Als A. Lange & Söhne nach der Neugründung im Jahr 1994 die Lange 1 vorstellte, war sich die Uhrenwelt schnell einig: Eine neue Design-Ikone war geboren – etwas, das nur selten geschieht, denn die meisten Ikonen der Uhrmacherei blicken auf eine Geschichte von 50 Jahren oder mehr zurück.

Das Besondere beim Design der Lange 1 ist zum einen ihre asymmetrische Zifferblattaufteilung mit den Stunden und Minuten auf der linken Seite und als Gegengewicht auf der rechten Seite untereinander Datum, Gangreserveanzeige und kleine Sekunde. Zum anderen ist es das damals ungewöhnliche Großdatum, das eine interessante Geschichte hat, die auch für die Lange Zeitwerk relevant ist.

Die Digitaluhr von 1841

Die Idee zum großen Datum mit zwei Fenstern der Lange 1 stammt von der Bühnenuhr der Dresdner Oper. Der Hofuhrmacher Johann Christian Friedrich Gutkaes bekam Ende der 1830er Jahre den Auftrag, eine Uhr zu bauen, die über der Bühne für die Zuschauer sichtbar installiert werden sollte. Zusammen mit seinem Mitarbeiter Ferdinand Adolph Lange, dem späteren Gründer der Glashütter Uhrenmanufaktur, baute er eine Fünfminutenuhr mit zwei Fenstern: Das linke Fenster zeigte die Stunden mit römischen Ziffern, das rechte die Minuten in Fünf-Minuten-Schritten von 5 bis 55 mit arabischen Ziffern. Der Grund für die digitale Anzeige: Sie ist auch aus der letzten Reihe noch ablesbar. 1841 war die Uhr fertig.

Die Lange 1 übernahm wegen der besseren Ablesbarkeit das System fürs Datum. Dabei achtete Lange sogar auf Details wie die goldenen Rahmen um die Fenster. Aber wäre es nicht schön, wie bei der Uhr der Dresdner Oper, statt des Datums die Zeit wieder digital und groß anzeigen zu lassen? Das gelang Lange 2009: Mit der Zeitwerk präsentierte die Glashütter Manufaktur eine spektakuläre Uhr: Die Stunden und Minuten werden in gleich großen Fenstern und auf einer Achse angezeigt. Dabei springen nicht nur die Stunden, auch die Minuten, die mit zwei Scheiben dargestellt werden, springen minütlich. Das war vorher noch keiner Marke gelungen.

Die Zeitanzeige ist aber nicht die einzige Besonderheit der Zeitwerk: Neben den von Lange bekannten Fenstern, die wir als Designelement vom Großdatum kennen, findet sich auch die bekannte Gangreserveanzeige und die typische kleine Sekunde auf dem Zifferblatt. Diese Elemente sorgen trotz ihrer symmetrischen Anordnung für Wiedererkennbarkeit. Völlig neu ist die sichtbare Werkbrücke aus Neusilber, die die Fenster für Stunden und Minuten und die kleine Sekunde umfasst und die einen Lagerstein und eine Befestigungsschraube erkennen lassen. Dieses Element hat der Zeitwerk den Namen gegeben. Der Designentwurf löste eine ähnliche Begeisterung aus wie die Lange 1 und gilt als zweite Design-Ikone der Manufaktur.

Der Grund, warum vor Lange noch keine Marke eine Uhr mit springender Anzeige der Minuten auf Scheiben realisiert hatte: Das schrittweise Weiterbewegen der Scheiben kostet viel Energie und kann die Ganggenauigkeit und die Gangautonomie negativ beeinflussen. Immerhin werden die Scheiben 1440-mal pro Tag geschaltet.

Nachspannwerk

Lange hat daher ein Nachspannwerk entwickelt und einen Windflügel integriert, der die plötzliche Bewegung bremst. So kann die Kraft für das Weiterschalten das volle Drehmoment der Aufzugsfeder nutzen. Das Nachspannwerk, das hier anders als in der Lange 31 nicht 10 Sekunden, sondern 60 Sekunden läuft, hat zudem den positiven Effekt, dass es über den gesamten Ablauf der Aufzugsfeder der Hemmung ein gleichbleibendes Drehmoment liefert. Denn das Drehmoment, also die Kraft der Zugfeder, lässt nach, wenn sie sich langsam entspannt. Das führt zu einem veränderten Gang über den Zeitraum der Gangautonomie und ist besonders bei einer Handaufzugsuhr wie der Zeitwerk relevant.

