Wenn man sich einmal näher mit dem beachtlichen Innovationsgeist von Patek Philippe auseinandersetzt, so müsste der Slogan der Genfer Manufaktur „Vorsprung durch Technik“ heißen, dem einprägsamen Audi Claim. Doch der Slogan des Uhrenhauses lautet stattdessen: „Eine Patek Philippe gehört einem nie ganz allein. Man erfreut sich ein Leben lang an ihr, aber eigentlich bewahrt man sie schon für die nächste Generation auf.“ Das hat auf den ersten Blick etwas zeitloses, entschleunigendes und irgendwie auch traditions-behaftetes. Innovation hingegen ist schnelllebig, überholt sich ständig selber und ist für die nächste Generation meistens schon wieder Schnee von gestern.
Patek Philippe Manufakture in Genf
Doch dass Tradition und Innovation kein Widerspruch sind, macht Patek Philippe mit einem Projekt besonders deutlich, das sich Advanced Research nennt. Hier schafft man Synergien zwischen traditioneller Uhrmacherei und der Forschung neuer Materialien, neuer Fertigungstechnologien und neuer konzeptioneller Grundlagen. Die daraus entspringenden Kreationen sind meistens nur einem kleinen Kreis von Uhrenliebhabern vorbehalten. Doch ihre Technologien und Patente haben die Uhrmacherei grundlegend verändert.
Vorsprung durch Technik
Für den Kauf einer Patek Philippe gibt es viele gute Beweggründe. Alte Handwerkskünste wie Handguillochieren oder Genfer Miniaturmalerei werden hier nach wie vor in einer Perfektion ausgeführt, dass es kaum Spielraum für Verbesserung gibt. Die Werke sind nicht nur bis ins Detail finissiert, sondern laufen auch in Punkto Präzision weit über dem Durchschnitt Schweizer Chronometer. Seit der Gründung 1839 hat der Uhrmacher über 70 Patente angemeldet. Mindestens 20 davon gelten in der Uhrmacherei als bahnbrechend. Bereits 1845 entwickelt Patek als erster überhaupt Uhren mit eingebautem Aufzugsmechanismus. 1860 erscheint dann die erste Uhr mit Aufzugs- und Zeigerstellvorrichtung ohne separaten Schlüssel. Im Jahr 1949 entwickelt Patek die Gyromax-Unruh (1951 dann patentiert), die eine Feinregulierung ohne den herkömmlichen anfälligen Rückermechanismus ermöglicht. 1962 stellt Patek Philippe die weltweit erste Armbanduhr mit ewigem Kalender und automatischem Aufzug vor.
Silizium Silinvar Ankerrad, Anker und Unruhspirale (links), Spiromax Unruh aus Silinvar (rechts)
Fotocredit © Patrick Möckesch
Auf dem Gebiet Weltzeitkomplikationen und Repetitionen ist die Genfer Manufaktur besonders engagiert. Bereits 1937 fertigte Patek gemeinsam mit Louis Cottier die erste Weltzeit-Armbanduhr Ref. 515 HU. Im Jahr 2000 entwickelte Patek einen Mechanismus, der mit Hilfe eines einzigen Drückers die Einstellung von 24 Städten und Zeitzonen und der Weltzeit ermöglicht. Und wer schon mal dem Klang einer Repetitionsuhr von Patek Philippe lauschen konnte, dem wird er wie Musik in Erinnerung geblieben sein. Damit das auch ausnahmslos bei jeder Schlagwerksuhr so bleibt, prüft Patek-Chef Thierry Stern höchstpersönlich jede Repetition, bevor sie das Haus verlässt.
