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Manufakturbesuch bei Glashütte Original: Das Original unter den Deutschen Manufakturen
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Manufakturbesuch bei Glashütte Original: Das Original unter den Deutschen Manufakturen

Die deutsche Manufaktur Glashütte Original hat sich neben den Schweizer Marken einen festen Platz in der anspruchsvollsten Form des Uhrenbaus erworben. Glashütte Original vereint traditionelles Uhrmacherhandwerk mit der schier unglaublichen Fähigkeit, sich an neue wirtschaftliche, politische und kulturelle Rahmenbedingungen anzupassen.

Diese ersten Zeilen stammen nicht vom Autor dieses Textes, sondern vom CEO und Chef der Swatch Group, Nick Hayek, persönlich, als er 2015 ein Vorwort zum Buch „Impressionen“ schrieb, das die Manufaktur anlässlich des 170. Jubiläums der Uhrmacherei in Sachsen veröffentlichte. Die Worte sind deswegen interessant, weil sie heute eine Tatsache beschreiben und nicht nur eine Behauptung sind.

Rückkehr an den Ort, an dem Schaffenskraft in der Uhrmacherei nie versiegt

Inzwischen sind schon wieder beinahe zehn Jahre vergangen, dem Vergleich mit Schweizer Marken ist man längst entwachsen und Glashütte Original genießt auch innerhalb der Swatch Group größte Unabhängigkeit: Im kommenden Jahr zelebriert man in der sächsischen Stadt Glashütte sagenhafte 180 Jahre Feinuhrmacherei. Der Autor dieses Artikels durfte damals ein Kapitel in dem Buch über Marine-Chronometer und Beobachtungsuhren aus Glashütte schreiben, wie sie der Norweger Roald Amundsen bei der Eroberung als erster Mensch am Südpol dabeigehabt hatte. Vor zehn Jahren nahm der Hype um mechanische Uhren gerade Fahrt auf. Es ist die Rückkehr an einen Ort, an dem die Neugierde und Schaffenskraft seiner Menschen nie aufzuhören scheint.

Der Retter der Schweizer Feinuhrmacherei hilft auch der Deutschen zum Comeback

Rückblickend sind große Erfolge bekanntlich ja immer einfach zu erklären, aber was mich an diesem Vorwort beeindruckt hat, ist die Tatsache: Nick Hayek würdigte in diesem Buch damals vor allem seinen visionären Vater, der mit der Übernahme von Glashütte Original im Jahr 2000 einen entscheidenden Beitrag zur Rettung der deutschen Feinuhrmacherei leistete. Zur Jahrtausendwende war die mechanische Uhrenwelt viel kleiner als heute und Deutschland längst kein ausgemachter Hotspot feinster Mechanik. Hayek schrieb: „Mein Vater beschloss, Glashütte Original in die Markenfamilie der Swatch Group aufzunehmen, da er das Wesen der Manufaktur und ihr Umfeld intuitiv verstanden hatte.“

Ein Visionär namens Nicolas G. Hayek

Wie Recht sein Vater, der wirklich visionäre Nicolas G. Hayek, doch hatte. Jener legendäre Retter der Schweizer Feinuhrmacherei, der irgendwie auch als ihr Neugründer, zumindest aber Neuerfinder gelten darf. Und auch im Falle Glashütte Originals sollte er recht behalten: Heute gibt es nach wie vor kaum echte Manufakturen in Deutschland, aber die wichtigsten mit internationalem Ruf kommen alle aus dem sächsischen Städtchen, dessen Name diese Firma trägt. Darunter sind welche, die sich auf berühmte Personen berufen und solche, die größere Stückzahlen fertigen, aber es gibt nur ein Glashütte Original. Dies ist die Geschichte dieser Ausnahme-Manufaktur.

Auf der rund einstündigen Anreise vom berühmten Dresden in das auch bis heute nur unter Uhrensammlern bekannte, winzige sächsische Städtchen Glashütte, muss ich darüber nachdenken, warum bis heute nur so wenige Unternehmen, die Luxusuhren herstellen, wirklich konstant langfristig erfolgreich sind.

Im Spannungsfeld zwischen Bewahren und Erneuern

Dabei scheint es so einfach, wenn man sich nur ein bisschen mit Sammlern und Auktionsexperten austauscht, die sagen: sich selbst und seinen Traditionen immer treu und dennoch stets innovativ und spannend zu bleiben für seine Kunden, sei das Geheimrezept. So einfach es klingt, es scheint auch heute eine der größten Herausforderungen für Top-Manufakturen in der gesamten Luxusuhrenindustrie zu bleiben. Aber genau dieses Spannungsfeld zwischen Bewahren und Innovation macht große Marken und Produkte aus.

Im Besonderen beschreibt das Spannungsfeld das Prinzip, dem vor allem die zwei berühmtesten Häuser, Rolex und Patek Philippe immer treu geblieben sind, und die, über mehrere Generationen hinweg, zu den wertstabilsten Luxusuhrenmarken der Welt aufgestiegen sind.

Am Ende dieser Reise werde ich eines gelernt haben: Ganz besonders beschreibt dieses Spannungsfeld aber auch Glashütte Original, die Manufaktur aus Sachsen, die das Erbe der gesamten Feinuhrmacherei in Sachsen angetreten ist und dabei ist, international zu einer der ganz großen Sammlermarken zu werden. Doch dazu später mehr.

Eine fulminante Eingangshalle als Ausdruck einer beeindruckenden Geschichte

Ich betrete ehrfürchtig die fulminante Eingangshalle. Beim Blick hinauf in das 23 Meter hohe Atrium kommt mir unweigerlich der Gedanke an den Haupteingang von Patek Philippe in Genf. Bis ins vierte Geschoss reichen hier die Galerien, auf denen Besucher tief in die einzelnen Produktionsbereiche schauen können. Dabei ist diese gigantische Halle nicht Zurschaustellung uhrmacherischer Potenz oder gar eine größenwahnsinnige Marketingidee, sondern schlicht ein architektonisches Zeitdokument der einstigen Größe dieser Manufaktur aus einer Zeit, als mechanische Armbanduhren Notwendigkeit und nicht Luxus waren. Heute, feinsinnig restauriert nach dem Jahrhunderthochwasser im Jahr 2002, befindet sich in der Halle eine Ausstellung sämtlicher aktueller Modelle von Glashütte Original. Sie umfasst rund 100 Referenzen, die ausnahmslos an diesem geschichtsträchtigen Ort hergestellt werden.

Im exklusiven Kreis der Vollmanufakturen

Warum ich das betone? Glashütte Original gehört heute zum äußerst exklusiven Kreis der Vollmanufakturen. Was verstehen wir darunter? Der Entstehungsprozess der gesamten Uhren findet nahezu vollständig unter diesem Dach statt. Die Fertigungstiefe von Glashütte Original sucht in Deutschland ihresgleichen. Von der kleinsten Schraube bis zum komplizierten Chronographenwerk, vom Tourbillon bis zum Ewigen Kalender werden hier Uhrwerke in höchster Fertigungstiefe hergestellt, in Handarbeit verziert und zusammengebaut. Auch die Fertigung von Werkzeugen und Vorrichtungen im hauseigenen Werkzeugbau gehören zum Spezialgebiet von Glashütte Original. Auch das gibt es so in Deutschland kein zweites Mal. Die Fertigungstiefe in diesem Gebäude umfasst heute alle Uhrwerkskomponenten bis auf Unruhspirale, Zugfeder und Lagersteine, also zum Beispiel auch die komplette Herstellung eigens gebläuter Schrauben sowie die Herstellung sämtlicher Zahnräder, feinster Triebe und Hebel. Auch werden hier Bauteile wie die typischen Dreiviertel-Platinen in einer eigenen Galvanik-Abteilung aufwändig rhodiniert.

