erschien eine weitere skelettierte Version der Captain Cook. Auch diese Kollektion wurde 1962 erstmals lanciert und 2017 erfolgreich neu aufgelegt. Das Monobloc-Gehäuse der Captain Cook High-Tech Ceramic Skeleton besteht aus Plasma-Hightech-Keramik und beherbergt ebenfalls das R808. Zu sehen ist es durch das beidseitig entspiegelte Saphirglas im Box-Shape-Stil mit dem darunterliegenden grau gefärbtem Saphirglas-Zifferblatt sowie durch den Titan-Gehäuseboden mit Saphirglas.
2024: Centrix Open Heart
Im Jahr 2010 eingeführt, hat Rado die Kollektion Centrix stets weiterentwickelt. Nach einer teilskelettierten Version im Jahr 2015 erschien 2024 eine weitere Ausführung mit Einblick. Dieser gewährt dem Automatikkaliber R734 eine angemessene Sichtbarkeit: durch den Saphirglasboden des Gehäuses aus roségoldfarbenem PVD-Edelstahl sowie den großzügigen Ausschnitt in der oberen Hälfte des Perlmuttzifferblatts.
2025: Anatom Skeleton
Die Anatom, welche 2023 ein fulminantes Comeback feierte, unterstreicht ihr ohnehin avantgardistisches Design nun zusätzlich durch die Kunst des Skelettierens. Auch hier kommt das in fünf Lagen auf Genauigkeit getestete Automatikkalibers R808 zum Einsatz. Das Uhrwerk ist vollständig anthrazitfarben beschichtet und mit horizontal gebürsteter Verzierung versehen.
Die speziell für dieses Werk entwickelte Platine und dessen Wechselradbrücke ermöglichen die Konstruktion einer Uhr, welche gänzlich ohne Zifferblatt auskommt. Das Stundenrad wird dabei durch diese Brücke fixiert, anstatt wie sonst durch das Zifferblatt. Es bietet die Funktionen Stunde, Minuten und zentrale Sekunde sowie 80 Stunden Gangreserve.
Schutz bietet das bis fünf bar wasserdichte Edelstahlgehäuse mit einer Lünette aus Plasma-Hightech-Keramik mit den Maßen 32,5 x 46,3 x 11,5 Millimeter. Der Edelstahlboden mit Saphirglas bietet neben dem Blick von oben eine weitere offenherzige Perspektive auf das Uhrwerk der Anatom Skeleton. Den Übergang zum grauen Kautschukarmband markiert ein Streifen aus gelbgoldfarbenem, PVD-beschichtetem Edelstahl – abgestimmt auf die skelettierten Minuten- und Stundenzeiger, den zentralen Sekundenzeiger und Teile des Uhrwerks.
Das Armband setzt zudem die sich verjüngenden Ecken des Gehäuses fort und schmiegt sich komfortabel ans Handgelenk. Auch die abgeschrägte Kante des Saphirglases und des Keramikgehäuses haben ihr Pendant in der abgeschrägten Kante des Armbands.
Die Anatom Skeleton ist ab sofort erhältlich und kostet 4.450 Euro.
Die Technik der Skelettierung in der Uhrmacherei
In der Uhrenindustrie – vor allem der Schweizer – gibt man sich gern verschwiegen. Informationen über Produktionsmengen und darüber, wer für wen welche Komponenten produziert, behält man meist für sich. Transparenz zeigt man dennoch, und zwar bei den Uhren selbst. Kunstvolle Skelettierungen sieht man heutzutage in vielen Kollektionen.
Was für den Betrachter faszinierende Einsichten in die internen Abläufe des mechanischen Antriebs bedeutet und vermeintlich luftig-leicht und im besten Fall aufwendig dekoriert daherkommt, ist in der Entstehung ein Handwerk höchster Güte. Denn neben der Entfernung des Zifferblatts heißt es, auf möglichst viel Material im Uhrwerk zu verzichten, ohne dessen Stabilität und Funktionalität zu beeinträchtigen.
Im Gegensatz dazu bietet eine sogenannte Openworked-Watch durch einen Ausschnitt im Zifferblatt einen begrenzten Einblick in das dahinterliegende Werk, meist auf die schwingende Unruh oder das Tourbillon.
Skelettuhren – eine Kunst für sich
Die Skelettierung eines Uhrwerks erfordert Geduld, handwerkliches Geschick und/oder präzise CNC-Maschinen, Techniken wie die Elektroerosion und nach wie vor viel uhrmacherisches Know-how. Damit das Ergebnis überzeugt, müssen Ausschnitte auf verschiedenen Ebenen exakt übereinanderliegen, um nicht durch verbliebenes Material wieder verdeckt zu werden. Die Komponenten einer Skelettuhr werden meist durch schmale Brücken miteinander verbunden. Oft ist auch der Gehäuseboden transparent gestaltet, sodass man durch das „Skelett“ hindurchsehen kann.
Und weil eine solche Uhr nichts verstecken kann, gehört zur Kunst des Skelettierens auch die Kunst des Anglierens der vielen Kanten, die durch das Weglassen von Material entstehen. Dabei werden die Kanten in einem 45-Grad-Winkel geschliffen. So entsteht die sogenannte Fase, die keine Fehler verzeiht. Vor allem das Zusammentreffen der Fasen bedarf einer absolut exakten und scharfkantigen Bearbeitung.
Als einer der Pioniere der Skelett- oder Durchsichts-Uhren gilt André Charles Caron (1697–1775). Er war Hofuhrmacher von König Louis XV. und auf präzise und dekorative Uhren spezialisiert. Taschenuhren, wohlgemerkt, mit deutlich größeren Ausmaßen als bei den filigranen Bauteilen einer heutigen Armbanduhr.
Auch Abraham-Louis Breguet, der seit 1775 ein eigenes Uhren-Atelier in Paris betrieb, übte sich in der Kunst des Weglassens oder besser gesagt der freien Sicht auf das Uhrwerk. So präsentierte das aus der Schweiz stammende Uhrmacher-Genie 1802 einen Zeitmesser mit einem Gehäuse aus Bergkristall, welches das Innenleben offenlegte und zugleich schützte.
Die Skelettuhr etabliert sich
Mit dem Siegeszug der Armbanduhren im frühen 20. Jahrhundert wuchs das Interesse an Skelettierungen, sie blieben aber zunächst noch eine Ausnahme. Als die Quarzuhren ab den 1970er-Jahren die mechanischen Zeitmesser zu verdrängen drohten, setzte so mancher Hersteller mechanischer Uhren auf den freien Blick aufs Innenleben, um sich von batteriebetriebenen Exemplaren abzuheben und die eigene Expertise in den Fokus zu stellen. Daran hat sich bis heute zum Glück nichts geändert.