Leica Uhren: Schon in jeder Leica Kamera steckt ein Stück Schweizer Uhrmacherei
Leica, berühmt für seine herausragende Rolle in der modernen Fotografie, beschäftigt sich bereits seit über zehn Jahren mit der Entwicklung eigener mechanischer Uhren. Die Verbindung zur Uhrmacherei reicht bis zur Ausbildung des Firmengründers Ernst Leitz im 19. Jahrhundert zurück und prägt bis heute den technischen Ansatz der Marke. Im Jahr 2022 stellte Leica die ersten Modelle mit eigenen Manufakturwerken vor.
Montblanc, Hermès, Louis Vuitton. Das lukrative Geschäft mit mechanischen Uhren haben inzwischen viele Luxusmarken erkannt. Diversifizierungs-Strategie, Umsatz-Generierung oder schlicht das Schaffen von langlebigen Status-Symbolen, jede Marke hat ihren eigenen Grund, Luxusuhren herzustellen, jede ihren eigenen Zugang gefunden.
Die Herleitung für den Kunden, warum ein Schreibgeräte-Hersteller oder eine Koffermarke mechanische Armbanduhren vertreiben müssen, ist nicht immer klar zu erkennen, doch der Erfolg gibt den Herstellern oft recht: Menschen wollen sich mit starken, emotionalen Marken verbinden und tragen daher gerne Produkte ihrer Lieblingsmarke. Wer wenig Verbindung zur Uhrengeschichte hat, kompensiert den Mangel an Glaubwürdigkeit oft mit Millionen-Investments in eigene Manufakturen, um Sammler durch ausgefallene Mechaniken zu bezirzen.
Der deutsche Kamerahersteller Leica scheint es auf den ersten Blick anderen Marken gleichzutun und dabei auch noch spät dran zu sein. Erst mitten in der Covid-Pandemie 2022 stellte die Kult-Kameramarke ihre ersten mechanischen Uhren vor. Der Hype um Mechanik, die sich quasi über Nacht im Wert verdoppelten, ist lange vorbei, die Uhrenindustrie in der Realität angekommen.
Wer es noch nicht begriffen hat, muss es jetzt hart lernen: Das Uhrenbusiness ist ein Game, das Hersteller über mehrere Generationen spielen müssen, zumindest um von echten Sammlern wirklich ernst genommen zu werden. Doch ausgerechnet die Strategie des Late-Bloomers Leica könnte besser aufgehen als bei vielen anderen Luxusmarken. Das hat auch mit ein paar interessanten historischen Fakten zu tun, die Leica in ein anderes Licht bei Sammlern rücken könnte. Wir haben uns vor Ort in Deutschland selbst davon ein Bild gemacht.
Sichtbeton und Bauhaus-Fantasien
Ich stehe mitten zwischen Sichtbeton im Nirgendwo. Eine Autostunde von Frankfurt am Main entfernt, irgendwo zwischen Weizenfeldern: Industriegebäude aus glänzend-grauem Stahlbeton und denke mir: Mehr Deutschland geht nicht. Die Zufahrtsstraßen so sauber, dass man davon essen könnte, die großen Betonquader heben sich scharfkantig mit ihren geometrischen Formen in der Sommersonne ab. In der Ferne rauscht Verkehr über eine German Autobahn. Ich habe am Vorabend eingecheckt im Vienna House By Windham Ernst Leitz Hotel, das nach dem Gründer benannt ist.
Selbst die Tapete an der Zimmerwand zeigt Konstruktionszeichnungen der ersten Leica, die Flure sind gespickt mit Zitaten berühmter Leica-Fotografen. Besonders prägt sich mir das von Constantine Manos ein: “It is easy to take good pictures, difficult to take very good ones and almost impossible to take great pictures.“ Wie wahr, denke ich mir und lese von Robert Frank vor dem Einschlafen: “The Eye should learn to listen before it looks.“ Ich nehme mir vor, am nächsten Tag erst einmal zuzuhören und mache mir dann mein eigenes –nomen est omen– Bild, ob Leica nicht nur hervorragende Kameras, sondern auch gute Uhren baut.
Leica, der Erfinder der modernen Fotografie
Willkommen beim Kamerahersteller Leica, dem Erfinder der modernen Fotografie, dessen Geschichte so ausufernd mit der Moderne verbunden ist, dass ich vieles davon leider überspringen muss. Wer Leica gar nicht kennt und den Einfluss einer einzigen Marke und ihrer Produkte auf unser heutiges Verständnis der Welt, muss sich zumindest eine Ausstellung ansehen (digital oder eben in Wetzlar): Die Ausstellung 36 aus 100 sagt auch für Laien alles.
Anlässlich des 100. Geburtstages von Leica im Jahr 2014 hatten sich die Archivare die Mühe gemacht, aus 100 Jahre Zeitgeschichte lediglich 36 Fotos auszuwählen (in Anlehnung an die Anzahl von Fotos, die auf einen 36-Millimeter Rollfilm passen, für alle Digital-Natives unter den Lesern): Viele berühmte Fotografen schufen mit der ersten Serienkleinbildkamera der Welt in den vergangenen Jahrzehnten wertvolle Zeugnisse der Zeitgeschichte. Ob Henri Cartier-Bresson, der 1932 seine erste Leica erwarb oder zahlreiche weitere Fotografenlegenden: Mit Leica-Kameras arbeitete immer schon die Crème de la Crème der Fotografie, ob zunächst in Schwarz-weiß oder später in Farbe.
Namen wie René Burri, Inge Morath, Marc Riboud, Elliott Erwitt, Robert Lebeck, Bruce Gilden und Martine Franck klingen wie Musik in den Ohren von Foto-Fans wie mir.
Ikonische Bilder, die unser Verständnis der Welt verändert haben
Diese Fotoinstallation beinhaltet vor allem aber auch ikonische Bilder, die unser Verständnis vom Weltgeschehen tiefgreifend beeinflusst haben. Darunter Robert Capas „Falling Soldier“ im spanischen Bürgerkrieg, das berühmte Porträtfoto des kubanischen Revolutionsführers Ernesto „Che“ Guevara von Alberto Korda, dessen Original ich in den Archiven bewundern darf. Ein Gänsehaut-Moment.
Unauslöschlich ins kollektive Gedächtnis eingebrannt hat sich natürlich auch das bei einem Napalm-Angriff verletzte, fliehende Mädchen Kim Phúc, das während des Vietnam-Kriegs mit einer Leica fotografiert wurde (und wahrscheinlich zur schnelleren Beendigung dieses Krieges führte). Alles ist vertreten, wirklich ALLES: Das Luftschiff Hindenburg erobert den Luftraum, die Russen Berlin oder James Dean die Herzen der Frauen, während mir die Faust von Muhammed Ali in Schwarz-Weiß den Atem raubt. Mehr Emotion geht nicht, wen wundert es da, dass Leica Fans bis heute ein so inniges Verhältnis zu ihrer Kamera und damit zur Marke haben wie vielleicht nur ein Musiker zu seinem Instrument?
Unbezahlbar: Diese Marke hat berühmte Markenbotschafter, die fotografieren
Apropos: Markenbotschafter braucht diese Marke keine. Die Superstars kommen bei Leica ganz von alleine. Letztes Jahr war Wolfgang Niedecken da, Bandleader von BAP, deutscher Musiker aus Köln. Er fotografiert schon lange mit Leica.
Vor zwei Jahren kam Andy Summers hier von der Gruppe The Police, der früher mit Sting zusammen gespielt hat. Auch er. Begeisterter Leica-Fotograf, für ihn gab es gleich eine eigene Ausstellung im Museum. Letztes Jahr eröffnete Bryan Adams hier eine eigene Ausstellung.
Der wollte nicht musizieren, wollte sogar nur als Fotograf auftreten und hat seine Fotobücher signiert. Wenige wissen: Er hat auch schon Brand-Kampagnen für Firmen wie Hugo Boss fotografiert. Seine Serie “Wounded” über US-Kriegsveteranen war zuletzt in Berlin zu sehen.
Der Leitz Park: Davon träumen Schweizer Uhren-CEOs
Diese Art Magie spüren Besucher an diesem Ort im Nirgendwo. Ein Ort voller Kreativität, der Weltgeschichte geschrieben hat. Über die schlichte Formensprache der Architektur werde ich von meinem Guide aufgeklärt: Vor elf Jahren, 2014, wurde der erste Teil des Leitz Park genannten Gebäude-Ensembles fertiggestellt, der zweite Teil folgte dann mit dem Hotel, in dem ich schlief.
