Preisdiskussionen mögen in der Haute Horlogerie verpönt sein, doch ein Blick auf derlei Zahlen hilft um sich zu verdeutlichen wie groß die Spannbreite im Sortiment von Patek Philippe ist, und wie vielfältig die Erwartungen der Kundschaft an die jährlichen Neuheiten sind. 2023 geht es bei 37.219 los und hört bei 4.264.995 Schweizer Franken inklusive Mehrwertsteuer auf, und zwischen diesen Zahlen liegt die weite, wunderschöne Welt der Feinst-Uhrmacherei, und es zeigt sich eine Manufaktur, die ihre Sensationen auch im Kleinen feiert. Von einer schlichten Calatrava bis zur Grandmaster Chime mit ihren insgesamt zwanzig Komplikationen plus Smaragd- und Diamantbesatz. Was in diesem Jahr am aufregendsten erscheint liegt dabei im Auge des jeweiligen Betrachters, hier darum eine persönliche Auswahl und Betrachtung rund um die insgesamt 17 Neulancierungen von der Watches & Wonders.
24-Stunden-Anzeige plus Travel Time: Die Referenz 5224R-001
Anders als die allermeisten anderen Armbanduhren macht der Stundenzeiger bei diesem Modell nicht zwei Runden pro Tag, stattdessen sind alle 24 Stunden einzeln auf dem Zifferblatt dargestellt. Durch diese Darstellung erfordert das Ablesen der Zeit eine gewisse Umgewöhnung, doch gerade darin liegt der große Charme dieses rotgoldenen Zeitmessers mit einem für Calatrava-Verhältnisse recht üppigen 42-Millimeter-Gehäuse, das sich dabei aber sehr flach und tragbar am Handgelenk macht.
Anders als bei anderen Modellen dieser Machart findet sich bei der neuen Referenz 5224 die 12-Uhr-Position ganz klassisch auf 12 Uhr – und nicht wie sonst üblich auf 6 Uhr. Und die kleine Sekunde findet sich in diesem speziellen Fall dann eben auf 24 Uhr. Dies ist dem Gedanken geschuldet, dass die meisten Besitzer eher tagaktiv sein dürften, und die Darstellung der Tagesstunden für Patek Philippe dementsprechend Priorität hatte.
Insgesamt hat die ganz in blau und Roségold gehaltene Referenz eine äußerst ansprechende Anmutung. In ihr arbeitet das Kaliber 31-260 PS FUS 24 H, das in ähnlicher Form auch in der im vergangenen Jahr vorgestellten Travel Time Referenz 5326G aktiv ist, und dessen zweite Zeitzone sich über die Krone einstellen lässt. Kostenpunkt: 56.410 Schweizer Franken.
Wie bunt darf es sein? Calatravas mit zartblauen, gelben und roten Akzenten
So ziemlich alles über die drei Varianten der Referenz 6007G lesen Sie hier. Was dort allerdings nicht steht: Die Calatravas mit ihrer Karbon-Optik gehören zu jenen Modellen, die seit ihrer Präsentation in Genf für Gesprächsstoff gelten. Die einen fragen: „Ist das noch Patek Philippe, ist das eine Referenz die ihr Besitzer bedenkenlos an die nächste weitergeben kann, weil sie zeitlos gestaltet ist?“ Und die anderen antworten: „Aber selbstverständlich – es ist eben nur die wohl modernste und bunteste Form Calatrava zu interpretieren.“ Am Handgelenk präsentieren sich die Uhren mit blauen, roten oder auch gelben Akzenten deutlich filigraner als es die Aufnahmen auf der Manufaktur-Homepage ahnen lassen. Mit einem Preis von 37.219 Franken stellen die Zeitmesser dabei den Einstieg in die Neuheiten-Welt dar.
