Quarz ist ein bedeutendes Segment für die 1847 in Paris gegründete Marke Cartier. Wie bedeutend, ist nicht bekannt. Denn die heutige Richemont-Marke (seit 1997) gibt kein offizielles Statement dazu ab, in wie vielen ihrer Uhren ein Quarz schwingt beziehungsweise ein mechanisches Herz tickt.

Um Missverständnissen vorzubeugen: die Autorin dieses Artikels schätzt und besitzt batterie- und solarbetriebene Uhren gleichermaßen wie solche mit Mechanik-Antrieb. Letzteres ist aber im wahrsten Sinne des Wortes ein ganz anderes Kaliber.

Und dieses beherrscht die Manufaktur Cartier ebenso brillant wie die Kreation schmucker Zeitmesser mit Quarzantrieb. Allerdings: Die Technik muss sich dem Design anpassen und nicht umgekehrt, so die Philosophie von Cartier, dem sogenannten Juwelier der Könige. Das bedeutet aber nicht, dass der technische Aspekt zweitrangig wäre. Im Gegenteil.

Jüngster Beleg sind die beiden neuen Versionen der Tank Louis Cartier, welche erstmals mit einem Automatikwerk bedacht wurden: dem Manufaktur-Kaliber 1899 MC. Es bietet eine Gangreserve von 38 Stunden und wurde 2019 speziell für schlanke Gehäuse eingeführt. Die Bezeichnung 1899 MC verweist auf das Eröffnungsjahr der berühmten Cartier-Boutique in der Rue de la Paix Nr. 13 in Paris, die noch heute existiert.

Ein schöner Anlass, neben den Blick auf diese Neuheit einen ebensolchen auf die tickende Vergangenheit mit Automatikaufzug von Cartier zu werfen.

Cartier: Vom Juwelier zum Uhrmacher

Gestartet als purer Juwelier und Hersteller außergewöhnlicher Schmuckstücke – bis heute eine der Kernkompetenzen des Unternehmens – begann Cartier ab 1859 auch mit der Fertigung von Taschenuhren.

Aber erst ab 1898, mit dem Eintritt der dritten Generation der Gründerfamilie – den Brüdern Pierre, Jacques und Louis Cartier – sollten Uhren zum wichtigen Geschäftszweig des Unternehmens werden.

Vor allem Louis Cartier sorgte dafür, dass das Unternehmen nun auch in puncto Zeitmessung schnell an Prestige gewann. Dabei war er nicht nur ein großer Liebhaber der Uhrmacherkunst, sondern zudem gesegnet mit einem ausgeprägtem Stilempfinden und dem Bestreben, echte Designklassiker zu kreieren, die die Zeit überdauern.

Schon früh widmete er sich der Gattung der Armbanduhren. Diese hatte zunächst nur die Damenwelt für sich entdeckt: die erste bekannte Armbanduhr stammt aus dem Jahr 1806 und gehörte der Prinzessin Auguste Amalia von Bayern. Erst viel später, im beginnenden 20. Jahrhundert, begannen auch Männer die Vorteile des Tragens eines Zeitmessers am Handgelenk zu schätzen, zunächst vor allem Piloten und Militärs.

Da hatte Cartier schon längst einige luxuriöse Armbanduhren präsentiert. Es folgten die Santos (1906), die Tank (1917) und die Pasha (1932) – allesamt Designikonen der heutigen Uhrenwelt.

Selbstredend waren diese mit mechanischen Handaufzugswerken ausgestattet. Die Oyster Perpetual von Rolex aus dem Jahr 1931 gilt als die erste funktionsfähige Automatikarmbanduhr mit einseitig aufziehbarem Rotor.

Als die Cartier-Werke automatisch laufen lernten

1907 schloss Cartier einen Vertrag mit Edmond Jaeger über die Lieferung exklusiver Uhrwerke. In den frühen 1920er-Jahren gründeten sie dann gemeinsam die European Watch & Clock Company Inc., die ausschließlich für Cartier produzierte.

Cartier verwendete später auch Uhrwerke von anderen Zulieferern wie Piaget, Concord Watch Company SA (Weckerwerke), Frederic Piguet, Ebel und ETA.

1992 eröffnet Cartier schließlich eine eigene Produktionsstätte in Villeret-Saint-Imier. Dort wurden jedoch nur batteriebetriebene Werke produziert. Es war die strategische Konsequenz aus der Quarzkrise der 1970er- und 1980er-Jahre, infolgedessen Mechanikuhren in der Versenkung zu verschwinden drohten. Auch Cartier fokussierte sich zunächst auf den Bau und Verkauf von Quarz-Versionen ihrer berühmten Modelle.

Als mechanische Uhren wieder verstärkt nachgefragt wurden, schloss man diese Fertigungsstätte jedoch und verkaufte sie im Jahr 2000. Heute produziert hier das zur Swatch Group gehörende Unternehmen Nivarox-Far verschiedene Uhrwerkskomponenten.

2001 eröffnete Cartier eine neue Manufaktur im Schweizerischen La-Chaux-de-Fonds und begann hier, auch eigene Mechanikwerke zu entwickeln und zu fertigen. Dies waren und sind perfekt auf die eigenen Bedürfnisse zugeschnitten.

Von 2005 bis 2020 war Carole Forestier-Kasapi – die „Königin der Kaliber“ – Chefin der Entwicklungsabteilung und zeichnete für zahlreiche innovative Konzepte verantwortlich. Man könnte also sagen, dass erst sie Cartier zu einem echten Hersteller komplizierter mechanischer Uhren gemacht hat.