Der gesamte Park umfasst heute 12.000 Quadratmeter Gebäudefläche auf 35.000 Quadratmeter Grund. Viele Uhrenfirmen wären neidisch auf so ein Erlebnis-Eldorado mit eigener Manufaktur-Fertigung. Im Kalten Krieg war hier übrigens eine Panzerwaschanlage geplant, im Falle einer nuklearen Verseuchung. Ich bin froh, dass hier Geschichte nur in Form der Kameras, die sie festhalten, produziert wird.
An den Gebäuden entdeckt man Kamera-Details
Das Frankfurter Architekturbüro Gruber Kleine Kraneburg hat Gebäude entworfen mit Bauteilen, die so reduziert aber detailverliebt sind wie Leica-Kameras und ihre hervorragenden Objektive: Mal Konvex, mal konkav gewölbt schwingt der Beton um die Volumen. Der Auftrag ans Architekturbüro lautete, den Leitz Park in Anlehnung an die Leica Produkte zu gestalten. Die Architektur mit Sichtbeton atmet dazu geradezu Bauhaus. Das Produktdesign der Leica Produkte folgt den Gestaltungsprinzipien der radikalen Bau- und Kunstakademie schon seit mehr als 70 Jahren.
Kameras, Objektive, Ferngläser und noch vieles mehr
Schaut man den Firmensitz aus der Vogelperspektive an, so sieht er von oben aus wie ein großes, kreisrundes Kameraobjektiv. Das Gebäude Links davon erinnert im Umriss an ein auf den Kopf gestelltes Fernglas, nur wenige wissen: Ferngläser gehören fest zum Sortiment. Die Produktkategorie Sportoptik umfasst bei Leica Ferngläser, aber auch Zielfernrohr für Gewehre. Wichtig ist zu erwähnen, dass die Leica Camera AG kein Produkt für das Militär herstellt, aber für Sportschützen und Jäger. Jedes Detail sitzt: Die beiden oberen Fensterreihen des Headquarters erinnern von der Form her an den Negativfilm in analogen Kameras, und zwar an die Perforation zum Filmtransport der Filmrolle oben und unten.
Auf der gegenüberliegenden Seite spielt das Fenster des Leica-Museums mit seiner Aussichtsterrasse eindeutig mit dem Sucherfenster einer Leica-Kamera, während im Leica Store untendrunter bereits morgens um neun weitgereiste Gäste aus den USA und Asien sich Fotoapparate zu Gebrauchtwagenpreisen zeigen lassen.
Werden hier Uhren zusammengebaut?
Doch wo befinden sich die Uhren? In dem Gebäude, das mit Ernst Leitz Werkstätten betitelt ist, befindet sich die Business Unit Lifestyle Accessories, deren Geschäftsführer Henrik Ekdahl ich später zum Mittagessen treffe (hier unser ausführliches Interview mit ihm). Weiter links sieht man große Stahltüren, dahinter befindet sich ein gigantisches Fotostudio. Das nutzt man für Veranstaltungen oder Workshops für Leica Kameras, aber in zunehmendem Maße auch für solche mit Smartphones. Uhren werden hier gegenwärtig nicht montiert, dafür Kameras der Extraklasse.
Dass es Leica überhaupt heute noch gibt in Zeiten von Smartphones, grenzt an ein Wunder.
Dass es Leica überhaupt heute noch gibt, ist an sich ein großes Wunder in Zeiten von Smartphones. Das hat vor allem mit einem Mann zu tun: Doktor Andreas Kaufmann. Er hat im Jahr 2004 die Mehrheit der Leica Camera AG übernommen und ist seit 21 Jahren Mehrheitseigner. Heute besitzt er noch 55 Prozent der Anteile. Leica ist zwar eine AG, aber nicht an der Börse notiert. Hochprofitabel und begehrt: Blackstone ist heute der andere Investor und hält 45% an der Leica Camera. Sogar Hermès war früher mit dabei (im Dezember 2000 erwarb Hermès einen Anteil von 31,5%, den man später auf über 36% erhöhte). Sie verkauften ihre Anteile 2006 aber an Dr. Kaufmann.
Dabei ging es Leica zur Jahrtausendwende gar nicht gut. Man machte nur rund 90 Millionen Euro Umsatz, war defizitär und das schon seit mehr als zwei Jahren. Die Unsicherheit in der Belegschaft war groß. Keiner wusste so genau, wie es weitergeht. Heute steht der Umsatz bei 600 Millionen, doch wie hat das dieser Herr Kaufmann geschafft? Denn der heißt zwar Kaufmann, ist aber keiner, sondern Doktor der Literaturwissenschaft und von Hause aus Pädagoge, der vor seinem Amtsantritt in Baden-Württemberg als Lehrer an einer Waldorfschule gelehrt hat. Der gebürtige Deutsche trat mit seinen Brüdern allerdings ein sehr großes Familienerbe an und erwarb Leica mitten in der größten Krise ihrer Geschichte.
Ein Kaufmann, der eigentlich Lehrer ist, macht aus Leica eine global begehrte Sammlermarke
Er krempelte Leica um, setzte sie mit führenden Objektiven an die Spitze der Produktpyramide der Kameraindustrie für begeisterte Hobby-, Kunst- und Street-Fotografen und blieb dabei den analogen Wurzeln treu: Jede fünfte Kamera, die hier gefertigt wird, ist analog, tausende solcher Kameras werden jährlich verkauft. Und das sind eben nicht alle Künstler oder Profis: Denn 80 Prozent der Kameras gehen an Hobbyfotografen. Das viele Deutsche sich schwertun, den weltweiten Kult um Leica zu verstehen, hat einen einfachen Grund: Neun von Zehn Kameras gehen in den Export: Die USA seien stark wird mir später erklärt, aber der am stärksten wachsende Markt ist Asien mit China, Japan und den Tigerstaaten wie Singapur und Thailand, wie ich erfahre.
Leica wird digital – und steckt in vielen Smartphones
Auf dem Campus und in den Büros ist die Digitalisierung der Marke überall zu greifen. Mittlerweile gibt es eine eigene Abteilung für Smartphones. Die eigene Kamera-App von Leica, Leica Lux, ist für Apple iPhones erhältlich und nutzt KI, um die charakteristischen Eigenschaften von Leica-Objektiven nachzuahmen.
Man kaufte das schwedische Startup-Fjorden auf, dass Kameragriffe für Leica entwickelt. In Japan gibt es in Kooperation mit Sharp ein eigenes Leica-Smartphone, das zumindest äußerlich betrachtet iPhone-Besitzer neidisch werden lässt. Damit nicht genug: In China setzt immerhin der drittgrößte Smartphone-Hersteller der Welt, Xiaomi, auf die Zusammenarbeit mit den Deutschen: Seit 2022 vertreibt man in Lizenz sein Know-How, um deren Handykameras zu verbessern.
Mit dem berühmten roten Punkt und dem Satz „Co-Engineered with Leica“ bewirbt man Geräte wie das Topmodell Xiaomi 15 Ultra, dessen Design schon an eine klassische Leica erinnert, als Qualitätssiegel. Leica hat sich zu einem weltweiten Star der automatisierten Bildverbesserung entwickelt, zum Beispiel in Bereichen Bildanalytik, also wie Licht durch die Linsen geführt wird und dann auf einen kleinen Sensor trifft. Entscheidend bei dem ganzen sind dabei vor allem die Optik und die Software, die das Bild in Pixel umwandeln.
Warum ist das alles wichtig zu wissen? Leica geht gründlich und strategisch bei allem vor, was man anfasst. Dabei belässt man es bei Weitem nicht nur bei Digitalfotografie: Neben den Uhren, auf die wir gleich kommen werden, hat Leica vor zwei Jahren auch Kurzdistanz-Projektoren eingeführt. Die stehen nur 15 Zentimeter vor der Wohnzimmer- oder Leinwand. Das Bild wird mit Lasertechnologie von Leica und einem Summilux Objektiv projiziert. Das Gerät wird in Kooperation mit dem chinesischen Anbieter Hisense in China montiert und gibt es mit 80 bis 120 Zoll Bildschirmdiagonale. Soeben ist ein tragbares Gerät für den mobilen Einsatz auf den Markt gekommen.
Gläserne Manufaktur für Linsenfertigung
Betrachtet man die Linsenfertigung durch die Glasscheiben hinter den Ausstellungsräumen mit ganzjährig wechselnden Fotoausstellungen, wird jedem Uhrenfan sofort klar, was für ein High-Tech-Unternehmen Leica wirklich ist und wie sehr die Produktion der von mechanischen Uhren gleicht: Trotz High-Tech passiert nämlich vieles in Handarbeit.
