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Auf ein Lunch mit: Longines CEO Matthias Breschan

Auf ein Lunch mit: Longines CEO Matthias Breschan

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4. September 2023

Matthias Breschan, der CEO von Longines, eine der erfolgreichsten Uhrenmarken der Swatch Group, ist an diesem Tag extra nach Sylt gekommen – vom Schweizer Zürich auf die nördlichste Insel Deutschlands. Anlass: die neue Pop-up Installation der Marke, die diesen Sommer in Kampen zu sehen war. Wir nutzten die Gelegenheit und trafen den gebürtigen Österreicher, der bereits seit fast 30 Jahren bei der Swatch Group tätig ist, im kultigen Manne Pahl zum Lunch. Dort erfahren wir unter anderem, wie 2020 trotz Pandemie und Lockdown ein Rekordjahr für Longines werden konnte, welche Umsatzmarke das Unternehmen bis 2025 knacken möchte und was eine Taschenuhr des Sultans von Istanbul mit der reichen Geschichte der Marke zu tun hat.

1. Was bedeutet für Sie eine mechanische Uhr? Welche Uhr tragen Sie heute und welche Uhr tragen Sie am häufigsten? 


Heute kauft niemand mehr eine mechanische Uhr nur um die Zeit abzulesen. Die mechanische Uhr hat sich in den letzten Jahren einfach zum besten Accessoire entwickelt, um etwas über seine Persönlichkeit auszusagen. Viele sind in Berufen tätig, in denen ein gewisser Dresscode vorausgesetzt wird – zum Beispiel im medizinischen- oder Dienstleistungsbereich. Hier gibt es wenige Möglichkeiten, äußerlich etwas über sich zu erzählen. Und hierfür eignet sich eine mechanische Uhr ideal. 

Heute trage ich unsere Longines Spirit Zulu, die bis zu drei Zeitzonen anzeigen kann. Ich trage sie heute in der blauen Version. So passt sie als blaue Sportuhr perfekt zur Insel Sylt, wo wir uns heute befinden. Für mich beschreibt die Uhr außerdem sehr gut die DNA der Marke Longines. Was Longines einzigartig macht, ist die Geschichte der Marke, die unwahrscheinlich reich ist. Viele Leute wissen zum Beispiel gar nicht, dass wir bereits 1925 die erste Armbanduhr mit GMT-Funktion entwickelt haben. Auch die Flyback Funktion wurde von Longines erfunden und 1935 zum Patent angemeldet. Beide Funktionen wurden vor allem von Piloten geschätzt. Und Zulu bedeutet in der Pilotensprache „Zero“, was für die Greenwich Mean Time steht, ausgehend vom englischen Zero Meridian.

Am Handgelenk: Longines Spirit Zulu

Was unser Produktangebot betrifft, habe ich keinen persönlichen Favoriten, ich passe meine Uhren an meine Tagesaktivitäten oder mein Reiseprogramm an. Ich versuche allerdings Uhren zu meiden, die momentan nicht oder nur schwer verfügbar sind, da ich möchte, dass die Uhren immer zuerst an die Kunden ausgeliefert werden, bevor ich sie trage. 

2. Wie haben Sie Ihren Weg in die Uhrenindustrie gefunden? 


Ich kam über den Weg der Telekommunikation in die Uhrenindustrie. Swatch wollte sich in den 90er Jahren mit Autos und Telekommunikation diversifizieren. Da gab es Joint Ventures mit Mercedes, Smart, Siemens und anderen Partnern. Wir hatten in den 90er Jahren einen Prototyp entwickelt, der ein Telefon in einer Uhr integriert hatte. Das Projekt wurde dann aber schlagartig gestoppt. Der Konsument hat der Hardware keinen Wert zugeordnet. Im aufkommenden Internet war alles Gratis oder mit Rabatt zu bekommen. Apple hat es dann erst sehr viel später geschafft, dieses Verhalten zu ändern und den Konsumenten zu verstehen gegeben, dass man für Service im Internet und Hardware etwas bezahlen muss. Aber Swatch hat damals völlig berechtigt die Sorge gehabt, dass man die Marke damit kaputt macht und somit wurde das Projekt gestoppt. Und wenn man einmal den Fuß in der Uhrenindustrie hat, ist es leicht sich dafür zu faszinieren, so dass man sehr wahrscheinlich dabeibleibt, was in meinem Fall so war. 