Sogar die Zifferblätter stellt Glashütte Original selbst her

Der Herstellungsprozess, den ich hier in mehreren Stunden erlebe, reicht von der Entwicklung der gesamten Uhren und natürlich ihrer Uhrwerke, ihrem Design, bis zur Herstellung und Veredelung aller Komponenten von Hand, darunter die sehr aufwendige Finissage und Polissage. Die nicht minder aufwendige Uhrenmontage wird von mehreren Dutzend Uhrmachern durchgeführt, die alle Uhren einer umfangreichen Prüfung unterziehen. Damit nicht genug: Glashütte Original gehört eine eigene Zifferblattmanufaktur, mit der man auch geschichtlich eng verbunden ist. Auch das ist eine Besonderheit, auf die nur ganz wenige Uhrenmarken auf der Welt zurückgreifen können.

Fertigungstiefe: über 95 Prozent

Die Fertigungstiefe dieser Manufaktur beträgt daher mehr als 95 Prozent. Mehrere hundert Mitarbeiter produzieren heute mehrere tausend Uhren im Jahr, die über 18 eigene Boutiquen und zusätzlich ausgesuchte Fachhändler wie Bucherer und Wempe international vertrieben werden. Uhren von Glashütte Original gibt es derzeit in über 40 Ländern auf der Welt.

Der Markenname feiert dieses Jahr 30. Jubiläum

Das erstaunlichste aber an diesem Unternehmen ist: Den Markennamen Glashütte Original gibt es erst seit 1994, also seit 30 Jahren. Wie konnte eine Manufaktur in Deutschland etwas aufbauen, was bei Rolex oder Patek Philippe mehrere Generationen gedauert hat? Für die Antwort muss man, zumindest kurz, in die Geschichte dieser besonderen Manufaktur eintauchen.

Die Geschichte ist lang, viel länger als man denkt

Die Geschichte Glashütte Originals ist – wie die fast aller großen Manufakturen – nicht schnell erzählt, aber ich versuche es trotzdem: Die heutige Manufaktur Glashütte Original gibt es natürlich nicht erst seit dem relativ jungen Markennamen. Sie ist aus dem ehemaligen VEB Glashütter Uhrenbetrieb (abgekürzt GUB) hervorgegangen, zu dem zu DDR-Zeiten sämtliche Uhrenhersteller und auch Zulieferbetriebe zusammengelegt worden waren. Aufgrund der politisch bedingten Isolation vom Weltmarkt (die DDR war lange Zeit hinter dem Eisernen Vorhang und gehörte zum Ostblock unter der Führung der Sowjetunion) musste die Manufaktur weitestgehend autark arbeiten und kontrollierte daher mit einem riesigen Maschinenpark die Herstellung sämtlicher Einzelteile mechanischer Uhren – Teile dieser Maschinen werden bis heute benutzt. Die Zifferblätter wurden schon damals im westdeutschen Pforzheim gefertigt, um den hohen Qualitätsansprüchen gerecht zu werden.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Ein reicher Erfahrungsschatz der Mitarbeiter

So machte man aus der Not einer politischen Teilung Deutschlands eine Tugend und nach der Wiedervereinigung von Ost- und Westdeutschland wäre die Gründung zahlreicher Manufakturen vor Ort nicht möglich gewesen, ohne den hohen Ausbildungsstand der ehemaligen GUB-Mitarbeiter und deren reichen Erfahrungsschatz. Als am 16. Oktober 1990 die Glashütter Uhrenbetrieb GmbH ins Handelsregister eingetragen wird, wird dieses Unternehmen im wiedervereinigten Deutschland zum offiziellen Rechtsnachfolger aller früheren Uhrenbetriebe und Marken des Ortes Glashütte, verbunden mit der Auflage zur Weiterführung der Uhrenproduktion vor Ort.

1995: Die erste Moderne Kollektion mechanischer Armbanduhren

Erst 1994 wurde der Produktionsbetrieb unter dem Markennamen Glashütte Original weitergeführt. Ab 1995 stand die erste moderne Kollektion mechanischer Uhren. Bis auf die Damenuhrenlinie Pavonia, die mit Quarzkalibern ausgestattet ist, kommen mechanische Uhrwerke zum Einsatz, die in Glashütte entwickelt, konstruiert und produziert werden.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Woher kommt der Firmenname Glashütte Original?

Die Geschichte des Markennamens ist so spannend wie die Manufaktur selbst: Bereits Ende des 19. Jahrhunderts, wenige Jahrzehnte nachdem die Uhrmacherei im Erzgebirge ihre Anfänge nahm, hatte sich der Name des kleinen Städtchens bereits weit über die sächsischen und Deutschen Landesgrenzen hinaus als Qualitätssiegel etabliert.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Ein Qualitätssiegel, um Schweizer Nachahmer abzuschrecken

Ironischerweise begannen damals ausgerechnet einige Schweizer Uhrenhersteller damit, eigene Taschenuhren mit dem Hinweis „System Glashütte“ zu produzieren und zu bewerben. Diese – oberflächlich betrachtet – ähnlichen Konstruktionen boten die findigen Schweizer allerdings zu einem deutlich günstigeren Preis an.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Uhren aus Glashütte: Ernstzunehmende Konkurrenz für Schweizer Hersteller

Uhren aus Glashütte waren also bereits damals offensichtlich ernstzunehmende Konkurrenz geworden. Die Reaktion der Sachsen ist charmant und relativ bald auf Uhren dieser Provenienz zu finden: 1916 nutzt erstmals ein Uhrenfabrikant namens Karl W. Höhnel den Begriff „Original“ um die Herkunft seiner Glashütter Uhren von Plagiaten zu unterscheiden. Bis 1936 fertigt dieser Betrieb Standuhren an mit dem Schriftzug „Original Glashütte“ auf dem Zifferblatt.

Aus “Original Glashütte” wird Glashütte Original

1920 stellt auch die „Deutsche Präzisions-Uhrenfabrik Glashütte“ Taschenuhren mit dem gleichen Vermerk her. Wenige Jahre später folgt die Uhrenfabrik AG Glashütte (ein Zusammenschluss verschiedener Manufakturen unter dem Kürzel UFAG) erstmals mit „Original Glashütte“ signierten Armbanduhren. Dieser Begriff wird etwa bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts beibehalten. Mit der Wiedervereinigung wird das Gütesiegel von einst zum offiziellen Firmennamen.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Ein eigenes Uhrenmuseum gestiftet von der Swatch Group

Um die wirklich bewegende Geschichte der Uhrmacherei in Glashütte genauer kennen zu lernen, sollte man sich auf einer Dresden-Reise wirklich die Mühe machen, das Uhrenmuseum ein paar Gehminuten entfernt von der Manufaktur von Glashütte Original zu besuchen, die von niemand geringerem als Glashütte Original unter Führung der Swatch Group zusammen mit der Stadt gestiftet wurde. Im selben Gebäude befindet sich übrigens bis heute die unternehmenseigene Uhrmacherschule, eine der wichtigsten des Landes.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Wie kommt die Uhrmacherei ins Erzgebirge?

Drehen wir die Zeit noch einmal kurz um 179 Jahre zurück: Die sächsische Landesregierung gewährte im Mai 1845 dem Dresdner Uhrmacher Ferdinand Adolph Lange einen Kredit zum Aufbau einer Uhrmacherschule. Er war vom Hofuhrmacher Gutkaes beauftragt worden, diese aufzubauen. Damals herrschte im Erzgebirge und insbesondere im Müglitztal bittere Not: die Silbererzvorkommen war versiegt, man wollte Firmen ansiedeln, die Menschen hungerten. Es sollte Jahre dauern, bis ein Stamm von Facharbeitern zur Verfügung stehen würde, dieses anspruchsvolle Unterfangen zu meistern, aber sukzessive ließen sich immer mehr Meisteruhrmacher und Kaufleute in dem kleinen Städtchen Glashütte nieder.