Ich sehe einen Mitarbeiter, der im weißen Kittel und mit Schutzhaube gerade die Spitzen für einen Pinsel zurecht schneidet und anschließend den oberen und unteren Rand einer Glaslinse mit schwarzem Lack einfärbt, man nennt das ablackieren, um Reflexionen im Objektiv zu vermeiden. Leica setzt für seine Linsen 10 Tonnen Echtglas pro Jahr ein und stellt zwei Arten von Linsen her: sphärische und asphärische Linsen werden hier geschliffen und optimiert. Um die legendären Leica-Objektive klein und leicht zu halten, setzt Leica besonders auf die sehr teuren asphärischen Linsen, denn eine davon ersetzt drei sphärische.
Von Massenfertigung keine Spur: Hier arbeiten 60 Mitarbeiter, die sich ausschließlich um einzelne Linsen kümmern, die der Kunde in der Kamera oftmals nicht sieht. Das erinnert an die aufwendige Finissage von Uhrwerksteilen, von denen viele nach der Montage nie wieder das Tageslicht sehen werden, geschweige denn von Sammlern entdeckt werden. Optiken zählen bereits seit 150 Jahren zu den Kernkompetenzen: Zunächst für Mikroskope, dann für Ferngläser und später für die berühmte erste Leica Kamera.
Was fertigt Leica bei den Kameras wirklich selbst?
Leica hat ein Zweitwerk in Portugal, nördlich von Porto, wo die Gehäuse gefertigt werden: Aus einem massiven Aluminiumblock wird sukzessive das Gehäuse gefräst. Diese Gehäuse kommen als halbfertige Erzeugnisse nach Wetzlar zur Endmontage. Leica stellt keine Bildsensoren her. Und natürlich keine Computer-Chips.
Leicas Metier ist die Mechanik, die Optik und das Zusammenspiel aller Komponenten: Eins wird schnell klar: Schaut man sich so ein fertiges Objektiv an, das leicht über 10.000 Euro kostet und schon mal über 170 Einzelteile enthält, erscheint es nicht weniger aufwendig als manches Manufakturwerk oder ein Uhrengehäuse. Auch die Montage der einzelnen Objektive findet stationsweise statt, wie in der Uhrenindustrie die Uhrwerks-Montage.
In schwarzen Kästen sitzen die Objektiv-Komponenten und die werden von Station zu Station gebracht, entweder mit dem kleinen Förderband oder die Mitarbeiter holen sich diese Teile. 80 Prozent der Mitarbeitenden sind weiblich, weil die mit den Feinarbeiten oft besser sind als männliche Kollegen, auch das nicht unähnlich zur Uhrenindustrie, in der gerade sehr viele Frauen besonders präzise Arbeitsschritte mit größter Sorgfalt ausführen. 1.100 Mitarbeiter arbeiten in Portugal und in Wetzlar in der Produktion.
Den dritten und neuen Geschäftsbereich sieht man durch die Scheiben des Showrooms: Leica Eye Care. Ein paar Kilometer entfernt befindet sich eine nagelneue Produktionsstätte für hochwertige Kunststoff- Brillengläser, dem Material, aus dem heute 90 Prozent aller Brillengläser bestehen.
Eine Scheibe ist verdeckt: Eine neue Leica?
Nur eine Scheibe bleibt milchig und ist undurchsichtig: Ein neues Kamera-Produkt ist in Vorbereitung. Eine neue Super-Digitalkamera? Die Fangemeinde auf Social Media, den Fotografen-Youtube-Kanälen und Leica-dedizierten Gerüchte-Webseiten diskutieren im Netz darüber.
Auch dieser Hype ist ein wichtiger Indikator für die Zukunftsfähigkeit einer starken Marke und erinnert an Gerüchte um neue Apple Produkte. Inzwischen wird in diesen Foren recht offen spekuliert, ob Leica im nächsten Jahr nicht ein eigenes Smartphone auf den europäischen und US-Markt bringen könnte. In Japan arbeitet man ja bereits mit Sharp zusammen unter dem Namen Leitz Phone 3. Das gibt es bislang allerdings nur dort.
CPO bei Leica Kameras – Ähnlichkeiten zur Uhrenindustrie
Zum Schluss meiner Führung geht es am Classic-Store vorbei, der im Prinzip ein Leica Certified Pre-Owned-Geschäft ist. Die Kollegen dort kaufen von Privatpersonen historische Leicas an, reparieren und säubern sie und verkaufen sie wieder. Das Geschäft floriert, kein Wunder bei Neupreisen von Leica-Kameras von mehreren tausend Euro, ohne Objektiv wohlgemerkt. Die Transformation von Leica ist auch deshalb gut gelungen, weil Leica sich rechtzeitig für das Premiumsegment entschieden hat neben neuen lukrativen Geschäftsfeldern. Der neue Geschäftszweig mit mechanischen Uhren soll nun beides vereinen.
Wie dieser Text zu seinem Titel kam
Bevor wir mit der Entwicklungsgeschichte dieser beginnen, müssen zwingend noch ein paar historische Tatsachen erwähnt werden, die mich zur Titelzeile dieses Textes inspiriert haben. Betrachtet man die Anfänge von Ernst Leitz I, dem Firmengründer, wird sich so mancher Uhrensammler verwundert die Augen reiben, wo er seine Expertise zur Entwicklung von Mikroskopen erwarb: Mit nur 20 Jahren ging der nämlich im Jahr 1858 für eine Uhrmacherausbildung in die Schweiz und zwar zum berühmten Chronometer-Bauer Matthäus Hipp nach Neuchâtel.
Wie Henrik Ekdahl mir beim Mittagessen berichtet, lernte er vor allem die Grundlagen für Serienfertigung und Mikromechanik. Ernst Leitz gründete 1870 zunächst mit der Übernahme des Carl Kellner Instituts eine Firma für Mikroskope.
Der erste Prototyp von 1913 – eine Revolution, die warten muss
Von denen findet man mitten in der Lobby bei Leica allerdings nichts, dafür eine Replik des ersten Kamera Prototyps: Die Ur-Leica stammt aus dem Jahr 1913 und hatte den Spitznamen Liliput. Hinter ihr steckte der Visionär und Leica-Ingenieur Oskar Barnack, der bei Leica eigentlich angestellt war, um die ersten Filmausrüstungen zu verbessern. Da er unter chronischem Asthma litt, hatte der Fotograf der erste Stunde Probleme, die schweren Plattenkameras der damaligen Zeit mit sich herumzuschleppen.
Er kam auf die geniale Idee, Negativfilme für Fotokameras zu verwenden. Eine Filmrolle für einen Stummfilm war allerdings 20 Meter lang und passte natürlich nicht in einen Fotoapparat. Der Pragmatiker streckte seine Arme, die Spannweite seiner Arme war für ihn das Maß, wie man diesen 20-Meter-Negativfilm abschneiden müsste.
Das waren dann zirka 1,6 Meter. Aufgerollt passte der tatsächlich in den Apparat, den er gebaut hatte. Diese 1,6 Meter Film entsprachen genau 36 Aufnahmen. So ist der weltweite Standard für Filmrollen, wie sie Kodak heute noch verwendet, entstanden.
Nun brauchte er nur noch eine spezielle Optik, um aus den winzigen Bildern über einen Vergrößerungsapparat echte Fotografien zu machen. Die Brennweite der Ur-Leica war mit 42 Millimeter recht ungewöhnlich, diese 42 Millimeter entsprechen aber genau der Diagonalen des ersten 24 x 36 mm Negativfilm-Formates. Die abgerundeten Kanten der Kamera spiegeln also die Aufnahme des ersten Rollfilms wider, der auf der einen Seite ab- und auf der anderen wieder aufgerollt wurde.
Wie bei Uhren brauchen gute Dinge ihre Zeit: 11 Jahre später
Die erste Serien-Leica 1A, die sich direkt neben dem Prototypen befindet, stammt aus dem Jahr 1925, also elf Jahre nachdem der fertiggestellt worden war: Dazwischen lagen technisch betrachtet keine Welten, aber der erste Weltkrieg, eine große Wirtschaftskrise und Rezession in Deutschland mit Hyperinflation. Die Markteinführung verzögerte sich um Jahre, die Entscheidung für den Bau ist dokumentiert: Am 16.06.1924 am Mittagstisch des Familienbetriebes traf Ernst Leitz II, Sohn von Ernst Leitz, die Entscheidung: „Es wird riskiert.” Die Kamera sollte 280 Reichsmark kosten, was damals dem zwei- bis dreifachen Monatslohn eines gut ausgebildeten Facharbeiters entspricht.