3. Sie übernahmen dann im Juli 2020 als neuer CEO das Zepter bei Longines, nachdem Walter von Känel das Unternehmen 30 Jahre lang leitete. Erzählen Sie uns, wie läuft so eine Übergabe ab? Immerhin hat Walter von Känel die Marke entscheidend mitgestaltet und geprägt. 


Die Übergabe war etwas kompliziert, wie Sie sich vorstellen können. Sie fand genau zu einem Zeitpunkt statt, als fast alle unsere Geschäfte weltweit geschlossen waren. Die Übergabe an sich ist dann recht schnell über die Bühne gegangen, weil die Marke eine klare DNA hat. Das bedeutet in erster Linie eine Ausgewogenheit zwischen klassischen und sportlichen Modellen, davon 50% für Damen und 50% für Herren. Das war, unabhängig vom CEO, der Weg den wir weiter gehen wollten. Ich glaube, das Wichtigste bei einem CEO-Wechsel ist, dass der CEO sich der Marke anpasst und nicht die Marke an den CEO. Es lag also an mir zu erkennen, was die Marke in den Jahren zuvor so stark gemacht hat und eine Roadmap für die kommenden Jahre zu erstellen. 

4. Sie sind mitten in der Pandemie zu Longines gekommen, die Produktion musste heruntergefahren werden und der stationäre Handel kam zum Erliegen. Trotzdem können Sie 2020 als Rekordjahr verbuchen. Wie war das möglich? 


Zum einen ist die Marke äußerst solide. Auch wenn der Einzelhandel im ersten Halbjahr fast völlig zum Erliegen kam, konnten wir im zweiten Halbjahr, nachdem die Lage sich etwas entspannt hatte, ein umso stärkeres Interesse für unsere Marke erkennen. Einige asiatische Länder haben sich dann zum Glück sehr schnell erholt. Zweitens haben wir unser weltweites Sortiment von 1.500 Referenzen auf 800 Referenzen reduziert. Die Abgrenzung der Uhrenfamilien sollten für den Konsumenten sichtbarer sein. Das ist mit einer kleineren Anzahl natürlich besser zu vermitteln. 

5. Nun möchten Sie im Jahr 2025 einen Umsatz von 2 Milliarden Schweizer Franken erwirtschaften. Wie sieht ihr 2-Jahresplan aus, um dieses Ziel zu erreichen? Werden Sie dafür weiter expandieren und neue Märkte erschließen? 


Wir haben und möchten weiterhin die Distribution vor allem qualitativ ausbauen. Wir haben auch in den letzten Jahren die Anzahl der Point of Sales nicht wirklich erhöht, sondern verbessert. Wir haben nun innerhalb der Point of Sales eine stärkere Präsenz der Marke. Außerdem haben wir an einer Modellpolitik gearbeitet, die stark an der Geschichte und den Stärken von Longines, also klassische und sportliche Uhren, ausgelegt ist. Longines ist führend im Bereich 1.000 – 5.000 Euro. Wir möchten auch nicht aus diesem Preissegment rausgehen. Sprich, immer wenn wir ein neues Produkt entwickeln, muss es sich innerhalb dieser Preispolitik bewegen. Das gilt sogar für unseren Flyback-Chronographen und die GMT-Uhren. Das Preis-Leistungs-Verhältnis ist einzigartig bei Longines. Da steckt so viel Technologie drin für 3.000 bzw. 5.000 Euro. Und wir sind eine der wenigen Uhrenmarken, die gleichermaßen viele Uhren an Damen wie an Herren verkauft. 

