Es sind ein paar Schüsse, die das Interview jäh durchbrechen. Mit einem Lächeln entschuldigt sich Wilhelm Schmid: „James Bond lässt grüßen“. Nebenan zeigt Sammler Fritz Burkard eines der berühmtesten Aston Martin Coupés der Welt: Ein Original vom Filmset, einen DB5, der den Film Thunderball promoten sollte und der hier für Ablenkung sorgt. Willkommen auf dem Concours of Elegance im Park des Hampton Court Palace, eine Ausnahme-Oldtimer-Veranstaltung bei der A. Lange & Söhne bereits zum fünften Mal seinen Pavillon aufgebaut hat. Feine Automobile und feine Uhren, dass passt für den privat Auto sammelnden Schmid perfekt zusammen. Allerdings kann man darauf keine Markenphilosophie aufbauen. Umso mehr aber, wenn die Kunden es goutieren. Ein Gespräch über einen Luxusmarkt im Umbruch, Strategien in einer Nische und die große Frage. Was kommt im wichtigen Jubiläumsjahr 2024?
Welche Uhr tragen Sie heute und warum?
Als CEO habe ich das Privileg, mir eine Trageuhr auswählen zu können. Aber natürlich ist auch hier die Verfügbarkeit begrenzt. Jetzt zum Concours of Elegance trage ich die Odysseus in Weißgold. Als sportlich-elegante Uhr passt sie hervorragend zum Ambiente vor Ort, lässt sich mit dem Kautschukarmband wunderbar tragen und mit ihrem Weißgoldgehäuse hat sie auch etwas sehr Edles.
Der weltweite Luxusmarkt ist im Umbruch, viele Top-Marken fokussieren sich zunehmend auf Millennials oder sogar Gen Z. Das Gefühl habe ich bei Lange nicht? Oder täuscht der Blick von außen?
Unser Fokus war immer und wird immer der Sammler sein. Ob die 60 Jahre alt sind oder 16 ist nicht entscheidend, auch wenn Letzteres eher unwahrscheinlich ist. Was wir machen, und da sind wir anders als alle anderen: Man kann heute unser Geschäft nicht mehr ohne Social Media betreiben. Und da sollte man schon dort gefunden werden, wo die Kunden uns auch suchen. Und da spielt es natürlich eine Rolle, ob man mit einem 60 Jahre alten Europäer kommuniziert oder einem 20-jährigen asiatischen Sammler.
Sie sind seit 2011 im Unternehmen, lange genug, um die Kundenentwicklung bei A. Lange & Söhne sehr genau beurteilen zu können. Wie haben sich Ihre Käufer weiterentwickelt?
Ich kann das ehrlicherweise nur begrenzt beantworten. Als ich gekommen bin, im Dezember 2010, da haben wir fast alle Uhren über Händler verkauft und gar nicht gewusst, wer überhaupt unsere Uhren gekauft hat und warum sie diese gekauft haben und warum sie sich vielleicht die nächste Uhr kaufen. Vor fünf Jahren haben wir angefangen, das stark zu verändern. Heute weiß ich, dass der mit weitem Abstand größte Teil über unsere eigenen Boutiquen läuft. Wir wissen also genau, wer welche Uhr wann kauft und warum. In diesen letzten fünf Jahren hat sich interessanterweise mein Gefühl wenig verändert. Ich habe immer den Eindruck, dass viele Händler oder viele Hersteller unter Customer Relationship verstehen, wie sie zu den Kunden sprechen. Für uns ist mindestens genauso wichtig, wie uns unsere Kunden erreichen. Wie können die uns finden? Wie können die mit uns kommunizieren? Und da haben wir heute einfach mehr Wissen. Ich bezweifle stark, dass der Kunde wirklich anders ist als vor zehn Jahren.
Ich bin überzeugt davon, dass wir eine Marke sind für Menschen, die schon eine Reise durch die Welt mechanischer Uhren hinter sich haben. Diese Menschen haben eine gewisse Ahnung von Uhren und wollen etwas für sich tun. Daher denke ich, dass die Motivation keine andere ist als vor fünf Jahren. Vielleicht ist aber der Weg, den man heute beschreitet, um dahin zu kommen, ein anderer. Was früher über spezielle Printmagazine geschah, passiert heute eben über die digitale Welt.