Der Foto-Erfolg über Nacht
Der Rest ist Geschichte: Die erste Leica machte quasi über Nacht von sich reden, vor allem bei Journalisten, denn sie waren plötzlich mit einem Werkzeug ausgerüstet, dass sie quasi live das Geschehen festhalten ließ, ohne den entscheidenden Moment zu verpassen. Das eigentlich Visionäre an der Erfindung Barnacks ist nämlich die Tatsache, dass man aus einem nur 24 x 36 Millimeter kleinen Negativ beliebige Vergrößerungen anfertigen kann. Die Zeitungsmacher, das schnellste Medium jener Zeit (Das Radio war erst erfunden worden), waren begeistert: Sie konnten nun Fotos vom Vortag auf das ganze Layout ihrer Medien anpassen. Die Leica-Kamera verändert die Welt.
Jede analoge Kamera ist ein Zeitmessapparat
Was hat das ganze mit Armbanduhren zu tun? Dazu empfehle ich, sich einmal mit der Mechanik einer analogen M6, dem Flaggschiff des Hauses, auseinanderzusetzen. Öffnet man dessen Gehäuse, erkennt auch eine Laie sofort die Verbindung von Uhr und Kamera: Man sieht es nicht nur, man hört es auch: Das mechanische Klacken, wenn der Verschluss auf eine Sekunde eingestellt ist, um genau eine Sekunde lang Licht auf die Filmrolle durch das Objektiv fallen zu lassen.
Dämmert es? Henrik Ekdahl hat recht, wenn er sagt: „Eine analoge Kamera misst ganz exakt eine Sekunde, sogar runter bis zu 1/1000 Sekunden Belichtungszeit, sie ist zwar keine Uhr, aber ein sehr exakter Zeitmesser.“ Jede mechanische Leica seit der ersten Stunde verfügt, um das möglich zu machen, über Brücken, Zahnräder und natürlich eine Aufzugsfeder, um den Verschluss vorzuspannen. Jede mechanische Leica Kamera ist ein Zeitmesser.
Ein Gedanke, den man sacken lassen muss, um zu verstehen, dass Leica nicht nur Luxusuhren baut, um sich breiter aufzustellen, sondern dass man den vielen weltweiten Fans von Leica eine Brücke baut zu den Anfängen der Fotografie. Ohne die Grundprinzipien Feinmechanik mit zuverlässigen Federn, Brücken und Hebeln, wie sie in mechanischen Uhren bis heute verwendet werden, hätten Oskar Barnack und Ernst Leitz nicht die erste in Serie gefertigte Kleinbildkamera der Welt entwickeln können.
Seit wann gibt es Leica Uhren?
Umso spannender ist es nun, sich im zweiten Teil damit zu beschäftigen, wie man sich bei Leica dem Thema Armbanduhr angenähert hat. Dazu muss man mit Andreas Kaufmann sprechen, Mehrheitsaktionär und Aufsichtsratsvorsitzender der Leica Camera AG. Ohne ihn, soviel ist sicher, gäbe es Leica heute nicht mehr als Deutsche Manufaktur, ohne ihn gäbe es aber vor allem auch keine Leica Uhren. Er ist die innere Triebfeder hinter dem Bereich Leica Watch.
Schon in den 80er Jahren gab es erste Leica-Uhren
Nur ganz wenige wissen, was er weiß über die Entwicklung der ersten mechanischen Leica-Uhren. Denn die Geschichte der Leica Uhren reicht viel weiter zurück, als man gemeinhin denkt: “Leica hat in den letzten 20 Jahren mehrfach mit Uhren experimentiert.“ gibt er zu Protokoll. So gab es bereits eine erste Uhr in den 1980er und 1990er Jahren mit dem ETA-Automatik-Chronographenwerk 7750, die teils mit besonderen Kameras zusammen vertrieben wurde.
Er berichtet: „Der eigentliche Auslöser, eine eigene Leica Watch zu entwickeln, war ein Modell, das man zum Einzug in den neu gebauten Leitz Park herausbrachte.” Das hat man in den Jahren 2013 und 2014 zusammen mit der Firma Valbray entwickelt hatte. Valbray, nie gehört? Anlässlich des 100-jährigen Jubiläums von Leica Fotografie hatte die kleine Uhrenmanufaktur Valbray aus Lausanne eine limitierte Sonderedition – den Valbray EL1 Chronographen – vorgestellt. Die Uhr war auf 100 Exemplare limitiert und mit dem Logo und Schriftzug „100 Years of Leica Photography“ auf dem Gehäuseboden graviert.
Eine Uhr mit echter Blende wie in einem Objektiv
Der EL1 Chronograph zeichnete sich durch eine spezielle „Blende“ aus, die das Zifferblatt verdeckt und mechanisch über eine drehbare Lünette geöffnet werden konnte. Die „Blende“ der Valbray besteht in der Tat aus 16 einzelnen Lamellen und hat einen Innendurchmesser von 45 Millimeter. Komplett geöffnet sind die Lamellen nicht sichtbar wie bei einem Kameraobjektiv. Dadurch geht der Blick frei auf die Chronographen-Funktion der Uhr. Allerdings bleiben Stunden, Minuten und die Stoppuhrfunktion auch bei geschlossener „Blende“ ablesbar.
Auch der Leica-Vorstandsvorsitzende ist Uhrenfan
Die Initiative für die Zusammenarbeit ging auf den damaligen Vorstandsvorsitzenden von Leica Camera, Alfred Schopf zurück, selbst ein Fan mechanischer Uhren. Man merke sich: Bei Leica zieht sich Begeisterung für Mechanik also durch viele Jahrzehnte in der Geschäftsführung. Er knüpfte wiederum den Kontakt zu Côme de Valbray, dem Gründer von Valbray, der seinerseits ein begeisterter Leica-Fotograf war und seit vielen Jahren mit Leica Kameras fotografierte.
Gemeinsam legten sie den Grundstein für die Herstellung des limitierten Valbray EL1 Chronographen zum 100-jährigen Jubiläum. Dieser Chronograph erschien in zwei Ausführungen: 50 Exemplare waren aus Titan gefertigt und 50 Exemplare schwarz DLC-beschichtet. 2014 kostete der Valbray EL1 Chronograph 17.990 Euro.
Mit dem Valbray Chronograph fing die Arbeit erst richtig an
Diese Uhren hätten dann für Kaufmann den entscheidenden Ausschlag gegeben und er sagte sich, wie einst Ernst Leitz als es um die erste Leica Kamera ging: „Wir müssen das selber machen.“ Und gab grünes Licht für eine der aufwändigsten Uhrenentwicklungen deutscher Herkunft des letzten Jahrzehnts: „Wir taten uns zusammen mit unserem langjährigen Designer, Professor Achim Heine aus Düsseldorf, und gingen der Frage nach: Wie soll eine Leica Uhr aussehen?“
Kaufmann suchte sich, wie jeder gute Unternehmer, Profis aus der Branche: Er kam in Kontakt mit dem ehemaligen Chefentwickler von A. Lange & Söhne, Reinhard Meis, (der Autor eines bekannten Uhrenbuchs von A. Lange & Söhne). Mit ihm schloss man einen Vertrag über die Entwicklung eines eigenen Uhrwerks ab. Für die Experten: Meis war die rechte Hand von Günter Blümlein, dem es zu verdanken ist, dass A. Lange & Söhne wieder nach Sachsen kam.
Der ehemalige Chefentwickler von A. Lange & Söhne arbeitet mit
Reinhard Meis dachte sich die technischen Besonderheiten der ZM 1 und ZM 2 aus – und wir denken, es adelt Leica, dass es so jemand Renommiertes war: Eine einzigartige, patentierte Drückerkrone zum präzisen Einstellen der Uhrzeit. Doch wer sollte das Uhrwerk herstellen? In Deutschland sind alle echten Manufakturen entweder im Besitz Schweizer Konzerngruppen wie Richemont oder der Swatch Group oder inhabergeführt wie Nomos.
Es gibt aber doch welche, die so etwas können: Im weiteren Verlauf nahm Kaufmann nicht durch Zufall Kontakt zur Firma Lehmann im Schwarzwald auf, denn deren Gründer baute nicht nur bereits Präzisionsmaschinen für die Leica Kameraproduktion, sondern hatte selbst aus großer privater Leidenschaft eine eigene Uhrenproduktion aufgezogen. Wie aufwändig diese Produktion ist, lesen Sie weiter unten.
Ein Team von Uhrenprofis entwickelt den Leica Zeitmesser 1 und 2
Doch zurück zur Entstehung der ersten Leica Zeitmesser, wie die Uhren heißen sollen und wofür auch die Abkürzung ZM steht. Auf Deutsch bedeutet „Zeitmesser” Uhr. Zusammen mit dem bekannten Schweizer Uhrenentwickler Andreas Strehler wurden die Grundlagen von Reinhard Meis weiterentwickelt. Im Management gesellte sich noch jemand von Audemars Piguet hinzu. Entscheidend ist: Das Entwicklungsteam der ersten hauseigenen Leica-Uhren war absolut hochkarätig besetzt durch Branchenkenner und Profis.
