Herr Ekdahl, wie kommt man von einer Schweizer Topmarke wie IWC zu einem kleinem Uhren-Startup wie Leica?

Nur wenige dürften wissen: Für mich ist es bereits das zweite Mal bei Leica. Nach meinem Studium in Schweden habe ich in den neunziger Jahren in Saarbrücken ein Aufbaustudium gemacht und las in der FAZ eine Annonce, wie das in Vor-Internet-Zeiten üblich war. Man suchte damals einen Assistenten für den internationalen Vertriebsleiter.

Sie waren also schon mit dem Leica-Virus infiziert?

Ich habe schon damals wahnsinnig gern und viel fotografiert. Ich habe sogar mit einem Leica Vergrößerungsapparat in der Dunkelkammer gearbeitet und wollte auch Fotograf werden. Leica war mir also sehr bekannt und ich habe mich beworben, bekam den Job und habe dann 1996 hier angefangen. Ich war Assistent des internationalen Vertriebsleiters, später wurde ich Area Manager für Osteuropa. Das war in den Jahren nach dem Fall des Eisernen Vorhangs eine wilde Zeit und mein erster ziviler Job nach meiner Zeit als Offizier bei der schwedischen Armee. Da kamen plötzlich ganz neue Kunden zu Leica. Ich habe auch den Key Account Lufthansa betreut, wo Leica Kameras im Bordverkauf angeboten wurden, aber nach zwei Jahren sehnte ich mich zurück in eine Großstadt.

Welche Uhr tragen Sie heute?

Ich trage die Leica ZM11 Midnight Blue, die wir 2023 lanciert haben.

Um den Campus hier mit Hotel, Museum und Fertigung, würden Sie viele Schweizer Uhrenmarken beneiden!

Es war damals nicht so, wie es heute ist. Leica war 10 Kilometer von hier entfernt auf dem Land in einem Bürogebäude untergebracht. Man hat vor dem Fenster die Kühe gesehen. Alles war etwas provinziell. Ich bin dann als Produktmanager zu Cartier nach München gegangen. Danach war ich Vertriebsleiter bei Baume & Mercier für ein Jahr. Anschließend war ich Kommunikationsleiter bei Cartier, 2002 bin ich dann zur BMW Group ins strategische Marketing gewechselt. Dort durfte ich mit Rolls-Royce arbeiten. Ich habe für die Marken der BMW-Group eine Brand Academy aufgebaut, die es immer noch gibt. BMW hatte damals Mini und Rolls-Royce dazugekauft, daher lautete die Frage: Was macht starke Marken aus? Da habe ich sehr viel über Markenaufbau gelernt.

Eines Tages klingelte das Telefon und man fragte mich, ob ich Lust hätte, in Schweden als Marketingleiter für BMW anzufangen. Das war eine tolle Zeit in Stockholm, aber als mich mein Ex-Chef von Richemont zwei Jahre später fragte, ob ich IWC in Deutschland übernehmen wollen würde, konnte ich dann doch nicht widerstehen.

Sie waren danach bei IWC fast 17 Jahre als Geschäftsführer für die Tochtergesellschaften in Zentral- und Osteuropa verantwortlich. Was nehmen Sie von damals mit für Leica?

Ja, das ging von Aachen bis Wladiwostok und von St. Petersburg bis Tel Aviv, in Summe waren es um die 30 Länder! Aber zurück zur Frage: Ich habe immer den Kontakt gehalten zu Leica. IWC hat mehrfach auf meine Initiative hin Produkte eingekauft von Leica. Es gab zum Beispiel kleine Ferngläser für den America’s Cup in Portugal oder Digitalkameras für die Genfer Uhrenmesse. Neben meinem großen Kontaktnetzwerk und meiner langjährigen Uhren-Expertise bringe ich das Wissen mit, wie der Uhrenmarkt funktioniert.

Die Leica Uhren sind ein kleines Startup im Leica-Konzern. Es geht nicht nur um den Vertrieb von Uhren, sondern vom Design bis zum Verkauf ist diesmal alles dabei, was meine Lernkurve steil ansteigen lässt.

Wie wollen Sie den weltweiten Vertrieb der Leica-Uhren aufbauen?