Sichtlich zufrieden mit dem Klang seiner Grandes Complication Ref. 5208 – Patek Philippe CEO Thierry Stern
Fotocredit © Studio Schöttger
Advanced Research
Im Jahr 2005 startete Patek Philippe dann das ehrgeizige Projekt „Advanced Research“. Eine neu geschaffene Forschungs- und Entwicklungs-Abteilung, die sich ausschließlich mit neuen Technologien und Materialien beschäftigt. Und dabei hat man den Bereich der gängigen Uhrmacherei verlassen und sich Verstärkung von außen geholt: von Physikern, Ingenieuren, Mikrotechnikern und sogar Akustikern, um den Klang der Repetitionsuhren weiter zu verbessern und gängige Mechanismen der traditionellen Uhrmacherei zu hinterfragen und innovative Lösungsansätze zur Verbesserung zu finden. Schließlich geht es in der mechanischen Uhrmacherei immer darum, die Genauigkeit und Effizienz des Werks weiter zu optimieren.
Die rund 160 Mitarbeiter der eigenen Advanced Research Abteilung arbeiten somit eng mit Experten von externen Forschungsinstituten zusammen, wie zum Beispiel der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne, dem Institut für Mikrotechnik der Universität Neuenburg IMT, dem Schweizer Zentrum für Elektronik und Mikrotechnik CSEM sowie dem COMLAB (Gemeinschaftslabor von ITM und CSEM). Darüber hinaus pflegt Patek auch Partnerschaften mit Ausbildungs- und Forschungsstätten wie der Ingenieurschule für den Jurabogen (Ecole Ingénieurs de l’Arc Jurassien), der Genfer Ingenieurschule (Ecole Ingenieurs à Genève) und hier insbesondere mit der Abteilung für Akustik.
Das Schweizer Zentrum für Elektronik und Mikrotechnik CSEM
Fotocredit © Patrick Möckesch
Was hier über Jahre hinweg geforscht, getüftelt und schließlich patentiert wird, erscheint zunächst in streng limitierten Sondereditionen. Nur vertraute, loyale und langjährige Patek Sammler können diese Stücke erwerben – manche Technologien finden dann später ihren Weg in die Basiskollektion. So zum Beispiel aktuell in Modellen aus der neuen Calatrava Linie, die mit Spiralen und Unruhen der nächsten Generation ausgestattet sind.
Die Patek Philippe Advanced Research Projekte und Innovationen – eine Übersicht
2005
Patek Philippe Advanced Research Jahreskalender Ref. 5250
(Limitiert auf 100 Exemplare)
Nach einigen Jahren Forschungs- und Entwicklungsarbeit stellte Patek Philippe schließlich 2005 das erste Ergebnis ihres Advanced Research Programms vor. Der auf nur 100 Exemplare limitierte Jahreskalender Referenz 5250 Patek Philippe Advanced Research besaß zum ersten Mal ein Ankerrad aus Silizium, das Patek aufgrund der Eigenschaft des Materials Silinvar nannte. Denn das reine Silizium war zu fragil, um sich für den Einsatz im Uhrenbau zu eignen. Silinvar (Silizium und Invariabel) wird in einem Vakuum-Oxidationsprozess hergestellt und ist deutlich robuster als das reine Silizium. Dazu gleich etwas ausführlicher.
Advanced Research Jahreskalender Ref. 5250
Aber warum lohnt es sich überhaupt, das Ankerrad einer mechanischen Uhr zu optimieren? Bei einer gängigen Unruhfrequenz von 4 Hertz (28.800 Halbschwingungen pro Stunde) wird das Ankerrad pro Sekunde sechs bis acht Mal gestoppt und wieder beschleunigt. Also rund 691.200 mal pro Tag, macht 252 Millionen mal pro Jahr. Das bedeutet auch eine Menge Verschleiß und permanente Anfälligkeit auf äußere Einwirkungen wie Temperaturschwankungen, Magnetfelder oder Feuchtigkeit. Bei der Herstellung eines Stahl-Ankerrads nach strengen Genfer Siegel Kriterien sind 30 verschiedene Arbeitsschritte notwendig. Beim Hemmungsmechanismus einer klassischen Schweizer Armbanduhr gehen nur für die Beschleunigung rund 65% der Energie verloren. Je geringer die Masse des Ankerrads, desto mehr Energie kann auf die Unruh übertragen werden.