Das Entwicklerteam wächst über sich hinaus
Schnell begeisterte sich das Entwicklungsteam für weitere Innovationen: Markus Lehmann und Andreas Strehler wollten sich selbst übertreffen bei so einem großen Namen wie Leica und schieben weitere Themen an, neben der besonderen Drückerkrone, unter dem Stichwort: German Engineering. So wurden die Leica- Uhren mit einer neuartigen Datumschnellschaltung ausgestattet, da ein kompliziert zu verstellendes Datum den Initiator des Projekts, Dr. Kaufmann, an Schweizer Uhren immer gestört hatte.
German Engineering für die ersten Leica Uhren
Die Komplexität des Projekts stieg aber damit auch an. Damit schließlich Herr Kaufmann sein Go für die Produktion gab, dauerte es, bis die Uhren passen. Der Teufel steckt bei guten Uhren, wie jeder Sammler weiß, im Detail: „Wir haben anderthalb Jahre um Proportionen gekämpft, um Zehntel von Millimetern.“
Wie authentisch sind Leica Uhren?
Im Herbst 2021 war es soweit: Das ganze Projekt hatte sich schon über gut fünf Jahre hingezogen, da es sich bei der ZM 1 und ZM 2 ja um Uhren mit eigenständigen Uhrwerken handelt. Allerdings befand sich die Welt mitten in einer Pandemie. Leica wagte es dennoch, die ersten Modelle waren in der Pandemie sofort verkauft, es gab Wartezeiten. Im Frühjahr 2022 wurden die Uhren der Öffentlichkeit vorgestellt.
Betrachtet man die ersten beiden Modelle, erkennt jeder sofort, dass die ein Profi gestaltet hat. Der ist Designer, Designprofessor gar und heißt Achim Heine. Er kennt Leica-Produkte in- und auswendig und entwarf mehrere Leica-Kameras. Erstaunlich ist dennoch: Er hatte vorher noch nie eine Uhr entworfen. Das hat aber auch Vorteile. Vielleicht ist deshalb so viel von den Kameras und Objektiven in die ersten Leica Uhren mit eingeflossen: Die Aussparungen im Zifferblatt, die Gangreserveanzeige, selbst in der Seitenansicht mit den abgerundeten Bandanstößen atmen diese Uhren den Geist von Leica.
Beachtlich: Eine echte Manufaktur-Uhr als Erstlingswerk
Das Design ist die eine Sache, ein eigenes Uhrwerk eine ganz andere. Die Firma Lehmann fertigt nicht nur das Werk, sondern auch das Gehäuse und das Zifferblatt inklusive der Indexe, bis auf das Lederarmband und das Glas ist alles Made in Germany. Natürlich stellt sich bei einem Optik-Spezialisten wie Leica sofort die Frage nach dem bombierten Uhrenglas aus eigener Fertigung.
Aber wie mir der Leica-Chef-Uhrmacher glaubhaft versicherte: Eine Uhrengläser-Fertigung habe man ausgiebig getestet, aber bei Objektivglas handelt es sich grundsätzlich um Mineralglas, das sich nicht für den Alltag einer 100 Meter wasserfesten Armbanduhr eignen würden. Auch die aufwendigen Kamera-Objektiv-Beschichtungen könnten nicht in einer Armbanduhr verwendet werden, weil sie technisch grundsätzlich unterschiedlich seien.
Handaufzugsuhren mit zwei Patenten
Die ersten beiden Leica Uhren der ZM-Serie sind auf eine ganz eigene Art einzigartig, und müssen sich selbst in einem hoch entwickelten Markt nicht verstecken. Im Gegenteil: Für einen ersten Wurf ist das beachtlich. Beide Uhren verfügen über Handaufzugswerke mit 60 Stunden Gangreserve. Managing Director Ekdahl erklärt, warum man auf Handaufzug setzte: „Jeder Träger einer Handaufzugsuhr hat ein intensiveres Verhältnis zu einer solchen Uhr und ihrer Mechanik, weil die Interaktion stärker ist als bei einem Automatik-Modell.
Die patentierte Drückerkrone überzeugt
Die patentierte Drückerkrone mit markantem Roten Punkt stoppt mit einem einfachen Druck das Uhrwerk der beiden Edelstahl-Modelle, setzt deren kleinen Sekundenzeiger auf null zurück, damit die Zeit auf die Sekunde genau eingestellt werden kann. Leica feiert eine einfache und alternative Handhabung der Zeiteinstellung. Diese Drückerkrone ist patentiert. Die Leica ZM 2 verfügt zusätzliche über eine GMT-Funktion über einen äußeren, drehbaren 12-Stunden-Ring, die es dem Träger zusammen mit einer Tag/Nacht-Anzeige ermöglicht, zwei Zeitzonen mit einem einzigen Zeigersatz abzulesen.
Viele Elemente der ZM 1 und ZM 2 wurden analog zu mechanischen Leica Kameras entwickelt
Die ebenfalls patentierte Gangreserveanzeige ist ein optischer Leckerbissen und öffnet und schließt sich wie der Verschlussvorhang einer analogen Kamera von zwei Seiten. Die Seitenansicht mit dem stark bombierten Glas und den ungewöhnlich runden Bandanstößen erinnert nicht von ungefähr an die Aufsicht einer Leica, trägt aber dazu bei, dass auch Menschen mit kleinen Handgelenken wie der Autor die recht groß ausfallende 41-Millimeter Uhr tragen können. Der Gehäuseboden ist wie ein Leica-Objektiv mit Schraubgewinde vollkommen im Gehäuse versenkt.
Es handelt sich um ein beidseitig verschraubtes Gehäuse, auch die Lünette wird von oben eingeschraubt. Die gefräste Rändelung der Aufzugskrone erinnert an Bedienelemente von Leica-Kameras. Wie bei Leica-Kameras sind die verschiedenen Bedienelemente intuitiv zu ertasten und daher unterschiedlich ausgeprägt. Die Wasserdichtigkeit beträgt fünf Bar, was bei den vielen verschiedenen Drücker-Elementen nicht verwundert und im Alltag vollkommen ausreichend ist.
Von den Leica ZM 1- und ZM 2-Modellen werden bei Lehmann Uhren heute zwischen 20 und 50 Stück pro Monat hergestellt.
Der Leica-Look des Werkes überzeugt
Beim Werk hat Leica wirklich saubere Arbeit geleistet: Es war eine bewusste Entscheidung auf klassische Zierschliffe zu verzichten, sondern durch Sandstrahlen mit strich-geschliffenen Kanten und Rhodinerungen den weiß-silbrig glänzenden industriellen Look zu erzeugen, der auch Leica-Kameras zu eigen ist. Vielleicht ein kleiner Kritikpunkt: Die Indizes der Handaufzugsuhren verfügen über keine Leuchtmasse.
Der Mechanismus der Drückerkrone arbeitet übrigens über ein Sperrdifferential. Die kleine Sekunde springt nach dem Drücken anschließend auf Null: Dann taucht ein roter Markierungspunkt auf, der signalisiert, dass die Uhr still steht und man stellt in Ruhe die Zeit ein. Drückt man die Krone ein weiteres Mal, startet das Uhrwerk von neuem und man kann die Uhr nun über die Krone wie gewohnt aufziehen.
Ein speziell geformter Drücker bei 2 Uhr ist zum Schnell-Durchschalten der Datumsanzeige, bei der ZM 2 dient eine zusätzliche Krone bei 4 Uhr zum Verstellen der Zonenzeit auf einem innenliegendem Drehring. Da es sich hierbei um eine 12- Stundenanzeige handelt, dreht sich eine kleine Tag- und Nachtanzeige mit, um beurteilen zu können, ob sich die Heimatzeit bei Tag oder Nacht befindet. Die Leica ZM 1 und ZM 2 kosten ab 9.950 und 13.750 Euro.
Leica goes Black: Leica ZM Monochrom
2023 kam mit der M11 Monochrom eine besondere Digital-Kamera heraus, die ausschließlich hochwertige digitale Schwarzweißfotos produziert. Parallel dazu hat Leica seine erste schwarze Uhr vorgestellt als Monochrom Version, die es in beiden Versionen gibt und mit einem schwarz PVD-beschichtetem Gehäuse ausgeliefert wird. Wahlweise gibt es Milanaise-Bänder mit Sicherheitsfaltschließen. Selbst das Logo wurde mit einem Grauton auf schwarz gedruckt. Die Leica ZM Monochrom Edition verzichtet auf alle Farb- und Silbertöne, mit Ausnahme des roten Punktes, um die minimalistische Ästhetik zu betonen. Für mich derzeit die purste Form, eine Leica-Uhr zu tragen.