Eine neue Aquanaut! Die Referenz 5968R-001
Seit Monaten spekuliert die Patek-Philippe-Sammlerschaft über eine neue Aquanaut. Warum? Weil das 25-jährige Jubiläum der Modellreihe ansteht. Und: Weil Referenzen wie die 5164 mit Traveltime-Funktion doch schon so lange im Programm sind. Oder auch einfach: Warum denn nicht? Aber: Thierry Stern macht es weiter spannend. Sei es, weil ein ausgeprägter Hang zur Unberechenbarkeit zum Selbstverständnis des Hauses gehört. Sei es, weil das Jahr noch lang ist, und sich Neuheiten aus den Familien Nautilus und Aquanaut auch gut jenseits einer Messe wie der Watches & Wonders präsentieren lassen.
Ende März 2023 zeigt Patek Philippe darum „nur“ ein altbekanntes Modell, das nun erstmals in Roségold erhältlich ist – den Aquanaut Chronograph mit 42,2 Millimeter Durchmesser und braunem Zifferblatt. Mit seiner Größe ist steht das Modell gern im Mittelpunkt von Diskussionen: Ist es nun für eine Patek Philippe zu groß? Aus klassischer Sicht sicherlich. Ist es aber für ein sportives Modell im Jahr 2023 eine Größe auch unter der Stammkundschaft populär ist? Aus zeitgenössischer Sicht auch das. Bei der Anprobe in Genf ließ sich die Neuheit allemal auch mit zierlichem Handgelenk gut tragen. Kostenpunkt: 74.437 Schweizer Franken.
Die Aquanaut Luce mit Jahreskalender: Die Referenz 5261R-001 ist die Damenuhr für den Mann. Oder einfach nur der Sweet-Spot für alle?
Beim morgendlichen Swisswatches-Magazine-Fototermin auf der Watches & Wonders standen grundsätzlich die Herrenmodelle im Zentrum des Interesses. Bis der Blick auf diese Aquanaut Luce mit ihrem blaugrauen Blatt und Band fiel. Der Zusatz „Luce“ macht klar, dass es sich hier um ein Damenmodell handelt. Eigentlich. Denn wie es schon häufiger in der Vergangenheit der Fall war – beispielsweise zuletzt bei der Referenz 7968 mit „Rainbow“-Besatz – darf man bei diesem Modell durchaus von einer Unisex-Aquanaut sprechen.
Mit einem Durchmesser von 39,9 Millimeter ist sie zumindest vielfältig tragbar, eine Uhr also, die sich die Besitzerin mit ihrem Mann teilen kann. Oder umgekehrt. Eine Uhr für (mindestens) zwei also. So gesehen darf man sich zumindest in Gedanken also auch den Preis von 60.480 Franken aufteilen.
Stattlich-schön: Die Pilot Travel Time nun auch als Chronograph
Sie stehen in einer Reihe mit den größer werdenden Aquanaut-Modellen der jüngeren Manufaktur-Geschichte: Die Referenz 5924G, wahlweise mit blauem oder grünem Blatt, ist eine Uhr die sich nicht versteckt. Als Pilotenuhr ist Ablesbarkeit – zumindest in der Theorie – schließlich von größter Bedeutung, und in Kombination mit dem Chronographenmodul ergibt sich für das Kaliber CH 28-520 C FUS eine Bauhöhe von 6,95 Millimetern, das in dem 13,05 Millimeter hohen Weißgold-Gehäuse seinen Platz findet.
Das Ergebnis ist eine Fliegeruhr, die zu den klassischsten, schönsten und sicherlich auch wertigsten gehört die sich heute erwerben lassen. Gerade die in tiefem olivgrün gehaltene Variante hat einen besonderen Charme. Bei einer Patek Philippe von „Army-Look“ zu sprechen verbietet sich zwar selbst bei den Pilotenuhren, doch selten hatte eine Uhr des Hauses eine Optik die bei Gentlemen im Nadelstreifen-Anzug ebenso funktionieren dürfte wie zu Jeans und Bomberjacke.
Zugunsten der Optik hat man allerdings darauf verzichtet auch die zweite Zeitzone per Drücker direkt einstellen zu können. Dies ist bei diesem Modell nur mit Hilfe des mitgelieferten Korrekturdrückers oder eines Zahnstochers an der linken Gehäuseflanke möglich. Das obere ins Gehäuse integrierte Druckknöpfchen stellt die Ortszeit eine Stunde vor, der untere eine Stunde zurück. Das ist zwar kinderleicht, kann im Alltag dennoch hinderlich werden, beispielsweise wenn in der First- oder Businessclass die Zahnstocher ausgegangen sind. Der Preis dieses Traums von einer Fliegeruhr: 74.437 Schweizer Franken.