Wir haben weltweit über 100 Leica-Stores, von denen bereits über 50 unsere Uhren verkaufen. Die Herausforderung ist natürlich, in einem komplett von Kameras und Fotografie geprägten Umfeld ein neues Produktsegment anzubieten und zu verkaufen. Zudem dauert es natürlich viele Jahre, um sich als Luxus-Uhrenmarke zu etablieren.

Wie wollen sie das bei Leica Uhren schaffen? Es gibt 600 Uhrenmarken weltweit, gibt es einen Wettbewerber?

Die Liebe zur Marke bei Leica-Kameras auf Kundenseite ist meiner Meinung nach noch größer als von Uhrensammlern. Nicht, dass Uhren keine emotionalen Produkte wären, aber jeder Leica-Besitzer schafft mit seiner Kamera ja sehr persönliche und emotionale Bilder. Wer mit einer Leica-Kamera besondere Erinnerungen festhält, ist emotional auf einem anderen Level.

Aber reichen emotionale Momente aus, um langfristig erfolgreich zu sein?

Das Schöne an Leica ist für mich: Leica ist deutlich breiter aufgestellt als viele denken: Es ist nicht der letzte Überlebende aus der analogen Fotografie-Ära, sondern es ist heute ein absolutes Hightech-Unternehmen. Wir verkaufen jährlich zwar auch tausende analoge Kameras, haben aber ebenso hervorragende Digitalkameras, die von Topfotografen, Künstlern und ambitionierten Amateuren auf der ganzen Welt eingesetzt werden. Wir bauen definitiv die besten Objektive der Welt. Dazu kommt die Fernoptik nicht nur für Jagd, sondern auch für Birdwatching und Naturbeobachtung und seit letztem Jahr bieten wir Home Cinema Projektoren an. Zudem haben wir Brillengläser im Sortiment. Die mechanischen Uhren sind ein Teil des Markenportfolios und weitere Produktkategorien werden folgen.

Wie kriegt man Kameras und Uhren für Sammler inhaltlich zusammen?

Nur ganz wenige wissen, dass Ernst Leitz I, unser Gründervater, mit 20 Jahren in die Schweiz nach Neuchâtel ging und dort eine Uhrmacherausbildung absolvierte. Er lernte, wie man Uhren konstruiert und in Serie fertigt. Mit diesem Know-how ist er nach Wetzlar zurückgegangen und fing an, die besten Mikroskope der Welt zu bauen. Sein Sohn Ernst Leitz II. entschied, die Leica 1 zu bauen, die erste Kleinbildkamera der Welt, die das Fotografieren revolutionierte. Zudem ist es so, wenn man unsere ikonische Leica M6 demontiert, findet man unter der Deckkappe einen mechanischen Zeitmesser für den Verschluss, der die Belichtungszeiten steuert, inklusive Räderwerk, Federhaus und Brücken. In jeder Leica-Kamera steckt also Uhrmacher-Expertise.

Reicht das aus, um Sammler zu begeistern?

Vielleicht nicht im ersten Schritt, aber mir wurde die enge Verbindung erst klar, als ich erkannte, dass diese Technik und Mechanik bis heute in den analogen Leicas wie der eben erwähnten M6 stecken. Wer das sieht, erkennt sofort die Verbindung von Uhr und Kamera: Man sieht es nicht nur, man hört es auch: Die M6 ist ein exakter mechanischer Zeitmesser. Es gibt keinen Grund, warum Leica nicht auch Uhren herstellen sollte, aber es ist ein weiter Weg.

Ohne Dr. Kaufmann gäbe es das alles nicht mehr. Er hat im Jahr 2004 Leica mit seinem privaten Geld gerettet.

Ja, wir verdanken ihm viel. Wie bei den wenigen Uhrenfirmen in der Schweiz, die noch in Familienbesitz sind, ist die ganze Familie Kaufmann hier mit Herz und Seele dabei. Frau Rehn-Kaufmann betreut den Kulturbereich. Seine Tochter Charlotte ist unsere Marketingleiterin und ihr Ehemann ist mein CO-MD bei den Ernst Leitz Werkstätten. Auch die Geschwister von Charlotte Kaufmann sind im Unternehmen aktiv.