Neben dem Jünger werden ist das weiblicher werden für viele Marken außer den klassischen Luxusmarken eine echte Herausforderung. Frauen und Lange? Wie sprechen Sie Frauen in Zukunft an? Es gibt keine Damenuhr von A. Lange & Söhne. Welche Bedeutung haben Frauen als Zielgruppe?
Wir sind da klar: Wir bauen keine Uhren für Altersgruppen, Kulturen, Geschmäcker oder Gender. Wir bauen Uhren, die auf Linie mit der jeweiligen Uhrenfamilie, mit A. Lange & Söhne und unserem Wertesystem sind. Wir entwickeln auch keine Uhren für große oder kleine Männer, schmale oder breitere Handgelenke wie das so mancher macht. Denn das wäre dasselbe. Manche Uhren bei uns sind eben größer und auch höher, weil wir irgendwo die ganzen Teile hochkomplexer Werke reinkriegen müssen, die dann auch solide und lange funktionieren. Und andere sind flacher, weil wir einfach weniger Teile einbauen müssen. Ich bin ehrlich davon überzeugt, dass der Grundgedanke falsch ist, etwas nur für Frauen oder für Männer zu entwickeln.
Ihr großes Thema 2023 is „Uncharted Territories“, also uhrmacherisches Neuland. Ist das nicht grundsätzlich das Lange Prinzip? An welchen besonderen Beispielen machen Sie das in jüngster Zeit fest?
Wir haben 2019 mit der Odysseus ein neues Spielfeld eröffnet. Wir hatten uns gesagt, wir bleiben uns treu und wenn wir jetzt mal die Handvoll Stahluhren ausnehmen, die in den 90er-Jahren gebaut worden sind. Wir blieben bislang also bei precious metal, also Gold, Platin und Weißgold oder unserer eigenen Legierung Honeygold. Das sind wir und dabei wollen wir auch bleiben. Aber wenn man als Marke kreativ bleiben will und außerhalb der Norm, braucht man ein Spielfeld, und das ist die Odysseus: Da können wir experimentieren: Stahl, Titan, wasserfest, Kautschukband. Aber im gleichen Augenblick haben wir gesagt, wir wollen uns auch dabei treu bleiben und nicht irgendetwas machen, was so aussieht wie eine andere Uhr von uns, nur eben wasserdicht und im Stahlgehäuse. Sondern das Ziel war ganz klar: Wir entwickeln daraus eine Familie. So wie jede Lange 1 unabhängig von der Komplikation oder jede Zeitwerk unabhängig von der Komplikation immer auf den ersten Blick wie eine Lange 1 oder Zeitwerk aussieht, so haben wir für die Odysseus ein Gesicht gefunden das, egal welche Modelle denn da später noch kommen werden, klar erkennbar bleibt.
Auf der anderen Seite: Sie haben bis heute keine Siliziumspiralen wie Patek oder Omega und auch bei Gehäusematerialien sind andere innovativer mit Kohlefaser oder Keramik – was Euren konservativen Approach unterstreicht. Was verstehen Sie bei Lange unter Innovation?
Es liegt in der Natur der Sache: Man kann nicht etwas Neues machen und kein Risiko eingehen. Aber wo wir absolut traditionell bleiben, das ist beim Uhrwerk. Da sind wir sogar noch strenger geworden: Wir werden alles in Frage stellen, wenn es denn sein muss, aber nicht unsere Art Uhren zu bauen und zu entwickeln. Das wird auch so bleiben. Aber man kann natürlich trotzdem immer den extra Twist reinbringen, ein Tourbillon, das man stoppen kann, ein Tourbillon mit Zero-Reset. Ein Minute-Counter, der die Minuten zählt. Ewige Kalendarien, bei denen um Mitternacht alle Anzeigenelemente sprunghaft weiterschalten.
Es gibt schon viele Bereiche, in denen wir die Extrameile gehen. Und auch das liegt in der Marke und ihren Neuanfängen. Nehmen Sie den Antrieb über Kette und Schnecke 1994 oder das Großdatum aus demselben Jahr. Es gibt immer Bereiche, in denen man Grenzen verschieben kann, ohne sich zu verlieren. Wichtig ist: Wir sind keine industrialisierte Marke. Was wir machen, ist Handarbeit und weil Sie es ansprachen: Siliziumbauteile sind nicht das, was unsere Kunden von uns haben wollen.