2010 erschien das erste hauseigene Automatikwerk, das 1904 MC. Es verfügt über ein Doppelfederhaus für eine erhöhte Gangreserve und Ganggenauigkeit sowie ein Keramikkugellager und wurde erstmals in der Calibre de Cartier verbaut, heute kommt es nicht mehr zum Einsatz.

Das 1904 Chrono MC

2016 folgte das Kaliber 1904 Chrono MC, welches Cartier heute als eines der aktuell wichtigsten benennt. Es ist mit zwei Federhäusern, beidseitig aufziehendem Rotor sowie einer 47-stündigen Gangreserve ausgestattet. Es schwingt mit vier Hertz und bietet Stunde, Minute, kleine Sekunden sowie Stoppfunktion.

25,58 Millimeter im Durchmesser und 5,715 Millimeter hoch setzt es auf eine Schaltradsteuerung sowie eine energiesparende Reibungskupplung. Insgesamt besteht es aus 269 Teilen und kommt unter anderem in den Chronographen der Kollektionen Santos und Pasha zum Einsatz. Benannt ist es nach der ersten Santos von 1904.

Das 1847 MC

Ein Jahr vor dem 1904 Chrono MC erschien 2015 das 1847 MC, dessen Bezeichnung auf das Gründungsjahr von Cartier verweist. Die Manufaktur beschreibt es selbst als alltagstauglich, was zu der Annahme führt, dass dieses Werk vielleicht nicht in technischer Hinsicht Highend, wohl aber in puncto bewährter Zuverlässigkeit und Einsatzmöglichkeiten ein unverzichtbarer Allrounder ist.

Es bietet eine Gangreserve von 40 Stunden, die Funktionalitäten Stunde, Minute, Datum bei 3 Uhr sowie eine zentrale Sekunde. Sein Arbeitsrhythmus beträgt vier Hertz, das heißt es schwingt mit 28.800 Halbschwingungen pro Stunde. Die 165 Komponenten ergeben einen Durchmesser von 25,6 und eine Höhe von 3,765 Millimeter.

Die Ausstattung des Kalibers 1847 MC beinhaltet einen kugelgelagerten Rotor, einen Unruhstopp, eine Incabloc-Stoßsicherung, einen Schweizer Anker, eine Flachspirale und eine Glucydur-Unruh mit drei Schenkeln.

Eingeführt im Jahr 2015 und ursprünglich entwickelt für die Clé de Cartier, kommt es heute unter anderem in den Kollektionen Santos und Ballon Bleu zum Einsatz.

Das 1853 MC

Ein weiteres Automatikwerk von Cartier ist das 1853 MC. Es spielt auf das Jahr an, in dem erstmals Uhren in den Verzeichnissen des Unternehmens auftauchen: Taschenuhren für Herren, Anhänger-Uhren, Broschen oder Châtelaines für Damen. Mit dem 1853 MC werden beispielsweise die 33-Millimeter-Versionen der Ballon Bleu ausgestattet. Es bietet eine 47-stündige Gangreserve.

Automatik der Extraklasse von Cartier

Zu den absoluten Highlights der Automatikwelt von Cartier zählt die ebenfalls 2015 lancierte und streng limitierte Rotonde de Cartier Grande Complication Skeleton, welche auf dem damaligen Salon International de la Haute Horlogerie (SIHH) eine echte Sensation war.

Sie vereint drei Komplikationen: einen Ewigen Kalender, eine Minutenrepetition und ein fliegendes Tourbillon. Fünf Jahre dauerte die Entwicklung der bis dahin komplexesten Uhr von Cartier. Umgerechnet kostete sie damals über 530.000 Euro. Die Herstellung einer einzigen Uhr dauerte mehrere Monate.

Dank der Skelettierung gut sichtbar ist das taktgebende Innenleben in Form des Automatikkalibers 9406 MC, bestehend aus 578 Komponenten und einer Gesamthöhe von lediglich 6,72 Millimetern (ohne Tourbillon 5,49 mm). Das mit dem Poinçon de Genève zertifizierte Werk ist mit einem Mikrorotor mit zwei Ebenen ausgestattet, der die Aufzugsgeschwindigkeit reduziert und gleichzeitig den Energieverlust begrenzt.

Mit dem 9406 MC betrat Cartier endgültig die Welt der hohen Uhrmacherkunst, sprich der Haute Horlogerie.

2020 folgten drei neue Rotonde de Cartier-Modelle: die Rotonde de Cartier Minute Repeater Mysterious Double Tourbillon, die Rotonde de Cartier Mysterious Hour Skeleton und die Rotonde de Cartier Grande Complication Skeleton. Während den ersten beiden Ausführungen per Handaufzug Energie zugeführt wird, bezieht die dritte Version diese über das hauseigene skelettierte Automatik-Kaliber 9506 MC mit Poinçon-de-Genève-Zertifizierung. Es besteht aus 578 Teilen, verfügt über eine Gangreserve von 50 Stunden und eine Frequenz von 3 Hz.

Um Skelettierung ging es auch im Jahr 2023, als Cartier das neue, aus 212 Einzelteilen bestehende Automatikkaliber 9629 MC nach zweijähriger Entwicklungszeit auf der Watches & Wonders in einer Santos Dumont vorstellte. Letztere zeigte sich so erstmals mit einem skelettierten Uhrwerk.

Das Ergebnis war eine unübersehbare Hommage an den Flieger Alberto Santos-Dumont, für den Louis Cartier 1904 die erste moderne Armbanduhr entwickelte hatte.

Es verfügt über einen originellen Mikrorotor, der eine Miniatur des revolutionären Flugzeugs Demoiselle darstellt, das Alberto Santos-Dumont 1907 selbst entwickelt hatte. Das Kaliber hat eine Frequenz von 3,5 Hertz und bietet eine Gangreserve von 44 Stunden.


cartier.com

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