Unter dem entspiegelten und gewölbten Saphirglas befinden sich die schwarz rhodinierten, diamantgeschliffenen und sandgestrahlten Indizes und Zeiger. Diese sitzen auf dem Zifferblatt, das einschließlich der Füße aus einem massiven Block aus hochfestem Aluminium geschnitten wurde, um so die Stoßfestigkeit zu erhöhen. Darüber hinaus ist das Armband der Monochrom Edition identisch mit der Oberflächenstruktur am Griff der M11 Monochrom Kamera. Es besteht aus dickem, genarbtem, schwarzem Rindsleder, das mit einer speziellen Schnittkante versehen ist, die durch Handnähte zusammengehalten wird. Diese Uhren sind nicht limitiert und kosten 11.550 und die ZM 2 Monochrom 15.450 Euro. Diese Uhren gibt es wahlweise auch schwarzem Edelstahl-Milanaise-Armband, das 390 Euro Aufpreis kostet.
Limitierte Leica in Gold und Titan
Im gleichen Jahr im November erschien bereits die erste limitierte Leica: Die ZM 1 Gold Limited Edition. Die Uhr, die Doktor Kaufmann im Interview trägt. Wobei das Gehäuse nicht massives Gold ist, sondern aus zwei Materialien besteht: Aus 18-karätigem Gold 4N sowie einem hochfestem Titankorpus der Güteklasse 5.
Diese Uhr stellt eine Hommage an die erste Leica-Kamera aus Gold dar, die Leica I Modell A Luxus, die 1929 vorgestellt wurde. Im Wesentlichen handelt es sich um einen Titancontainer, mit Titandrückern- und Krone. Die Flanken aus Gold werden angeschraubt.
Die 50 Golduhren, die immerhin 27.500 Euro kosteten, waren schnell ausverkauft. Vertrieben werden die Uhren gegenwärtig Online und in ca. 55 Leica Stores in den Metropolen dieser Welt. Ein Vertrieb über Luxus-Juweliere befindet sich derzeit im Aufbau.
2023: die zweite Uhrenlinie, mit einem Schweizer Werke-Spezialisten zusammen
Auf die ZM 1 und ZM 2 folgen bei Leica im Jahr 2023 die ZM 11 undim Februar 2025 die ZM 12. Sie sehen nicht nur komplett anders aus, sondern verfügen als erste Leica-Uhren über Automatikwerke. Das gemeinsam mit dem Schweizer Uhrenhersteller Chronode entwickelte Leica-Boutique-Kaliber LA-3001 kommt mit einer Ganggenauigkeit von -4/+6 Sekunden pro Tag und wird in fünf Lagen überprüft.
Das aufwändig finnissierte Werk mit einem mit Ruthenium beschichteten Aufzugsrotor verfügt über 60 Stunden Gangreserve. Auch hier erinnern die abwechselnd sandgestrahlten, gebürsteten und polierten Oberflächenveredelungen an den Look der Leica Kameras. Leica bietet hier auf 100 Meter wasserfeste Titan- oder Edelstahlgehäuse.
100 Prozent Swiss Made in der zweiten Uhrenlinie
Erstaunlich hierbei: Diese Uhren werden komplett in der Schweiz gefertigt. Die Linie verfolgte von Anfang an ein ganz anderes Konzept: Sie ist nicht von den Kameras und Objektiven inspiriert, sondern vom Produkt der Kamera selbst: Den Fotografien. Es geht also mehr um das Spiel von Licht und Schatten und Spiegelungen von Oberflächen, also ums Design.
Das Highlight der Uhren ist neben den vollständig integrierten Bandanstößen ganz offensichtlich das Zifferblatt von Designer Marcus Eilinger, der schon für IWC und für Moser gearbeitet hat. Das Zifferblatt erinnert an eine Jalousie, durch die das Sonnenlicht fällt. Es ist zweilagig aufgebaut, vernietet und in einigen Ausgaben verschiedenfarbig lackiert. Es verleiht den Uhren eine enorme Tiefe, die in Fotos nur schwer darzustellen ist.
Die Basis: Ein Uhrwerk von Chronode
Als Werkebasis dient ein Chronode-Basiswerk, das exklusiv für Leica umgebaut und weiterentwickelt wurde, einschließlich des Designs der Brücken, der Zentralsekunde und der kompletten Beschichtung des Werkes. Der Aufwand ist erheblich, wenn man sich das Ausgangsprodukt von Chronode ansieht. Wichtig zu wissen: Chronode macht als Hersteller nur das Uhrwerk, nicht die Gehäuse oder die Zifferblätter wie Lehmann bei den Handaufzugswerken.
Die Werke sind wie gesagt das Ergebnis einer Kooperation mit der Chronode SA und deren Gründer Jean-François Mojon, einem absoluten Experten für hochpräzise mechanische Uhrwerke. Er ist eigentlich eher auf die Forschung und Entwicklung von Spezialuhrwerken, Modulen und Komplikationen spezialisiert. Mojon hat berühmte komplizierte Uhren für verschiedene Marken entwickelt: Für Harry Winston die Opus X, die Legacy Time Machine No.1 von MB&F oder die HYT H1.
Auch Werke von Czapek, Trilobe und Urban Jürgensen gehen auf seine Firma zurück. Wir dürfen also gespannt sein, was aus dieser Zusammenarbeit in Zukunft noch erwachsen könnte.
Swissmade, Made in Germany? Made by Leica!
Die Strategie, einerseits ein Handaufzugswerk und eine ganze Uhr in Deutschland zu fertigen und dann das Automatikwerk in der Schweiz, beleuchtet ein Dilemma, das so gut wie jeder deutsche Hersteller hat: Wenn man nicht A. Lange & Söhne heißt, wird es schwierig in der Luxusklasse ein Modell zu einem bezahlbaren Preis in Deutschland fertigen zu lassen. So seltsam es für manchen klingen mag: In der Schweiz geht das deutlich günstiger.
Ein weiterer Grund für die Lösung mit Chronode und zahlreichen Schweizer Zulieferern sind die zu erwartenden größeren Stückzahlen: Lehmann ist einfach limitiert in seiner Produktion. Uhrenchef Ekdahl will bei Leica Watch in Zukunft mehr auf Made by Leica setzen, denn auch bei Kameras bediene man sich ja der besten Bauteile im jeweiligen Segment wie Sensoren oder Computerchips.
Leica-Uhren: genau wie ein Chronometer
Apropos Qualität: Übrigens haben alle Leica-Uhrwerke Chronometer-Niveau, ohne dass die Firma das besonders betont oder zertifiziert: Minus 4 bis plus 6 Sekunden Gangabweichung pro Tag bei den Automatikmodellen ZM 11 und ZM 12, sogar 0 bis plus 6 Sekunden bei den Handaufzugsuhren.
Auch die Rückseite ein Hingucker: ZM 11 und ZM 12 mit Schnellwechsel-Bandsystem
Dreht man die für Swisswatches von der Gestaltung her deutlich gewöhnungsbedürftigen Automatikuhren um, wird das Designprinzip dieser Modelle deutlich: Hier werden die technischen Details, die an Leica Kameras erinnern, eher versteckt. Zweifellos spannend ist das selbst entwickelte Band-Schnellwechselsystem: durch zwei Release Buttons mit roten Punkten trennt man analog zum Bajonettverschluss bei Objektiven die Bänder vom Uhrengehäuse.
Neue Modelle und ein verkleinerter Durchmesser
Im Frühjahr 2025 brachte Leica nicht nur die ZM 1 und ZM 2 Urban Green heraus, mit charmanten Farbverlauf-Zifferblatt in Dunkelgrün mit Edelstahl-Milanaiseband mit Sicherheitsfachschliesse. Die ZM 1 in der Variante kostet 10.800 Euro, die ZM 2 der Serie 14.600 Euro.
Die jüngsten Leica-Uhren sind die Reihe ZM 12 mit einem von 41 Millimeter auf 39 Millimeter verkleinertem Durchmesser. Die Leica ZM 12 Steel Silver Grey, ZM 12 Steel Olive Black und ZM 12 Titanium Chocolate Black sind seit Ende Februar 2025 weltweit in ausgewählten Leica Stores, aber vor allem im Leica Online Store erhältlich (wirklich alle Leica Modelle können online bezogen werden). Die Leica ZM 12 Steel Blue Orange, die seit April 2025 erhältlich ist, hat sich sofort zum Bestseller der Marke entwickelt. Deren unverbindliche Preisempfehlung liegt bei 6.650,00 EUR.