Einige Kollegen waren erstaunt, dass es auf der Frühjahrsmesse Watches and Wonders nur eine Uhr zu sehen gab, den Odysseus Chronograph. Eine großartige Uhr, aber warum diese Zurückhaltung bei Lancierungen?
Wir haben das jetzt einmal gemacht. Das bedeutet nicht, dass wir das nun immer machen, da bleiben wir gerne unberechenbar. Aber ganz ehrlich, wenn Sie die Uhr, die Sie hier auf der Leinwand sehen (Anmerkung: den Odysseus Chronograph, der vor uns auf der Außenseite der Pop-Up-Boutique am Hampton Palace abgebildet ist), welche andere Uhr hätten wir denn dagegen setzen sollen? Warum sollten wir uns denn selbst unser größter Feind werden? Wir werden ein Jahr brauchen, bevor wir die erste Uhr davon ausliefern. Warum muss ich denn jetzt noch was dagegensetzen, was im schlimmsten Fall keiner beobachtet, im schlimmsten Fall ablenkt, und noch schlimmer: Wir könnten dann beide vielleicht nicht zeitnah fertigstellen! Das macht keinen Sinn.
Auf der anderen Seite gibt es ja ganz klar den Trend hin zu Kollektionen, die über das ganze Jahr verteilt werden.
Das machen wir aber schon lange. Wir haben 2019 angefangen übers Jahr hinweg neue Modelle einzuführen. Natürlich müssen wir uns auf die wichtigste Messe, die Watches and Wonders fokussieren, weil dann die Uhrenindustrie schlicht so viel Aufmerksamkeit bekommt gegenüber allen anderen Branchen wie sonst nie, aber man braucht auch genügend Anlässe unterjährig, um seine Kunden anzusprechen und zu begeistern. Keine Firma kann sich leisten, zu sagen, dass alle zwölf Monate mal ein Zug beim Kunden vorbeifährt, und wenn der diesen verpasst, dann ist es vorbei. Das ist der Grund für diesen Wandel, bei uns wenigstens.
Sie forcieren seit einigen Jahren massiv das Boutique-Geschäft. Derzeit haben Sie über 47 Boutiquen weltweit (28 eigene, 18 externe). 2022 wurden eigene Geschäfte in Frankfurt, Berlin und Zürich eröffnet. Die nächsten Boutique-Eröffnungen sind in New York, San Francisco und Paris geplant. Wie treffen Sie die strategischen Entscheidungen für einen neuen Standort?
New York haben wir sogar gerade aufgemacht. Das ist immer eine Kombination aus mehreren Faktoren. Wir sind jetzt in Amerika weitestgehend durch. Es gibt Märkte wie Singapur und Dubai, die musst du besetzen. Das sind Märkte, die auf der einen Seite eine starke lokale Kundschaft haben, aber auch touristisch wichtig sind. Dazu zählt auch New York, aber vor allem für den amerikanischen Tourismus. Die Grundlage für unsere Geschäftsentscheidungen ist immer: Wenn keiner reisen kann, dann muss die Stadt immer noch stark genug sein, dass die lokale Kundschaft das Geschäft trägt.
Was können die eigenen Boutiquen denn wirklich besser? Hat der Kunde nicht auch gerne die Auswahl? Und warum reduzieren Sie bei namhaften Juwelieren? Wird dieser Prozess weitergehen?
Wenn man Multi-Franchise mal im Detail betrachtet: In Vor-Internetzeiten, wenn man nicht in einer großen Stadt gelebt hat, bildeten Uhrenkäufer und Händler vor Ort eine Gemeinschaft. Man hat beim Händler vor Ort auch sein Auto gekauft oder seine Waschmaschine reparieren lassen. Die Zeiten sind aber vorbei. Wenn heute jemand so viel Geld für eine Armbanduhr ausgibt, wie unsere nun mal kosten, dann ist die Wahrscheinlichkeit für einen Impulskauf ziemlich gering. Niemand geht ins Geschäft und sagt: Ich habe 50.000 Euro. Was kriege ich denn dafür?
Und wie entscheiden Sie, ob Sie einen Händler verlassen oder bei ihm bleiben?