Von links nach rechts:
Ein klassisches Stahlankerrad, Stahlanker mit Paletten und Unruhreif mit Breguet-Spirale.
Credit © 2007 Sandro Campardo Photographe RP CH-2002 Neuchatel
Pateks Ankerrad aus Silizium Silinvar hingegen ist leicht (Dichte von Silizium: 2,33 g/cm3 zu 8 g/cm3 von Stahl), hart (1100 Vickers zu 700 Vickers von Stahl), antimagnetisch und korrosionsfest. Die Fertigung im hochpräzisen DRIE-Verfahren benötigt nur einen einzigen Arbeitsprozess. Das macht sie formgenauer als jedes Stahlrad. Das Silinvar Ankerrad hat eine absolut glatte Oberfläche die nicht geschmiert werden muss und somit nicht mit Verschleiß zu kämpfen hat.
Ankerrad aus Silizium Silinvar von Patek Philippe
Aber was sind die Vorteile des DRIE-Fertigungsverfahren? Mit dieser Tiefätztechnik (Deep Reactive Ion Etching) konnten zum ersten Mal Uhrwerkskomponenten aus monokristallinem Silizium (Silinvar) hergestellt werden. Das Verfahren stammt aus der Mikrochip-Industrie. Hierbei werden die Siliziumzylinder in dünne Scheiben (sog. Wafer) geschnitten, in die dann mittels des gängigen RIE-Verfahrens (Reactive Ion Etching) die feinen Leiterstrukturen geätzt werden. Beim RIE-Verfahren war es möglich, bis wenige Mikrometer Tiefe zu arbeiten. Jedoch ließen sich bei der neuen DRIE-Technik nun Komponenten bis mehrere hundert Mikrometer Dicke produzieren, was für die Fertigung von Uhrwerkskomponenten notwendig war. Aus der Fläche eines 100 mm Wafers lassen sich zirka 250 Ankerräder gewinnen, die bis auf eine letzte Oberflächenreinigung gebrauchsfertig sind. Sprich, sie benötigen keine aufwändige Nachbearbeitung wie Auswuchten, Zentrieren, Anglieren oder Polieren.
Silizium Silinvar Wafer
Das Silizium Silinvar Ankerrad von Patek Philippe wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut für Mikrotechnik der Universität Neuenburg hergestellt. Allerdings ist Patek nicht der einzige Uhrenhersteller, der sich an Silizium Silinvar bedient. Denn Silinvar wurde ursprünglich in enger Zusammenarbeit mit Rolex und der Swatch Group und dem CSEM entwickelt. Entsprechend finden sich Silizium Silinvar Komponente auch in ihren Uhren wieder.
Der Jahreskalender Ref. 5250 Patek Philippe Advanced Research erschien in einem 18 Karat Weißgoldgehäuse mit einem versilberten Zifferblatt mit Sonnenschliff und Indexe und Zeiger in Schwarz-Blau. Die Räderwerkbrücke ist extra ausgefräst und der Saphirglasboden mit einer Lupe versehen worden, damit ihr Träger einen uneingeschränkten Blick auf das neuartige, bläulich-schimmernde Ankerrad bekommt.
2006
Patek Philippe Advanced Research Jahreskalender Ref. 5350
(Limitiert auf 300 Exemplare)
Die Unruhspirale ist eine weitere hochsensible Komponente des Uhrwerks, die darüber entscheidet, wie präzise eine Uhr tickt. Schwingt das Regelorgan (Pendel bei Standuhren, Unruh bei Taschen-/Armbanduhren) gleichmäßig, nennt man es im Fachjargon „isochron“, aus dem griechischen „gleich in der Zeit“.
