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Auf ein Lunch mit: BREITLING CEO Georges Kern

Auf ein Lunch mit: BREITLING CEO Georges Kern

lunch with breitling ceo georges kern
19. Juli 2018

Georges Kern ist seit knapp einem Jahr CEO von BREITLING und hat gewaltig umgekrempelt. Im Restaurant Napa Grill in Zürich, unweit vom neuen BREITLING Office trafen wir den Realist und Visionär zu einem exklusives Interview für Swisswatches und erfuhren, warum sich derzeit alle Marken auf ihre Wurzeln zurückbesinnen, warum es trotz des digitalen Hypes niemals BREITLING Uhren ausschließlich online zu kaufen geben wird und warum die analoge Uhr der neue Luxus ist.

1. Was bedeutet für Sie eine mechanische Uhr, welche Uhr tragen Sie heute und welches Modell tragen Sie am häufigsten?


Für mich bedeutet eine mechanische Uhr grundsätzlich Handwerkskunst, Technologie, Emotionen und in gewisser Hinsicht auch etwas, das ich verstehen kann und einen Bezug dazu habe. Man entwickelt eine ganz andere Wertschätzung für eine mechanische Uhr als für eine nicht-mechanische Uhr, sei es eine Digital- oder Quarzuhr. Meistens verbinden die Menschen mit ihrer mechanischen Uhr einen bestimmten emotionalen Moment – es geht nicht nur darum, die Zeit zu lesen.

Heute trage ich die neue Navitimer 8. Abgesehen davon trage ich viele Prototypen, denn ich brauche eine gewisse Zeit, bis ich mich für ein neues Modell entschieden habe. Ich schaue mir viele Zeichnungen an, bespreche es mit den Designern, schaue sie mir wieder an, schlafe 10 Nächte darüber und kann dann erst entscheiden, wie die Uhr auf mich wirkt, ob sie mich ästhetisch anspricht und wie sie sich im Alltag anfühlt. Es gibt Uhren, die man zuerst nicht besonders mag, dann aber mit der Zeit lieb gewinnt. Es gibt Uhren die man sofort toll findet, dann aber auf einmal langweilig werden und Uhren, die man tagelang tragen kann und man fühlt sich immer wohl damit. Letzteres wollen wir natürlich erreichen.

Navitimer 8 B01 Chronograph 43 in 18-karätigem Rotgold mit Bronze-Ziffernblatt

2. Heute sind Sie seit ca. einem Jahr CEO von BREITLING und Sie haben eine gewaltige Road-Show durch die ganze Welt hinter sich. Was sind für Sie die wichtigsten Eindrücke, die Sie daraus gewonnen haben? Und welche neuen Herausforderungen haben sich ergeben?


Wenn man seit vielen Jahren in der Branche ist, entwickelt sich ein gewisses Grundverständnis für die Industrie und für spezifische Eigenheiten einer Marke. Man muss die Fähigkeit besitzen, sich auf eine Marke einzulassen, um sie noch besser zu verstehen und zukunftsweisende Entscheidungen treffen zu können. Strategisch gesehen – und da habe ich meine Meinung nicht geändert – haben wir es mit zwei sehr unterschiedlichen Communities zu tun, die wir zusammenführen müssen. Wie kann ich die klassische BREITLING Community, die Vintage Uhren der 50er, 60er und 70er Jahre liebt und die uns so stark gemacht hat bedienen, und gleichzeitig die sehr treue Kundschaft von heute, also die Fans der großen, lauten Pilotenuhren von unseren neuen Produkten überzeugen.

3. Ihr erstes Produkt bei der Marke ist die Navitimer 8. Ist das ein strategisches Produkt, womit Sie neue Märkte erschließen wollen und eine neue Zielgruppe ansprechen? Was waren für Sie die ausschlaggebenden Argumente für die neue Navitimer 8?


BREITLING hat eine starke und etablierte Verbindung zur Fliegerei. Wir hatten aber bisher keine historische Fliegeruhr im Sortiment. Es gibt moderne Pilotenuhren in der Kollektion, aber nichts, was die Geschichte der Marke aus den 30er, 40er und 50er Jahren reflektiert. Ein weiterer Aspekt ist das Design der damaligen Zeit. Die Uhren waren damals kleiner. Wir wollten also diese beiden Aspekte in der neuen Kollektion berücksichtigen, um dadurch neben der bestehenden eine neue Kundschaft anzusprechen. Es gibt wie gesagt ein Klientel (vor allem in Asien), die sich eine klassischere Uhr wünscht, die etwas kleiner und flacher ist und ein gewisses ‚Understatement’ ausdrückt. Also diese drei Aspekte: Historie, Design und Markterschliessung waren ausschlaggebend für die Navitimer 8.