Wir gehen so weit runter, bis wir an den Verkaufspunkten, die übrig sind, genügend Uhren haben. Es darf nicht passieren, wie es derzeit dem einen oder anderen ergeht, tolle Geschäfte zu haben und keine Produkte. Da entsteht schnell der Eindruck einer Kultur der Arroganz gegenüber den Kunden, was niemand wollen kann.
Sie sagten in einem Interview im Frühjahr, dass Sie nicht mehr als 5.500 Uhren pro Jahr bauen können? Aber warum kann A. Lange & Söhne nicht 10.000 Uhren bauen?
Weil leider unsere Mitarbeiter auf Dauer nicht mehr als acht Stunden am Tag arbeiten können. Und da bei uns wirklich alles von Hand finissiert und montiert wird, ist das so. Unser Wachstum ist ausschließlich dadurch bestimmt, wie viele Menschen wir ausgebildet kriegen. Wir haben gerade wieder 21 neue Auszubildende angenommen im August. Das dauert ab jetzt drei Jahre bis zur Prüfung und dann noch mal im Schnitt anderthalb Jahre bis sie voll einsetzbar sind. So können wir wachsen. Ja, wir könnten die Maschinen länger laufen lassen, um die Rohteile zu produzieren. Das hilft uns aber nicht, wenn wir später keinen finden, der die Teile finissiert oder keine Vormontage stattfindet. Die Art, wie wir Uhren bauen, konstruieren und entwickeln bedingt einfach kleinere Stückzahlen, selbst mit Überstunden.
Eure Preise reichen von einer Saxonia für 24.500 Euro bis hin zu einem Tourbograph Perpetual Honeygold für über 500.000 Euro. Ist diese Spreizung auf Dauer so zu halten oder wird der Einstieg bei Lange in Zukunft immer höher?
Die Einstiegspreisklasse wird sich zwangsläufig reduzieren, und zwar aus einem einfachen Grund: Man möge mir das jetzt verzeihen, ich bin auch Geschäftsmann. Komplizierte Uhren zu verkaufen ist sehr viel nachhaltiger von der Kundenbindung her als einfachere Modelle. Und keine Frage, wir werden immer Uhren mit einfachen Funktionen bauen. Wir brauchen auch immer einfachere Uhren, die in der Qualität gleichwertig sind zu den ganz teuren, aber eben simpler vom Mechanismus her, damit neue Uhrmacher ihre Fertigkeiten ausbauen können. Aber die Reise bei uns geht eindeutig hin zu mehr komplizierten Uhren. Und die vermeintlich einfachen Modelle können übrigens durchaus noch deutlich teurer werden als das, was wir heute verlangen.
Wo sehen Sie Trends für die Zukunft der Feinuhrmacherei, wenn inzwischen selbst Rolex seine Uhrwerke mit Glasboden erlebbar macht und anfängt diese aufwendig zu finissieren. Muss Sie das nicht erschrecken, auch wenn das eine ganz andere Marke ist?
Ich kann immer nur sagen, 5.500 Uhren, 600 Menschen. In jeder einzelne Uhr von uns steckt so viel Handarbeit. Warum sollte ich Angst haben, wenn einer mit Maschinen das Gleiche versucht? Nein, im Ernst: Das, was wir machen, können Independent Brands sehr wohl, das weiß ich auch. Aber ich weiß auch: Es gibt nicht so viele Player am Markt, die dieses Niveau an Finish erreichen und dann auf vergleichbare Stückzahlen kommen. Da sehe ich eine natürliche Grenze.
Lange hat bislang immer mit Stahl zurückgehalten. Nun kam die Odysseus als Titanuhr. Sehen Sie weitere Materialien? Wie erleben Sie den Materialboom mit Keramik und Kohlefaser oder noch selteneren Edelmetallen?
Ich würde jetzt im Sinne des James Bond Aston Martin hier neben uns sagen: Sag niemals nie. Aber auf absehbare Zeit, glaube ich, sind wir mit Titan und Stahl und natürlich unserer eigenen Legierung Honeygold sehr gut aufgestellt. Da müsste schon viel passieren, dass wir sagen, da haben wir uns jetzt dran abgearbeitet.
Welche Lehren haben Sie für A. Lange & Söhne aus Covid gezogen?