Advanced Research Jahreskalender Ref. 5350
Eine kurze historische Exkursion
Der Uhrmacher Christian Huygens erfand bereits 1675 die Unruhspirale – A.-L. Breguet schließlich 1795 die Breguet Spirale mit Phillips Endkurve. Breguet hatte herausgefunden, dass der Isochronismusfehler einer Hemmung, der durch Abweichung in der Schwingungsamplitude der Unruh entsteht, reduziert werden kann, indem er das äußere Ende der Spirale zum Zentrum hin bog, daher der Name Endkurve. Der Mathematiker Eduard Phillips versuchte ein paar Jahrzehnte später den Vorteil der Breguet Spirale mit Endkurve wissenschaftlich zu belegen. Daher der Name. Kurz gesagt war man der Meinung, dass die optimale Länge der Spiralfeder einen bedeutenden Einfluss auf die Regulierbarkeit der Uhr hat. Und wenn diese Länge einmal gefunden wurde, darf sie nicht mehr verändert werden und soll möglichst konzentrisch (symmetrisch) schwingen.
Parachrom-Breguetspirale mit Endkurve von Rolex
Fotocredit © Rolex
Gängige Unruhspiralen aus Metall sind jedoch ziemlich anfällig auf Temperaturschwankungen, magnetische Felder und den Einfluss durch die Schwerkraft. Alle diese Störfaktoren verändern die Beschaffenheit und Elastizität der Spirale und somit die Ganggenauigkeit. 1897 erfand der Schweizer Physiker Charles Edouard Guillaume immerhin eine spezielle Eisen-Nickel-Legierung, die aufgrund des Materials Temperaturschwankungen trotzte. Er nannte sie INVAR (invariable = unveränderlich).
Der Schweizer Physiker Charles Edouard Guillaume erfand eine spezielle Eisen-Nickel-Legierung: INVAR
Die Spiromax-Unruhspirale von Patek Philippe
2006 stellt Patek Philippe die Spiromax Unruhspirale vor, die ebenfalls aus Silizium Silinvar besteht. Durch das Material auf Siliziumbasis ist die Spirale – wie bei der INVAR Spirale von Guillaume – nicht mehr anfällig auf Temperaturschwankungen. Der große Vorteil ist allerdings, dass Verschleiß so gut wie ausgeschlossen werden kann, da Silizium Silinvar ihre Form nicht mehr verändert. Insofern kann sie im Vorfeld optimal justiert werden und muss nach der Fertigstellung im Laufe der Zeit nicht mehr reguliert werden. Bei gängigen Spiralen läuft es genau andersherum. Sie werden erst ins Werk verbaut, dann feinjustiert. Doch nicht nur das Material trägt entscheidend zur Verbesserung bei, sondern auch die neue Geometrie der Endkurve. Die neue Patek Philippe Endkurve besitzt eine Verdickung am äußeren Ende. Sie hilft dabei, dass das Aus- und Einschwingen der Spiromax-Spirale auf allen Seiten der Schwingebene symmetrisch zum Zentrum erfolgt.
Spiromax Unruhspirale mit Patek Philippe Endkurve
Fotocredit © Patrick Möckesch
Da die neue Patek Endkurve innerhalb der Schwingebene der Spiromax Spirale liegt, ist sie dreimal flacher als eine Spirale mit aufgebogener Endkurve. Zum Vergleich: eine herkömmliche INVAR-Spirale mit Phillips Endkurve ist zirka 0,40 mm hoch. Eine herkömmliche Flachspirale aus INVAR zirka 0,30 mm und die Spiromax Spirale lediglich 0,12 mm.