Wie ein Produzent von Kamerabauteilen zum Uhrwerkehersteller von Leica wurde
Zu guter Letzt vielleicht noch ein kleiner Ausflug in die Fertigung der ZM 1 und ZM 2 Uhren, die diesen Exkurs verdient haben: Markus Lehmann hat es mehreren Interviews für Leica erzählt: Ihm war als Kind versagt worden, Uhrmacher zu werden, sein Traumberuf. Das hinderte ihn allerdings nicht daran, ausgerechnet in der Schweiz in der Uhrenindustrie 20 Jahre lang als Maschinenbauer für Präzisionsmaschinen Karriere zu machen.
Schließlich kehrte er in seine Heimat, den Schwarzwald, zurück und gründete sein eigenes Unternehmen. Lehmann Präzision ist heute ein Anbieter von komplexen feinmechanischen Baugruppen für verschiedene Industriezweige sowie von kompletten Werkzeugmaschinen. Seinen Kindheitstraum verwirklichte Markus Lehmann gut zehn Jahre vor der ersten Leica Uhr aus seiner Produktion: Im Herzen des Schwarzwalds baut die Uhrenmanufaktur Lehmann seit 2011 mechanische Armbanduhren. Die Kollektion umschließt acht Modellfamilien.
Mit Deutscher Gründlichkeit ging er das Thema an: Er konnte ja auf 20 Jahre Erfahrung in der Uhrenindustrie zurückgreifen. Auch bei der Konstruktion seiner Uhren hat ihn Andreas Strehler unterstützt, der als geschätzter Schweizer AHCI Uhrmacher seine langjährige Erfahrung in Zusammenarbeit mit der Konstruktionsabteilung bei Lehmann Präzision einbrachte. Bei Lehmann gibt es nur selbstentwickelte Uhren und Uhrwerke, was für Leica ideal war. Dualtime-Mechanismen, Zeigerdatum, Fensterdatum, Gangreserve-Anzeigen, alle Entwicklungen werden inhouse gemacht.
Mehr Manufaktur geht nicht: Das Stammhaus Lehmann Präzision stellt seit vielen Jahren eigens für die Uhrenindustrie konzipierte Dreh- und Fräsmaschinen her. Auf solchen Maschinen werden im Haus die Platinen, Brücken und andere kleinste Teile für die hochwertigen Uhrwerke der ersten Leica Uhren gefertigt. Aber auch Gehäuse, Zifferblätter und Schließen werden hier selbst hergestellt.
Eine Vollmanufaktur mit enormer Fertigungstiefe
Sämtliche Ebauche-Teile wie Brücken, Kloben und Platinen werden im Haus gedreht, gefräst, geschliffen und poliert. Besonders zu erwähnen sind die hochpräzisen Gravuren auf den Werkteilen oder auch auf den Zifferblättern. Die meisten der gefertigten Teile werden in der 2019 eingerichteten Galvanik aufwendig beschichtet. Markus Lehmann sagt: „Bei der Herstellung der Uhrenteile wird in der Freimaßtoleranz plus minus ein Hundertstel Millimeter gefertigt.” Auch Polissage und Finissage beherrscht Lehmann. Das floss deutlich sichtbar in die Leica-Uhren ein.
Die Krönung: Eine eigene Zifferblattmanufaktur
Das Zifferblatt macht 80 Prozent der sichtbaren Fläche einer Uhr ist. Viele Schweizer Manufakturen sind hier auf Zulieferer angewiesen. Bei Lehmann arbeitet man auch in diesem Bereich autark mit einer eigenen Zifferblattmanufaktur.
Lehmann stellt das Zifferblatt vom Rohling bis zum fertig besetzten Blatt selbst her. Die vorbereiteten Rohlinge werden auf Lehmann Maschinen gedreht und gefräst. Die Maschinen sind besonders für aufwendige Gravuren ausgelegt.
Hier werden auch in galvanischen Bädern Oberflächen von Brücken und ähnliche Kleinteile für die Uhr beschichtet. Leica-Zifferblätter der ZM 1 und ZM 2 sind aus einem massiven Aluminiumblock ausgefräst bis nur noch die Stifte übrigbleiben. Die Oberfläche vom Fräsen behält dadurch eine schöne granulare Struktur und wird anschließend lackiert. Auch die Indizes werden aus einem Block diamantgeschnitten und wirken daher so scharfkantig und präzise.
Ein komplexes Projekt, für das ein Unternehmen wie Leica den langen Atem hat
Ein Zitat des Firmenretters und Mehrheitsaktionärs spricht Bände über den Aufwand, eine eigene Uhrenlinie auf Leica-Niveau Marktreif zu bekommen. Dr. Andreas Kaufmann sagt zum Leica-Uhrenprojekt im Rückblick: „Das Gute war, dass wir damals nicht wussten, wie kompliziert es wird.“ Ja, diese Erfahrung mussten schon viele erfahrene Unternehmer auf der ganzen Welt machen, die aus Leidenschaft für ein Thema ein wirtschaftliches Uhren-Unternehmen aufbauen wollen.
Swisswatches antwortet: Umso besser, dass Sie es durchgezogen haben, Herr Kaufmann, denn von solchen Unternehmer-Geschichten werden zukünftige Sammler berichten, den Mehraufwand sieht man jeder Uhr auch Jahrzehnte später immer noch an.
Für eine abschließende Betrachtung ist es viel zu früh
Die Leica Uhren heute abschließend beurteilen zu wollen, wäre unseriös, dafür handelt es sich derzeit einfach um ein zu kleines Startup, das vor allem den Härtetest bei Juwelieren und Uhrenkennern auf der ganzen Welt erst noch durchstehen muss. Auf Chrono24 findet sich jedenfalls derzeit nur eine einzige Uhr, eine ZM 1 aus Schweizer Besitz, und zwar für 1.000 Euro mehr als dem derzeitigen Verkaufspreis. Das ist schon mal ein gutes Omen.
Die Geschichte ist authentisch, die Uhren verdienen Respekt
Dass diese Uhren für Leica-Kamera-Fans funktionieren werden, steht für Swisswatches außer Frage. Die Geschichte mit dem Firmengründer als gelerntem Uhrmacher ist authentisch, die Umsetzung mit eigenen Uhrwerken und Komplikationen in den ersten Uhren verdient enormen Respekt. Wie sagte Managing Director Henrik Ekdahl, der übrigens 17 Jahre lang bei IWC in Nord- und Osteuropa den Vertrieb leitete: „Erfolgreiche Uhrenmarken gehen evolutionär, nicht revolutionär vor.“
Recht hat er. Die Basis ist geschaffen, um aus einer Kultmarke für Fotografen auch eine kultige Marke für Uhrenfans zu entwickeln. Dafür sprechen nämlich auf der anderen Seite auch die vielen Leica-Freunde unter den Uhrensammlern wie unser Swisswatches-Freund Kristian Haagen, selbst Uhrenexperte, der jüngst für Leica in München auftrat, und den ich persönlich noch nie ohne seine Leica Kamera erlebt habe.
Trotz jahrelanger Anstrengungen ist auch Aufsichtsratsvorsitzender Dr. Andreas Kaufmann heute sichtlich stolz auf das Projekt: „Mit den neuen Uhren haben wir deutlich demonstriert, die Leica Uhren sind keine Eintagsfliege, sondern wir werden in dieser Industrie mindestens die nächsten 30 Jahre mit dabei sein.“ Endlich mal einer, der es verstanden hat.
Wir reden von Generationen, nicht nur von ein paar Jahren bis zur Gewinnzone. Aber das muss man einem Unternehmen, dass erst in den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts durch die japanische Konkurrenz, danach durch die rasante Digitalisierung des Kamera-Marktes und schließlich durch den Gamechanger Smartphone schon drei Mal hätte verschwinden können, nun wirklich niemand erklären.
vielen Dank für Ihre ausführliche und detailreiche Reportage.
Mich würden zwei Punkte besonders interessieren:
1. Wie schätzen Sie die langfristige Marktchance der Leica-Uhren-Strategie ein – insbesondere in Bezug auf Preispositionierung, Akzeptanz bei Sammlern und den Wettbewerb?
2. Glauben Sie, dass Leica-Uhren auch ohne die Kamera-Connection für klassische Uhrensammler – also ohne Fotografie-Bezug – langfristig genügend Kaufargumente bieten können?
Danke für Ihre guten Fragen, die ich gerne versuche zu beantworten.