6. Viele Neukunden kennen die Marke zwar vom Namen, aber nicht die geschichtlichen Einzelheiten. Was sind die wichtigsten Markenwerte, aus denen Longines sich definiert?  


Was Longines einzigartig macht ist die starke Geschichte der Marke. Viele Leute wissen das gar nicht heute. Wir haben schon fast ein Luxusproblem, dass wir so ein reiches Erbe in unserer Firmengeschichte haben, dass wir uns erlauben können, die besten und ikonischten Entwicklungen der Vergangenheit herauszunehmen und ihre Geschichten anhand von exklusiven neuen Werken und Produkten dem Konsumenten zu erzählen. 

Die Ereignisse und destabilisierende Zeit der letzten Jahre haben noch mal verstärkt dazu geführt, dass insbesondere junge Leute ein größeres Verlangen nach Wurzeln in der Vergangenheit haben, nach starken Ankern, an denen sie sich festhalten können, die solide und stabil sind.

Obwohl ich bereits über 20 Jahre in der Uhrenindustrie gearbeitet habe, wusste ich nicht, was für eine starke Heritage die Marke Longines besitzt. Longines ist für die Entwicklung der GMT und Flyback Funktion verantwortlich und hat sogar die Drehlünette erfunden. Und zu allen Errungenschaften gibt es immer eine große Anzahl an Anekdoten und Geschichten. 1908 haben wir bereits für den Sultan von Istanbul eine GMT-Taschenuhr entwickelt. Er wollte eine Uhr haben, die zwei Zeiten anzeigt. Longines hat eine einzigartige Verbindung mit der Aviation, sei es Charles Lindbergh, Amelia Earhart oder Howard Hughes. 

Dann hat sich Longines schon früh einen Namen in der Präzisionszeitmessung gemacht. 1914 war Longines bereits in der Lage, bei Sportereignissen die 10tel Sekunde zu messen – 1916 dann sogar bis auf die 100tel Sekunde genau. Wir waren für die Zeitmessung für fast alle Sportarten verantwortlich, was viele heute gar nicht mehr wissen. Longines war über 30 Jahre in der Formel 1, Rally Monte Carlo und Le Mans. Das sind alles authentische Geschichten von Longines, die wir mit neuen modernen Technologien wieder ans Tageslicht bringen. 

Sie sind auch sehr stark im Pferdesport engagiert, ein sehr elitärer Sport. Inwieweit geht das mit Longines Preispolitik zusammen? 

Wenn ich heute eine GMT-Uhr trage, heißt das nicht, dass ich nachmittags in einen Helikopter steige. Uns geht es um den Lifestyle, den die Leute mit den Sportevents verbinden und sich mit ihm identifizieren wollen. Die meisten Leute, die sich das anschauen, haben selber kein Pferd oder sind noch nicht mal geritten in ihrem Leben. Aber der Kunde möchte gerne ein Teil dieses Universums sein. 

7. 2018 wurde die 50-millionste Longines Uhr produziert. Das Größte Uhren-Archiv ist also da draußen. Wäre das nicht ein lukratives Geschäft für den CPO-Bereich? 


Nein, wir werden mit Longines sicher nicht in das CPO-Geschäft einsteigen. Wir werden unsere Geschichte aber verwenden und neue Werke entwickeln um diese Meilensteine von Longines zu erzählen, wie etwa die GMT-Funktion, den Flyback Chronographen oder die Hochfrequenzuhren. Wir werden das in Verbindung bringen mit Vintage Uhren. Aber es ist kein Business Modell für uns. 