Die Zeit hat uns die Möglichkeit verschafft, uns als Unternehmen zu transformieren und unsere Prozesse deutlich zu beschleunigen. Wir mussten nun direkt mit unseren Kunden in Kontakt treten, wir mussten Entfernung durch digitale Treffen überbrücken. Das hat die gesamte Firma verändert. Wir wussten, dass wir uns nicht auf den Handel verlassen können. Wir mussten es selbst machen. Vieles war schmerzhaft aber im Ergebnis gut und richtig.
Ein Beispiel, was mich begeistert hat und beispielhaft für A. Lange & Söhne steht: Wir haben am 24. Oktober 2020 die 175-Jahre-Kollektion vorgestellt. Die ersten Zifferblätter für den Tourbograph Perpetual „Pour le Mérite“ sollten im April 2020 kommen, mitten im Shutdown. Nichts kam. Wir haben dann gesagt: Jetzt schauen wir mal, wie wir das hinbekommen. Und dann kriegt das Team ein Zifferblatt hin, das besser ist als alles, was wir je hätten kaufen können. Da ist mir noch mal bewusst geworden, was für ein unendliches Know-How wir in der Firma haben, das man einfach so abrufen kann, wenn es drauf ankommt. Das war schon ein besonderer Augenblick, als unser Chefentwickler Anthony de Haas das erste Mal mit diesem Zifferblatt zu mir kam und das war dann einfach perfekt.
Wir sind hier auf einer Automobilveranstaltung. Warum funktioniert dieses Thema für Lange so gut mit den Autos?
Achtung, wir sind auf einem Concours d’Elegance. Das funktioniert gut, nicht Autos, denn das ist ein großer Unterschied. Wir machen auch keine Automobilrennen. Hier geht es um „Art on Wheels“, bei uns um „Art on the Wrist“. Der Satz stammt nicht von mir. Aber das ist die Verbindung. All diese Fahrzeuge, die wir hier sehen sind ja nicht industrialisierte Produkte. Die sind alle von Menschen geformt, aufgearbeitet, die werden heute von Menschen repariert – und zwar von solchen, die man heute nur noch schwer findet. Natürlich ist bei diesen Automobilen auch die Historie wichtig – wie bei uns – und dass man sich selbst treu bleibt, und am Ende ist das ganze Setting natürlich auch extrem ansprechend.
Und das obwohl es keinen Beleg für einen Automobilbezug von A. Lange & Söhne gibt. Sie haben auch bis heute keine Kooperation mit einer Automarke gemacht..
…und das ist jetzt relativ simpel zu beantworten: Wir haben keine Brand-Ambassadors, wir machen keine Kooperationen.
Gab es viele Angebote bisher?
Sehr viele. Auch wirkliche Topmarken. Leider darf ich keine Namen nennen. Aber das sind nicht wir, das passt einfach nicht zu uns.
Nächstes Jahr stehen ein paar nicht ganz unwichtige Jubiläen an, ein sehr wichtiges sogar. Was ist Ihr Prinzip bei so großen Jubiläen und wie lange arbeiten Sie daran? Spüren Sie einen hohen Erwartungsdruck? Der Odysseus-Chronograph ist zwar sensationell als erster Inhouse Chronograph mit Automatikaufzug, aber war offensichtlich das Jubiläum noch nicht wert.
…wir wissen ja, wann diese Daten anstehen. Das ist nichts, was über Nacht kommt. Lassen Sie sich überraschen!
An der berühmten Lange 1 kristallisiert sich ganz offensichtlich die Marke. Sie ist sicher auch der Bestseller, können Sie unseren Sammlern verraten, was man an dieser Uhr noch besser machen kann?
Ich wüsste nicht, was. Es hatte ja einen Grund, dass wir 2015 gesagt haben: „Das Werk ist jetzt 25 Jahre alt und heute wissen wir mehr als damals, und heute können wir auch Sachen selber machen, die wir damals noch nicht konnten, also die eigene Unruhspirale zum Beispiel. Aber es gibt ja einen Grund, dass wir das Design nicht angefasst haben, auch nicht in den Dimensionen.“ Das erklärt eigentlich alles: technisch verbessert, aber den Rest haben wir so gut gelassen, wie er ist.
Vom Umsatzvolumen her dürfte die Reihenfolge bei Ihnen Asien, Nordamerika und dann Europa sein…
Vorsichtig, dadurch, dass wir überall Wartelisten haben, gibt es kein klares Ranking. Je nachdem wohin wir die Uhren schicken, entsteht da auch der Umsatz. Für Außenstehende sieht das dann so aus, als ob dieser oder jener Markt stärker wäre, der Eindruck täuscht aber.