Das komplexe System des Nachspannwerks ist teilweise unter der ankerförmigen Brücke auf der Rückseite der Zeitwerk zu erkennen. Es ist zwischen Federhaus und Sekundenrad geschaltet und besteht vor allem aus zwei Komponenten: der Nachspannfeder, die als Zwischenspeicher dient, und dem Steueranker, der das Schalten der Zeitscheiben und das Nachspannen der Spiralfeder koordiniert. Er wird durch eine Exzenterrolle auf dem Sekundenrad bewegt und entsperrt nach einer Minute die Verbindung von Federhaus und Nachspannfeder, sodass sie schnell nachgespannt wird. Gleichzeitig wird hierdurch die Einerminutenscheibe weitergeschaltet. Ein Windrad bremst die plötzliche Bewegung etwas, um die Kräfte im Werk nicht zu stark werden zu lassen. Die Einerminutenscheibe bewegt dann nach einer Umdrehung, also nach zehn Minuten, die Zehnerminutenscheibe weiter und diese nach einer Umdrehung, also 60 Minuten, die Stundenscheibe. Das komplexe Nachspannsystem, welches bei jeder Uhr einiges an individueller Einstellung erfordert, hat Lange patentiert.

Symmetrischer Klang

In den folgenden Jahren erweiterte Lange die Zeitwerk um drei Uhren mit Schlagwerk. Dank der auf der Zifferblattseite sichtbaren, symmetrisch angeordneten zwei Hämmer passen diese Komplikationen perfekt zur Zeitwerk. 2011 stellte die Manufaktur die Zeitwerk Striking Time vor, die erste Lange-Uhr mit Schlagwerk. Sie schlug jede Viertelstunde einen hohen Ton und jede volle Stunde einen tiefen Ton. 2015 folgte die Zeitwerk Minutenrepetition. Sie unterscheidet sich von einer üblichen Minutenrepetition dadurch, dass ihr Schlagwerk der dezimalen Anzeige folgt: Sie schlägt also die Stunden, dann die Zehnminutenintervalle – statt der sonst üblichen Viertelstunden – und zuletzt die Minuten. Sie schlägt also auf Knopfdruck exakt, was ihre drei Scheiben anzeigen, und vereinfacht dem Käufer das Zusammenrechnen der akustischen Signale. 2017 stellte Lange die Zeitwerk Decimal Strike vor. Diese Uhr mit Selbstschlagwerk schlägt alle zehn Minuten einen hohen Ton und zu jeder vollen Stunde einen tiefen Ton.

Zeitwerk Date

Eine andere Komplikation ergänzte 2019 die Kollektion: die Zeitwerk Date, von der es nun eine neue Variante gibt. Sie erweiterte das Modell nicht nur um eine ungewöhnliche Datumsanzeige, sondern verbesserte auch das Werk der Zeitwerk in entscheidenden Punkten. So konnte die Gangautonomie von 36 auf ausdauernde 72 Stunden verdoppelt werden. Ein Doppelfederhaus mit zwei Aufzugsfedern liefert die benötigte Energie. Ein Drücker bei der Vier erlaubt die Schnelleinstellung der Stunden, und einige weitere Optimierungen kamen ins Werk. 2021 und 2022 erhielten dann auch die Zeitwerk-Modelle ohne Datum das verbesserte Werk.

Bei dem raffinierten Datum der Lange Zeitwerk Date wird ein Glasring außen ums Zifferblatt so bedruckt, dass die Zahlen 1 bis 31 durchsichtig sind. Das aktuelle Datum erscheint in Rot, da sich darunter eine rote Fläche auf dem Datumsring befindet, die jeden Tag um Mitternacht zur nächsten Zahl weiterbewegt wird.

Da aber bei der Zeitwerk Date um Mitternacht schon drei weitere Scheiben für Stunden und die erste und zweite Stelle der Minuten geschaltet werden müssen, benötigt der Mechanismus über das Nachspannwerk hinaus eine weitere Kraftunterstützung. Interessanterweise findet die aber nicht beim Datum, sondern bei der Zehnerminutenscheibe und deren Schaltung statt: Die von Lange patentierte Ladevorrichtung besteht aus einer Schneckenscheibe und einem daran anliegenden Hebel mit einer Blattfeder. Bei jeder Minutenschaltung wird etwas Kraft abgezapft, die Schneckenscheibe um 36 Grad gedreht und die Feder über die Schneckenscheibe und den Hebel etwas mehr gespannt. Bei der zehnten Minutenschaltung fällt der Hebel vom höchsten Punkt der Schneckenscheibe zurück und nutzt diesen Impuls, um die Zehnerscheibe zu schalten. Durch die Ladevorrichtung findet eine gleichmäßigere Verteilung der Kraft statt, und es steht genügend Drehmoment zur Verfügung, um um Mitternacht über die Zehnerscheibe die Stundenscheibe und die Datumsscheibe weiterzubewegen. Über einen Drücker bei acht Uhr kann das Datum auch händisch korrigiert werden.