Bei vielen Firmen ist das Label Swissmade sehr wichtig. In Deutschland ist Glashütte zu einem Label für Qualität geworden, der Schwarzwald ist trotz langer Historie im Hintertreffen. Ist der Standort bei Frankfurt im Uhren-Niemandsland ein Nachteil?

Schauen Sie sich doch um. Der Ernst Leitz Park ist ein Segen. Amerikanische und japanische Leica-Kunden fliegen sogar den Umweg über Frankfurt, um hier halt zu machen. Ich würde mal sagen: Viele Schweizer Uhren-CEOs dürfen von dem, was wir hier haben, nur träumen: Hotel, Restaurant und Café, dazu das firmeneigene Leitz-Museum mit Bildarchiv und natürlich die Produktionsstätten und der Leica-Store. Ich kenne keine Uhrenfirma, die solche Erlebniswelten am Stammsitz anbietet.

Würden Sie Leica als Luxusmarke bezeichnen?

Natürlich sind Leica-Kameras hochpreisig, da eine Kamera mit Objektiv oftmals über 10.000 Euro kostet. Aber unsere Kameras sind vor allem Werkzeuge zum Erschaffen von Emotionen und Erinnerungen und nicht reine Luxusprodukte. Und das finde ich sehr gut.

Lehmann Präzision fertigt die Handaufzugs-Linie ZM 1 und ZM 2. Wie kam der Kontakt mit Markus Lehmann zustande?

Das ist für mich auch absolut authentisch: Diese Firma baut Maschinen, die wir in der Produktion nutzen und war groß genug, um eine gewisse Serienproduktion zu starten, gleichzeitig aber klein genug, um an so einem kleinen Auftrag Interesse zu haben. Die wichtigste Frage lautete 2015 ja: Was wollen wir überhaupt mit den Uhren? Umsatz machen ist selbstverständlich und natürlich das Produktportfolio verbreitern, aber wir wollten auch weiter in das Luxussegment expandieren. Man hat sich dann für ein Handaufzugs-Kaliber entschieden, und zwar ein zusammen mit Lehmann entwickeltes Manufakturwerk. Das ist schon extrem anspruchsvoll, so anzufangen.

War den Machern klar, dass Handaufzugsuhren für über 10.000 Euro eine Nische sind?

Wir wollten Handaufzugsuhren, weil man wie bei einer Kamera eine konstante Interaktion zwischen Träger und Produkt hat und so eine engere Verbindung schafft. Aber: Das ist natürlich ein bisschen Nische, zugleich aber etwas Besonderes.

Besonders ist auch, dass historisierenden Designelemente wie bei vielen Glashütter Uhren fehlen.

Wir haben dafür Leica typisches Design in viele Bauteile einfließen lassen und diese mit spannenden Komplikationen kombiniert: Dazu gehört die patentierte Drückerkrone, die an den Kamera-Auslöser erinnert. Und die Gangreserve-Anzeige besteht aus zwei schwarzen Lamellen, auch das ist patentiert. Alle Drücker haben zudem eine unterschiedliche Form, damit man sie wie bei einer Leica-Kamera ertasten kann und haptisch spürt, welche Funktion man gerade bedient. Selbst die Form der legendären M-Kameras erkennt man in der Seitenansicht des Uhrengehäuses mit seinen Bandanstößen. Und da Leica-Fotografie sehr viel mit Reisen zu tun hat, zeigt die ZM 2 eine zweite Zonenzeit an, die über die zweite Krone bedient wird. Auch die Anordnung der Brücken im Uhrwerk ist kein Zufall: Mit ein bisschen Phantasie erkennt man den Leitz Park mit seinen Gebäuden von oben. Besonders gefällt mir das Finishing des Werkes, das nicht verziert oder graviert ist, sondern sandgestrahlt mit anglierten Kanten. Das muss bei Leica auch industriell aussehen, weil wir ein Industrieunternehmen sind.

Das klingt nach sehr viel Innovation für eine neue Uhrenmarke. Haben Sie keine Angst, dass es im After Sales Service viele Rückläufer geben könnte?