2008
Patek Philippe Advanced Research Jahreskalender Ref. 5450 in Platin
(Limitiert auf 300 Exemplare)
Die Eigenschaften von Silizium Silinvar besaßen derartige Vorteile, dass Patek immer weitere Komponenten des Schwing- und Hemmungssystems mit dem Material ausstattete. 2008 präsentierte Patek ihre erste komplett in-house entwickelte Hemmung, Pulsomax genannt. Neben dem 2005 vorgestellten Ankerrad besteht nun auch der Anker aus Silinvar und beide Komponenten (Pulsomax) wurden nun mit der 2006 vorgestellten Spiromax Spirale kombiniert.
Advanced Research Jahreskalender Ref. 5450 in Platin
Der neue Anker
In der Uhrmacherei geht es auch immer darum, so viele Komponente wie möglich einzusparen. Je weniger Teile, desto weniger Quellen, die gewartet werden müssen oder verschleißen können und somit die Ganggenauigkeit beeinflussen. Durch das hoch präzise DRIE-Fertigungsverfahren werden Anker und Ankerrad aus einem Stück geätzt. Der neue Silinvar-Anker benötigt keine Rubin-Palette mehr, die in das Ankerrad eingreift. Abgesehen davon, dass die Herstellung von Rubin Paletten wegfällt, ist auch kein Schliff, kein Einlacken (Kleben) und keine aufwendige Justage der Rubin Paletten mehr notwendig.
Patek Philippe Silizium Silinvar Anker (links), klassischer Stahlanker mit Rubin Palette (rechts)
Auch das Sicherheitsmesser, das bei gewöhnlichen Schweizer Ankerhemmungen das ungewollte Verschieben der Ankergabel verhindern soll, das zum Beispiel bei Erschütterungen verursacht werden kann, ist beim neuen Silinvar-Anker überflüssig. Eine aus dem Material herausgeätzte Brücke auf einer zweiten Horizontalebene am Ankerende übernimmt die Aufgabe (ebenfalls auf dem Bild oben zu erkennen).
Das neue Ankerrad
Dadurch, dass die beiden (integrierten) Paletten des Ankers deutlich vergrößert wurden, konnte die Anzahl der Zähne des Ankerrads von 20 auf 16 reduziert werden. Dadurch wird die Kontaktzeit der Paletten am Ankerrad verkürzt, was wiederum Energie spart. Mit der neuen Pulsomax Hemmung kann Patek Philippe nicht nur eine Verbesserung des Gangs erreichen, sondern auch die Gangautonomie um 30% von 48 Stunden auf 62 Stunden erhöhen.
Patek Philippe Ankerrad aus Silizium Silinvar (16 statt gewöhnlich 20 Zähne)
Kaliber 324 S QA LU der Referenz 5450
Übrigens: Mit der Einführung der Referenz 5208P (Kaliber R CH 27 PS QI) fand die Pulsomax Hemmung im Jahr 2011 dann ihren Weg auch in die Serienfertigung. Und seit 2010 werden alle Modelle mit Kaliber 324 und Chronographenkaliber CH 28-520 PS mit Spiromax Spirale ausgestattet.
Kaliber R CH 27 PS QI der Referenz 5208
2011
Patek Philippe Advanced Research Ewiger Kalender Ref. 5550P
(Limitiert auf 300 Exemplare)
Bislang wurde die Unruh von den Technikern der Abteilung Advanced Research verschont. Damit war 2011 Schluss. Patek Philippe präsentierte in diesem Jahr die neue GyromaxSi-Unruh, bzw. den Oscillomax, wie die gesamte Baugruppe aus Spiromax-Spirale, Pulsomax-Hemmung und neuer GyromaxSi-Unruh genannt wird.
Advanced Research Ewiger Kalender Ref. 5550P
Zum ersten Mal verbaute Patek eine Advanced Research Technologie in einen Ewigen Kalender. Bislang waren es ausschließlich Jahreskalender. Aus dem Kaliber 324 S IRM QA LU wurde das modifizierte Kaliber 240 Q Si mit Oscillomax Baugruppe, für die Patek alleine 17 Patente anmeldete.