Innere Schönheit

Lange ist bekannt für seine aufwendige Bearbeitung und Verzierung der Werke. Die Lange Zeitwerk Date ist da keine Ausnahme. Die Platine aus Neusilber wurde mit einem Glashütter Bandschliff versehen, Räder zeigen den gedrehten Sonnenschliff und das Sperrrad den typischen doppelten gedrehten Sonnenschliff und den gravierten Markenschriftzug. Neben dem Unruhkloben mit Schwanenhalsfeder für den Abfallfehler ist hier auch der Ankerradkloben handgraviert.

Zudem bietet die Uhr mit der Nachspannbrücke eine Besonderheit, die man nur bei den Zeitwerk-Modellen findet: eine in Stahl ausgeführte schmale Brücke in Ankerform. Vier Lagersteine mit Goldchatons finden sich auf der Brücke, zwei davon verschraubt. Lange verziert die Oberseite der Brücke mit einem Strichschliff, die Kanten sind gebrochen und poliert, auch sämtliche Senkungen für die Lagersteine und die Schrauben sind poliert. Die schmale Brücke dient nicht einfach dazu, dass der Käufer der Uhr mehr von der Mechanik sehen kann, sie vereinfacht dem Uhrmacher das genaue Einstellen der Ankerpaletten und der Sperrscheiben des Nachspannmechanismus. Dem gleichen Zweck dient auch der farblose Lagerstein über der Exzenterrolle, die den Schaltanker bewegt.

Eine weitere Besonderheit ist natürlich die sichtbare Zeitbrücke auf der Vorderseite: Sie zeigt einen runden Strichschliff, der die Symmetrie unterstützt, sowie anglierte und polierte Kanten. Die Fenster für die Stunden und Minuten besitzen wie die Uhr der Dresdner Oper eine starke Abschrägung, damit kein Schatten auf die Scheiben fällt und die Ablesbarkeit beeinträchtigt. Die seitliche Form der Fenster ist gewölbt – ein winziges Detail, das den Auftritt der Uhr aber verändert, die Strenge des Rechtecks durchbricht und die Produktion deutlich schwieriger macht.

Insgesamt besteht das Kaliber L043.8 der Zeitwerk Date aus 516 Teilen, die alle zusammengebaut und eingestellt werden, bevor sie wieder demontiert, gesäubert, verziert und ein zweites Mal zusammengebaut und geölt werden. Die Spiralfeder der Zeitwerk Date stammt aus eigener Produktion, was selbst bei großen Manufakturen äußerst selten ist. Die Unruh schwingt mit 18.000 Halbschwingungen pro Stunde und die Unruhspirale kann frei atmen, denn statt eines Rückers arbeitet Lange bei der Regulierung mit sechs Unruhgewichten, deren Schwerpunkt durch Drehen nach innen oder außen verschoben werden kann.

Die Zeitwerk Date gab es bisher nur in einer Weißgoldversion mit hellgrauem Zifferblatt. Nun stellt Lange eine neue Version in Rotgold mit dunkelgrauem Zifferblatt vor. Das Gehäuse misst im Durchmesser 44,2 Millimeter, bleibt mit 12,3 Millimetern in der Höhe aber recht flach für den komplizierten Aufbau des Werks.

Fazit

Mit der Zeitwerk Date hat A. Lange & Söhne einen in drei Bereichen außergewöhnlichen Zeitmesser geschaffen: Erstens macht die Gestaltung mit der auf der Zifferblattseite sichtbaren, einzigartig geformten Zeitbrücke und der digitalen, symmetrischen Zeitanzeige die Uhr zu einer Design-Ikone. Zweitens hat Lange mit mehreren patentierten Systemen alle Schwierigkeiten der digitalen Zeitanzeige und der Datumsschaltung gelöst und das Kaliber zu einem mechanischen Meisterwerk ausgebaut. Und drittens konnte die Manufaktur ihr Vorzeigethema Werkverzierung mit der Nachspannbrücke auf ein neues Level bringen – vor allem aber mit der Zeitbrücke auf der Zifferblattseite eine ebenso funktionale wie ästhetische Brücke zwischen Zeitanzeige und Werk schlagen.


alange-soehne.com

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