Mit der Gründung der Deutschen Uhrmacherschule im Jahr 1878 gelingt Glashütte ein wichtiger Meilenstein, um zum wichtigsten Ort der deutschen Uhrenindustrie zu werden. Mit Präzisions-Taschenuhren erarbeitet man sich innerhalb weniger Jahrzehnte weltweit einen Ruf. Erst der Erste Weltkrieg und der sich langsam anschließende Siegeszug der mechanischen Armbanduhr bringen Glashütte in Bedrängnis, da man die industrielle Serienfertigung verschlafen hatte. Die Wiederaufholjagd der 1930er-Jahre und die sich anschließende Rüstungsproduktion finden mit der Bombardierung – ausgerechnet am letzten Kriegstag des Zweiten Weltkrieges, dem 08. Mai 1945 – ein jähes Ende.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Nach 100 Jahren hätte es vorbei sein können

Nach 100 Jahren Erfolgsgeschichte hätte alles schon wieder vorbei sein können: Die Fortführung der Glashütter Uhrmachertradition ist dieses Mal stark gefährdet durch Zerstörung, aber auch durch Demontage zahlreicher Fertigungsanlagen durch die russischen Besatzer. Doch wie schrieb Nick Hayek in seinem Geleitwort des eingangs erwähnten Buches? Schon sein Vater hatte die Zähigkeit der Glashütter richtig eingeschätzt: In Glashütte gibt man nicht so schnell auf. Schon Ende 1946 werden wieder erste Uhrwerke gefertigt. Die geänderte Wirtschaftsordnung im sozialistischen Teil Deutschlands führt zur Verstaatlichung sämtlicher örtlicher Uhrenbetriebe und zum Zusammenschluss dieser im Jahr 1951. Die oben erwähnte staatliche Gesellschaft, das VEB Glashütter Uhrenbetriebe, entsteht.

Die Uhrmacher in Ostdeutschland sind sehr erfinderisch

In der Not werden die Uhrmacher in Glashütte sprichwörtlich erfinderisch: Die Isolation vom europäischen und westlichen Uhrenmarkt spornt sie immer wieder zu Neuentwicklungen und eigenständigen Lösungen in der Feinmechanik an. Einen entscheidenden Vorteil hat die Abschottung durch den Eisernen Vorhang: Während in den 1970er-Jahren die Quarzkrise im westlichen Teil Deutschlands ebenso wie in der Schweiz beinahe die gesamte klassische, mechanische Uhrenindustrie vernichtet, hält man im Osten daran fest: Zum einen sind Uhren wichtige Devisenbringer (unter Namen wie „Meisteranker“ werden Uhren aus Glashütte durch westdeutsche Versandhandelshäuser vertrieben). All diese Höhen und Tiefen atmen die Flure, durch die man bei Glashütte Original wandelt.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Wie kommt es zum Wiederaufstieg Glashüttes zum deutschen Uhrenmekka?

Nach der Wiedervereinigung übernimmt zunächst eine Gesellschaft, die Staatsbetriebe der DDR privatisieren soll, die sogenannte Treuhandanstalt, die Leitung. 1994 wird das Unternehmen mit einer Belegschaft von nur rund 70 Personen verkauft. Zum Vergleich: Während der DDR-Zeiten hatten hier zuletzt rund 2.500 Personen gearbeitet. Daher wundert sich auch niemand vor Ort über die große Eingangshalle, es war schlicht ein Riesen-Betrieb! Die neuen, vorübergehenden Eigentümer machen nicht alles richtig, aber eines schon: Sie positionieren die Firma im Bereich des gerade stattfindenden weltweiten Comebacks der Luxus-Uhrmacherei. Seither produziert man außer der Damenuhrenlinie Pavonina mit Quarzwerken ausschließlich mechanische Uhren unter dem Namen Glashütte Original.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Plötzlich wieder auf Augenhöhe mit Schweizer Manufakturen

Die vorhandene, extrem hohe Fertigungstiefe, das uhrmacherische Können und Konzentration auf die konstruktive Kompetenz beim Bau von Uhrwerken sichern dem Unternehmen schnell einen internationalen Ruf. Denn dieser Prozess der Spezialisierung und Entwicklung eigener mechanischer Uhrwerke findet parallel auch in der Schweiz statt, in der Standardkaliber sukzessive von Manufakturen ersetzt werden. Trotz einer bewegten Geschichte, wie sie in der Uhrenindustrie wohl beispiellos ist, befindet sich Glashütte Original plötzlich auf Augenhöhe mit den größten Namen der Haute Horlogerie.

Große Investitionen sind nötig, der Mutterkonzern übernimmt sie

Als die Swatch Group unter Hayek Senior im Jahr 2000 das Unternehmen übernimmt, sind dennoch erhebliche Investitionen nötig. Das Fabrikationsgebäude ist gigantisch und muss saniert werden. Unter der Projektleitung von Hayek Engineering verwandelt sich von Juli 2002 bis August 2003 die nie wirklich fertiggestellte Serienfertigungsstätte der DDR in eine sehr großzügige, lichtdurchflutete Manufaktur. Heute fast undenkbar, erfolgte der Umbau übrigens bei laufender Produktion.

Eröffnung von Boutiquen auf der ganzen Welt

Unter Führung der Swatch Group werden im Folgenden erstmals weltweit Boutiquen eröffnet und damit die Internationalisierung wirklich ernsthaft vorangetrieben. Gut eine Dekade dauert der Prozess, der seinen Ausdruck vielleicht am signifikantesten 2012 darin findet, dass man einen Flagship-Store in unmittelbarer Nähe zur wiederaufgebauten Dresdner Frauenkirche eröffnet.

Comeback der Uhrmacherschule in Glashütte

Parallel zur Notwendigkeit, die Produkte von Glashütte Original bekannt zu machen, erkennt die Swatch Group die größte Herausforderung der Uhrenindustrie von heute lange vor anderen: Bereits 2001 werden in der wieder neu gegründeten Uhrmacherschule „Alfred Helwig“ Uhrmacherschüler und Werkzeugmacher ausgebildet. 2013 wurde die Zahl der Lehrlinge pro Jahr von 12 auf 24 verdoppelt, davon erlernen rund vier Lehrlinge pro Jahr den Beruf des Werkzeugmachers.  Denn am Ende sind es die Menschen, die herausragende Leistungen bringen. Auf zwei historische Namen, die mit Glashütte Original in Verbindung stehen und sich auch noch in den modernen Produkten widerspiegeln, gehe ich der Vollständigkeit halber ein.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Welche historisch bedeutsamen Persönlichkeiten der deutschen Uhrmacherei verbindet man mit Glashütte Original?

Die Uhrmacherei in Glashütte hatte mehrere Gründerväter. Dank Ihrer Leidenschaft, ihrem Können und unternehmerischen Geschick verwirklichen Uhrmachermeister wie Julius Assmann, Moritz Grossmann, Ferdinand Adolph Lange und Adolf Schneider den Traum einer eigenständigen Uhrenindustrie in Sachsen und begründen den Ruhm des Namens Glashütte.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Zwei besondere Namen verbindet man heute mit Glashütte Original

Eine besondere Stellung hat einer dieser Pioniere der Feinmechanik, Ludwig Strasser. Heute kennt man Strasser oft nur wegen seiner berühmten Pendeluhren, aber Strasser war Mathematiker, Theoretiker, Konstrukteur, Uhrmacher und Pädagoge. Ganze 37 Lebensjahre stellte der Professor sein Können in den Dienst der deutschen Uhrmacherschule, die er 32 Jahre lang leiten sollte. Sein Name stand in den frühen Jahren der Glashütter Uhrmacherei international hoch im Ruf. 1875 gründete er zusammen mit Gustav Rohde die speziell für die Fertigung von Präzisionspendeluhren berühmt gewordene Firma Strasser & Rohde. Für seine herausragenden Leistungen wurde ihm 1902 der Professortitel verliehen.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte / René Gaens