Und dann: Der Jahreskalender-Chronograph, Referenz 5905R-010
Klare Sache: Bei den Jahreskalendern müsste dieses Jahr etwas passieren, da war man sich unter den Fans des Hauses ziemlich einig. Schließlich waren da in der jüngeren Vergangenheit einige aus dem Sortiment verschwunden. Und tatsächlich: Neben der zuvor schon erwähnten Damen-aber-eigentlich-doch-eher-Unisex-Aquanaut-Luce gibt es mit der neuen Variante der Referenz 5905, nunmehr mit blauem Blatt und roségoldenem Gehäuse, einen weiteren Jahreskalender mit Chronograph-Funktion im Sortiment.
Dieser steht nun Seite an Seite mit der Variante in Stahl mit stählernem Armband und grünem Blatt. Krasser könnte der Kontrast wohl kaum sein, denn wo der Stahl-Chrono sportlich ist, da ist diese Interpretation elegant. Und wo die Neuheit um Aufmerksamkeit funkelt ist die Schwester-Referenz Understatement pur.
Es ist eine Uhr, die den großen Auftritt sucht. Eine für die Sonnentage des Lebens. Ihr Preis: 73.856 Schweizer Franken. Was nur eine Nuance weniger ist als der Preis für den weißgoldenen Calatrava Pilot Chronograph mitsamt seiner Travel Time Funktion.
Das Beste zum Schluss: Die Grandes Complications
An der Patek-Philippe-Spitze wird es extra-rar. Wir reden von Uhren die in so geringen Stückzahlen produziert werden, und die so hochwertig sind, dass sie nicht einmal auf der Präsentation für Swisswatches Magazine allein zu fotografieren waren, sondern lediglich in Vitrinen bewundert werden konnten. Die Grandmaster Chime in Bi-Color, also im Mix von Rosé- und Weißgold. Und die Grandmaster Chime Haute Joaillerie, mit 118 Baguett-Smaragden und 291 Baguette-Diamanten.
Oder der Referenz 5531, nunmehr in Weißgold, eine Weltzeituhr mit Minutenrepetition und Cloisonné-Email aus der Rare Handcraft Kollektion. Auch die Minutenrepetition Referenz 5178G-012 mit zwei Kathedralen-Tonfedern mit ihrem handguillochierten Zifferblatt unter blauem Email – ein Traum mit 40 Millimeter Durchmesser.
Die Uhr mit den größten Showstopper-Qualitäten aber ist die Referenz 5316, die in einer Variante mit einem Zifferblatt aus Saphirglas mit blauer Metallisierung und Schwarz-Verlauf vorgestellt wurde. Natürlich gab es diese Referenz auch schon in einer Version mit schwarzem Blatt. Und das war eine extrem schöne Uhr, keine Frage, mit Minutenrepetition, retrogradem Datum und Tourbillon obendrein. Durch das neue Blatt aber bekommt die aktuelle Referenz 5316 eine Präsenz wie man sie sonst nur von den größten Hollywood-Stars kennt.
Sie vereint Schönheit und Style, Klasse und Wagemut. Und wer an dieser Stelle nun hüstelt, auf den Marktbegleiter aus Glashütte verweist, und dabei leise „Lumen“ flüstert, der mag eine verwandte Optik beschreiben. Und doch hat diese eine Referenz eine ganz eigene Klasse. Zumal der Ausflug in diese Neuheiten-Welt vor allem eines beweist: Es ist so müßig den Ab- und Vergleich nach Links oder Rechts, oben oder unten zu machen. Was das Sammlerherz berührt ist vielmehr eine höchstpersönliche Sache, und wohl kaum eine Manufaktur bedient die unterschiedlichen Bedürfnisse ihrer Kundschaft so vielfältig und auf so hohem Niveau wie Patek Philippe.