Natürlich gibt es bei einem neuen Kaliber Kinderkrankheiten, die es zu beheben gilt, aber niemand muss uns etwas in Sachen Präzision vormachen: Wenn man mechanische Kameras mit 1/1000tel Sekunde Verschlusszeit produziert, ist der hausinterne Qualitätsanspruch selbstverständlich.

Leica hat 2023 eine zweite Uhrenlinie lanciert, die ZM 11 und in diesem Jahr die ZM 12. Komplett anders im Look, mit Schweizer Automatikwerken von Chronode, also doch kein Made in Germany mehr?

Warum machen wir zwei Uhrenlinien: Eine reicht nicht, und wir wollen preislich ein breiteres Publikum erreichen. Und ein Automatikkaliber gehört einfach dazu, aber Lehmann hatte nicht die Kapazitäten. Da hat man sich für die Firma Chronode entschieden. Deren Uhrwerk ist für unsere Zwecke aufwändig adaptiert und komplett anders gefinished und wird mit eigenem Aufzugsrotor versehen.

Diese Linie ist weniger inspiriert von der Hardware in den Leica-Kameras als die ersten beiden Modelle, sondern mehr von der Welt der Fotografie. Es geht darum, wie Licht und Schatten aus verschiedenen Perspektiven das verändern, was man sieht. Was ist das Besondere an diesen Uhren? Das Zifferblatt. Es ist zweilagig und auf dem eigentlichen Blatt liegt eine Art Grill. Auch der wird lackiert und ist sehr aufwändig herzustellen. Das ist mal etwas anderes als die horizontalen Streifen auf einer Patek Nautilus. Bei uns ist dieses Element zweifarbig und zweilagig, das ist einzigartig, sagen mir viele Sammler. Dazu kommt ein selbst entwickeltes Easy Change System für die Armbänder in Anlehnung an die Wechselobjektive der Kameras. Man drückt auf der Gehäusebodenseite auf den roten Knopf und das Armband ist demontiert.

Wo geht die Reise mit den Leica-Uhren hin?

Die Zukunft wird nicht Revolution sein sondern Evolution. Ich bin nicht jemand, der in eine Firma reinkommt und sagt: Macht alles neu. Wir sind erst seit drei Jahren am Markt. Da muss man vorsichtig das anfassen, was da ist, muss es natürlich konstant verbessern und weiterentwickeln. Die Basis ist gut. Im Februar diesen Jahres wurden drei weitere Modelle lanciert und im April kam die ZM 12 Blue Orange, die mit 39 Millimeter etwas kleiner als die ZM 11 mit 41 Millimetern. Das ist das bisher auffälligste Modell und tatsächlich jetzt schon die Uhr, die sich am besten verkauft.

Welche Stückzahlen peilen Sie an?

Wir haben gerade erst angefangen. Wir wollen aus Leica keine pure Uhrenmarke machen, das bleibt noch lange ein spannender Zusatz für das Kerngeschäft Kameras. Aber wir wollen als seriöse Uhrenmarke wahrgenommen werden. Das beweisen wir auch mit den Produkten, die wir haben: Fünf, respektive sieben Komplikationen in den ersten beiden Uhren, das ist doch schon was. Es ist noch ein weiter Weg, den wir vor uns haben. Wir haben auch nicht die Ressourcen, um alle zwei Jahre mit einem neuen Manufakturkaliber auf den Markt zu kommen. Vielleicht mal 3.000 bis 5.000 Uhren halte ich für eine gesunde Zielgröße.

Wie sehen Sie den Unterschied zu anderen Luxusmarken, die auch Uhren herstellen wie Montblanc oder Hermès?

Ich sehe keine Marke, die eine so emotionale und zugleich technische Marke wie Leica im Hintergrund hat. Und der Unterschied zu Montblanc oder anderen Lifestyle-Uhrenmarken ist für mich: Wir haben die Geschichte unseres Gründers, der als Uhrmacher angefangen hat. Die Berechtigung, dass Leica auch Uhren herstellt, ist bei uns deutlich stärker gegeben als bei Marken, die einfach nur sagen: Uhren sind ein cooles emotionales Produkt, da wollen wir jetzt auch rein.

Dennoch wollt ihr auch in andere Luxusbereiche, die Ernst Leitz Werkstätten werden ja keine reine Uhrenmanufaktur. Was ist noch geplant?