Eine revolutionäre Erfindung

Die wohl wichtigste und revolutionärste Erfindung Strassers ist die „freie Federkrafthemmung mit konstanter Kraft“. Als weiterer Verdienst gilt, dass er sich der Herstellung von Marine-Chronometern als ein weiteres wichtiges Standbein für die junge Glashütter Uhrenindustrie eingesetzt hat und half, diese zu entwickeln: Im Kaiserreich und im Kolonialismus ging es um internationale Konkurrenz. Die Deutschen wollten die Abhängigkeit von den damals (noch) überlegenen Fabrikaten aus England unbedingt verringern. Für seine Präzisionsuhren und Messinstrumente erhält diese Firma zahlreiche Auszeichnungen auf Weltausstellungen und Landesmessen. Die Firma Glashütte Original, die alle Namensrechte an Strasser & Rohde hält, würdigt die Lebensleistung der beiden Pioniere der Feinmechanik 2009 mit dem Sondermodell Strasser & Rohde Regulator.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Einer der größten Deutschen Uhrmacher: Alfred Helwig

Ein zweiter wichtiger Protagonist der frühen Jahre, an dem Glashütte Original alle Rechte hält, ist Alfred Helwig. Er gilt zu Recht als einer der größten deutschen Uhrmacher und sicher als einer der besten Lehrer der Uhrmacherschule Glashütte, die seit ihrer Wiedergründung im Jahr 2002 nach ihm benannt ist.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Der Name Helwigs steht bis heute für die Begabung, Uhren nicht nur künstlerisch bis zur höchsten Vollendung zu gestalten, sondern auch technisch weiterzuentwickeln. Nach Wanderjahren meldete er 1911 in Glashütte seine eigene Werkstatt an. Parallel beginnt er, an der Uhrmacherschule zu unterrichten, was er insgesamt für 41 Jahre tun sollte. Um die Genauigkeit tragbarer Uhren zu erhöhen, beschäftigt er sich ausgiebig mit der heute bekanntesten Erfindung Abraham Louis Breguets, dem Tourbillon. Herwig plant nichts Geringeres, als diesen Mechanismus zum Ausgleich der Effekte der Schwerkraft auf den Gang mechanischer Uhrwerke zu verbessern.

Das erste fliegende Tourbillon der Welt

So entwickelte er das erste „fliegende“ Tourbillon der Welt, gelagert nur auf einer Seite durch zwei Lager mit geringem Abstand, die die Räderwelle führen. Erstmals kommen Drehgestell und Hemmung ohne oberen Kloben aus. Der freie Blick auf das Tourbillon wird fliegend genannt, da es zu schweben scheint. Da diese Konstruktion mit weniger Material auskommt und dadurch leichter ausgeführt werden kann, ist sie weniger träge und erzielt schon zu Helwigs Zeit die besten Gangergebnisse für tragbare Präzisionsuhren. Helwigs Meisterstück bei seiner Meisterprüfung 1922 ist somit ein fliegendes Tourbillon und vielleicht das entscheidende I-Tüpfelchen für die Feinuhrmacherei aus Sachsen, die nun erstmals gleichauf mit dem Gründervater moderner Mechanik, Abraham Louis Breguet, steht.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Tourbillons, fester Bestandteil der Uhren von Glashütte Original

Heute werden fliegende Tourbillons, vor allem aufgrund ihrer überlegenen Ästhetik, gerne in den besten mechanischen Armbanduhren verbaut. Seit dem Comeback 1995 würdigt die Manufaktur Glashütte Original den Meisteruhrmacher immer wieder mit limitierten Auflagen von Tourbillon-Uhren, natürlich alle fliegend ausgeführt. Doch natürlich gehört dieser Mechanismus in beinahe jeder Kollektion der Marke zum Standardrepertoire. Kommen wir nun im Detail zu den Uhren und Werken von Glashütte Original.

Diese fünf Kollektionen von Glashütte Original sollte man kennen

Im großen glasüberdachten Atrium lerne ich die enorme Vielfalt von Glashütte Original kennen. Ich bin sehr beeindruckt. Rund 100 Referenzen umfasst das aktuelle Sortiment. Die Produktpalette der deutschen Manufaktur ist viel breiter als bei vielen anderen Manufakturen vor Ort in Sachsen, aber auch anderen Marken aus Deutschland und eher zu vergleichen mit der reichen Produktvielfalt großer Häuser aus der Schweiz, was natürlich auf die beeindruckend lange Geschichte zurückgeht. Glashütte Original ist nicht einfach eine Uhrenfirma aus Glashütte, sondern bündelte zum Zeitpunkt ihrer Wiedergeburt alle Manufakturen vor Ort unter einem Dach. Gerade das macht dieses Haus für Sammler so spannend, auch wenn es unter dem Markennamen vor 1994 keine Uhr mit dem Glashütte Original-Logo auf dem Zifferblatt gibt. Aber mit einer Geschichte von 30 Jahren seit ihrer Neugründung etablieren sich inzwischen echte Klassiker für die kommenden Generationen. Und man arbeitet sehr kontinuierlich daran, diese Klassiker wiedererkennbar zu belassen und nicht ständig zu verändern.

Von klassisch-elegant bis sportlich-robust – mechanische Uhren für jeden Geschmack

Uhrenfans können aus fünf Kollektionen wählen. Beginnen werden wir mit der Senator, der klassischen Glashütte Original. Als zweites sollte die unverwechselbare „Pano“-Reihe erwähnt werden, deren Name sich vom markanten, patentierten Panoramadatum ableitet.

Dann kommen wir zur Vintage-Baureihe. Denn mit der sogenannten Sixties und Seventies verfügt Glashütte Original über zwei ganz ungewöhnliche Modelllinien in der sonst sehr klassisch arbeitenden Manufaktur. Diese Modelle feiern stilprägende Jahrzehnte des vergangenen Jahrhunderts auf ihre ganz eigene Weise abseits des Schweizer Mainstreams.

Die jüngste Linie fasst man bei Glashütte Original unter dem Namen Spezialist zusammen, die sich mit Instrumenten- und Sportuhren an eine neue, aktive Zielgruppe richtet. Mit der SeaQ erschließt man bei Glashütte Original derzeit völlig neue Kundensegmente, sie knüpft an die lange Tradition besonders robuster Modelle an.

Last but not least: Die sehr erfolgreiche Ladies-Kollektion mit der Lady Serenade, der PanoMatic Luna und jüngst der Serenade Luna, für die Glashütte Original seit der Wiederauferstehung und auch im Gegensatz zu deutlich größeren Manufakturen ausschließlich auf feine Mechanik wie auch bei den Herrenuhren setzt.

Was macht Uhrwerke von Glashütte Original so besonders?

Um die Uhrmacherkunst bei Glashütte Original überhaupt erleben zu können, ist das wichtigste Merkmal bei fast allen Glashütte Original-Modellen ein transparenter Saphirglasboden: So können die traditionelle Glashütter Dreiviertelplatine mit ihren charakteristischen Goldchâtons, die markante Schwanenhals-Feinregulierung oder weitere, aufwendig verzierte Uhrwerksteile wie die handgravierten Unruhbrücken und -kloben bewundert werden. Warum fast? Einzige Ausnahme ist das Sportmodell SeaQ, das bis auf die Goldversion einen verschraubten Stahlboden besitzt – genauso wie dessen historisches Vorbild.

Die Glashütter Dreiviertelplatine

Die Tradition der Dreiviertelplatine geht auf die Anfänge der Uhrmacherei in Glashütte im Jahr 1845 zurück. Einer der Vorteile gegenüber der Schweizer Bauweise mit mehreren Einzelbrücken besteht in der deutlich höheren Stabilität. Beim Glashütter Streifenschliff handelt es sich um ein hochfeines Dekor für die nicht funktional genutzten Oberflächen. Auch alle nicht sichtbaren Flächen der Uhren von Glashütte Original werden veredelt und von Hand mit Perlage versehen.

