Wenn man sich die Halbwertszeit von CEOs in der Uhrenbranche anschaut, dürfte Angelo Bonati, der insgesamt 21 Jahre bei Panerai war, davon 18 Jahre als CEO, den Methusalem-Preis gewinnen. Mir ist kein CEO bekannt, der länger im Amt war, aber auch keiner aus einer Marke, die es 1997 bei Übernahme durch Richemont eigentlich nur auf dem Papier gab, und es in 28 Jahren zu einem Unternehmen mit 433 Millionen Schweizer Franken Umsatz unter die Top 20 Firmen laut aktuellem Morgan Stanley Report geschafft hat – und das mit rund 55.000 Uhren im Jahr.
Credit © Panerai
Ich erinnere mich vor allem deshalb an den Italiener zurück, weil er etwas hatte, was heute vielen Managern abgeht: Er flößte mir gehörig Respekt ein. Er erinnerte mich zum einen an meinen Großvater väterlicherseits, selbst Unternehmer und Kriegsveteran, bei dem man immer höflich anklopfte, bevor man das Zimmer betrat und zum anderen hatte Bonati auch etwas aus dem Film der Pate. Er wurde oft auf Messen wie der SIHH in Genf, die heute Watches and Wonders heißt, abgeschirmt. Nie hat er neue Uhren selbst vorgestellt. Ein Bonati-Interview zu bekommen, war eine Ehre. Der Mann, der jahrelang mit dem Auto durch Italien fuhr und Cartier Feuerzeuge verkaufte, beeindruckte aber nicht nur durch seine Persönlichkeit, sondern vor allem durch Gradlinigkeit im strategischen Denken. Was habe ich vom CEO gelernt und was könnten andere Uhren-CEOs sich von der Ära unter Bonati bei Panerai abschauen?
- Krisen sind relativ. Versetzen wir uns in die Zeit, als genau jener Bonati durch Italien mit dem Auto fuhr (leider zu viel rauchend) und Feuerzeuge verkaufte. Heute sind Unternehmen wie Cartier weltweit gefragte Luxusmarken. Eine Uhrenkrise wie die derzeitige ist also immer noch harmlos, wenn man den Milliarden-großen Luxusuhrenmarkt von heute mit den spärlichen Resten Anfang der Achtziger Jahre vergleicht.
- Der richtige Zeitpunkt für eine Markteinführung ist entscheidend. 1997, als Richemont Panerai übernahm, war nicht einfach nur eine günstige Gelegenheit für die Vendôme Gruppe, die zu Richemont umfirmierte, an eine spannende Sportuhrenmarke zu kommen, die im Portfolio mit Cartier, Baume & Mercier und Piaget fehlte. Der Markt war bereit für große Uhren, die Actionhelden der späten Neunziger Jahre waren bereit dafür und die Sammler-Community auch.
- Relevante Marken haben Uhrwerke mit nützlichen Komplikationen. Ergänzend dazu kann man sagen: Jede relevante Marke sollte ein Uhrwerk haben, das zu ihrer Philosophie passt. Bei Bonati war es folgende Überlegung: “Wir sind die Könige der Gangreserve. Meine Überzeugung war von Anfang an: Eine lange Laufzeit ist eine eigenständige Komplikation bei Uhren, da sie schwer zu erreichen ist. Das ist eine Funktionalität, die jedem hilft.”
- Es braucht nicht mehr als zwei gute Uhrendesigns. Bonati lernte vermutlich von Cartier, dass die Wiedererkennbarkeit eines Produktes entscheidend ist für dessen langfristigen Erfolg. Er setzte auf die Luminor und die Radiomir. Später kam noch die Submersible dazu, inspiriert von einem Modell für die ägyptische Marine.
- Gutes Marketing heißt: Die Message muss über Jahre konstant bleiben. Bonati verwendete folgenden Vergleich im Gespräch: „Ich vergleiche eine gute Uhrenmarke immer mit einem Zug auf Schienen. Sie können Gas geben und Bremsen, aber Sie können niemals rechts und links abbiegen.“ Alle Innovationen bei Panerai, die er in die Uhren steckte, passen in dieses Bild: “Nehmen Sie dieses neue Titan-Tourbillon (das war 2016), das ist wie Gas geben. Bei anderen Produkten lassen Sie sich Zeit, das ist dann das Bremsen. Das ist mein Ideal von Panerai.”
- Langfristig wertvolle Marken öffnen sich, ohne ihre Nischen-Fanbase zu zerstören. Die ewige Größendiskussion bei Panerai (es gab einen Aufschrei als die erste Panerai Luminor Due auf den Markt kam) ist eigentlich nebensächlich. Bonati formuliert es so: “Es gibt natürlich eine Menge Gelegenheiten für eine Marke wie Panerai, um zu wachsen und Marktanteile zu gewinnen. Aber Marktanteile sind eben nicht alles. Wenn Sie kohärent als Marke sind, werden Sie potentielle Kunden immer wiedererkennen. Wenn Sie inkohärent sind, verändern Sie sich ständig und werden unsichtbar für den Kunden. Einen Tag eckige Uhren, den anderen Runde, dann wieder große Uhren, dann wieder kleine. So zerstören Sie Kundenvertrauen.
- Kopiere nie deine eigene Geschichte: Just be better. Über die ersten drei Jahrzehnte des Comebacks hat Panerai extrem intensiv daran gearbeitet, unabhängig von Industrie-Standarduhrwerken zu werden, neue Materialien eingeführt (die erste Bronzo, eine Uhr aus Marine-Bronze, ist vielen ein fester Begriff) und eine große Manufaktur in Neuchâtel aufgebaut.
Bei unserem letzten Treffen war Bonati bereits von einem Schlaganfall, der ihn erwischt hatte, gezeichnet. Dennoch ließ er es sich nicht nehmen, auf der Messe zu erscheinen. Er sprach langsam, aber klar. Sein „Baby“ Panerai war es ihm jedes Opfer wert. Die achte Regel könnte also lauten, achtet mehr auf eure Work-Life-Balance. Andererseits: Erst diese Hingabe macht ihn zum unsterblichen Bestandteil des Comebacks der Marke. Denn ohne Bonati und dessen klare Führung wäre Panerai heute vielleicht ganz woanders. Dazu sagte er einmal: „Es gab zwei Richtungen, Panerai zu entwickeln, die erste lautete: Große Stückzahlen zu einem niedrigen Preis, also eine Cashcow zu entwickeln. Der zweite Weg war, eine echte Marke mit Respekt für ihre Geschichte aufzubauen.“
Stellvertretend für die Paneristi auf der Welt und die Uhrensammler-Gemeinde, lieber Angelo, möchte ich Danke sagen, dass du dich für den zweiten, schwierigeren Weg entschieden hast!
Credit © Panerai