8. Sie bieten über den Webshop eine Collectors Corner an. Wie unterscheidet sich diese vom CPO-Geschäft? 


Wir kaufen alte Longines Uhren, restaurieren sie und bieten die Uhren dann in unserer Collectors Corner zum Kauf an. Unsere Hauptmotivation besteht darin, die Geschichte von Longines mit diesen Vintage Uhren zu erzählen und nicht, daraus ein Geschäftsmodell zu machen. Und wenn wir neue Uhren lancieren, die von den Vintage Modellen inspiriert sind, wie zum Beispiel die Longines Ultra-Chron, dann kaufen wir alte Modelle auf und können daran die Geschichte viel besser erzählen und den Fortschritt zeigen, den wir inzwischen gemacht haben. Wir haben den großen Vorteil, dass wir seit 1867 eine lückenlose Aufzeichnung haben und mit der Seriennummer jedes Modell identifizieren und rückverfolgen können. 

9. Spielt eine Ausweitung von Monobrand Stores für Sie in Zukunft eine größere Rolle? Die Anzahl der eigenen Longines Boutiquen ist derzeit ja eher überschaubar und sie setzen stark auf das Einzelhandelsvertriebsnetzwerk. 


Unsere Strategie ist es nicht, überall Monobrand-Boutiquen zu eröffnen. Für uns ist in erster Linie wichtig, dass wir an strategisch wichtigen Plätzen beste Präsenz haben. Wenn diese Präsenz durch unsere Retail Partner nicht garantiert ist, ziehen wir eine eigene Boutique in Erwägung. Aber wenn wir einen starken Partner haben, der Longines eine entsprechende Präsenz gibt, dann gibt es für uns keinen Grund eine eigene Boutique zu eröffnen. Wir haben trotzdem rund 260 Monobrand-Boutiquen weltweit. 

10. Gilt für Longines dasselbe wie für andere Luxusuhrenmarken: man muss die Uhren zuerst in der Hand haben vor dem Kauf? Wie groß ist Longines im Online-Vertrieb gegenüber dem stationären Handel? 


Der Online Vertrieb ist während Covid stark gewachsen. Zwischen 5-10% abhängig von den Ländern. Wir glauben an eine Verbindung zwischen online und offline. Die Stores und Vertriebspartner können natürlich nicht alle Referenzen führen. Online gibt dem Kunden also die Möglichkeit, sich über alles zu informieren, was wir anbieten. Der Kunde kann somit eine Vorauswahl treffen und dann im Geschäft einen Termin ausmachen um die Uhren anzuprobieren. Der persönliche Kontakt mit der Uhr ist immer noch entscheidend für die meisten Kunden. 

11. Longines ist ja als Zeitmesser für viele Sportarten bekannt, insbesondere auch beim Skirennen. Nächstes Jahr, also 2024 steht ein Jubiläum an. Vor genau 100 Jahren war Longines zum ersten Mal in Chamonix im Rahmen der Internationalen Wintersportwoche für die Zeitmessung verantwortlich. Haben Sie nächstes Jahr etwas Besonderes geplant? 


Ja, da sind wir jetzt gerade in den Gesprächen mit der FIS (Fédération Internationale de Ski) dazu. Es wird es in Chamonix anlässlich des Jubiläums ein Rennen geben, das wurde gerade erst bekanntgegeben. Wir werden also mit der Marke Longines auf jeden Fall etwas drum herum machen. 

12. In welche Richtung entwickelt sich Ihrer Meinung nach die Uhrenindustrie? 


Der Vintage Trend wird sich weiterhin verstärken, wovon wir mit unserer starken Heritage profitieren. Von den Modellen her geht der Trend zu den klassischen Uhren zurück. In den letzten Jahren waren es Sportuhren, vor allem Taucheruhren mit Drehlünette. Der Trend geht in Richtung „Silent Luxury“, also Understatement, und da passt eine elegante Uhr aus unserem Sortiment perfekt dazu. Unsere klassisch-inspirierte Master Linie ist unsere stärkste Familie, trotz des Sportuhren Hypes. 


longines.com