Verschraubte Goldchâtons

Verschraubte Goldchâtons sind heute ein optischer Leckerbissen und wurden im 18. Jahrhundert aber eingeführt, um das Höhenspiel der Lager korrigieren zu können und die empfindlichen Lagersteine beim Bruch leichter durch den Uhrmacher austauschbar zu machen. Heute geht es dabei vor allem um die Wahrung der handwerklichen Fertigkeiten und einer einzigartigen Optik, ohne ihre ursprüngliche Funktion zu mindern.

Nur bei Glashütte Original: Die Duplex-Schwanenhals-Feinregulierung

Während Sammler häufig den Begriff Schwanenhals-Feinregulierung kennen, bei dem es um das Verstellen des sogenannten Rückerzeigers geht, ist die Duplex-Schwanenhals-Feinregulierung eine echte Spezialität von Glashütte Original: Mit ihr stellt man den Anker-Abfall ein und sorgt somit für ein besonders gleichmäßiges Ticken der Uhr. Auch beim Herz der Uhr, der Unruh, verlässt sich Glashütte Original auf eine traditionelle Bauweise: 22 winzige Goldschrauben passen in den Unruhreif der traditionellen Schrauben-Unruh, die man in allen Uhren verbaut, wenn auch die Unruhspirale inzwischen immer häufiger aus Silizium besteht.

Klassische Uhrmacherkunst in Bestform: Die Senator Kollektion

Die Senator-Reihe mit (fast durchgängig) zentraler Zeitanzeige beschreibt bei Glashütte Original klassische Uhrmacherkunst in Reinform, aber zeigt eben auch, wie innovativ die Manufaktur wirklich bei der Konstruktion und der Entwicklung außergewöhnlicher Uhrwerke ist. Als Meilenstein der Modellgeschichte darf zunächst das 2014 eingeführte Chronographenkaliber 37 gelten, das seine Premiere im Senator Chronograph mit Panoramadatum feierte. Es schloss eine Lücke im Spektrum der Glashütte Original Kaliber mit automatischem Aufzug, Panorama-Großdatumsanzeige und Schaltradsteuerung. Es verfügt über 450 Einzelteile. Derzeit werden diese Kaliber sukzessive mit einer Siliziumspirale ausgestattet, um die guten Gangwerte noch deutlich zu verbessern.

Ein Name wird zum Programm: Senator Excellence

Zwei Jahre später folgte ein weiterer Meilenstein: Unter dem Namen Excellence führt Glashütte Original im Jahr 2016 erstmals seinen völlig eigenen Qualitätsstandard in der Senator Reihe mit dem komplett neuentwickelten Kaliber 36 ein. Nun sind solche Standards nicht immer hilfreich für Endkunden, da sie manchmal eher Verwirrung stiften, aber auch hier steht Glashütte Original mit ganz großen Häusern auf Augenhöhe: Diese Maisons können und müssen sich von der Masse anhand mechanischer Standard-Uhrwerke und Qualitätssiegel absetzen. Genau das geschieht mit der Excellence-Reihe.

100 Stunden Gangreserve

Das Herz dieser besonderen Bezeichnung für Uhren und Werke bildet das Kaliber 36, dessen Siliziumspirale nun für überragende Gangwerte steht und eine Laufzeit von 100 Stunden garantiert. Jede dieser Uhren wird in der Fertigung über 24 Tage auf Herz und Nieren geprüft, und zwar noch über den Standards der deutschen Chronometer-Prüfstelle, da man in sechs Lagen testet und ebenso das alltägliche Trageverhalten der gesamten Uhr am Handgelenk simuliert. Highlight dieser Reihe ist die Senator Excellence mit Ewigem Kalender, die seit 2017 Teil der Kollektion ist. Das Ausnahme-Uhrwerk kommt darüber hinaus in der Senator Excellence (Kaliber 36-01), der Senator Excellence Panoramadatum (36-03) und der Senator Excellence Panoramadatum Mondphase (36-24) zum Einsatz.

Senator Chronometer: Ein großes Erbe, elegant umgesetzt

Einen besonderen Stellenwert innerhalb der Senator-Baureihe hat das Kaliber 58. Die Senator Chronometer (58-08) gehört fest zum Erbe von Glashütte Original und nimmt Bezug zu den jahrzehntelang gefertigten Schiffschronometern des Hauses. 2019 feierte man bei Glashütte das zehnjährige Jubiläum der Senator Chronometer mit dem Kaliber 58, das seither auch über einen Sekunden-Null-Stopp-Mechanismus mit einzigartiger Minutenrastung verfügt. Bei dieser springt nicht nur der Sekundenzeiger beim Ziehen der Krone auf Null, sondern auch der Minutenzeiger bewegt sich auf den nächstgelegenen Minuten-Index, um die Zeit perfekt einstellen zu können: Eine echte Weltneuheit made by Glashütte Original.

Das seltenste Modell der Senator Baureihe

Das wohl seltenste Modell der Senator-Baureihe ist die Senator Chronometer Tourbillon (58-06) und die einzige Uhr dieser Baureihe mit dezentraler Zeitanzeige bei 12 Uhr. Sie birgt mit dem patentierten Flyback-Tourbillon eine spannende technische Innovation, auf die Glashütte Original zu Recht stolz ist, weil man das von Alfred Helwig erfundene fliegende Tourbillon sogar noch einmal im Hinblick auf dessen Alltagstauglichkeit verbessert hat.

Zwei Patente für ein Tourbillon mit Sekundenstopp

Die unter Sammlern begehrten Editionen der Senator Chronometer Tourbillon in Platin wie jüngst 2023 vorgestellt, gehen auf ein erstes Modell im Jahr 2019 zurück und sind stark limitiert. Zwei Patente sind auf dessen komplexe Konstruktion angemeldet, die damals erstmals ein fliegendes Tourbillon mit einem Sekundenstopp, Nullstellung und Minutenrastung vorsah: So können Minuten und Sekundenzeiger synchron eingestellt werden. Dabei stoppt der Drehkäfig augenblicklich, wenn die Aufzugskrone gezogen wird. Da der Sekundenzeiger auf dem Drehgestell angeordnet ist, stoppt er gleichzeitig mit.

Eine Lasergravur für das Platinmodell der Senator Chronometer Tourbillon Limited Edition

Soeben wurde das jüngste Platinmodell der Reihe mit Siliziumspirale und 70 Stunden Gangreserve vorgestellt. Sie macht diese auf 50 Exemplare limitierte Uhr noch präziser. Die Oberseite des Werks ist vollständig mit einer filigranen Lasergravur veredelt, die natürlich in-house erstellt wurde. Das auf diese Weise Schicht für Schicht abgetragene Clous-de-Paris-Muster verstärkt die dreidimensionale Optik des Werks und schenkt der Uhr eine moderne Ästhetik. Die Durchmesser der Senator-Kollektionen bewegen sich zwischen 40 und 42 Millimeter. Die beiden einzigen, herausragenden Ausnahmen stellen die Senator Observer, die auf die berühmten Beobachtungsuhren zurückgeht, und natürlich die einzigartige Senator Cosmopolite dar.

Auf der ganzen Welt zu Hause

Als Meilenstein gilt bei Glashütte Original die 2012 vorgestellte „Grande Cosmopolite Tourbillon“. Bis heute ist sie eine der kompliziertesten, jemals in Deutschland hergestellten Armbanduhren: Das Uhrwerk mit einem Ewigen Kalender, der vor und zurück gestellt werden kann, sowie einem Tourbillon-Mechanismus, verfügte zusätzlich über eine Zeitzonenanzeige aller damals 37 weltweiten Zonenzeiten. Die Arbeiten an dieser rund 48 Millimeter im Durchmesser großen Platinuhr begannen rund 5 Jahre vor der offiziellen Präsentation auf der damals wichtigsten Uhrenmesse der Welt, der Baselworld.