Wir machen als Ernst Leitz Werkstätten nicht nur Uhren, sondern alle „Non technical lifestyle Accessoires“ von Leica. in diesem Herbst wird es etwas im Bereich Lederwaren zu sehen geben, mehr verrate ich nicht. Also sieht die Produkt-Pyramide so aus: Oben Uhren, dann Accessoires und dann als Basis Brand Accessoires. Lederwaren bieten sich als nächster Schritt einfach an. Zumal wir in früheren Jahrzehnten auch schon intern Leder verarbeitet haben. Das Leder liefert übrigens derselbe Produzent, der auch das Material für Sonderedition unserer High-End-Kameras herstellt.

Als Vertriebsprofi, welche Märkte werden entscheidend für die Zukunft, damit das Uhren-Business funktioniert?

Für mich sind das vor allem zwei Märkte, die USA und Japan. Die Japaner haben einen geradezu besessenen Qualitätsanspruch. Wenn man es da schafft, schafft man es überall und in den USA spüre ich mehr Offenheit gegenüber neuen Uhren-Marken, auch wenn Leica über 100 Jahre alt ist.

Passt die derzeitige Distribution zu diesen Märkten?

Wir haben die meisten Leica Stores in Asien. Auf dem zweiten Platz kommt Europa. Und in den USA sind wir sicherlich noch ausbaufähig, aber das ist ein Bereich, den meine Kollegen bei der Leica Kamera AG betreuen.

Leica verfügt heute über 100 eigene Stores auf der ganzen Welt, sollen die Uhren nur dort vertrieben werden? Kann ein Kamerahändler Uhren verkaufen?

Die Uhren gibt es derzeit nur in der Hälfte der weltweit knapp über 100 Stores. Auf Personalebene arbeiten bei uns schon viele Menschen, die Erfahrung mit Uhren haben: Der USA-Chef war 20 Jahre lang bei Montblanc, der Außendienstler für die amerikanische Ostküste war lange bei Franck Muller. Wir haben Store-Manager, die bei Hublot waren. Und wir haben in China eine Managerin, die war Retail-Chefin für IWC. Von daher ist unsere Uhrenkompetenz größer als man denkt. Aber die Vielzahl der Verkäufer in den Stores sind bis auf ein paar Ausnahmen sehr auf Kameras fokussiert: Die Kollegen sind ja nicht ohne Grund Kamera-Verkäufer geworden und lieben vor allem die Fotografie. Das ist sicherlich eine Herausforderung.

Wie sieht es mit dem klassischen Handel aus? Den großen Juwelieren laufen ja einige großen Uhren-Marken weg, die lieber auf Monobrand-Stores setzen.

Wir stehen bei den Juwelieren ganz am Anfang. Wir haben bislang nur einen aufgemacht, und den ganz bewusst in Wetzlar vor der Haustür, damit man sich das mal im Detail und am Display anschauen kann, im Schaufenster und einfach lernt. Ich habe den Inhaber letzte Woche zum Abendessen getroffen. Er sagt, er verkauft wahnsinnig gerne Leica Unren, da er so schöne Stories dazu zu erzählen hat. Aber wir brauchen natürlich mehr. Es gibt auch durchaus Händler, die uns gerne nehmen würden, die aber gegenwärtig nicht den passenden Platz haben. Wir müssen zudem ins richtige Markenumfeld kommen. In Deutschland ist zudem die konservative Einstellung eine Herausforderung, man verkauft halt dann doch lieber die Rolex, bevor man sich auf etwas Neues einlässt.

Aber sind die Leica-Stores, wie ihr sie nennt, ein guter Anlaufpunkt für Uhrenfans? Porsche Design versucht es ja auch über die eigenen Autohäuser.

Da widerspreche ich: Die Leica-Stores funktionieren nämlich ganz anders als klassische Luxusgeschäfte, weil man sofort Teil der Leica-Familie wird. Und wirklich niemand, den ich kenne, hat Angst davor, in ein Kamerageschäft zu gehen. Das kann ein echter Vorteil gegenüber Luxus-Uhrengeschäften sein, zumal sich andere Independent-Uhren-Brands die Finger nach Geschäften in solchen Lagen ablecken würden. Nichtsdestotrotz bleibt es eine Herausforderung, in einem so auf Kamera getrimmten Umfeld mechanische Uhren zu verkaufen.