Wenn Sie Autohersteller wären, würden Sie jetzt anfangen Modelle nach deren Geschmack zu bauen. Wie schaffen Sie es, das Lange Design so streng beizubehalten?
Ich habe es eingangs gesagt: Wir bauen nicht für Gender, wir bauen nicht für Kulturbereiche, wir bauen nicht für Geschmack. Wir haben sechs Uhrenfamilien und entwickeln alles, was in diese sechs Produktlinien passt und zwar so, dass es aus unserer Sicht stimmig ist.
Sie engagieren sich ja extrem im Bereich Automobil. Wie wir hörten, kommt nächstes Jahr sogar noch ein erster deutscher Concours d’Elegance am Tegernsee hinzu?
Kleine Firmen müssen sich fokussieren. Wer anfängt, überall ein bisschen zu machen, wird in nichts richtig gut. Und man muss sich selbst gegenüber ehrlich sein: Wir sind eine kleine Firma, wir können nicht das, was die Großen machen. Das machen wir bei den Uhren auch nicht. Warum muss ich mit 5.500 Uhren überall präsent sein? Ich denke, dass wir mittlerweile eine Reputation in diesem Geschäftsfeld erworben haben, die uns interessant macht für die richtigen Kunden, für die Teilnehmer solcher Veranstaltungen wie dieser hier, aber auch für die Organisatoren dahinter und das ist für mich entscheidend.
Sie sind mittlerweile bald 13 Jahre im Unternehmen. Wie ist Ihre Zwischenbilanz? Und welche Perspektive sehen Sie für die Zukunft von Lange? Und für sich persönlich?
Ich bin jemand, der selten in der Vergangenheit lebt. Das interessiert mich nur insofern, als dass ich in manchen Situation überlege, ob mir ein Problem schon mal ähnlich begegnet ist, und wie ich diese vergangene Situation gemeistert habe. Die Transformation, die wir angestoßen haben, ist ja noch nicht zu Ende, da arbeiten wir jeden Tag dran. Wir arbeiten derzeit an der Weiterentwicklung unserer Strategie, denn eine gute Strategie ist ja nie statisch.
Was bewegt Wilhelm Schmid als Unternehmer was die Zukunft betrifft?
Ich habe ein Anliegen, das mich wirklich bewegt, und ich sprach eben von den 21 jungen Menschen, die jetzt zu uns kommen und sich ausbilden lassen. Mein Job ist es, die Firma so aufzustellen, dass immer genug Arbeit für diese Menschen da ist. Was sollen Uhrmacher machen, wenn wir nicht dafür sorgen, dass mechanische Uhren relevant bleiben und der Markt gerade für eine kleine Manufaktur wie A. Lange & Söhne groß genug bleibt? Das ist das, was mich und mein ganzes Management Team umtreibt. Walter Lange hat immer gesagt, der schlimmste Moment seines Lebens sei die große Rezession 1929 gewesen. Für die Menschen, die bei Lange gearbeitet hatten gab es keine Beschäftigung mehr. Das ist lange her, aber eine solche Entwicklung will niemand wiedererleben.
Wie erklären Sie sich persönlich den enormen Zulauf und das enorme Interesse an der mechanischen Uhrenwelt gerade in den letzten Jahren?
Natürlich hat das Internet sehr geholfen. Jeder kann sich heute viel einfacher und vor allem schneller informieren. Der Zugang zu Informationen, besonders Spezialinformationen, ist verglichen mit vor 20 Jahren extrem vereinfacht. Und das macht den großen Unterschied. Das erste Uhrenmagazin kam 1989 raus, meine ich mich zu erinnern. Da hat man gewartet, bis das nächste rauskam. In der Zwischenzeit konnte man blättern – das war es dann. Heute kann man jeden Tag ins Internet gehen, jeden Tag seinen Lieblingsblog aufrufen. Dazu sieht man die Wertentwicklung von Modellen, verpasst keine Neuheiten seiner Lieblingsmarke. Man kann sich 24/7 mit mechanischen Uhren beschäftigen. Und viele vermögende Menschen haben heute deutlich mehr Freizeit.