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Kaufanleitung für gebrauchte und vintage Uhren Teil 3: Zustand, Originalität und Authentizität

Kaufanleitung für gebrauchte und vintage Uhren Teil 3: Zustand, Originalität und Authentizität

Günstig ist nicht immer billig – wie wichtig sind Zustand und Originalität? Was ist anziehend und interessant, was nicht?

Wenn Sie sich entscheiden eine gebrauchte Uhr zu kaufen, sollten Sie sich vor allem mit dem Thema der anvisierten Uhr, oder mit dem Thema was sie sammeln möchten, intensiv auseinandersetzen.

Wollen Sie einfach nur eine gebrauchte Uhr aus den letzten Jahren kaufen, oder wollen Sie eine vintage Uhr erwerben, oder lieber doch eine Antiquität?

Sie können eine gebrauchte oder vintage Uhr sowohl bei stationären Juwelieren als auch im Onlinehandel erwerben. Darüber hinaus gibt es auch weitere Möglichkeiten, wie Forenmarktplätze, Plattformen, usw..

Die Themen Kauf von Privat und Händler wurden schon im Teil 1 behandelt. Jetzt möchten wir über die Uhr an sich sprechen.

Entscheidend bei der Uhr, für die Sie sich entscheiden, sind folgende Faktoren:

  • Originalität
  • Authentizität
  • Zustand (Qualität)

Originalität

Bei einer gebrauchten Uhr ist die Originalität preisentscheidend. Unter Originalität versteht man, dass eine Uhr genau dem ursprünglichen Auslieferungszustand entspricht, ohne dass Teile seitdem gewechselt wurden.

Eine originale Uhr muss somit das originale Zifferblatt, die Zeiger und die Lünette wie auch alle anderen Komponenten vom Tag der Auslieferung vorweisen, zumindest sollten sie unserem heutigen Wissensstand über die Zeit der Auslieferung entsprechen.

Der Verkauf einer gebrauchten oder vintage Uhr kann somit zu einem Abenteuer werden und man kann sich verschätzen, wenn man nicht selber auf die ausreichende Expertise zugreifen kann – respektive niemanden kennt, der Ihnen bei der Einschätzung der Originalität mit seinem Wissen zur Seite stehen kann.

Selbst wenn eine Uhr vom Erstbesitzer stammt, sollten Sie die Behauptung zur Originalität hinterfragen. Es gibt immer wieder Fälle, bei dem eine alte Uhr nachweislich vom autorisierten Juwelier stammt und dennoch das Zifferblatt ersetzt bzw. neu bearbeitet wurde. Bei einem konkreten Fall handelt es sich zum Beispiel um eine Omega Cosmic mit Mondphase und dreifachem Kalender aus den 1950er Jahren, die vom Erstbesitzer zum Verkauf angeboten wurde. Das Zifferblatt ist zwar neu bearbeitet und sieht schön aus, ist aber leider nicht original. Wir können das nur damit erklären, dass das Blatt damals schon in so schlechter Qualität war, dass der Juwelier es hat überarbeiten lassen, weil er die Uhr sonst nicht hätte verkaufen können.

Authentizität

Im Gegensatz zur Originalität unterscheidet sich Authentizität in dem Sinne, als dass eine authentische Uhr nicht unbedingt dem Auslieferungszustand entspricht und im Laufe der Zeit bei der Uhr originale Teile durch Serviceteile ausgewechselt wurden. Entscheidend ist hierbei, dass es sich bei einer authentischen Uhr immer um originale Serviceteile des Herstellers handelt, die ausgetauscht werden. Eine Uhr, die Teile verbaut hat, die nicht vom originalen Hersteller stammen, wird gemeinhin als „Frankenwatch“ bezeichnet.

Als gutes Beispiel dafür kann man sich auf Lünetten beziehen, wie man sie auf Sportuhren von Rolex oder Chronographen von Omega sieht. Der preisliche Unterschied zwischen einer originalen und authentischen Lünette (authentisch im Sinne von Serviceteil) oftmals bei Tausenden von Euro. Eine originale „Dot over ninety“ Lünette bei einer alten Omega Speedmaster aus den frühen 60er Jahren kostet je nach Zustand zwischen 2.500 bis 5.000 Euro, während man die Servicelünette für etwa um die 100 Euro bekommen kann. Selbiges gilt für alte Lünetten der Rolex Submariner oder GMT aus den 60er Jahren. Eine originale Fatfont Lünetteeinsatz von einer Rolex GMT Master Referenz 1675 kostet einige Tausend Euro – wenn es sogar eine Fuchsia Lünette ist auch gut und gerne 5.000 Euro. Eine normale Servicelünette bekommen Sie hingegen für 100 bis 200 Euro.

Zustand

Der Zustand betrifft nicht nur die Optik der Uhr, sondern auch, wie gut sie funktioniert. Die Faktoren beinhalten unter anderem, wie sehr sie poliert ist und/oder wie stark verkratzt. Darüber hinaus ist entscheidend, wie gut das Werk läuft, wie gut das Futter in den Zeigern ist oder ob die Zeiger sich langsam „ausfransen“. Da gibt es natürlich auch individuelle Wahrnehmungen und Erwartungen, die bei jedem Menschen anders sein können. Es gibt hierbei unterschiedliche Gruppierungen, die verschiedene Erwartungen haben. Wir unterscheiden diese Gruppen in echte ‚Uhrenfreaks‘, wie man sie zum Teil in Uhrenforen findet, und in Leute, die einfach nur eine besondere Uhr kaufen wollen, weil sie ihnen gefällt und gerade dem Trend entspricht.