GyromaxSi-Unruh
Schaut man in die Firmengeschichtsbücher, so wird einigen der Begriff Gyromax geläufig sein. Die neue GyromaxSi Unruh basiert nämlich auf einer Patek Innovation von 1951. Damals stellte die Manufaktur erstmals die Gyromax-Unruh vor, die gängige Methoden der Feinregulierung eines Schwingorgans grundlegend veränderte. Die Feinregulierung einer mechanischen Uhr ist essentiell, da das empfindliche Schwingorgan durch verschiedene Faktoren stark beeinflusst werden kann. Zu den Hauptfaktoren gehören Gleichgewichtsfehler der Unruh und Spiralfeder, Ungleichmäßigkeiten beim Befestigungspunkt der Spiralfeder, Spiel der Spiralfeder zwischen den Rückerstiften, Zentrifugalkräfte oder Magnetfelder, um nur einige Störfaktoren zu nennen.
Patek Philippe Gyromax-Unruh von 1951
In der Regel werden Gangkorrekturen mittels eines Rückersystems vorgenommen, das vom Uhrmacher mit einem Rückerschlüssel justiert werden kann. Vereinfacht gesagt: geht ein Uhrwerk nach, muss die Spirale verkürzt werden, geht es vor, muss sie verlängert werden. Beim Rückersystem verläuft das äußere Ende der Spiralfeder durch zwei Stifte, worüber die Einstellung getätigt wird. Die Herausforderung ist, dass die Spiralfeder zwischen den Stiften keinen Spielraum haben darf, aber natürlich trotzdem ungehindert hindurch laufen muss. Der Mechanismus hat also seine Tücken und ist recht anfällig.
Feinregulierung per Rückersystem / Rückerschlüssel (ETA/Unitas-Kaliber)
Fotocredit © Watchtime.net
Doch es gibt noch eine weitere Möglichkeit zur Feinregulierung bzw. Gangkorrektur: über das Trägheitsmoment, das durch Gewicht oder Durchmesser des Unruhreifs verändert werden kann. Durch sogenannte Masseschrauben am äußeren Rand des Unruhreifs kann durch rein- oder rausschrauben das Gewicht und Durchmesser beeinflusst werden. Dadurch schwingt die Unruh entweder schneller oder langsamer. Das kann man sich in der Praxis so vorstellen: wenn eine Eiskunstläuferin bei einer Pirouette die Beine und Arme an den Körper anlegt, wird sie – bedingt durch das Trägheitsmoment – schneller. Streckt sie Arme und Beine von sich, wird sie langsamer. In der Unruh funktioniert das Prinzip gleichermaßen. Der Vorteil des Regulierens über Gewicht und Durchmesser ist, dass die Spiralfeder völlig frei schwingen kann, anders als beim anfälligen Rückersystem.
Feinregulierung per Trägheitsmoment.
Gyromax Unruh von Patek Philippe
Die Ingenieure bei Patek erkannten Ende der 1940er Jahren allerdings, dass sie das Trägheitsmoment des Unruhreifs auch effizienter nutzen konnten. Sie entfernten die Regulierschrauben am äußeren Rand des Unruhreifs und konnten den gesparten Platz nutzen, den Radius der Unruh zu vergrößern, was automatisch zu einem höheren Trägheitsmoment führte. Die Masseschrauben wurden durch asymmetrisch geformte und geschlitzte Regulierscheiben ersetzt und stattdessen auf dem Unruhreif gelagert. Die Gyromax-Unruh war geboren und wurde am 31.12.1951 schließlich patentiert.