Wer sind die bisherigen Kunden? Und stört es die Kamera-Kunden nicht, wenn das teuerste Produkt im Laden nun eine Uhr ist?

IEs kann zwar mal sein, dass eine Uhr das teuerste Produkt im Store ist, aber wir haben zum Beispiel auch Objektive, die weit über 10.000 Euro kosten. Da mache ich mir keine Sorgen. Es gab und gibt viele Leica-Enthusiasten, die gleich zu Beginn gekauft haben, wir hatten anfänglich sogar Wartelisten. Was aber klar ist: Wir werden nicht erfolgreich sein, wenn wir nur Uhren an bestehende Leica-Kunden verkaufen. Und deswegen ist eine wohldosierte externe Distributionserweiterung wichtig.

Welche Bedeutung haben mechanische Uhren für Sie persönlich und wie ist Ihr Bezug zur Mechanik entstanden?

Meine erste Uhr habe ich mit sieben Jahren bei einem Juwelier in Göttingen bekommen. Das war eine Seiko Automatik, 36 Millimeter, für 140 D-Mark. Die habe ich immer noch. Ich weiß noch genau, im selben Geschäft wurde Werbung für James Bond Uhren gemacht, und James Bond trug damals eine 499-D-Mark teure Seiko Digital. Die hätte ich gern gehabt. Später kam eine Casio dazu. Ich träumte damals von der Longines Lindbergh oder einer Omega Speedmaster. Rolex war nie mein Ding. Ich habe später bei Cartier eine Pascha als Trageuhr bekommen, die mit dem Gitter drauf. Das war schon sehr speziell. Ich bereue es ein bisschen, dass ich die Uhr Jahre verkauft habe, immerhin ein Gerald-Genta-Design. Danach habe ich bereits 1999 meine erste Panerai, eine Luminor Marina, gekauft.

Sie sprechen nicht über IWC-Uhren, obwohl Sie 17 Jahre dort gearbeitet haben?

Doch, natürlich. Ich habe generell drei Uhrenmarken: Ich trage heute natürlich Leica, aber ich habe auch IWC und Panerai gesammelt. Mein Favorit bei IWC ist die Big Ingenieur, die ich in Roségold mit Lederband und in Stahl habe. Die haben stattliche 45 Millimeter Durchmesser. Das Manufakturkaliber 51113. Ich finde auch die Big-Pilot gut. Die habe ich in Weißgold mit grauem Zifferblatt, was sehr selten ist. Von der Portugieser habe ich zwei ewige Kalender, einen davon habe ich zum Abschied von CEO Christoph Grainger-Herr bekommen.

Was waren Ihre ersten Business-Entscheidungen bei Leica, was wollen Sie ändern?

Ich gehöre jetzt aber nicht zu denen, die alles gleich ändern wollen und müssen. Meines Erachtens ist das auch ein Zeichen von Schwäche und Unsicherheit, wenn man nicht akzeptieren kann, dass vieles von dem, was die Vorgänger gemacht haben, gut war und gut ist. Und dafür bin ich auch dankbar, weil ich finde, vieles von dem, was wir im Sortiment haben, ist sehr schön. Aber man kann und muss einiges noch weiter perfektionieren. Aber die Basis ist gut, beide Uhrenlinien sind für mich typisch Leica.

Das Allererste war, dass ich den Glass Dome, eine als Objektiv-Verpackung gedachte Aufbewahrung für die Uhren, für alle Uhrenlinien als Standardverpackung eingeführt habe. Meines Erachtens ist das eine absolut ikonische Uhrenverpackung. Dann habe ich natürlich gewisse personelle Entscheidungen getroffen, auf die ich jetzt im Einzelnen nicht eingehen möchte.

Macht es Sinn, limitierte Uhren zu besonderen Kamera-Modellen zu verkaufen, wie Ihr es mit der ZM 1 bzw. ZM2 Monochrom gemacht habt?