Eine Uhr, die unpoliert und dafür verkratzt ist, lässt sich polieren und sieht dann wieder wie neu aus. Für unerfahrene Augen sieht so eine Uhr meist schlechter aus, als eine stark polierte und kaum verkratzte Uhr. Erfahrene Sammler erkennen eher, wie gut erhalten ein Gehäuse ist und legen Wert darauf, dass möglichst wenig oder gar nicht poliert wurde und bevorzugen eher ein verkratztes Gehäuse, an dem man trotzdem noch die originalen Schliffe erkennt. So können unterschiedliche Erwartungen den Kauf wie auch den Wert prägen.

Auch wenn es für den Laien schwer nachvollziehbar sein mag, grundsätzlich gilt:

  1. Stark poliert wirkt oft stark wertmindernd.
  2. Stark verkratzt aber unpoliert oder kaum poliert, wirkt weniger stark wertmindernd.

Stark polierte Uhren sehen auf den ersten Blick schöner aus. Gleichzeitig kann der Materialabtrag durch auflasern wieder ausgeglichen werden. Das wird zwar von Sammlern nicht geschätzt, in der Realität ist es heutzutage eigentlich kaum erkennbar, weil die Hersteller mit ihren modernen Verfahren die Uhr wie neu aussehen lassen.

Das Alter, die Originalität, ob eine Uhr ein Einzelstück ist oder sehr selten, die Qualität der Uhr, all dies steht in direktem Verhältnis zum Wert einer Uhr. Sie sollten prüfen, ob es beispielsweise einen Wartungsstau gibt? Eine Revision kann kostspielig sein. Das gehört zu den Risiken beim Kauf einer gebrauchten Uhr.

Es gibt auch Uhren, die von Sammlern ein Leben lang fachmännisch aufbewahrt (in der Regel luftdicht in Plastik eingeschweißt) und nie getragen wurden und nach Jahrzehnten wieder veräußert werden. In der heutigen Marktsituation werden solche Raritäten deutlich höher bewertet als eine getragene Uhr. Für heutige Sammler ist ein NOS (New old Stock, ungetragen) ein Glückstreffer und hochbegehrt.

Bei vintage Uhren gelten wiederum andere „Gesetze“:

Bei einer vintage oder antiken Uhr kommt es auch auf die Ersatzteilversorgung an. Das ist wichtig und wird zunehmend schwieriger. Serviceteile sind weniger wert als originale Teile, egal ob Lünetten, Zifferblätter, Kronen und Zeigersätze.

Früher, vor der Jahrtausendwende, wurde auf den Zifferblattindizes Tritium als Leuchtmasse verwendet, welches leicht radioaktiv war und aufgrund seiner kurzen Halbwertszeit von 12 Jahren heute nicht mehr leuchtet. Vor 1963, als Radium als Leuchtmasse auf den Zifferblattindizes aufgrund seiner starken Radioaktivität – welche mit einem Geigerzähler gemessen werden kann – gesetzlich verboten wurde (hier ist die Geschichte der sogenannten „Radium Girls“ interessant, mit der wir uns ein anderes Mal befassen werden), wurde Radium verwendet, welches auch heute noch nachts deutlich leuchtet. Originale Zifferblätter mit Tritium und Radium sind heute sehr wertvoll. Seit zirka 1998 bzw. 2000 wird allgemein Luminova bzw. Superluminova auf dem Zifferblatt als Leuchtmasse verwendet, welches sich im Falle von Serviceblättern bei alten vintage Uhren stark negativ auf den Wert auswirkt. Ein gutes Beispiel, wie wichtig Originalität sein kann.

Mit den entsprechenden Teilen lässt sich eine alte Uhr wieder in den „originalen“ Zustand versetzen. Um das zu tun, ist in der Regel einiges an Erfahrung und Kontakten notwendig.

Eine alte Uhr kann auch Kinderkrankheiten entwickelt haben, die nicht mehr reparabel sind, was zu einem unkalkulierbaren Risiko führen kann.

Echtheit und Originalität stehen im Vordergrund und bestimmen den Wert entscheidend. Bei alten Uhren besteht der Wert einer Uhr zum größten Teil aus dem originalen Zifferblatt, was teilweise bis zu 80% ausmachen kann.

Zusammengefasst gibt es ein paar wichtige Dinge zu beachten, die wir Ihnen im dritten Teil unseres Kaufguides mit auf den Weg geben wollen. Sie sollten zuerst definieren, worin beim Uhrenkauf Ihre Prioritäten liegen? In diesem Sinne sollten Sie – oder jemanden den Sie zu Rate ziehen können – in der Lage sein, zwischen Originalität und Authentizität zu unterscheiden und sich auch darüber im klaren werden, ob und inwiefern Ihnen das Letztere persönlich wichtig ist. Unter Berücksichtigung dieser Überlegungen können Sie den Zustand der Uhr besser beurteilen und entscheiden, ob Sie Ihren Wünschen entspricht oder nicht. Viel Erfolg!

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