Methoden der Feinregulierung
Die GyromaxSi-Unruh von Patek Philippe
60 Jahre später stellte Patek Philippe eine stark modifizierte Gyromax-Unruh vor, die nun aus der Advanced Research Abteilung der Manufaktur hervorging. Die GyromaxSi Unruh ist sanduhrförmig und besteht aus Silizium Silinvar und 24 Karat Gold. Die Ingenieure haben festgestellt, dass bei der Schwingung einer Ringunruh 60% der Energie durch den Luftwiderstand verloren gehen. Daher hat man die Aerodynamik des Unruhreifs angepasst. Um ein möglichst optimales Trägheitsmoment zu erreichen, sollte die Unruh im Zentrum möglichst leicht und nach außen hin schwerer sein. Daher wurde die Außenseite der GyromaxSi Unruh mit zwei 24 Karat Goldmassen beschwert. Zum Feinjustieren befinden sich vier geschlitzte Regulierscheiben an der Peripherie neben den beiden Goldmassen.
Die GyromaxSi-Unruh – Ref. 5550P
Durch die Erfindung von Siliziumspiralen ist die Justierung mittels Trägheitsmoments gar nicht mehr so entscheidend, denn die Spirale kann bei ihrer Assemblage auf die exakte Länge berechnet und hergestellt werden und verändert dann ihre Form nicht mehr – muss also auch nicht gewartet werden. Die neue Aerodynamik der sanduhrförmigen Unruh und optimale Gewichtsverteilung ist hierbei der wohl entscheidendere Faktor, der zur Gangverbesserung beiträgt. Darüber hinaus ist eine dünnere und dadurch längere Zugfeder möglich, bei geringerem Antriebsmoment.
Das Chassis der neuen Unruh wird ebenfalls im DRIE-Verfahren hergestellt. Der Energiegewinn im Vergleich zu einer herkömmlichen Ringunruh beträgt mehr als 20%. Die Gangreserve konnte von 48 auf 70 Stunden erhöht werden.
Zusammengefasst: Pulsomax + Spiromax + GyromaxSi = Oscillomax
2017
Patek Philippe Advanced Research Aquanaut Travel Time Ref. 5650G
(Limitiert auf 500 Exemplare)
Nach langen sechs Jahren des Wartens stellte Patek Philippe 2017 im Rahmen ihres Advanced Research gleich zwei Innovationen vor. Zum einen wurde eine überarbeitete Spiromax Spirale mit einer zusätzlichen inneren Brausche (Patek Endkurve) präsentiert. Wir erinnern uns: 2006 sorgte eine äußere Endkurve für ein konzentrisches Ein- und Ausschwingen der Unruh-Spirale. Eine neue, zusätzliche Endkurve an der Innenseite soll dem Einfluss durch die Schwerkraft entgegenwirken. Dem ist das Regulierorgan einer mechanischen Uhr hauptsächlich in vertikaler Lage ausgesetzt. Eine Alternative dazu bietet auch ein Tourbillon – hier sprechen wir aber von einem anderen Mechanismus.
Advanced Research Aquanaut Travel Time Referenz 5650
Durch die modifizierte Spiromax Spirale konnte Patek die Ganggenauigkeit im Vergleich zu den gängigen Normen für mechanische Uhren übertreffen. Bei zertifizierten COSC Chronometern beträgt die Toleranz -4 bis +6 Sekunden pro Tag. Bei der Spiromax Spirale mit äußerer und innerer Patek Endkurve kann der mittlere Gang auf -2 bis +1 Sekunden pro Tag reguliert werden. Hier befinden wir uns im selben Toleranzbereich wie bei den Tourbillons der Manufaktur.
Modifizierte Spiromax Spirale von Patek Philippe
Die zweite Innovation ist ein Zeitzonen-Korrektor mit elastischem Festkörpergelenk. Es ersetzt mehrere Federn und Hebel und besteht stattdessen aus vier einander überkreuzenden Blattfedern – zwei für jeden Korrekturdrücker. Der neuartige Korrektor besteht damit aus nur 12 statt 37 Einzelteilen, weist mit 1,24 mm zu gängigen 1,45 mm eine flachere Bauweise auf, reduziert Reibung und damit Verschleiß sowie Kraftverbrauch und muss nicht geölt werden. Zum ersten Mal ist auch ein Teil des Zifferblatts freigelegt worden, so dass das neue Festkörpergelenk durch die offene Apertur zum Vorschein kommt.