Ein Handaufzugskaliber mit 500 Teilen und Sprungdeckel

Das Handaufzugskaliber 89-01 mit über 500 Komponenten kann man durch den Saphirglasboden bewundern, wenn man den klassischen Sprungdeckel auf der Rückseite geöffnet hat. Auf der Vorderseite bricht die Uhr in Gestalt von zwei Sichtfenstern mit Traditionen. Diese bildeten erstmals alle damals vorhandenen 37 Zeitzonen der Welt ab, also auch solche mit Halb- und Viertelstundenversatz sowie die Unterschiede zwischen Sommer- und Winterzeit. Da diese Zeitzonen nicht selten politischen Interessen unterliegen und sich im Lauf der Zeit ändern könnten, konstruierten die Ingenieure von Glashütte Original den diesem Werk zugrundeliegenden Städtering so, dass er austauschbar ist.

Die IATA-Codes der Städtenamen sind im Sprungdeckel graviert

Zur Uhr meldete Glashütte Original vier Patente an. Im Sprungdeckel der Uhr sind übrigens die IATA-Codes der Flughäfen mit Städtenamen verknüpft, um jede Zeitzone richtig zuordnen zu können.

Seit 2015 in Serien: Die Senator Cosmopolite

2015 kam als Serienuhr dieses Ausnahmemodells die Senator Cosmopolite auf den Markt, die zunächst alle 37 Zeitzonen (heute 35) jeweils über die IATA-Codes bekannter Flughäfen anzeigt, allerdings ohne die Funktionen des ewigen Kalenders und fliegenden Tourbillons, dafür aber ebenso mit kleiner Sekunde, Tag-, Nacht- sowie Gangreserveanzeige und stilprägendem Panoramadatum. Womit wir bei der zweiten Kollektion wären, der Pano-Linie.

Ein moderner Klassiker aus Glashütte: Das Panoramadatum

Es sind wie immer technische Details, die zum internationalen Durchbruch besonderer Uhren führen, damit sie sich in den Köpfen der Menschen festsetzen. Das als Panoramadatum bezeichnete Großdatum ist nicht nur extrem praktisch, es macht von Beginn an die neuen Modelle von Glashütte Original auf den ersten Blick als mechanische Uhren erkennbar. Dabei gelang es den Konstrukteuren, beide Datumsscheiben auf der gleichen Ebene zu platzieren, sodass erstmals auf den kaschierenden Mittelsteg verzichtet werden konnte.

Ein Deutsches Uhrengesicht?

Die Pano-Kollektion erkennt man vor allem am dezentralen Aufbau des Zifferblattes mit Zeitanzeige auf 10 Uhr und kleiner Sekunde auf 7 Uhr. International hat sich diese Zifferblattaufteilung unter Sammlern sogar schon als “German Watchface” etabliert, so ungewöhnlich war sie bei ihrer Lancierung. Wahrscheinlich sind diese Uhren auch das Erste, was Sammler im Kopf haben, wenn sie an Glashütte Original denken.

Seit über 20 Jahren ein Erfolgsmodell

Kernstück der 2012 neu gestalteten Pano-Edition bilden die PanoMaticLunar und die PanoReserve im leicht vergrößerten 40-Millimeter-Gehäuse. Das berühmte Panoramadatum, das der Uhrenlinie seinen Namen gibt, liegt hier bei 4 Uhr. Die Mondphase befindet sich bei 2 Uhr.  Das Werk: Kaliber 90-02 mit Automatikaufzug, Dreiviertelplatine mit Glashütter Streifenschliff und handravierter Unruhbrücke mit Duplex-Schwanenhals-Feinregulierung, die allesamt durch den Saphirglasboden zu bewundern sind. Niemanden wundert es, dass diese Uhr soeben ihr 20-jähriges Jubiläum mit der PanoMaticLunar gefeiert hat, zählen deren Uhrwerke doch mit zum schönsten was Glashütte Original zu bieten hat.

Handaufzug oder Automatik: Bei Glashütte Original gehört beides zum guten Ton

Auch die PanoReserve verfügt über das stilbildende dezentrale Zifferblatt ihrer Schwester mit Zeitanzeige bei 10 Uhr und kleiner Sekunde bei 7 Uhr. Allerdings wird das Modell vom Handaufzugskaliber 65-01 angetrieben, dessen Saphirglasboden den Blick ohne Aufzugsrotor aufs komplette handfinissierte Werk zulässt. Aber auch für alle, die es zu schade finden, die aufwendig gearbeiteten Werke auf der Rückseite zu verstecken, hat Glashütte Original etwas ganz Besonderes im Programm.

Die PanoInverse Kollektion

Die Idee zu diesem besonderen Modell wurde laut dem hauseigenen Buch „Impressionen“, das ich eingangs erwähnte, in einem beiläufigen Gespräch eines Außendienstmitarbeiters mit einem Kollegen aus der Produktentwicklung geboren. Laut seiner Aussage bedauerten Kunden, dass sie beim Ablesen der Zeit nicht gleichzeitig die Schönheit der Uhrwerke bewundern könnten. Der Gedanke setzte sich fest und als Folge dieses Gesprächs wurde 2008 das erste Modell der PanoInverse der Öffentlichkeit vorgestellt. Eine Uhr, die auf ein klassisches Zifferblatt verzichtet und die wichtigsten Elemente des mechanischen Werkes auf der Vorderseite sichtbar werden lässt, ohne der Ablesbarkeit zu schaden. So wurde die PanoInverse wahrscheinlich zur mechanisch poetischsten Uhr im Repertoire.

PanomaticInverse: Das Wunderwerk ist auch als Automatikmodell erhältlich

Das Modell umgedrehter Kadratur gibt es inzwischen sogar auch als Automatikmodell, das derzeit in einer aufsehenerregenden, auf 25 Exemplare limitierten Edition angeboten wird: Die PanoMaticInverse Limited Edition.  Auf ihren Gestellteilen haben die Handgraveure von Glashütte Original dieses Mal typische Ansichten aus Dresden verewigt: Mit viel Fingerspitzengefühl entstehen die händisch gravierten Silhouetten bekannter Dresdner Bauwerke und Panoramen.

Die Silhouette Dresdens auf dem Uhrwerk

Auf der Vorderseite ist das Dach der Kunstakademie mit der geflügelten Fama Statue verewigt, neben der unverwechselbaren „Laterne“ auf der Kuppel der Frauenkirche. Ihre Form wird auf der Rückseite von einem skelettierten Rotor aufgegriffen, der sich über einer idyllischen Ansicht der Elbpromenade dreht. Bei jedem Blick offenbart diese Szenerie neue Details. Die Unruhbrücke ist mit barocken Ornamenten verziert und im Himmel über den Dächern der Stadt sind nicht nur Vögel und Wolken, sondern auch ein kleiner Heißluftballon, zu sehen – ein Anblick, den jeder Dresdner kennt. Das Zifferblatt der dezentralen Zeitanzeige überlässt den darunterliegenden Gravuren den großen Auftritt dank Saphirglasringen, die für maximale Transparenz sorgen und es über der kunstvoll verzierten Platine zu schweben lassen scheinen. Im Gegensatz zum Modell PanoInverse mit Handaufzugswerk, dessen Kaliber 66-12 über eine Gangreserveanzeige verfügt (bitte unbedingt die PanoInverse Limited Edition Großstadt in Platin ansehen!) bietet dessen Schwesterwerk, das Automatikkaliber 91-03 eine dezentrale Anzeige von Stunden, Minuten und kleiner Sekunde sowie das klassische Panoramadatum.