Achtung, die ist nicht limitiert. Es macht durchaus Sinn, gelegentlich den Schulterschluss mit den Kameras zu wagen. Es gibt Ideen, und die gibt es auch schon als Renderings, wie man gewisse Kamera-Merkmale oder bestimmte Kameras noch besser mit zukünftigen Uhren zusammenbringen kann. Wir reden hier von einem Vorlauf von mehreren Jahren.

Wie schätzen Sie die Zukunft der Branche nach der aktuellen Krise die Uhrenindustrie ein?

Wenn ich mir den Zustand der Welt anschaue, bin ich kein Optimist. Und auch aus Deutschland kommt wenig Positives. Ich denke, dass in Zukunft die starken Marken sogar noch stärker werden. Nur ein paar Übrige werden es schaffen, sich ein gewisses Nischendasein zu erarbeiten.

Macht es langfristig Sinn, auf zwei Produzenten von Uhrwerken zu setzen, dazu auf einen deutschen Hersteller wie Lehmann und dann auf einen Schweizer Produzenten wie Chronode?

Die Challenge besteht darin: Lehmann hat gar nicht die Produktionskapazitäten, die wir für eine zweite Produktlinie brauchen. Andererseits ist grundsätzlich nicht alles bei Leica Made in Germany, sondern es ist Made by Leica. Wir streben langfristig danach, mehr Made by Leica im Uhrenbereich hinzukriegen. Es wäre schön, wenn das Made in Germany wäre, weil letztendlich der Stammsitz von Leica in Wetzlar ist. Aber man muss geduldig sein. Fest steht: Wir machen ganz viel in Deutschland, wir beziehen aber auch Teile aus anderen Ländern.

Leica steht für Präzision, die Uhren auch. Wäre für Leica-Uhren nicht ein Gangschein oder ein Chronometerzertifikat sinnvoll?

Das mit dem Gangschein haben wir gemacht, machen wir aber nicht mehr. Die ZM 11 und ZM 12 entsprechen in Sachen Ganggenauigkeit einem Chronometer-Zertifikat mit Minus 4 bis plus 6 Sekunden/Tag, bei der ZM 1 und ZM 2 übertreffen wir das Niveau sogar noch mit 0 bis plus 6 Sekunden pro Tag. Es wurde aber schon vor Jahren entschieden, dass wir keine eigene Chronometer-Zertifizierung wollen. Mir ist es wichtiger, dass unsere Uhren die Anforderungen in diesem Preissegment voll erfüllen. Und auch wenn ich weiß, dass es einige Kunden sehr zu schätzen wissen, treibt es auch die Kosten weiter in die Höhe und verlängert den Produktionsprozess. Entscheidend ist, dass die Uhren sehr ganggenau arbeiten.

Apropos genau: Würden Sie denn Quarzuhren für Leica grundsätzlich ausschließen?

Ich schließe ungern etwas kategorisch aus, bin aber persönlich kein Fan von Quarz. Zumindest nicht für Luxusuhren.

Wie hält es Leica mit dem Thema Nachhaltigkeit bei Uhren?

Persönlich liegt mir die Umwelt wirklich am Herzen. Mein CO2-Fußabdruck ist aufgrund der weltweiten Reisen leider nicht so toll und ich weiß, die Umwelt liegt vielen Kunden am Herzen. Aber ehrlich gesagt, leider nicht so sehr, wie sich das die eine oder andere Marketingabteilung eines Uhrenherstellers vorstellt. Grundsätzlich ist es doch so, dass man mit mechanischen Uhren ja schon was fantastisch umweltfreundliches macht. Es ist keine Batterie drin, die Modelle können auch in 100 Jahren noch repariert werden. Und man darf nicht vergessen, dass sich die Leica Kamera AG grundsätzlich auf bestimmte Nachhaltigkeitsprinzipien verpflichtet hat. Ich habe erst vor ein paar Tagen unseren jährlichen CO2-Report durchgelesen. Ich empfehle, sich zum Beispiel unser Certified Pre-Owned Projekt für Kameras anzusehen: Der Konzern verkauft historische Kameras an, repariert sie und verkauft sie wieder, oft Modelle mit vielen Jahrzehnten auf dem Buckel. Das nenne ich nachhaltig.


leica-camera.com

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