4. Die Navitimer 8 und sogar Navitimer 1 sind auch ohne Chronographen- Funktion erhältlich. Sehen Sie einen Trend, dass für die (potenzielle) BREITLING Kundschaft der Zukunft diese Funktion weniger ausschlaggebend ist, sich für eine BREITLING Uhr zu entscheiden? Immerhin ist die Marke bekannt und geschätzt für seine Chronographen.


Erstaunlich ist ja, dass oft nicht bekannt ist, dass BREITLING den modernen Chronographen erfunden hat – das haben wir in vielen Gesprächen u.a. auch während unserer Roadshow realisiert. Ich finde es schade, dass man das in der Vergangenheit nicht mehr kommuniziert hat. Natürlich brauchen wir auch Automatik-Uhren sowie Dreizeiger-Uhren, weil ein Markt dafür existiert. Ich sehe nicht ein, warum wir uns dem Preisbereich zwischen 3.000 bis 4.500 Euro verschließen sollten. Wir haben immer Dreizeiger-Uhren hergestellt und müssen das ausbauen. Natürlich wird dabei der Chronograph immer im Fokus bleiben.

5. Warum haben Sie sich zu einer Rück-Besinnung auf das schlichte “B” Logo entschieden? Und warum ist das Logo von 1979 noch auf der Professional-Kollektion zu sehen?


Man muss unterscheiden zwischen dem Logo auf den Produkten und der Corporate Identity. Als CI brauchen wir eine Identität, die der Marke entspricht. Wir machen ja nicht nur Fliegeruhren, sondern auch eine Transocean, eine Superocean und bewegen uns in den Elementen Wasser, Erde und Luft – daher brauchen wir ein generisches Logo. Wohingegen wir auf den Produkten beide Varianten einsetzen. Eine Superocean Héritage II mit dem schlichten ‚B’. Aber eine Avenger zum Beispiel behält die Flügel.

6. Seit BREITLING im Jahr 2009 zur Manufaktur wurde sind verschiedene Funktionen dazugekommen: Weltzeit (Kaliber B05), zweite Zeitzone (Kaliber B04), Handaufzug (Kaliber B02) und Schleppzeiger-Chronograph (Kaliber B03). Sind weitere Funktionen geplant?


Wir werden sicher weitere Funktionen anbieten. Soviel kann ich sagen, BREITLING sollte keine Quarzuhren mehr machen, aber BREITLING bewegt sich auch nicht in der Haute Horlogerie.

7. Während der Road-Shows in Zürich und in München waren zahlreiche Vintage Modelle der Marke ausgestellt. Werden viele davon wie z.B. Premier, Top Time, Co-Pilot Yachting Chronograph wiederbelebt? Und ist die Richtung der Zukunft mehr zurück in die Vergangenheit? Werden dadurch einige Modelle aus den jetzigen Kollektionen verschwinden?


Auf jeden Fall. Wir werden in den nächsten sechs Monaten an einer echten Re-Edition einer historischen BREITLING arbeiten, um eben diese Geschichte unseren Kunden näherzubringen. Es ist allgemein viel zu wenig bekannt, was BREITLING früher für ein phänomenales Design entwickelt hat. Das kann man natürlich sehr schön über solche Re-Editions kommunizieren. Wir werden diese Modelle als limitierte Kollektion herausbringen.

8. Vor einem Jahr ist noch der große Hype um Smartwatch-Funktionen in mechanischen Uhren ausgebrochen. Nun ist allgemein in der Uhrenbranche zu erkennen, dass tief in den Archiven gegraben wird und sich die Uhrenmarken mit ihren Neuheiten zurück auf alte Werte besinnen. Hat die Zukunft momentan nichts zu bieten? Wie stehen Sie dazu?


Ich kenne keine erfolgreiche große Marke, die in den letzten 10 bis 20 Jahren in Bezug auf das Design irgendetwas wirklich Neues lanciert hätte. Die Klassiker, von einer Nautilus, Royal Oak, Tank, Oyster bis hin zu einer Submariner sind alle mindestens 50 Jahre alt oder weit mehr. Die einzige Marke, die es geschafft hat mit einem neuen Design einen neuen Markt zu erschließen, ist Richard Mille. Es gibt immer mal einen Hype und eine Ausnahme, aber wenn ich 10 Bestseller der Uhrenbranche nehme, sind es alles alte Klassiker.