2021
Patek Philippe Advanced Research Fortissimo Ref. 5750P
(Limitiert auf 15 Exemplare)
Nach vier Jahren hofften und spekulierten viele Uhrenfans auf ein neues Advanced Research Modell. Ende 2021 war es dann endlich soweit. Im Dezember stellte die Manufaktur die Advanced Research Fortissimo Ref. 5750 vor, die auf gerade einmal 15 Stück limitiert ist, einer so schwindend geringen Verfügbarkeit, wie noch nie für ein Modell aus Pateks Innovations-Schmiede.
Advanced Research Fortissimo Ref. 5750
Dieses Mal widmete man sich nicht etwa dem Regulierorgan der Uhr, sondern der Klangqualität ihrer Minutenrepetition, die Stern zur Chefsache gemacht hat und für die das Uhrenhaus bei vielen Kunden so sehr geschätzt wird. Als Basis diente das etablierte Kaliber R 27 PS, das bereits 1989 vorgestellt wurde. Der Repetitionsmechanismus wurde allerdings grundlegend überarbeitet. Das „ff“ fortissimo-Verstärkersystem wurde auf die Brückenseite des neuen Modells verbaut. Es besteht aus einem Klanghebel und Schwingplättchen aus Saphirglas. Der Klanghebel ist an den Hämmern befestigt und ragt ins Zentrum hinein, wo er vom Saphirglasboden getragen wird.
Wie bei einer traditionellen Minutenrepetition schlagen Hämmer auf eine Tonfeder, die sich spiralförmig um das Uhrwerk windet. Der schwebende Klanghebel nimmt die Vibrationen jedoch auf, bevor sie sich im Gehäuse verbreiten können. Der Klang erreicht dann das Plättchen aus Saphirglas, wo die eigentliche Verstärkung stattfindet. Ähnlich wie der Trichter eines Grammophons, verstärkt die Platte die Schwingungen. Der Klang entweicht dann ausschließlich durch vier Öffnungen in einem Titanreif bei 12, 3, 6 und 9 Uhr. Mit diesem System können die Schläge in bis zu 60 Meter Entfernung immer noch vernommen werden. Eine gängige Repetition ist dagegen nur bis 10 Meter hörbar. Da das Verstärkersystem völlig vom Uhrwerk entkoppelt ist, hat das Gehäusematerial keinen Einfluss auf die Klangqualität.
Das Gehäuse ist nämlich bei der neuen Advanced Research Fortissimo Ref. 5750 aus Platin gefertigt. Trotz des neuen Moduls misst die Uhr nur 11,1 mm in Höhe, also kaum höher als anderen Repetitionen des Hauses. Dazu trägt auch der Mikrorotor aus Platin seinen Teil bei, der durch die höhere Dichte des Materials etwas flacher gebaut werden konnte. Auch die Hämmer bestehen aus Platin, was die Klangqualität nochmal verbessert.
Schlussgedanke
Advanced Research gibt einen wunderbaren Einblick hinter die ingeniösen Kulissen der Manufaktur und abseits des teilweise geistlosen Nautilus-Hypes. Dass eine so konservativ anmutende Manufaktur wie Patek Philippe die Uhrmacherei von morgen bestimmt, hätten wohl viele nicht erwartet. Es werden vermutlich wieder ein paar Jahre vergehen, bis wir ein neues Modell aus den Hightech-Laboren der Advanced Research Abteilung von Patek Philippe sehen werden. In der Zwischenzeit muss die Konkurrenz mit eigenen Innovationen aufwarten, denn durch die Patek-Patente sind die Technologien schwer zu kopieren, der schöpferische Wille ist ungebremst. Und bis dahin ist Patek wohl ohnehin schon wieder drei Schritte voraus. Vorsprung durch Technik eben.