Es bleiben noch zwei Kollektionen, um diesen Überblick nicht völlig ausschweifen zu lassen. Aber man merkt sehr schnell: Die Gefahr bei dieser Manufaktur besteht eher darin, sich in den Details und ihrer Geschichte zu verlieren.

Eine besondere Zeit für besondere Armbanduhren: Die Sixties und Seventies

Während in der Schweiz ein gewisser Gerald Genta als wohl berühmtester Uhrendesigner der jüngeren Geschichte den sechziger und siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts unmissverständlich seinen Stempel aufdrückte, verbirgt sich hinter dem Begriff der Kollektion Vintage bei Glashütte Original nicht etwa eine Art Nachahmung beliebter Design-Trends von heute, sondern eine Besonderheit des Hauses, die eng mit dessen wechselvoller Geschichte verbunden ist.

Stilvorbild Ostdeutschland

So beziehen sich die Modelle der Baureihe Sixties und Seventies auf Uhren und Stilrichtungen der DDR-Zeit, was in sich schon besonders ist, weil vielleicht so manche andere Manufaktur den Teil der größeren Stückzahlen in seiner Geschichte eher kaschieren als mit besonderen Stücken auch noch betonen würde. Nicht so bei Glashütte Original:  Die Vintage-Modelle sind eine Hommage an die Stilsprache ihrer Zeit und die historischen Modelle waren eben überwiegend mechanische Armbanduhren. Besonders deren limitierte Varianten mit wechselnden ausdrucksstarken Zifferblättern in Anspielung an historische Vorbilder aus der damals zuliefernden Zifferblattmanufaktur in Pforzheim im Westen Deutschlands finden inzwischen international viel Beachtung. Heute ist man stolz auf diesen Teil der Geschichte und mit den Sixties-Jahreseditionen hat man spannende Farbvarianten an Zifferblättern entwickelt, die nur jeweils in einem Produktionsjahr angeboten werden.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

Legendäre Zeitmesser: Spezimatic und Spezichron

Sammler historischer Modelle haben es heute genau auf gut erhaltene Vorläufer dieser Modelle abgesehen, die sogenannte Spezimatic und die Spezichron. Als bekannteste Uhr zu DDR-Zeiten galt die Spezimatic mit dem Kaliber 74 und 75 als Basismodell, von der zwischen 1964 und 1969 heute unglaubliche drei (!) Millionen Exemplare gebaut wurden. Das zweite Modell, die Spezichron mit prägendem TV-Screen-Design, aus dem sich später das Design der aktuellen Seventies abgeleitete, wurde von 1978 bis 1985 produziert und trug das Kaliber 11 in sich. Es gab sie mit Datumsanzeige oder mit Tag- und Datumsanzeige und sie war auch die erste stoßsichere Uhr, die von der GUB hergestellt wurde. Für Kampftaucher in der DDR entstanden wasserdichte Taucher-Versionen. Das Handaufzugskaliber 09-20, das ursprünglich für Damenuhren entwickelt, aber später auch in Herrenuhren verbaut wurde, wurde sogar bis 1990 gefertigt. Es ist zugleich das letzte mechanische Werk, das zu DDR-Zeiten den Glashütter Betrieb verlassen sollte.

Credit © Archiv Deutsches Uhrenmuseum Glashütte

2015: Die Seventies erhält das hauseigene Chronographenkaliber 37-02

Seit 2015 kommt auch die Kollektion der Seventies in den Genuss des hauseigenen Chronographenkalibers 37-02 mit Flybackmechanismus, Gangreserveranzeige und Panoramadatum. Derzeit sind als Highlights die beiden jeweils auf 100 Exemplare limitierten Seventies Chronograph Panoramadatum mit Kautschuk- oder Edelstahlband in den Zifferblattvarianten „Golden Bay“ und “Ocean Breeze” erhältlich. Alle Seventies Modelle sind zudem 100 Meter wasserdicht.

SeaQ – eine neue Ära für Glashütte Original

Die DIN und ISO-zertifizierte Taucheruhr SeaQ erinnert nicht zufällig an klassische Taucheruhren der sechziger Jahre. Sie geht konkret auf ein Modell der Manufaktur aus dem Jahr 1969 zurück, die sogenannte Spezimatic RP TS 200. Sie wurde in kleiner Stückzahl für Kampftaucher der DDR hergestellt. Sport- und Freizeittaucher existierten in Ostdeutschland so gut wie nicht. Ob vielleicht auch deswegen, weil man fürchtete, dass zu viele Bürger versuchen würden, das Land über die Ostsee zu verlassen, sei dahingestellt. Und auch wenn die Ostsee im Sommer angenehm warm zum Schwimmen ist, Korallenriffe gab es dort nicht zu Zeiten des Eisernen Vorhangs und wird es dort wohl auch in absehbarer Zeit nicht geben.

Eine Erfolgsgeschichte beim zweiten Anlauf

Heute ist genau das Gegenteil der Fall. Die Nachfrage nach diesen Ausnahmeuhren ist ungebrochen: Die beiden Topmodelle bilden die SeaQ Panoramadatum und der dazugehörige Chronograph mit 43,2 Millimetern Gehäusedurchmesser. Im Inneren der bis 300 Meter wasserdichten Taucheruhren mit Keramiklünette und Saphirglasboden arbeitet das oben erwähnte Kaliber 36-13 mit Siliziumspirale und 100 Stunden Gangreserve sowie das Chronographenkaliber 37-23.

Das Original war recht klein mit 36 Millimetern Durchmesser

Neben dem recht großen Topmodell gibt es aber auch eine klassische Variante dieser Uhr mit 39,5 Millimetern Durchmesser, gut unterscheidbar an den Indizes und Zeigern und der historisierenden Leuchtmasse im „Old Radium“-Stil. Sie geht zurück auf das eingangs erwähnte historische Vorbild, das tatsächlich nur 36 Millimetern Gehäusedurchmesser hatte. Diese Modelle erschließen derzeit völlig neue Kundenkreise für die Manufaktur. Auch das beweist die enorme Stärke von Glashütte Original, mit einer zertifizierten Taucheruhr Fuß fassen zu können, ohne dass das Image der Feinuhrmacherei der Manufaktur darunter leidet. Denn auch die Uhrwerke der SeaQ sind natürlich ausnahmslos fein von Hand bearbeitet.

Ein Treffen mit dem CEO

Bevor ich mich wieder zum Ausgang bewege, treffe ich den CEO von Glashütte Original, Roland von Keith, der sich mit seiner Designerin, die übrigens seit über zwei Dekaden die Gestaltung von Glashütte Original verantwortet, kurz für Swisswatches Zeit nimmt. Sie hat die beiden Platin-Highlights, die Senator Chronometer Tourbillon Limited mit Lasergravur sowie die PanoMaticInverse mit handgravierter Dresdner Stadtsilhouette, mitgebracht.

Er scheint zufrieden mit der Richtung, in die er selbst das Unternehmen seit immerhin sechs Jahren steuert. Auch wenn man im Hause nicht über Zahlen spricht, ist die Marke international erfolgreich unterwegs: Während die Spezialist-Reihe zusammen mit der Pano-Kollektion vor allem in Europa und den USA den größten Anteil der verkauften Uhren ausmacht, sind es in Asien eher die die klassischen Senator-Modelle und solche mit Panoramadatum, wie er mir berichtet.

Welche seltenen Uhren von Glashütte Original sollte man als Sammler kennen?

Bleibt zum Abschluss die Frage, welche herausragenden Uhren man als Sammler wirklich kennen sollte: Ganz oben rangiert das bei der Neugründung 1995 vorgestellte fliegende Tourbillon, das konstruktiv natürlich auf den Glashütter Meisteruhrmacher Alfred Helwig zurückging. 1995 wurde dieser Mechanismus erstmals in einer mechanischen Armbanduhr realisiert, es war zu der Zeit die teuerste und komplizierteste Uhr aus deutscher Fertigung.