9. Neulich wurde die Partnerschaft mit dem britischen Motorradhersteller Norton Motorcycles bekannt gegeben. Wie kam diese zustande und was sind die Gründe für diese Partnerschaft? Und wie geht es mit der Kooperation zwischen BREITLING und Bentley weiter?


Jede Produkt-Welt muss in einer gewissen Weise beispielhaft dargestellt werden. Zum Beispiel die Wasserwelt mit Kelly Slater und Surfen. Das ist unser Interpretationsraum. Bentley steht für die Erde, aber es heißt nicht, dass man daneben nicht auch eine Kooperation mit einem traditionsreichen Motorradhersteller eingehen kann. Es ermöglicht uns Themen über andere Plattformen emotional zu kommunizieren. Norton ist einer der ältesten Motorrad-Produzenten der Welt. Wir werden somit eine Vintage-Uhr und ein cooles Norton-Modell lancieren, genauso, wie wir es auch für Bentley planen.

10. Sie haben gerade eine Kooperation mit dem Online-Shop Mr. Porter bekanntgegeben. Ist dieser Vertriebsweg ein Beispiel für das zukünftige Online-Verkaufs-Marketing? Und wie sieht es mit dem Thema „E-Commerce“ bei BREITLING aus?


Wir werden nie ausschließlich Produkte online anbieten. Auch die Mr. Porter-Uhr wird in ein paar Wochen im Handel erhältlich sein. Sie ist zwar limitiert auf 1.000 Stück, man kann sie aber online und offline erwerben. Ich bin dagegen, dass man Produkte nur online verkauft. Die Strategie ist, dass wir unsere Neuausrichtung digital forcieren und entsprechend aktiv kommunizieren. Wir haben dafür extra ein Team aufgebaut. Die digitale Transformation bedeutet nicht nur e-commerce, sondern spielt sich auch auf Social Media wie Instagram, Facebook, Youtube etc. ab. Man muss zwischen dem Entscheidung-Prozess und dem Kauf-Prozess des Kunden unterscheiden. Der Entscheidungs-Prozess dauert in der Regel sehr lang. Man informiert sich über die verschiedenen Kanäle, spricht mit Freunden, lässt sich beraten, besucht eine BREITLING-Boutique und so weiter. Der Kauf-Prozess kann innerhalb von Sekunden zu einer x-beliebigen Zeit stattfinden. Ich möchte also die Möglichkeit haben, mit dem Kunden analog und digital zu kommunizieren und ihm verschiedenen Möglichkeiten anbieten, um die Produkte zu erwerben.

11. Sie sind sehr aktiv auf Social Media. Sie interagieren hier mit Fans, Kunden und Kritiker. Wie oft am Tag schauen Sie bei Instagram rein? Und welche Kommunikationskanäle sind der Marke BREITLING heute besonders wichtig und wie verändern sie sich in der Zukunft?


Ich glaube, es ist fundamental wichtig auf Social Media zu interagieren, da fast alle Menschen unter 40 Jahren digital kommunizieren. Wir müssen sicherstellen, dass wir mit dieser Gruppe in Kontakt treten und sie auf den richtigen Kanälen auf relevante Weise erreichen. Die analoge Uhr steht nicht in Konkurrenz mit der digitalen Uhr. Hingegen, muss die analoge mechanische Uhr mit ihren Emotionen und der technischen Finesse digital kommuniziert werden, damit sie modern bleibt.

Wenn ich meine Social Media Kanäle zusammennehmen, dann habe ich alle zwei Tage eine Antwortquote von rund 2000 Menschen, die mit mir in Kontakt treten. Sei es, dass sie etwas liken, kommentieren oder mit anderen teilen. Das ist die beste Recherche die es gibt. Und das beeinflusst mich massiv. Natürlich muss ich einer gewissen Grundstrategie treu bleiben, aber ich bin kein Dogmatiker und wenn die Menschen guten Input geben, dann höre ich hin. Ich habe in einigen Hinsichten auch schon mal meine Meinung geändert.

12. In welche Richtung bewegt sich die Uhrenindustrie?


Ich bin fest davon überzeugt, dass die klassische Uhrenindustrie noch eine ganz wichtige Wachstumsphase erleben wird. Und man kann davon ausgehen, dass in den nächsten Jahren eine grosse Anzahl Menschen, vor allem in Asien in unser Preissegment einsteigen werden. Die analoge Uhr ist der neue Luxus, denn die Menschen wollen nicht immer digital verbunden sein.


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