Wer beim Bergsteigen oder Wandern auf einen Höhenmesser zurückgreifen möchte, der kann das natürlich mit unzähligen elektronisch betriebenen Gadgets tun. Spannend wird es, wenn die Anzeige in einer rein mechanischen Armbanduhr verbaut wird. Dieser Herausforderung stellte sich der Hölsteiner Uhrenhersteller Oris und präsentierte bereits 2014 mit der ProPilot Altimeter die weltweit erste mechanische Uhr mit einem Automatikwerk und integriertem Höhenmesser. Nun stellt Oris eine überarbeitete Version vor, die sich zu neuen Höhen aufmacht und dabei noch schlanker und leichter geworden ist. Aber wie funktioniert ein Höhenmesser in der Feinmechanik überhaupt? Wir haben mit Richard Siegrist, Produktentwicklungsingenieur bei Oris gesprochen.
Oris hat seit der Gründung im Jahr 1904 über 280 Kaliber entwickelt – immer mit dem Fokus auf Funktionalität und Mehrwert. Das beste Beispiel dafür ist die 1938 vorgestellte Big Crown, die erste Pilotenuhr von Oris mit der überdimensionalen Krone und einem Zeigerdatum (Pointer Date). Die übergroße Krone sollte es den Piloten erleichtern, die Uhr mit ihren Lederhandschuhen zu stellen, das Zeigerdatum diente der besseren Ablesbarkeit. Und somit ist auch der Höhenmesser keine plumpe Spielerei, sondern eine logische Weiterentwicklung einer Fliegeruhr mit einer nützlichen Funktion.
Wenn wir allerdings von der „weltweit ersten mechanischen Uhr mit Höhenmesser“ sprechen, muss man erwähnen, dass Oris der erste Uhrenhersteller ist, dem die Integration dieses Mechanismus‘ in einer Uhr mit Automatikwerk gelungen ist. Es war nämlich Favre-Leuber im Jahr 1962, der als erster Uhrenhersteller überhaupt einen Höhenmesser in eine mechanische Armbanduhr verbaute. Allerdings handelte es sich hierbei um ein Uhrwerk mit Handaufzug – ein kleiner, aber entscheidender Unterschied. Und hier kommt Oris ins Spiel, die 2014 als erster Hersteller einen Mechanismus entwickelten, der auch bei einem Automatikwerk (also mit einem Rotor) verbaut werden konnte.
Wie funktioniert der Höhenmesser?
Zur mechanischen Höhenmessung bedarf es eine Druckkammer, um den Luftdruck messen zu können. In der Oris ProPilot Altimeter liegt diese unter dem Uhrwerk, schaut man von oben auf das Zifferblatt. Daher ist die Druckkammer nicht direkt mit dem Uhrwerk verbunden und hat ihren eigenen Zeiger, der allerdings irgendwie durch das Uhrwerk gehen muss, um die Anzeige über das Zifferblatt zu ermöglichen. Und genau hier liegt die Schwierigkeit. Bei einem Uhrwerk mit Handaufzug lässt sich der Zeiger der Druckkapsel einfach durch das Werk führen, was bei einer Automatikuhr mit einer rotierenden Schwungmasse natürlich nicht geht.
Oris hat das Problem gelöst, indem der Zeiger um das Uhrwerk herumgeleitet wird. Das war nur mit einem Zeiger aus Karbon möglich, der besonders steif ist und sich nicht verbiegt oder dehnt, damit er nicht versehentlich an den Rotor gerät. Dazu kommt die zweischichtige Architektur des Zifferblatts. Auf der oberen Ebene befindet sich die klassische Zeitanzeige. Auf der unteren Ebene die Anzeige für den Höhenmesser – mit dem extra Zeiger der Druckkammer.
Die gerade im Rahmen der Watches & Wonders 2023 vorgestellte ProPilot Altimeter hat ein überabeitetes Werk und neues Gehäuse. Mit dem neuen Kaliber Oris 793 (56 Stunden Gangreserve) ließ sich die Bauhöhe um 1 mm reduzieren, was am Basiswerk Sellita SW300 liegt, das, anders als der Vorgänger Sellita SW200 nur 3.6 mm misst, statt 3.7 mm. Auch der Messbereich konnte dank überarbeiteter Druckkapsel von 4.500 Meter auf 6.000 Meter erweitert werden. Sie sei nun etwas steifer und dehne sich nicht so sehr aus, was zu einer besseren Leistung beitrage, so Siegrist, Produktentwicklungsingenieur bei Oris. Die Druckkammer wird zwar von einem externen Spezialisten speziell für Oris produziert und zugeliefert. Doch die Architektur und Konstruktion zur barometrischen Anzeige wurde von Oris in-house entwickelt und gefertigt.
Höhenmesser im Karbon-Gewand
Und dann ist da noch das nigelnagelneue 47-mm-Karbon-Gehäuse, das die neue ProPilot Altimeter gleich 70 Gramm leichter macht als ihr Vorgängermodell. Da sich die nicht sonderlich umweltfreundlichen Karbonverbundstoffe allerdings wenig mit der ambitionierten Nachhaltigkeits-Strategie von Oris vertragen, haben die Hölsteiner auch hier an einem innovativen Ansatz getüftelt. Herausgekommen ist ein in Partnerschaft mit 9T Lab entwickeltes Karbonfasergehäuse, das recycelbar ist. „Nach 3-jähriger Forschungsphase haben wir ein Polymer (Kunststoff) entwickelt, der ab einer bestimmten Hitze aufgeschmolzen werden kann und somit trennbar und recyclebar wird“, erklärt Siegrist. „Denn gewöhnliche Karbonverbundstoffe bestehen aus Polyuretan (Duoplast) und sind, wenn einmal ausgehärtet, nicht mehr in seine Bestandteile trennbar.“ Natürlich macht auch das neue Verfahren die Herstellung und Verwendung von Karbon nicht gleich ökologisch, aber es geht auch darum, neue Lösungsansätze zu finden und innovativ zu bleiben.
Die neue ProPilot Altimeter wird an einem grünen Textilband mit braunem Lederfutter getragen. Die Funktionsuhr ist bis 100 Meter wasserdicht und kostet 6.200 Euro.