Eine mechanische Armbanduhr für 350.000 Deutsche Mark

Die Julius Assmann Tourbillon, die nur 374 Tage nach Firmenübernahme vorgestellt wurde, kostete zum Zeitpunkt der Präsentation 350.000 D-Mark. Ihre Präsentation fand auf Schloss Albrechtsberg in Dresden statt, genau 150 Jahre Einzug des Uhrenhandwerks in Glashütte. Allerdings war das fliegende Tourbillon bei diesem Modell nur auf der Rückseite zu bewundern. 1996 folgte mit der „Alfred Helwig Tourbillon“ mit dem fliegenden Tourbillon-Mechanismus auf der Zifferblattseite die Vorstellung des ersten Prototyps moderner mechanischer Armbanduhren, der heute auch bei Schweizer Modellen von Sammlern auf der ganzen Welt so geschätzt wird.

Der erste mechanische Chronograph der Welt mit Countdown

Eine weitere Weltneuheit stellte im Jahr 2000 die PanoRetrograph mit dem ersten mechanischen Countdown in einem Chronographen dar, der dank einer verbauten Tonfeder zugleich über ein Alarmsignal verfügte. Dieser Rückwärtszähler konnte erstmals ein festgelegtes Zeitintervall registrieren und herunterzählen. Am Ende des Vorganges ertönte ein akustisches Signal.

Alle 52 Kalenderwochen im Blick und ein mechanischer Terminkalender

2006 folgte eine weitere ungewöhnliche Armbanduhr mit Anzeige der 52 Kalenderwochen. 2007 brachte Glashütte Original einen bemerkenswerten Schleppzeiger-Chronographen mit dem ebenfalls in-house entwickelten Handaufzugskaliber 99 auf den Markt. Auch die 2010 vorgestellte Senator Terminkalender verfügte über eine komplett neuartige Funktion: Die Erinnerungsfunktion kann über einen Monat hinweg erfolgen, mechanisch natürlich.

Was macht eine Armbanduhr von Glashütte Original heute besonders?

Kommen wir zur vielleicht wichtigsten Frage: Was macht eine Uhr von Glashütte Original so besonders? Abgesehen von der wohl einmaligen Geschichte, in der wechselnde wirtschaftliche und politische Systeme der letzten bald 200 Jahren Menschheitsgeschichte eine prägende Rolle spielten, können Fans heutzutage die Originalität der Uhren mit bloßem Auge erkennen: Die in Glashütte entwickelte Uhren und deren Werke, gepaart mit einer einzigartigen Fertigungstiefe und einem eigenständigen Design, das zunehmend weltweit Beachtung findet, stehen für sich. Für uns bei Swisswatches ist es vor allem die vornehme Zurückhaltung, die die Modelle dieser Manufaktur so besonders macht, und das gerade in Zeiten, in denen neue Uhren immer mehr wie saisonale Modeprodukte angeboten werden.

Kompromissloser Qualitätsstandard und ein mutiger Vergleich

Nicht umsonst muss ich beim Verlassen durch das gigantische Atrium noch einmal an die Genfer Manufaktur Patek Philippe denken. Vieles vereint die beiden Häuser, wenn jetzt auch vielleicht einige vor allem wegen der grundlegend unterschiedlichen Besitzverhältnisse widersprechen wollen: Auf der einen Seite die familiengeführte Manufaktur, auf der anderen die Tochtergesellschaft eines Aktienkonzerns. Aber das ist eine zu oberflächliche Betrachtung: Denn Glashütte Original genießt innerhalb der Swatchgroup größtmögliche Eigenständigkeit und profitiert zusätzlich von den Synergien eines Konzerns, zum Beispiel beim Aufbau eines internationalen Vertriebsnetzes oder des globalen Renommees. Und am Ende befinden sich gut 44 Prozent der Swatchgroup im Besitz der Familie Hayek. Also genau jener Familie, ohne deren Engagement es heute die Schweizer Luxusuhrenindustrie nicht gäbe.

Viele Gemeinsamkeiten mit Schweizer Manufakturen

Schaut man hinter die Kulissen, finden sich mehr Gemeinsamkeiten als Trennendes zwischen großen familiengeführten, unabhängigen Schweizer Marken und Glashütte Original: Die Fertigungstiefe der Häuser ist vergleichbar, ebenso die Qualität der Handarbeit und die kompromisslosen Qualitätsstandards vor Ort in der Manufaktur. Die Innovationskraft ist solchen Manufakturen in die Gene geschrieben: Glashütte Original kann sich dabei sogar auf eine höhere in-house Wertschöpfung berufen als viele Schweizer Manufakturen. Auch gilt der Chronometertest, der noch über den Standards der Deutschen Chronometerprüfstelle sowie der Schweizer COSC liegt, als aussagekräftiger. Und charmanterweise verfügt auch Patek Philippe über eine eigene Zifferblattproduktion; die Geschichte der Familie Stern geht sogar direkt auf einen Zifferblatthersteller zurück.

Der Mut, sich selbst treu zu bleiben

Mich hat besonders überzeugt, wie man ähnlich mutig umgeht mit Tradition und Innovation in ganz unterschiedlichen Modell-Linien, die man auch dann beibehält, wenn kurzlebige Trends am Markt vielleicht etwas anderes fordern. Man versperrt sich aber eben auch nicht neuesten Technologien wie Siliziumspiralen.

Hohe Aufmerksamkeit dank Seltenheit

Aber das ist nur ein Gedanke auf dem Weg zurück nach Dresden aus dem kleinen Tal im Ost-Erzgebirge mit seiner faszinierenden Geschichte. Nach der Rückreise fällt im Gespräch mit Freunden auch in Deutschland immer wieder auf: Was die Seltenheit angeht, kann man sich als Kunde von Glashütte Original heute sogar noch freuen, beim Stehempfang unerkannt eine Glashütte Original zu tragen und nicht unangenehm wegen irgendeines Talking Piece von der Seite angesprochen zu werden. Die Uhren sind noch selten und damit findet man sich hierzulande noch in einem sehr exklusiven Kreis. Ebenso erfreulich ist, dass man bei Glashütte Original aus einer sehr breiten Palette an Gehäusematerialien von Edelstahl bis Platin auswählen kann, ohne dass deren Preisgefüge völlig realitätsfern verrückt wäre. Im Gegenteil: Was die Preise bei Glashütte Original betrifft, wird sich so mancher wundern, wie viel Uhr er fürs Geld bekommt und wie viel Detailliebe, verglichen mit mancher großen Schweizer Manufaktur. Wie war das noch mit dem Qualitätssiegel “Original Glashütte”, denke ich und muss schmunzeln.

Der Begriff Glashütte ist geschützt

Übrigens ist der Begriff Glashütte seit 2022 genauso geschützt wie Swissmade. Das klingt selbstverständlich, aber ist es hierzulande überhaupt nicht: Die sogenannte Glashütte Verordnung passierte am 11. Februar 2022 den Deutschen Bundesrat. Jeder, der mit dem Namen Glashütte werben will, muss sich an die strikten Vorgaben der Verordnung halten: Mindestens 50 Prozent der Wertschöpfung einer Uhr müssen innerhalb der Stadtgrenzen erfolgen. Es ist nach Solingen für Messer seit 1938 erst die zweite geographische Ursprungsbezeichnung, deren Schutz in einem deutschen Gesetz festgelegt wurde. Für Glashütte Original macht der Schutz des Namens keinen Unterschied: Der Begriff Original ist sowieso Verpflichtung und Anspruch seit jeher. Bei einer Fertigungstiefe von über 95 Prozent muss man sich auch nicht wirklich Sorgen um die Originalität seiner Produkte machen. Dass man den Namen einer besonderen Stadt im Namen trägt, der neben den eigenen Markenrechten nun auch noch doppelt geschützt ist, scheint diese Manufaktur nur zu immer neuen Höhenflügen anzutreiben.


glashuette-original.com