1. Zunächst möchte ich zur Akzeptanz etwas sagen: Wenn eine Firma wie Leica derzeit 30-50 Uhren pro Monat produziert wie man mir mitteilte, – und das mitten in einer der größten Krisen in dieser Branche seit Jahren – kann ich das nur so deuten, dass die Akzeptanz beim Endkunden gut ist. Denn Leica ist nun wirklich ein Neuling, allerdings mit einem enorm bekannten Namen und einer extremen Preismacht bei Kameras. Leica ist hier eher das Patek Philippe der Fotobranche. Womit wir bei der Preispositionierung wären. Mir hat mal Georges Kern von Breitling gesagt, man kann in der Uhrenbranche viel korrigieren, aber niemals den Einstandsspreis ändern, der muss also sitzen. Keine Frage, die Leica Uhren haben ihren Preis (bei Automatikuhren zirka 6.000 Euro, bei Handaufzug geht es bei 10.000 Euro los) Ist das teuer? Ja, wie alle mechanischen Uhren dieser Preisklasse für über 90 Prozent der Bevölkerung. Für die übrigen 10 Prozent lautet die Frage: Sind die Uhren diesen Preis wert? Meiner Meinung nach schon, denn zum einen muss man bei deutlich größeren Unternehmen für Uhren mit eigenen Uhrwerke mindestens ebenso viel bezahlen. Zum anderen sind viele Elemente der Uhren innovativ und keine Standardware. Für mich ist aber für die langfristige Akzeptanz bei Sammlern vor allem eines wichtig: Hat Leica den langen Atem und damit das Geld für Innovationen? Ganz klar ja, weil man es sich gar nicht leisten könnte, Produkte, die nicht auf Augenhöhe mit den Kameras sind, zu bringen. Es würde Leica doppelt schaden. Und Abschließend zum Wettbewerb: Der Wettbewerb wird Leica so lange versuchen totzuschweigen, bis ein relevanter Player daraus geworden ist. Ich bin eher gespannt darauf, wie der Handel auf die Uhren reagiert. Wenn Uhrenhändler Leica Uhren aufnehmen (die derzeit nur über weltweit 55 Leica-Stores verkauft werden), ist das ein Ritterschlag für Leica, und damit wäre entschieden: Sie sind relevant.
2. Ja, können sie meiner Meinung nach. Da ist nicht nur der Firmengründer, der eine Uhrmacherlehre in der Schweiz machte, da ist vor allem eine globale Kultmarke, die weltweit Anhänger hat (91 Prozent der Kameras verkaufen sich außerhalb Deutschlands). Gegenfrage: Warum kaufen sich Kunden denn weltweit Hermès-Uhren oder solche von Louis Vuitton? Der Uhrenbezug dieser Marken, so toll die Produkte heute wirklich sind, ist geschichtlich gar nicht gegeben, wohingegen jede mechanische Kamera Verschlusszeiten misst und damit eine Form Zeitmesser ist. Generell ist ein großer Teil für den Erfolg als Uhrenmarke als Neu-Einsteiger einfach gutes Marketing, aber genau hier punktet Leica mit einem Ansatz, den es so bei Deutschen Uhrenmarken derzeit nicht gibt: Man gibt sich moderner im Design als Glashütte Original und A. Lange & Söhne, geht aber preislich deutlich über Nomos. Und mein Bauchgefühl sagt mir: Am Ende sind die Kamerakäufer auch nicht verkehrt als Markenbotschafter. Natürlich bleibt die große Frage, wie innovativ und marktgerecht die zukünftigen Produkte werden. Aber auch hier zahlt sich ein finanzstarker Mutterkonzern in Privatbesitz aus: Man muss nicht nächstes Jahr irgendetwas bringen, sondern kann sich lange Produktzyklen leisten. Ich würde sagen: Sprechen wir in zehn Jahren noch mal darüber. P.S.: Schauen Sie sich die Uhren gerne einmal persönlich an. Die ZM1 und ZM2 Monochrom sind meine Favoriten.
Vielleicht helfen diese Antworten? LG Joern Frederic Kengelbach
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Guten Tag Herr Kengelbach,
vielen Dank für Ihre ausführliche und detailreiche Reportage.
Mich würden zwei Punkte besonders interessieren:
1. Wie schätzen Sie die langfristige Marktchance der Leica-Uhren-Strategie ein – insbesondere in Bezug auf Preispositionierung, Akzeptanz bei Sammlern und den Wettbewerb?
2. Glauben Sie, dass Leica-Uhren auch ohne die Kamera-Connection für klassische Uhrensammler – also ohne Fotografie-Bezug – langfristig genügend Kaufargumente bieten können?
MFG
Danke für Ihre guten Fragen, die ich gerne versuche zu beantworten.
1. Zunächst möchte ich zur Akzeptanz etwas sagen: Wenn eine Firma wie Leica derzeit 30-50 Uhren pro Monat produziert wie man mir mitteilte, – und das mitten in einer der größten Krisen in dieser Branche seit Jahren – kann ich das nur so deuten, dass die Akzeptanz beim Endkunden gut ist. Denn Leica ist nun wirklich ein Neuling, allerdings mit einem enorm bekannten Namen und einer extremen Preismacht bei Kameras. Leica ist hier eher das Patek Philippe der Fotobranche. Womit wir bei der Preispositionierung wären. Mir hat mal Georges Kern von Breitling gesagt, man kann in der Uhrenbranche viel korrigieren, aber niemals den Einstandsspreis ändern, der muss also sitzen. Keine Frage, die Leica Uhren haben ihren Preis (bei Automatikuhren zirka 6.000 Euro, bei Handaufzug geht es bei 10.000 Euro los) Ist das teuer? Ja, wie alle mechanischen Uhren dieser Preisklasse für über 90 Prozent der Bevölkerung. Für die übrigen 10 Prozent lautet die Frage: Sind die Uhren diesen Preis wert? Meiner Meinung nach schon, denn zum einen muss man bei deutlich größeren Unternehmen für Uhren mit eigenen Uhrwerke mindestens ebenso viel bezahlen. Zum anderen sind viele Elemente der Uhren innovativ und keine Standardware. Für mich ist aber für die langfristige Akzeptanz bei Sammlern vor allem eines wichtig: Hat Leica den langen Atem und damit das Geld für Innovationen? Ganz klar ja, weil man es sich gar nicht leisten könnte, Produkte, die nicht auf Augenhöhe mit den Kameras sind, zu bringen. Es würde Leica doppelt schaden. Und Abschließend zum Wettbewerb: Der Wettbewerb wird Leica so lange versuchen totzuschweigen, bis ein relevanter Player daraus geworden ist. Ich bin eher gespannt darauf, wie der Handel auf die Uhren reagiert. Wenn Uhrenhändler Leica Uhren aufnehmen (die derzeit nur über weltweit 55 Leica-Stores verkauft werden), ist das ein Ritterschlag für Leica, und damit wäre entschieden: Sie sind relevant.
2. Ja, können sie meiner Meinung nach. Da ist nicht nur der Firmengründer, der eine Uhrmacherlehre in der Schweiz machte, da ist vor allem eine globale Kultmarke, die weltweit Anhänger hat (91 Prozent der Kameras verkaufen sich außerhalb Deutschlands). Gegenfrage: Warum kaufen sich Kunden denn weltweit Hermès-Uhren oder solche von Louis Vuitton? Der Uhrenbezug dieser Marken, so toll die Produkte heute wirklich sind, ist geschichtlich gar nicht gegeben, wohingegen jede mechanische Kamera Verschlusszeiten misst und damit eine Form Zeitmesser ist. Generell ist ein großer Teil für den Erfolg als Uhrenmarke als Neu-Einsteiger einfach gutes Marketing, aber genau hier punktet Leica mit einem Ansatz, den es so bei Deutschen Uhrenmarken derzeit nicht gibt: Man gibt sich moderner im Design als Glashütte Original und A. Lange & Söhne, geht aber preislich deutlich über Nomos. Und mein Bauchgefühl sagt mir: Am Ende sind die Kamerakäufer auch nicht verkehrt als Markenbotschafter. Natürlich bleibt die große Frage, wie innovativ und marktgerecht die zukünftigen Produkte werden. Aber auch hier zahlt sich ein finanzstarker Mutterkonzern in Privatbesitz aus: Man muss nicht nächstes Jahr irgendetwas bringen, sondern kann sich lange Produktzyklen leisten. Ich würde sagen: Sprechen wir in zehn Jahren noch mal darüber. P.S.: Schauen Sie sich die Uhren gerne einmal persönlich an. Die ZM1 und ZM2 Monochrom sind meine Favoriten.
Vielleicht helfen diese Antworten? LG Joern Frederic Kengelbach